Der rechten Szene auf der Spur
http://www.welt.de/print-welt/article564448/...auf_Einbuergerung.html
Kenne ein paar Deutsche, die seit Jahren im Ausland leben und auch zwei Staatsbürgerschaften haben. Die bewahren auch die deutsche Kultur dort und sprechen auch dort überwiegend deutsch. Hat meine Familie auch getan als wir einige Jahre in Russland lebten.
Deshalb mir auch immer unverständlich, wieso in Deutschland Migration auch anderer Kulturen so kritisch beäugt wird und unter Integration immer Anpassung verstanden wird. Gerade die Vielfakt der Kulturen und Sprachen macht es ja so interessant. Das dennoch die deutsche Sprache gelernt werden muss, um hier berufliche Chancen und die Fähigkeit zur Kommunikation mit anderen Kulturen zu haben, versteht sich.
Was spricht denn gegen die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft?
Ist jetzt nicht kritisch gemeint. Mich interessiert es nur. Hab dazu noch nicht stark recherchiert, weil ich da bisher einen klaren Standpunkt hatte.
Kultur hat halt sehr viel mit persönlicher Identitätsbildung zu tun. Und Identität mit Selbstwertgefühl. Und wenn das zu bröckeln droht, wird das individuell als sehr bedrohlich erfahren. So dass sich der Festhaltereflex extrem verkrampft und die Abwehr gegenüber dem, was da in der anderen Kultur als bedrohlich angesehen wird für die eigene Identität, gerät sehr leicht in ein gewalttätiges Fahrwasser, weil es sich individuell als Notwehr moralisch rechtfertigt und die Barriere gegen Gewalt dadurch sehr brüchig wird.
Kulturkämpfe, wenn sie entfacht sind, gehören zu den brutalsten. Weil sich jeder voll im Selbstverteidigungsmodus fühlt.
Darin ähneln sich Rechtsextremisten und Islamisten...
Das hat nichts mit Akzeptanz zu tun, sondern wirft einfach praktische Probleme auf.
Stell dir mal vor Boris Becker besorgt sich ne Staatsbürgerschaft in Monaco und in Deutschland. Wo muss er denn dann seine Steuern bezahlen? Und bekommt ein Kind Kindergeld aus Deutschland und aus den Niederlanden, wenn es beide Staatsbürgerschaften hat?
ich denke, es müssen 2 dinge differenziert betrachtet werden:
1. wo fangen echter rassismus und dummblöder chauvinismus eigentlich an? überfremdungsängste habe ich persönlich zwar überhaupt nicht - ich akzeptiere diese grösse jedoch und halte sie auch nicht für rassistisch. das da manche kleinbürger den zweifel an der multikulturellen vision derart auf die spitze treiben, dass sie wirklich meinen, sie seien naturgegeben etwas besseres ist tragisch ... mit einer stets und immer vorhandenen konstante von idioten muss aber immer rechnen - ansonsten bräuchte man keine exekutive.
2. mit welchen gestalten haben wir es bei den rechten zu tun? tatsächlich sind das doch grösstenteils leute, die mit sich selbst nicht klar kommen - verlierertypen, gestrauchelte, falsch erzogene, in der schule zu dick, zu picklig, zu irgendwas, das mädel von nem auslander ausgespannt, am falschen tag vom falschen typ verprügelt, im teenie-freundeskreis immer der mitläufer und looser. bei solchen leuten ist es m.m.n. völlig scheissegal, mit welcher radikalität sie ihre komplexe überkompensieren - ob rechts, links, radikalreligiös, satanistisch, holligan oder irgendwas - die finden in jeder gesellschaft genau den scheissdreck, das thema, das passt ... dass es gerade die rechte ecke ist, in der sie landen ist mehr oder weniger zufällig. insofern akzeptiere ich den einwand nicht, dass ein migranten-diskurs in der gesellschaft und ein hinterfragen der multikulti-visionen kausal dafür verantwortlich sein sollten.
Extremes Gedankengut ist weder auf schlechtes Aussehen zurückzuführen noch auf Intelligenzmangel oder auf sozialer Isolation.
letztendlich können wir auch gern über das fehlerhafte axiom der soziologie diskutieren, welches da lautet, dass der mensch von grund auf gut ist und nur durch die umstände schlecht wird (jj rousseau - ohne diese fehlannahme hätte es keinen k. marx gegeben). nun, ich bin nicht dieser meinung, denn sie enthebt nicht nur den einzelnen seiner verantwortung - sie suggeriert im gegenteil, dass die umwelt massgeblich schuld an den verfehlungen der individuen trägt.
