Neues von Stoiber
Berlin (dpa) - Der bayerische Ministerpräsident und CSU- Vorsitzende Edmund Stoiber hält sich eine erneute Kanzlerkandidatur offen. Sein Wahlsieg bei der Landtagswahl am vergangenen Sonntag sei zwar «ein Höhepunkt» seines politischen Lebenswegs. Ob er allerdings noch einmal ein anderes politisches Amt bekleiden werde, wisse er nicht, sagte Stoiber dem Berliner «Tagesspiegel».
«Da ich nicht in die Zukunft zu schauen vermag, kann ich diese Frage letzten Endes nicht beantworten.» Er ermahnte die Union zugleich, gegenwärtig «für solche Diskussionen über die eigenen Absichten keinerlei Anlass zu geben».
Indirekt gab Stoiber auch seine Zustimmung zu Wolfgang Schäuble als Unionskandidat für das Amt des Bundespräsidenten zu verstehen. Auf die Frage, ob ein Politiker wie Schäuble, der im Zuge der Parteispendenaffäre das Parlament belogen habe, als Bundespräsident in Frage komme, erklärte der CSU-Chef: «Zu einer Demokratie und aufgeklärten Gesellschaft gehört letzten Ende auch das Verzeihen- Können. Gäbe es das nicht, wäre das auch eine zutiefst intolerante Gesellschaft.» Eigene Ansprüche auf das Amt des Bundespräsidenten schloss Stoiber erneut kategorisch aus.
Eindringlich warnte er die Länderchefs der Union davor, dem Vorziehen der Steuerreform durch Aufnahme neuer Schulden zuzustimmen: Dies dürfe «kein verantwortungsbewusster Ministerpräsident mitmachen». Eine geschlossene Position der Union im Bundesrat halte er «für notwendig».
Stoiber wandte sich auch gegen die vom Bundesfinanzministerium geforderte Kürzung des Bundeszuschusses zur Rente, die unter anderem über eine Nullrunde bei der jährlichen Rentenerhöhung finanziert werden könnte. Ohne «Sinn und Konzept» dürften die Renten nicht gekürzt werden, sagte Stoiber. Sicherlich müssten auch den Rentnern Opfer abverlangt werden. Man müsse ihnen aber auch sagen, warum.
von Hans Jürgen Leersch
Edmund Stoiber steht in dem Ruf, Entscheidungen detailversessen und gründlich vorzubereiten
Foto: rtr
Es gebe "kein schöneres Amt als das des bayerischen Ministerpräsidenten", ließ Edmund Stoiber wissen. Das war 2001, und schon wenige Monate später mußte sich der Ober-Bayer korrigieren und trat als Kanzlerkandidat der Union für die Bundestagswahl an. Der "Marsch auf Berlin" war befohlen, aber Stoiber kam nicht an. Jetzt muß er sich wieder entscheiden, ob es in Berlin nach einem Wahlsieg der Union Alternativen zum "schönsten Amt" gibt.
Entscheidungen gründlich vorzubereiten, dafür steht Stoibers Name. Der 63jährige Jurist gilt als detailversessen, Hauptaufgabe seiner zahlreichen Begleiter scheint der Transport von Pilotenkoffern zu sein, in denen sich leicht mehrere Din-A-4-Ordner versenken lassen, die Stoiber dann aus dem Koffer holt. Lesen, studieren, rückfragen, noch eine Stellungnahme anfordern, und erst nach Ausleuchtung des letzten Winkels und Berücksichtigung des kleinsten Einwands eine Entscheidung treffen, die das Musterland Bayern weiterbringt - das ist Stoibers Welt.
Genauso schwer tut er sich bei personellen Entscheidungen. Wenn es schmerzhafte Ereignisse in Stoibers politischem Leben gab und gibt, dann sind das Kabinettsumbildungen. Irgendwann wächst der Druck im Kessel so sehr, daß der CSU-Chef nicht mehr abwarten kann. "Der Edmund leidet", weiß ein ehemaliger Mitarbeiter der CSU-Führungsebene, "wie ein Hund, wenn er einen rauswerfen muß." Gerecht will er sein, geduldig wie ein Familienvater, aber das wird ihm von seinen Gegnern oft als Führungsschwäche ausgelegt. Die Affäre um Kultusministerin Monika Hohlmeier beispielsweise zog sich über Gebühr in die Länge. Stoiber gab der Ministerin eine "zweite Chance", und das Elend ging weiter. Der Sozialwiderständler Horst Seehofer bekam Gesprächstermine und Bedenkzeiten, bis der Parteitag, auf dem es um die lang erwartete Einigung mit der CDU über die Gesundheitsreform ging, beinahe gescheitert wäre. Lange vorbei sind die Zeiten, als man Stoiber "das blonde Fallbeil" nannte.
