mit dem Chef des Biospritherstellers Verbio: Der Autofahrer zahlt die Party
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Claus Sauter, Chef des Biospritherstellers Verbio, spricht im FR-Interview über die Ethanol-Quote, Flächenrodungen und die Lüge der Strafzahlungen.
Biosprithersteller haben derzeit einen schweren Stand. Autofahrer wollen von Ethanol als Kraftstoff nichts wissen. Zugleich werfen Umweltschützer ihnen vor, für die Zerstörung von Wäldern verantwortlich zu sein. Claus Sauter, Chef des Branchenführers Verbio, will neue Wege gehen mit der Verwertung von Reststoffen.
Herr Sauter, haben Sie an einer Tankstelle schon einmal Super Plus getankt?
Ich habe noch nie in meinem Leben Super Plus getankt. Eher würde ich mir die Finger abhacken als Super Plus zu tanken.
Millionen Autofahrer aber tanken Super Plus und meiden E10, weil sie stark verunsichert sind. Auf wen sind Sie mehr sauer: auf die Mineralölbranche oder die Bundesregierung?
Ich bin auf gar niemand sauer. Ich brauche kein E10. Die Mineralölwirtschaft hat gefordert, dass die gesetzlichen Bestimmungen für Kraftstoff so geändert werden, dass eine Beimischung von Ethanol von zehn Prozent, also E10, erlaubt wird. Zuvor waren nur fünf Prozent zulässig. Warum? Weil die Mineralölbranche keine andere Möglichkeit sah, die vorgeschriebene Quote von 6,25 Prozent Biokraftstoff am gesamten Kraftstoffabsatz zu erfüllen.
Jetzt tanken die Autofahrer viel weniger E10 als erwartet. Die Mineralölbranche behauptet, das bringe finanzielle Belastungen, weil die Quote nicht erfüllt werde und deshalb Strafen gezahlt werden müssten.
Das ist eine Lüge und diese Aussage wurde auch bereits vom Mineralölwirtschaftsverband zurückgenommen. Strafzahlungen können vermieden werden. Die Mineralölfirmen haben zwei Möglichkeiten: Sie können Ethanol und Biodiesel, die teurer sind als mineralische Kraftstoffe, kaufen und beimischen. Sie hätten aber auch die Möglichkeit, nur mineralische Kraftstoffe zu verkaufen. Um die Quote zu erfüllen, müssten sie dann Biokraftstoff-Zertifikate erwerben. Deren Preis entspricht den Mehrkosten für die Beimischung. Im Moment herrscht in der Mineralölbranche ohnehin in Bezug auf die Beimischung eine große Gelassenheit.
Warum?
Weil die Unternehmen in den vergangenen Jahren die 6,25-Prozent-Biokraftstoffquote übererfüllt haben. Selbst wenn sie keinen einzigen Liter E10 in diesem Jahr verkaufen würden, käme die Mineralölbranche in diesem Jahr ohne Strafzahlungen davon.
Warum dann all die Aufregung um E10?
Es ging darum, größtmögliches Theater und größtmögliche Aufregung zu generieren, um die – aus Sicht der Mineralölwirtschaft – „Missgeburt“ Biokraftstoffe aus der Welt zu schaffen.
Wollen Sie damit sagen, dass die Mineralölfirmen die Konkurrenz der Biokraftstoffhersteller kaputtmachen wollen?Wie gesagt, ursprünglich wollte die Mineralölbranche E10. Es wurde von heute auf morgen eingeführt und alle dachten, das funktioniert von selbst, weil E10 fünf Cent billiger war als konventioneller Superkraftstoff. Doch die Rechnung wurde ohne die Autofahrer gemacht. Die sind der Meinung, dass ihr Auto eine Seele hat, und dass die Seele Schaden nimmt, wenn man ihr vermeintlich minderwertigen Kraftstoff zumutet. Dabei bringt E10 mehr Leistung.
Wie lösen wir das E10-Problem?
Im Moment bezahlt der Autofahrer freiwillig die Party dadurch, dass er unnötigerweise E5 tankt und die Mineralölkonzerne noch reicher macht. Autofahrer fühlen sich dabei noch happy, weil sie glauben, sich durch die Verweigerung der „Öko-Plörre“ einem politischen Diktat nicht zu unterwerfen, und der Seele des Autos glauben sie etwas Gutes zu tun.
Aber Sie sind nicht happy?
Doch. Unsere Kapazitäten für die Ethanolproduktion sind bis zum Jahresende komplett ausgelastet. Die Mineralölbranche braucht für E5 ja Ethanol und der Absatz von E10 wächst – ich schätze, 30 bis 40 Prozent der Autofahrer tanken inzwischen E10. Der Ethanol-Absatz steigt. Das Geschäft brummt.
Aber wie lange noch?
