Neues von Stoiber
Krise in der CSU, Stoiber in Bedrängnis
Die CSU-Führung hält nach Informationen der "Bild am Sonntag" eine Umfrage zurück, wonach die CSU in der Wählergunst auf weniger als 40 Prozent kommt. Generalsekretär Söder dementierte umgehend: Die Partei habe eine solche Erhebung nicht in Auftrag gegeben.
Hamburg/München - Die Macht des bayerischen Ministerpräsidenten bröckelt zusehens: Bei der Landtagswahl 2003 hatte die CSU in Bayern noch 60,7 Prozent erhalten. Jetzt sollen die Werte bei unter 40 Prozent liegen, berichtet die "Bild am Sonntag". Dazu liege der CSU-Führung eine aktuelle Umfrage vor, diese werde aber unter Verschluss gehalten. Ein CSU-Vorstandsmitglied sagte dem Blatt: "Wir verzeichnen intern Umfragewerte für die CSU in Bayern von 39 Prozent. Es ist wie 1993 bei Max Streibl." CSU-Chef Edmund Stoiber hatte damals den CSU-Ministerpräsidenten Streibl abgelöst, als dessen Umfragewerte abgesunken waren.
Edmund Stoiber: Abrupte Sinneswandlungen, ewiges Hin und Her
Als Gründe für den aktuellen Absturz gelten Stoibers Zickzackkurs in der Entscheidung, ob er ein Amt in der Bundesregierung übernehmen soll, aber auch seine Attacken auf die Ostdeutschen im Bundestagswahlkampf. Damals hatte er erklärt, es könne nicht sein, dass die Frustrierten entscheiden dürften, wer Bundeskanzler werde.
CSU-Generalsekretär Markus Söder bestritt, dass die Partei eine Wähler-Befragung durchgeführt habe. "Meldungen über eine angebliche interne Umfrage der CSU entbehren jeder Grundlage. Die CSU hat definitiv keine Umfrage in Auftrag gegeben. Umfragen wie zum Beispiel vor einigen Tagen von Forsa sehen die CSU wie bei der Bundestagswahl am 18. September bei knapp 50 Prozent."
Angesichts der dramatischen Zahlen plane Stoiber den Wechsel seines Wirtschaftsministers Otto Wiesheu (CSU) in den Vorstand der Deutschen Bahn zu einer Kabinettsumbildung zu nutzen, schrieb die "Bams" dagegen. "Es wird Wechsel auf zwei oder drei Positionen geben", sagte ein Vertrauter des Regierungschefs demnach der Zeitung. Als Favorit für die Wiesheu-Nachfolge gelte der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Erwin Huber. Einen Wechsel könne es auch im bayerischen Umweltministerium geben. Dessen derzeitiger Chef Werner Schnappauf könne auf einen anderen Regierungsposten wechseln, im Gespräch sei die Staatskanzlei. Möglicherweise werde Schnappauf sogar aus der Regierung ausscheiden. Abgelöst werde wohl auch Landwirtschaftsminister Josef Miller.
Als Symbolfigur für alles, was schief gelaufen ist, gilt Regierungssprecher Martin Neumeyer. Kein Minister, kein Parteifreund hat über Stoiber so viel Macht wie Neumeyer. Er gilt als Stoibers Schattenmann, und als Symbol für die Schwächen des Systems Stoiber: den egomanischen Regierungsstil, die abrupten Sinneswandlungen, das ewige Hin und Her, all das wird Neumeyer angelastet.
In der CSU wird Neumeyers Zukunft in Frage gestellt, gleichzeitig heißt es, die Verantwortung für politische Vorgänge könne nicht bei ihm allein abgeladen werden. Auch Generalsekretär Markus Söder muss um seinen Posten bangen. Der "Bams" sagte die CSU-Bundestagsabgeordnete Renate Blank: "Selbstverständlich steht auch Generalsekretär Markus Söder in der Verantwortung für das Wahlergebnis und für den Wahlkampf der Landesleitung."
Der Vorsitzende der Jungen Union in Bayern, Manfred Weber, betonte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur ddp, er bestehe "sehr deutlich" auf eine inhaltliche und personelle Erneuerung der Partei und der Staatsregierung. Ob und wie schnell dies geschehe, werde zur "Messlatte für Stoiber". Der Ministerpräsident habe nach den Querelen um seinen Verzicht auf ein Ministeramt in Berlin einen "Vertrauensvorschuss" erhalten. Die Erneuerung müsse sofort, bereits auf dem kleinen CSU-Parteitag am morgigen Montag in München, beginnen. Er erhoffe sich bei dem Treffen eine konstruktive Diskussion über die inhaltliche Zukunft der Partei. "Sie darf nicht mehr länger nur der Transmissionsriemen der Staatskanzlei sein, sondern muss wieder zur Ideenwerkstatt werden", sagte Weber. Er versicherte, er erhalte für sein Drängen sehr viele positive Rückmeldungen aus der Partei.