Der guten Rat suchende Ministerpräsident hat sich mit einer Truppe von emsigen Mitarbeitern umgeben, überwiegend Juristen aus der bayerischen Verwaltung. Die schreiben unablässig Vermerke und Stellungnahmen, aber der Chef ist schneller - er liest alles, und das auch noch gründlich. Das Wahlvolk im Freistaat jedenfalls schätzt den Arbeiter in der Staatskanzlei: "Mir san gsund, und Stoiber schafft für uns".
Seit 1993 im Ministerpräsidentenamt, regiert Stoiber nach dem Grundsatz, daß das Bessere der Feind des Guten ist. Platz zwei reicht ihm nicht. So wurde der Freistaat in seiner Regierungszeit das Bundesland mit der niedrigsten Kriminalität, dem besten Schulsystem, dem höchsten Wirtschaftswachstum, der niedrigsten Arbeitslosigkeit und der geringsten Neuverschuldung. Und 2006 soll Bayern ganz ohne Neuverschuldung auskommen - das wäre ein absolutes Alleinstellungsmerkmal in Deutschland. Die Wähler dankten es ihrem "Edi" zuletzt mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit für die CSU im Landtag, und als Kanzlerkandidat holte Stoiber in Bayern mit 58,6 Prozent ein an Zeiten seines großen Vorbilds Franz Josef Strauß erinnerndes Ergebnis.
Stoibers Vorzüge und die Erfolgsbilanzen aber sind zugleich sein Problem. Kanzler Schröder stoppte den Marsch des fachlich versierten Kanzlerkandidaten auf Berlin mit emotionalen Themen wie Kriegsangst und Fluthilfe. Stoibers Erfolge in Bayern aber sind kaum noch zu steigern. Im Gegenteil. Es mehren sich Zeichen für erstarrende Strukturen und beginnende Diadochenkämpfe. Da läge es nahe, die Strukturen durch einen Wechsel nach Berlin aufzubrechen. "I will was bewegen", hat Stoiber selbst einmal gesagt. Im wie geölt laufenden CSU-Land Bayern ist das kaum noch möglich, in Berlin dagegen wartete ein Augias-Stall auf Stoiber. Doch er zögert.
Dafür hat er gute Gründe: Die Ankündigung eines Wechsels würde sofort Nachfolgekämpfe in München ausbrechen lassen, Kraft im bevorstehenden Wahlkampf kosten. Kronprinzen sind Staatskanzleichef Erwin Huber und Innenminister Günther Beckstein. Beckstein soll aber auf einen der ersten Listenplätze für die Bundestagswahl und in Berlin nach dem Wahlsieg Innenminister werden, falls die Konstellationen es zulassen. Und Huber käme dann zum Zuge, wenn Stoiber nach Berlin ginge.
Aber geht er? Er selbst sei unentschlossen, mit Tendenz zum Ablehnen, heißt es. Seine Frau Karin hat wenig Neigung, das schöne Haus in Wolfratshausen mit einer Villa in Grunewald zu tauschen. Als CSU-Chef sei Stoiber immer in der Regierung, sagt Generalsekretär Markus Söder. "Es bleibt dabei, es wird nach der Wahl entscheiden, und nicht vorher."