Es könnte passieren, dass die Politik aufgrund des Drucks der Mineralölbranche die Quote wieder senkt. Das darf aber nicht passieren, denn es gibt von der EU verbindliche Ziele: 2020 sollen zehn Prozent der Mobilität mit erneuerbaren Energien erreicht werden. Um dies zu erreichen, brauchen wir E20, E25 und mehr.
Bedeutet mehr Biokraftstoff aber nicht mehr Fläche für Agrarrohstoffe und höhere Nahrungsmittel-Preise?Die Nahrungsmittelproduktion steht klar im Vordergrund. Wir betreiben selbst Landhandel. Qualitätsweizen verkaufen wir natürlich an die Mühlen. Die zweite Kategorie ist das Getreide zum Verfüttern an Nutztiere. Was übrig bleibt, geht in die Ethanolproduktion. Dieses Getreide wollen Sie ganz bestimmt nicht fürs Brotbacken verwenden.
Ein Problem bleibt doch: Durch mehr Energierohstoffe auf den Äckern verschwinden Wälder und andere wertvolle Lebensräume. Biosprit belastet so das Klima stärker fossiler Kraftstoff. Verbio verfolgt hier einen klaren Ansatz: Wir setzen Rohstoffe ein, die nicht für die Nahrungs- und die Futtermittelindustrie geeignet sind oder die auf bisher stillgelegten Flächen angebaut werden. Zunehmend setzen wir Reststoffe wie Stroh ein. Deshalb ist die indirekte Änderung der Landnutzung bei unserem Konzept kein Thema. Die Politik muss dahin gehen, wo das Problem tatsächlich entsteht, etwa in Brasilien, wo Flächen für den Zuckerrohranbau zur Bio-Ethanolgewinnung gerodet werden. Wir fordern: Wer Nachhaltigkeitskriterien nicht erfüllt, darf nicht nach Europa exportieren.
Damit würden Ihnen Konkurrenten vom Hals gehalten. Es geht darum, dass es gravierende Fehlentwicklungen gibt, dagegen muss die Politik vorgehen. Indirekte Nutzungsänderung ist eine Ausgeburt der Globalisierung, die gigantische negative Effekte generiert. Auf Teufel komm raus soll mehr Bio-Diesel und Bio-Ethanol produziert werden, ohne daran zu denken, dass es eigentlich um die Reduktion des CO2-Ausstoßes geht. Aber zugleich gilt: Ackerflächen werden zum allergrößten Teil ausgeweitet, weil der Wohlstand in Schwellenländern wächst. Wir müssen manches neu denken, und wir brauchen radikale Lösungen.
Wie sehen Ihre radikalen Beiträge dazu aus?Wir brauchen künftig doppelt so viel agrarischen Energie-Rohstoff. Doppelt so viel Fläche haben wir aber nicht. Wir müssen deshalb die Effizienz steigern und Reststoffe wie Stroh oder Mist, die heute größtenteils nicht genutzt werden und auf den Feldern verrotten, zur Biokraftstoffproduktion einsetzen. Das Potenzial dafür ist gigantisch.
Kommt dies nicht zu spät? Wissenschaftler fordern, auf Bio-Sprit zu verzichten – wegen der negativen Nebenwirkungen. Das ist Quatsch. Die Technologie ist ausgereift. Bei Biogas haben Sie eine CO2-Reduktion im Vergleich zum konventionellen Sprit von mehr als 90 Prozent. Wir bauen gerade zwei Produktionslinien auf, bei denen Getreidestroh zu Methan vergast wird. Das bedeutet: Das Korn geht in die Ethanolanlage, der Halm geht in die Biogasanlage, dafür brauchen wir keine zusätzlichen Anbauflächen. Nur muss man endlich einen Motor bauen, der Biogas verbrennt und die Eigenschaften eines spritsparenden Dieselmotors hat.
Sie müssen nur noch die Autobauer überzeugen, ihre Motoren-Entwicklung über den Haufen zu werfen.
Das ist tatsächlich das Hauptproblem. Aber wir haben einen Zwischenweg gefunden. Er heißt Dual-Fuel. Es geht um Lkw-Motoren, die Diesel und Gas gleichzeitig verbrennen. Für die Biokraftstoffstrategie der Bundesregierung ist das eine neue Perspektive.
Wenn das so toll ist, warum fahren wir längst nicht alle mit Biogas? Liegt’s am Preis?Nein, wir verkaufen Biogas zum Erdgaspreis. Auch ich habe mich anfangs gefragt: Warum kann sich Gas als Treibstoff für Autos nicht durchsetzen? Die Antwort: Erstens blockieren sich die verschiedenen Akteure gegenseitig. Zweitens ist das für Pkw alles zu mühsam, auch weil Autofahrer um die Seele ihrer Autos fürchten. Biogas kommt insbesondere im Schwerlastverkehr zum Fliegen, bei Lkw mit 400 oder 450 PS.
Das Interview führte Frank-Thomas Wenzel. |