MfG
kiiwii
...darf man in Österreich ungestraft sagen:
Edmund Stoiber wird das Urteil nicht gerne gehört haben (dpa) | |
Österreicher dürfen Stoiber "Rassist" nennen
Es passierte vor fünf Jahren während eines Wahlkampfauftritts des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber für die Österreichische Volkspartei in Graz. Auf dem Hauptplatz der steirischen Landeshauptstadt soll der CSU-Politiker gesagt haben, er könne sich auf deutschem Boden keine Gesellschaft vorstellen, die "durchmischt und durchrasst" sei. Und: "Wir wollen nicht, dass sich hier Lebensformen etablieren, die nicht deutsch sind, wo man nicht unsere Bräuche pflegt."
Auf die Stoiber-Äußerungen reagierten Gegendemonstranten der Gruppe "Mayday 2000" mit dem Zwischenruf: "Stoiber ist ein Rassist." Dies ahndete eine Verwaltungsbehörde als "Verletzung des öffentlichen Anstandes". Der zuständige Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) bestätigte in zweiter Instanz die verhängten Strafen gegen acht Demonstranten. Der Zwischenruf habe einen "schweren Verstoß gegen die Schicklichkeit" dargestellt, hieß es in der Begründung.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Auch gegen diese Entscheidung legten die Verurteilten Berufung ein - und bekamen diesmal beim Verwaltungsgerichtshof in Wien Recht. Die Richter hoben die Strafe wegen "Rechtswidrigkeit" ihres Inhalts auf. Der besagte Zwischenruf sei in Bezug auf tatsächlich getätigte Aussprüche Stoibers als ein zulässiges "Werturteil" einzustufen. Dies falle unter das Recht der freien Meinungsäußerung, welches durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützt sei. Davon seien auch "kritische oder ablehnende Formen der Meinungsäußerung" umfasst, insbesondere bei öffentlichen, frei zugänglichen Veranstaltungen, urteilte der Verwaltungsgerichtshof. (N24.de)
Früher war Edmund Stoiber der unbestrittene Star der CSU. Seit er überstürzt den Rückzug aus Berlin angetreten hat, ist in der Partei nichts mehr wie zuvor. Aus anfänglicher Wut ist inzwischen tiefsitzender Groll geworden. Doch der Betroffene hat den Ernst der Lage offenbar noch nicht begriffen.
Ein Kommentar von Peter Fahrenholz
Wenn Franz Josef Strauß jemanden als politisches Leichtgewicht lächerlich machen wollte, hat er dafür gern ein Bild aus dem Schwimmbad verwendet. Das sei wie bei einem, der aufs Zehn-Meter-Brett steige, dort ein wenig herumwippe, aber statt zu springen wieder herunterklettere. Genau so hat sich sein einstiger Musterschüler Edmund Stoiber verhalten. Seit er vom Berliner Sprungturm gestiegen ist, nachdem er das Publikum zuvor lange mit seinen Posen genervt hatte, ist in der CSU nichts mehr wie zuvor. Aus der ersten Wut ist tiefsitzender Groll geworden.
Mit seiner ruhmlosen Flucht vor der Verantwortung hat Stoiber den emotionalen Draht zur eigenen Partei gekappt. Der war ohnehin stets dünner, als die Jubelarien auf Parteitagen suggeriert haben. Stoiber war nie der vitale Charismatiker wie Strauß, dem die Herzen der Partei zugeflogen wären und erst recht nicht der ehrfürchtig verehrte Patriarch wie Brandt in der SPD. Der Vorsitzende Stoiber wurde in der CSU allenfalls respektiert wegen seines Fleißes, seiner Einsatzbereitschaft, seiner Kompetenz und natürlich wegen seiner Wahlerfolge. Sein Vertrauenskapital hat er sich in langen Jahren mühsam erarbeiten müssen – und in wenigen Wochen verspielt.