Aber der Druck nimmt zu. "Herr Stoiber sollte sich noch vor der Wahl äußern, wo er seine Zukunft sieht", sagte Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) zur WELT, und ähnlich wie Milbradt hatten sich zuvor der Finanzexperte Friedrich Merz und Unions-Fraktionsvize Michael Meister (beide CDU) geäußert. Sachsen-Anhalts Regierungschef Wolfgang Böhmer dagegen läßt die Frage offen: "Da kann ich Herrn Stoiber nicht raten, diese Entscheidung muß er allein treffen", so Böhmer zu dieser Zeitung. Ein weiterer CDU-Ministerpräsident, der ungenannt bleiben will, fügt hinzu: "Wir müssen mit Stoiber leben, egal ob er nun in München oder Berlin sitzt." Doch es sind Sätze wie die von Böhmer, die Stoiber bevorzugt. Es ist nicht nur die Sorge vor Nachfolgekämpfen in München, die ihm Zurückhaltung aufzwingt: Erst das Wahlergebnis entscheidet, ob die Union regieren kann. Und dann hängt es von der Stärke der CSU ab, welche Positionen sie bekommt. Ganz frei wäre Stoiber nach einem Wahlsieg in seinen Entscheidungen also nicht mehr. Wie bei der Kanzlerkandidatur haben auch andere ein Wort mitzureden, zum Beispiel der mächtige Landesgruppenchef Michael Glos. Der wiederum würde sich wünschen, "daß Stoiber nach Berlin kommt", denn Glos will, daß die CSU in einer Berliner Regierung das größtmöglichste Gewicht hat. Das wiederum geht nur mit Stoiber, der dann ein wirkliches gutes oder besonders wichtiges Ressort bekommen müßte. Zum Außenministerium raten ihm einige Berater. Ihm selbst sage das jedoch nicht übermäßig zu, heißt es. Vom Finanzressort aber wird ihm inzwischen abgeraten: Zu groß droht der Ärger wegen Staatsdefizit und Steuererhöhungen zu werden. Als neue Variante kommt nun ein Superministerium aus Wirtschaft und Verkehr ins Gespräch.
Viel hängt auch von CDU-Chefin Angela Merkel ab. Sie will Stoiber gern im Kabinett, um ihn einzubinden, und Poltereien aus München gegen "die in Berlin" zu unterbinden. Ein schwieriges Ministerium wie Finanzen wäre aus CDU-Sicht für Stoiber geradezu ideal. Der Ärger bliebe an der CSU kleben, und Merkel-Gegner Merz, der schon auf den Ruf wartet, wäre ausgebremst.
Das alles weiß Stoiber. Er erinnert sich auch an das Schicksal seines Vorgängers im Parteiamt, Theo Waigel, der in Bonn als Minister die Staatsfinanzen in den Griff zu bekommen versuchte und sich starkem Beschuß aus München ausgesetzt sah. Eine Wiederholung der Situation aber ist ausgeschlossen: Waigels Widersacher hieß Stoiber. Der Weg nach Berlin ist also frei.
Artikel erschienen am Do, 9. Juni 2005
Welt.de
München (dpa) - CSU-Chef Edmund Stoiber hat übertriebene Erwartungen an eine unionsgeführte Bundesregierung gedämpft. Die Schlussbilanz von Rot-Grün sei verheerend, sagte Stoiber am Montag vor Beginn der CSU-Vorstandssitzung in München.
Sie werde zugleich die Eröffnungsbilanz von CDU/CSU nach einem möglichen Wahlsieg im Herbst sein. Ein Wechsel sei eine große Chance für die Union, aber auch eine «riesige Herausforderung». CDU und CSU müssten deshalb ihr Regierungsprogramm gründlich vorbereiten.
Von PETER BOENISCH
Peter Boenisch
„Es ist mir egal, wer unter mir Kanzler ist.“ Spruch des Bayern Franz Josef Strauß.
Ob der coole Bayer Edmund Stoiber jetzt ähnlich denkt, wissen nur er und seine Frau. Elf Jahre in unmittelbarer Nähe von Strauß hinterlassen gewiß ihre Spuren. Es ist so schön, in der Regierung die tickende Bombe zu sein.
Menschlich sehr verschieden, waren und sind Stoiber und Strauß in ihren politischen Sehnsüchten Zwillingsbrüder. Strauß hätte Genscher am liebsten zum Mars geschossen, um Außenminister zu werden. Nun will auch Stoiber Chef der Diplomaten in den gestreiften Hosen werden.
Ererbter Lederhosen-Ehrgeiz
Von Talleyrand, Großmeister der Diplomatie, stammt der Lehrsatz: „Außenpolitik ist die Kunst, einem solange auf den Zehen zu stehen, bis der sich entschuldigt.“
Edmund kann schon üben – aber bitte nicht mit Nagelschuhen.
verboten
Guten Tag,
meine Damen und Herren!
Immer mehr Menschen fragen sich: Wie lange hält das Edmund Stoiber noch aus?
