Die US-Regierung hat mit den Hunderten Milliarden Dollar für die Konjunktur, mit der Unterstützung der Wall-Street-Chefs und mit ein paar erratischen Wirtschaftsdaten einen brisanten Cocktail für die Stimulierung der Kapitalmärkte angerührt. Wie ein mit Adrenalin vollgepumpter Sprinter ist der US-Aktienmarkt daraufhin aus dem Startblock auf die Bahn geschossen, um die ersehnte Erholung der Wirtschaft im vierten Quartal nur ja nicht zu verpassen: Der Dow-Jones-Index erlebt gerade die besten vier Wochen seit 1933.
Im Wesentlichen ruht der neu erwachte Optimismus auf zwei Säulen: auf der Hoffnung, dass der Kreditfluss unter den Banken wieder in Gang kommt und dass sich der Immobilienmarkt stabilisiert. Ausgeblendet wird dabei allerdings, in welch desolatem Zustand sich die Konsumenten befinden. Der Dow dürfte einen Frühstart hingelegt haben.
Geweckt wurde die Hoffnung auf eine Stabilisierung der Geldinstitute mit einer Marketingkampagne der Topbanker. Die ersten Monate des Jahres seien profitabel gewesen, verkündeten sie stolz. Die Märkte mochten es glauben und störten sich auch nicht daran, dass es nur wenig später hieß, der März sei nicht so berauschend verlaufen.
Da die Berichtssaison bald beginnt, werden wir schnell wissen, wie die Lage in den Banken wirklich aussieht. Greifbarer als Grundlage für Optimismus ist dagegen, dass die US-Regierung den Instituten mit einem intelligenten Plan die toxischen Kreditpapiere vom Hals schaffen will. Noch aber hat der Verkaufsprozess nicht einmal begonnen, und es gilt, vielfältige Hürden zu überwinden.
Die USA durchleben derzeit ein Wechselbad der Gefühle. Viele Marktteilnehmer freuen sich schon über kleine Lichtblicke. Die erste Hoffnung auf eine Erholung der Immobilienpreise spross, als die Hypothekenzinsen durch die Interventionen der Notenbank deutlich fielen und die Zahl der Hausverkäufe im Februar wieder stieg. Mehr Nachfrage erzeugt höhere Preise, so die Kalkulation. Aber nur Tage später kam die ernüchternde Nachricht: Die Häuserpreise brechen ein - doch die Märkte haben diese Zahlen weitgehend ignoriert.
Vollends infrage gestellt wird die Solidität des Aufschwungs am Aktienmarkt, betrachtet man die Lage der US-Verbraucher. Sie stellen immerhin 70 Prozent der Wirtschaftsleistung. Ermutigend waren stabile bis leicht steigende Konsumausgaben zu Jahresbeginn. Dem stehen aber eine steigende Arbeitslosigkeit und eine hohe Überschuldung der Bürger gegenüber. Im März lag die Arbeitslosenquote mit 8,5 Prozent so hoch wie seit 1993 nicht mehr. Und der Ausfall von Verbraucherkrediten erreichte eine neue Rekordmarke. Damit ist eine deutliche Erholung des Konsums mehr als fraglich. Zudem schwächen die Kreditausfälle das Bankensystem weiter. Gegenmaßnahmen wie das Konjunkturprogramm und Erleichterungen bei der Umschuldung für Verbraucher müssen ihre Wirksamkeit erst noch unter Beweis stellen.
Das alles bedeutet nicht, dass die erhoffte Trendwende im Winter nun ausbleiben muss. Aber damit sie kommt, müssen viele Räder genau ineinandergreifen. Abgesehen davon bleibt die Kernfrage, ob der nicht von Arbeitslosigkeit und Überschuldung getroffene Teil der Verbraucher wieder Mut fasst und Geld ausgibt.
Wichtigster Indikator für die Wirtschaftsentwicklung dürfte in naher Zukunft das Vertrauen der Verbraucher in die Konjunktur sein. Steigt dieser Index deutlich, dann hat das staatliche Stärkungsprogramm angeschlagen, und man kann wirklich Hoffnung schöpfen.