Stoibers Absturz ist atemberaubend. Im vergangenen Jahr noch hätte er Bundespräsident werden können oder Chef der EU-Kommission. Jetzt hat er sein Ansehen auf allen Ebenen verloren, in der politischen Klasse, in der CDU, in der eigenen Partei, bei seinen Wählern. Und das ist für den CSU-Chef das Allerschlimmste. Die Parteifunktionäre kann man irgendwann wieder einfangen. Notfalls gibt es eben so viele Aussprachen, bis alle vom Diskutieren ganz ermattet sind. Und wenn das nicht reicht, hilft eine Geldspritze für die Infrastruktur in den Wahlkreisen rechtzeitig vor den nächsten Wahlen. Aber der Glaubwürdigkeitsverlust bei den eigenen Anhängern ist kaum reparabel.
Die Rolle als bundesdeutscher Musterknabe
Stoibers gewundene Begründungen haben die Sache noch verschlimmert – sie gelten als billige Ausflüchte. Sein Abgang wurde als das gesehen, was er auch war: Eine Fahnenflucht aus persönlicher Frustration. Als es ernst wurde, stellte Stoiber seine eigene Befindlichkeit über das Wohl von Land und Partei. Der Mann, der sich immer in der Champions League wähnte, erwies sich am Ende noch nicht einmal als bundesligatauglich – das ist das Bild, das haften bleibt.
Die Wurzeln des Zorns über Stoiber reichen jedoch tiefer. Die Probleme begannen im Moment seines größten Triumphes: Mit der Zweidrittel-Mehrheit bei der bayerischen Landtagswahl 2003 tilgte Stoiber zwar die Schmach seiner knappen Niederlage gegen Gerhard Schröder ein Jahr zuvor, gleichzeitig verlor er aber den Blick für die Realitäten. Die CSU hat das Ergebnis immer überschätzt, es war vor allem der Schwäche der politischen Konkurrenz zu verdanken.
Stoiber aber glaubte nach dem fulminanten Sieg, er allein garantiere das Wohl der CSU und wollte mit einem hektisch konzipierten Reformprogramm seine Rolle als bundesdeutscher Musterknabe festigen. Damit sollte der Anspruch auf eine erneute Kanzlerkandidatur wach gehalten werden. Die CSU fügte sich murrend, aber es war eine brutal abgepresste Loyalität, mit der auch unsinnige Dinge durchgezogen wurden: die Abschaffung des angesehenen Bayerischen Obersten Landesgerichtes etwa oder die überhastete Einführung des achtjährigen Gymnasiums.
Die Nachfolger blockieren sich gegenseitig
Stoibers selbstherrlicher Führungsstil rächt sich jetzt bitter. Wer keine Rücksicht nimmt, kann auch keine Rücksicht erwarten, wenn er selbst in Not gerät. Zumal für Stoiber Loyalität stets eine Einbahnstraße war: Er forderte sie ein, zahlte sie aber nur zurück, so lange es ihm nützlich erschien. Das müssen seine Getreuen Erwin Huber und Günther Beckstein erleben, die durch Stoibers Manöver beide gedemütigt worden sind. Der CSU, die sich in Bayern bereits auf eine Zukunft ohne Stoiber eingerichtet (und auch gefreut) hatte, geht es jetzt wie der Kriegerwitwe, deren vermeintlich verschollener Mann plötzlich wieder vor der Tür steht, obwohl sich die ganze Familie schon an den neuen Freund gewöhnt hat.
Vor einem raschen Sturz schützt Stoiber allein die Konstellation. In Bayern blockieren sich die beiden möglichen Nachfolger Beckstein und Huber gegenseitig. Und der an der Parteibasis äußerst beliebte, beim CSU-Establishment aber als Quertreiber in Verruf geratene Horst Seehofer muss sich erst mal in seinem Berliner Ministeramt bewähren, ehe er davon träumen kann, Nachfolger Stoibers als CSU-Chef zu werden.
Doch dass Stoiber im Jahr 2008 seine Partei noch einmal als Spitzenkandidat in die Landtagswahl führen wird, glaubt in der CSU kaum noch jemand. Schon gibt es Ortsverbände, die sich gegen seine Kandidatur aussprechen. Wenn sich diese Stimmung verfestigt, wird die Diskussion um den richtigen Zeitpunkt für einen Wechsel aufflammen. Die CSU ist da immer unsentimental gewesen. Aber Stoiber macht nicht den Eindruck, als habe er den Ernst der Lage wirklich begriffen. Er flüchtet sich in seinen üblichen Aktionismus und hofft ansonsten auf den Faktor Zeit. In Wahrheit aber hat sein politisches Ende längst begonnen.
(SZ vom 09.12.05)