Alle Welt will von ihm wissen: Bleibt er in München - als Ministerpräsident? Oder geht er nach Berlin - als Superminister für Äußeres?
Aber: Edmund Stoiber schweigt. Hartnäckig. Oder er lässt von der Bayerischen Staatskanzlei Meldungen dementieren, die ihn schon im Auswärtigen Amt wähnen.
Dabei muss er sich jetzt entscheiden - so wie es jetzt eine Reihe von Idolen tun.
1) Heino geht in den Ruhestand.
2) Roland Koch will doch in Hessen bleiben.
verboten meint: Sie können mehr, Dr. Stoiber! Viel mehr. Nämlich beides.
Bleiben Sie bitte in Bayern.
Und gehen Sie in den Ruhestand.
taz Nr. 7700 vom 27.6.2005
München/Berlin - CDU und CSU sollen mit der Ankündigung einer Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent in den Wahlkampf ziehen. Das berichtet der "Spiegel" über den Entwurf des Wahlprogramms. CSU-Chef Edmund Stoiber habe bereits zugestimmt, CDU-Chefin Angela Merkel zögere noch.
Das CSU-Präsidium berät das Programm am Donnerstag in München. Beschlossen wird es in einer gemeinsamen Präsidiumssitzung von CDU und CSU am 11. Juli in Berlin.
Offen ist demnach, ob die 16 Milliarden Euro Mehreinnahmen nur die Lohnnebenkosten senken oder auch die Haushaltslöcher stopfen sollen. Ein ausgeglichener Haushalt könne jedenfalls erst nach 2009 erreicht werden.
Stoiber drängt auf eine Senkung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 39 Prozent und auf zwölf Prozent Eingangssteuersatz. Dafür sollen alle Ausnahmen, Abschreibungsmodelle und Steuersparfonds wegfallen. "Das muss alles weg, weg damit", sagte Stoiber bei einer Partei-Veranstaltung. Sozial gerechter sei, wenn ein Spitzensteuersatz von 39 Prozent tatsächlich bezahlt werde, als einen höheren Satz auf zehn Prozent herunterzurechnen.
Stoiber forderte die Union auf, ihre Pläne öffentlich zu machen: "Das müssen wir ankündigen, dann können uns die Demonstrationen weniger anhaben." Mit Widerstand rechnet er: "Die Proteste in Bayern sind im Vergleich dazu nur ein laues Lüftchen." Die Abgeordneten müssten sich "warm anziehen".
Der nordrhein-westfälische Finanzminister Helmut Linssen (CDU) forderte seine Partei allerdings auf, nur den Eingangssteuersatz zu reduzieren, um die kleinen Einkommen zu entlasten. Hessens Ministerpräsident Roland Koch ist dafür, dass die Union Reiche stärker zur Steuerkasse bittet. Er will zudem die Gesundheitsreform spätestens 2007 auf den Weg bringen. Direkt nach der Wahl werde eine Arbeitsmarktreform umgesetzt. Die Rente mit 67 steht bisher nicht im Unions-Konzept.
Die CDU-Spitze rechnet damit, dass die wirtschaftliche Gesundung mindestens acht Jahre dauern wird. Auch Stoiber sagte, auf Merkel warte "die größte Aufgabe, die je ein Kanzler in Friedenszeiten übernommen hat".
(ap/cd)
Die Junge Union stellte faktisch ein Ultimatum bis zu einem möglichen Rücktritt des Parteivorsitzenden....Auch Landtagspräsident Alois Glück hält einen Sturz Stoibers laut "Focus" nicht für ausgeschlossen. "Wenn sich in den kommenden Monaten nichts verbessert, wird es für den Edmund eng", sagte Glück dem Magazin zufolge zu Parteifreunden. Ähnlich habe sich Bayerns Wirtschaftsminister Otto Wiesheu in vertrauter Runde geäußert.
Krise in der CSU, Stoiber in Bedrängnis
Die CSU-Führung hält nach Informationen der "Bild am Sonntag" eine Umfrage zurück, wonach die CSU in der Wählergunst auf weniger als 40 Prozent kommt. Generalsekretär Söder dementierte umgehend: Die Partei habe eine solche Erhebung nicht in Auftrag gegeben.
