Danke für den interessanten Beitrag!
Zumal ich Sarrazin sehr schätze hat mich Dein Beitrag eben doch etwas verwirrt. Mit Volkmar Weiß hatte ich mich bisher nicht auseinandergesetzt.
Was man auf die schnelle bei wiki und Co findet, ließt sich schon sehr bedenklich. Bei Wiki darf man sicherlich nicht alles unkritisch übernehmen, aber auch darüber hinaus finden sich im Netz ja wirklich viele Stellen, die diese Ansicht über Weiß und auch den Stocker-Verlag unterstützen! Sie bewegen sich in einem deutlich rechtslastigen Kontext und Umfeld.
Ich habe mir gerade mal Sarrazins Buch vorgenommen. Ja, es gibt tatsächlich eine(!) Stelle, an denen er Volkmar Weiß als Quelle benutzt.
Bei weiterer Recherche hat sich dann allerdings auch gezeigt, dass sich Sarrazin davon öffentlich distanziert hat! Als ihn Frank Schirrmacher in einem Interview darauf angesprochen hat, sprach Sarrazin von einer "bedauerlichen Verirrung" seinerseits.
Zu behaupten, er sei Sarrazins Hauptquelle ist dabei falsch - Warum diese Verzerrung? Es ist eine von hunderten! (kann man im Anhang nachzählen)
Die Stelle ist dabei noch nichteinmal besonders tragend für das Buch. Wer es hat, kann die Stelle auf S. 375 nachlesen. Man hätte sie gut und gerne streichen können.
Galton gilt im übrigen nicht nur als Vater der modernen Eugenik, sondern er war auch der Erste, der sich mit der Entwicklung und Vererbung menschlicher Intelligenz befasst hat. Er war auch der Vater der frühen Intelligenzforschung, das sollte man nicht ganz vergessen. Sein Beitrag für die Intelligenzforschung war vielleicht so wichtig, wie der von Sigmund Freud für die Psychoanalyse. Dass in der Wissenschaft in bestimmten Gebieten auf solche Urväter Bezug genommen wird, ist m.E. Teil eines wichtigen wisschenschaftlichen Diskurses, der nichts mit Ideologien zu tun haben muss (und sollte) John Maynard Keynes, George Bernhard Shaw, und Winston Churchill waren z.B. ebenfalls Anhänger von Galtons Theorien. (Wiki)
Die Probleme, die ich dabei mit solcher Art von Intelligenzforschung habe, sind nicht die Erkenntnisse, zu wie viel Prozent, sie auch vererbaren Faktoren unterliegen mag, sondern die weiteren Schlüsse und Maßnahmen, die daraus u.U. gezogen werden könnten!
Es darf unter keinen Umständen ein Werturteil über menschliches Leben daraus erwachsen. Dies wäre mit dem Grundsatz der Unverletztlichkeit der Würde des Menschen auch nicht mehr vereinbar. In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie in der geplanten Verfassung der Europäischen Union sind Zwangssterilisationen, eugenische Maßnahmen etc. daher Gott sei dank auch verboten.(wiki)
Der Hinweis, dass Intelligenz zu einem Prozentsatz x auch erblichen Faktoren unterliegt, ist allerdings noch keine Eugenik! Mehr ist in Sarrazins Buch dabei m.E. auch nicht zu finden! Es steht mit beiden Beinen fest auf dem Grundgesetz und den darin enthaltenen Grundrechten!
Da nun weitere Sachen reindeuten zu wollen, ist eine Überfrachtung, die ein bisschen in die Richtung solcher freier Eigendeutungen geht, wie wir sie oben z.B. gerade gesehen haben (Danke FKuebler)
Das vielleicht entscheidende Kriterium in meiner Beurteilung dieses Teilaspekts seines Buches ist der Umstand, dass er ihn gar nicht weiter aufgreift.
Wenn man das Phänomen von Intelligenz von allen Seiten beleuchten möchte und welche Umwelteinflüsse diese positiv oder negativ beeinflussen können, gehört der Redlichkeit und der Vollständigkeit halber die Frage, inwieweit eben "auch" erbliche bzw. konstitutionelle Faktoren eine Rolle spielen, einfach mit dazu. Auch bei optimalen Umwelteinflüssen und Bildungsbedingungen wird nunmal nicht jeder ein Albert Einstein werden können!
Die nachfolgenden Ausführungen in Sarrazins Buch beschäftigen sich zu gefühlten 99% dabei ausschließlich mit den Umweltfaktoren, wobei er auch da sehr gründlich und umfassend vorgeht. Familiäre Umstände und die Qualität unseres Schulwesens werden bei ihm genau so unter die Lupe genommen, wie auch der Einfluss von Religion aber auch der Besonderheit unserers neuen Medienzeitalters, den Gefahren eines übermäßigen Medienkonsums etc.
Dort spielt sich seine Kritik ab, und dort werden auch Ideen und Lösungsansätze angeboten - nicht im Bereich der Biolgie! Warum beschäftigt sich eigentlicher Keiner mal mit diesen Aspekten?
Naja, immerhin gibt es ja auch Fürsprecher seiner Bücher, wie Ralph Giordano und Peter Slotterdijk, aber der politische und mediale mainstram setzt sich mit diese Aspekten jedoch kaum auseinander. Dort spielt doch aber die eigentliche Musik seines Buches!
Nicht dass bestimmte Warnungen, wo Betrachtungen von erblichen Faktoren hinführen könnten, nicht absolut wichtig und berechtigt wären - aber das alleine finde ich doch ein bisschen dünn - es wird ihm und seinem Buch m.E. auch in keiner Weise gerecht! |