Und jetzt drehst Du es einfach so um?
Was du in #144 schreibst, ist eine andere philosophische Frage, von der ich gar nichts geschrieben hatte. Die Vorannahme, dass der Mensch gut zur Welt kommt und erst von der Welt zum schlechten Menschen gemacht wird, ist willkürlich, weil nicht beweisbar - da stimme ich zu. Aber eine Verneinung wäre der Untergang des Humanismus, und deshalb für mich abzulehnen.
Ich hab nie behauptet, dass ein Migrantendiskurs oder hinterfragen von Multikulti verantwortlich für die Gewalt der extremer Rechte wäre. In meinem engsten Familienkreis gibt es auch genug Leute, die von Multikulti wenig halten und die kriminelle Migranten ausweisen würden. Ich nehm das sportlich und seh das rein wissenschaftlich, diskutiere zwar mit ihnen genau wie hier im Thread, aber kann wohl leider an tief verwurzelten Ängsten und Meinungen nicht viel ändern. Und letztlich muss ich diese Meinung auch tolerieren, ohne sie rein logisch zu verstehen.
Und ich schieb auch nicht alles auf soziale Probleme, wobei das eine wichtige Komponente ist, wenn jemand radikal wird. Ob er dann gleich extrem gewalttätig wird, hängt natürlich an vielen anderen Dingen, bei der Erziehung in Familie und Schule angefangen. Mir gings ja ohnehin eher darum, dass man eben die Anfänge analysiert und eine bestimmte Richtung innerhalb der gesamten Gesellschaft vermeidet. Die Gewalttaten aktuell sind zwar schlimm, aber nichts gegen das was noch kommen kann, wenn ein größerer Teil ideologisch verblendet wird. Dann ist eben der Gewalt Tür und Tor geöffnet. Deshalb versteh ich meine Postings hier einfach als Appell und weniger als Analyse der Ursache dieser Mordserie.
wer allerdings bei den rechten clubs dieser republik mitmacht -freiwillig- und sich gegen menschen aufhetzen lässt, auf andere als etwas minderwertiges runtersieht, der muss ein defizit haben ... entweder in der reflektion oder in der person.
Leider gibt es eben auch Migrantenprobleme, die zu solchen hochstilisiert wurden. Nicht ohne Grund wurde bei den Dönermorden von Schutzgelderpressungen, Spielsucht oder anderen Gründen gesprochen. Wie viele Ermordungen von Migranten aufgrund von Schutzgelderpressungen gab es denn nun in der Zeit, in der die Nazi-Morde passierten? Weiß das überhaupt jemand?
Dennoch denke ich, dass Leute wie Sarrazin diesen radikalen Gruppen zuträglich sind. Er bringt die Menschen dazu, eine Stellung gegen Migranten einzunehmen, die sie vorher gar nicht artikulieren konnten. Mit seiner Argumentation hat er für sie glaubhaft ihr Diskussionsfundament gestärkt, und ich bezweifele, dass man nun mit sachlichen Gegenargumenten dieses erneut geweckte Überfremdungsgefühl beseitigen kann.
Und wer weiß ob in solch familiären Umfeld nicht auch Kinder aufwachsen, die aufgrund bereits solcher noch relativ harmloser Ressentiments dann in der Jugend auf die rechtsradikale Schiene kommen. Da müssen dann natürlich andere Dinge zusammen kommen, wie ein entsprechender Freundeskreis oder schlechte Lehrer oder eine bestimmte aktuelle Situation in der Gesellschaft, aber ich glaube jemand, der bereits humanistischer und aufgeklärter erzogen wird, egal ob in Familie, Schule oder Medien, der läuft halt weniger Gefahr überhaupt in der Jugend in solche Kreise zu geraten. Insofern spielt die vermeintlich harmlose rechte Gesinnung der Erwachsenen durchaus eine große Rolle. Und deshalb werd ich mich auch nie damit abfinden, rechtspopulistische Meinungen einfach so stehen zu lassen, weil es angeblich zum normalen demokratischen Spektrum gehört.