Hamburg/München - Die Macht des bayerischen Ministerpräsidenten bröckelt zusehens: Bei der Landtagswahl 2003 hatte die CSU in Bayern noch 60,7 Prozent erhalten. Jetzt sollen die Werte bei unter 40 Prozent liegen, berichtet die "Bild am Sonntag". Dazu liege der CSU-Führung eine aktuelle Umfrage vor, diese werde aber unter Verschluss gehalten. Ein CSU-Vorstandsmitglied sagte dem Blatt: "Wir verzeichnen intern Umfragewerte für die CSU in Bayern von 39 Prozent. Es ist wie 1993 bei Max Streibl." CSU-Chef Edmund Stoiber hatte damals den CSU-Ministerpräsidenten Streibl abgelöst, als dessen Umfragewerte abgesunken waren.
Edmund Stoiber: Abrupte Sinneswandlungen, ewiges Hin und Her
Als Gründe für den aktuellen Absturz gelten Stoibers Zickzackkurs in der Entscheidung, ob er ein Amt in der Bundesregierung übernehmen soll, aber auch seine Attacken auf die Ostdeutschen im Bundestagswahlkampf. Damals hatte er erklärt, es könne nicht sein, dass die Frustrierten entscheiden dürften, wer Bundeskanzler werde.
CSU-Generalsekretär Markus Söder bestritt, dass die Partei eine Wähler-Befragung durchgeführt habe. "Meldungen über eine angebliche interne Umfrage der CSU entbehren jeder Grundlage. Die CSU hat definitiv keine Umfrage in Auftrag gegeben. Umfragen wie zum Beispiel vor einigen Tagen von Forsa sehen die CSU wie bei der Bundestagswahl am 18. September bei knapp 50 Prozent."
Angesichts der dramatischen Zahlen plane Stoiber den Wechsel seines Wirtschaftsministers Otto Wiesheu (CSU) in den Vorstand der Deutschen Bahn zu einer Kabinettsumbildung zu nutzen, schrieb die "Bams" dagegen. "Es wird Wechsel auf zwei oder drei Positionen geben", sagte ein Vertrauter des Regierungschefs demnach der Zeitung. Als Favorit für die Wiesheu-Nachfolge gelte der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Erwin Huber. Einen Wechsel könne es auch im bayerischen Umweltministerium geben. Dessen derzeitiger Chef Werner Schnappauf könne auf einen anderen Regierungsposten wechseln, im Gespräch sei die Staatskanzlei. Möglicherweise werde Schnappauf sogar aus der Regierung ausscheiden. Abgelöst werde wohl auch Landwirtschaftsminister Josef Miller.
Als Symbolfigur für alles, was schief gelaufen ist, gilt Regierungssprecher Martin Neumeyer. Kein Minister, kein Parteifreund hat über Stoiber so viel Macht wie Neumeyer. Er gilt als Stoibers Schattenmann, und als Symbol für die Schwächen des Systems Stoiber: den egomanischen Regierungsstil, die abrupten Sinneswandlungen, das ewige Hin und Her, all das wird Neumeyer angelastet.
In der CSU wird Neumeyers Zukunft in Frage gestellt, gleichzeitig heißt es, die Verantwortung für politische Vorgänge könne nicht bei ihm allein abgeladen werden. Auch Generalsekretär Markus Söder muss um seinen Posten bangen. Der "Bams" sagte die CSU-Bundestagsabgeordnete Renate Blank: "Selbstverständlich steht auch Generalsekretär Markus Söder in der Verantwortung für das Wahlergebnis und für den Wahlkampf der Landesleitung."
Der Vorsitzende der Jungen Union in Bayern, Manfred Weber, betonte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur ddp, er bestehe "sehr deutlich" auf eine inhaltliche und personelle Erneuerung der Partei und der Staatsregierung. Ob und wie schnell dies geschehe, werde zur "Messlatte für Stoiber". Der Ministerpräsident habe nach den Querelen um seinen Verzicht auf ein Ministeramt in Berlin einen "Vertrauensvorschuss" erhalten. Die Erneuerung müsse sofort, bereits auf dem kleinen CSU-Parteitag am morgigen Montag in München, beginnen. Er erhoffe sich bei dem Treffen eine konstruktive Diskussion über die inhaltliche Zukunft der Partei. "Sie darf nicht mehr länger nur der Transmissionsriemen der Staatskanzlei sein, sondern muss wieder zur Ideenwerkstatt werden", sagte Weber. Er versicherte, er erhalte für sein Drängen sehr viele positive Rückmeldungen aus der Partei.
MfG
kiiwii
...darf man in Österreich ungestraft sagen:
Edmund Stoiber wird das Urteil nicht gerne gehört haben (dpa) | |
Österreicher dürfen Stoiber "Rassist" nennen
Es passierte vor fünf Jahren während eines Wahlkampfauftritts des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber für die Österreichische Volkspartei in Graz. Auf dem Hauptplatz der steirischen Landeshauptstadt soll der CSU-Politiker gesagt haben, er könne sich auf deutschem Boden keine Gesellschaft vorstellen, die "durchmischt und durchrasst" sei. Und: "Wir wollen nicht, dass sich hier Lebensformen etablieren, die nicht deutsch sind, wo man nicht unsere Bräuche pflegt."
Auf die Stoiber-Äußerungen reagierten Gegendemonstranten der Gruppe "Mayday 2000" mit dem Zwischenruf: "Stoiber ist ein Rassist." Dies ahndete eine Verwaltungsbehörde als "Verletzung des öffentlichen Anstandes". Der zuständige Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) bestätigte in zweiter Instanz die verhängten Strafen gegen acht Demonstranten. Der Zwischenruf habe einen "schweren Verstoß gegen die Schicklichkeit" dargestellt, hieß es in der Begründung.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Auch gegen diese Entscheidung legten die Verurteilten Berufung ein - und bekamen diesmal beim Verwaltungsgerichtshof in Wien Recht. Die Richter hoben die Strafe wegen "Rechtswidrigkeit" ihres Inhalts auf. Der besagte Zwischenruf sei in Bezug auf tatsächlich getätigte Aussprüche Stoibers als ein zulässiges "Werturteil" einzustufen. Dies falle unter das Recht der freien Meinungsäußerung, welches durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützt sei. Davon seien auch "kritische oder ablehnende Formen der Meinungsäußerung" umfasst, insbesondere bei öffentlichen, frei zugänglichen Veranstaltungen, urteilte der Verwaltungsgerichtshof. (N24.de)
Früher war Edmund Stoiber der unbestrittene Star der CSU. Seit er überstürzt den Rückzug aus Berlin angetreten hat, ist in der Partei nichts mehr wie zuvor. Aus anfänglicher Wut ist inzwischen tiefsitzender Groll geworden. Doch der Betroffene hat den Ernst der Lage offenbar noch nicht begriffen.
Ein Kommentar von Peter Fahrenholz
Wenn Franz Josef Strauß jemanden als politisches Leichtgewicht lächerlich machen wollte, hat er dafür gern ein Bild aus dem Schwimmbad verwendet. Das sei wie bei einem, der aufs Zehn-Meter-Brett steige, dort ein wenig herumwippe, aber statt zu springen wieder herunterklettere. Genau so hat sich sein einstiger Musterschüler Edmund Stoiber verhalten. Seit er vom Berliner Sprungturm gestiegen ist, nachdem er das Publikum zuvor lange mit seinen Posen genervt hatte, ist in der CSU nichts mehr wie zuvor. Aus der ersten Wut ist tiefsitzender Groll geworden.
Mit seiner ruhmlosen Flucht vor der Verantwortung hat Stoiber den emotionalen Draht zur eigenen Partei gekappt. Der war ohnehin stets dünner, als die Jubelarien auf Parteitagen suggeriert haben. Stoiber war nie der vitale Charismatiker wie Strauß, dem die Herzen der Partei zugeflogen wären und erst recht nicht der ehrfürchtig verehrte Patriarch wie Brandt in der SPD. Der Vorsitzende Stoiber wurde in der CSU allenfalls respektiert wegen seines Fleißes, seiner Einsatzbereitschaft, seiner Kompetenz und natürlich wegen seiner Wahlerfolge. Sein Vertrauenskapital hat er sich in langen Jahren mühsam erarbeiten müssen – und in wenigen Wochen verspielt.
Stoibers Absturz ist atemberaubend. Im vergangenen Jahr noch hätte er Bundespräsident werden können oder Chef der EU-Kommission. Jetzt hat er sein Ansehen auf allen Ebenen verloren, in der politischen Klasse, in der CDU, in der eigenen Partei, bei seinen Wählern. Und das ist für den CSU-Chef das Allerschlimmste. Die Parteifunktionäre kann man irgendwann wieder einfangen. Notfalls gibt es eben so viele Aussprachen, bis alle vom Diskutieren ganz ermattet sind. Und wenn das nicht reicht, hilft eine Geldspritze für die Infrastruktur in den Wahlkreisen rechtzeitig vor den nächsten Wahlen. Aber der Glaubwürdigkeitsverlust bei den eigenen Anhängern ist kaum reparabel.
Die Rolle als bundesdeutscher Musterknabe
Stoibers gewundene Begründungen haben die Sache noch verschlimmert – sie gelten als billige Ausflüchte. Sein Abgang wurde als das gesehen, was er auch war: Eine Fahnenflucht aus persönlicher Frustration. Als es ernst wurde, stellte Stoiber seine eigene Befindlichkeit über das Wohl von Land und Partei. Der Mann, der sich immer in der Champions League wähnte, erwies sich am Ende noch nicht einmal als bundesligatauglich – das ist das Bild, das haften bleibt.
Die Wurzeln des Zorns über Stoiber reichen jedoch tiefer. Die Probleme begannen im Moment seines größten Triumphes: Mit der Zweidrittel-Mehrheit bei der bayerischen Landtagswahl 2003 tilgte Stoiber zwar die Schmach seiner knappen Niederlage gegen Gerhard Schröder ein Jahr zuvor, gleichzeitig verlor er aber den Blick für die Realitäten. Die CSU hat das Ergebnis immer überschätzt, es war vor allem der Schwäche der politischen Konkurrenz zu verdanken.
Stoiber aber glaubte nach dem fulminanten Sieg, er allein garantiere das Wohl der CSU und wollte mit einem hektisch konzipierten Reformprogramm seine Rolle als bundesdeutscher Musterknabe festigen. Damit sollte der Anspruch auf eine erneute Kanzlerkandidatur wach gehalten werden. Die CSU fügte sich murrend, aber es war eine brutal abgepresste Loyalität, mit der auch unsinnige Dinge durchgezogen wurden: die Abschaffung des angesehenen Bayerischen Obersten Landesgerichtes etwa oder die überhastete Einführung des achtjährigen Gymnasiums.
Die Nachfolger blockieren sich gegenseitig
Stoibers selbstherrlicher Führungsstil rächt sich jetzt bitter. Wer keine Rücksicht nimmt, kann auch keine Rücksicht erwarten, wenn er selbst in Not gerät. Zumal für Stoiber Loyalität stets eine Einbahnstraße war: Er forderte sie ein, zahlte sie aber nur zurück, so lange es ihm nützlich erschien. Das müssen seine Getreuen Erwin Huber und Günther Beckstein erleben, die durch Stoibers Manöver beide gedemütigt worden sind. Der CSU, die sich in Bayern bereits auf eine Zukunft ohne Stoiber eingerichtet (und auch gefreut) hatte, geht es jetzt wie der Kriegerwitwe, deren vermeintlich verschollener Mann plötzlich wieder vor der Tür steht, obwohl sich die ganze Familie schon an den neuen Freund gewöhnt hat.
Vor einem raschen Sturz schützt Stoiber allein die Konstellation. In Bayern blockieren sich die beiden möglichen Nachfolger Beckstein und Huber gegenseitig. Und der an der Parteibasis äußerst beliebte, beim CSU-Establishment aber als Quertreiber in Verruf geratene Horst Seehofer muss sich erst mal in seinem Berliner Ministeramt bewähren, ehe er davon träumen kann, Nachfolger Stoibers als CSU-Chef zu werden.
Doch dass Stoiber im Jahr 2008 seine Partei noch einmal als Spitzenkandidat in die Landtagswahl führen wird, glaubt in der CSU kaum noch jemand. Schon gibt es Ortsverbände, die sich gegen seine Kandidatur aussprechen. Wenn sich diese Stimmung verfestigt, wird die Diskussion um den richtigen Zeitpunkt für einen Wechsel aufflammen. Die CSU ist da immer unsentimental gewesen. Aber Stoiber macht nicht den Eindruck, als habe er den Ernst der Lage wirklich begriffen. Er flüchtet sich in seinen üblichen Aktionismus und hofft ansonsten auf den Faktor Zeit. In Wahrheit aber hat sein politisches Ende längst begonnen.
(SZ vom 09.12.05)