Habe heute morgen 85% meines Depots verkauft und fühle mich sehr wohl mit meiner Entscheidung, auch dann, wenn die Indizes noch kurzfristig locker 10-20% vorpreschen mögen, wovon ich persönlich allerdings nicht ausgehe.
Aus meiner persönlichen Sicht ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Indizes weltweit, insbesondere aber auch der Dax sowie viele Einzelwerte innerhalb der nächsten 2-8 Wochen eher 10-20% ihres Börsenwertes verlieren werden, erheblich höher als die Wahrscheinlichkeit, dass diese vorgenannten nochmals 10-20% steigen würden. Und selbst wenn dieses passieren sollte, so würde ich den vermeintlich entgangenen Buchgewinnen nicht nachtrauern, da die heute realisierten Gewinne inkl. der Dividenden für mich eine Gesamtrendite von 4,5 % p.a. innerhalb von 5 Jahren ausgemacht haben = insgesamt 22,5% in fünf Jahren. Das mag vielen Investoren, Spekulanten, Zockern - die teilweise sogar mit Hebeln spekulieren - geradezu lächerlich vorkommen. Ich persönlich jedoch bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis über diesen Zeitraum in einer sehr, sehr schwierigen Marktsituation.
Vor kurzem hatte ich ja bereits gepostet, dass ich darüber nachdenke, meinen Bestand zu reduzieren. Jedoch dachte ich damals eher an 50% des Depots. Warum habe ich dann aber heute sogar 85% verkauft?
Ganz einfach. Da ich mit einer baldigen (2-8 Wochen) Korrektur in Höhe von mind. 10% rechne. Aus welchem Grund auch immer. Kann ausgelöst werden durch weitere Unsicherheiten bzgl. Italien, Frankreich, Spanien etc., durch Bonds-Unsicherheiten, oder auch durch eventuelle Terroranschläge oder durch Kriegsaktionen ausgelöst vielleicht durch Nordkorea, oder Iran/Irak/Israel - oder aber einfach nur durch "Nichtanschlusskäufe" oder einem "schwarzen Schwan", den noch niemand auf der Rechnung hat.
Wie jeder von Euch weiß, ist ein pupsiger 10%-20%-Verlust vom GESAMTEN wesentlich einschneidender, als ein 10-20%-Gewinn am Ganzen. Und würde man gar 50% verlieren, so weiß wohl jeder von Euch, dass es 100% braucht, um den Einstand wieder zu erlangen. Und dieses so genannte "Aussitzen" der Verluste kann durchaus viele, viele Jahre dauern.
Was ich damit sagen will ist, dass ich es auch als eigentliche Langfristanlegerin zur Zeit bevorzuge, eher temporär zu handeln.
Denn: Sollte nicht gleichzeitig mit einer eventuellen Korrektur oder einem größeren Aktiencrash auch gleichzeitig der Euro und mein Tagesgeldkonto den Bach runter gehen, so hätte ich ja dann noch mal die Möglichkeit, manche Titel neu oder nachzukaufen.
Was habe ich rausgeschmissen? ALLE FONDS. Warum? Weil sogar die Besten, die ich hatte, in den letzten fünf Jahren höchstens ca. 4% p.a. erbracht haben. Dafür ist das Risiko im Verhältnis viel zu hoch. Denn die Schlechtesten lagen bei über minus 30%! Und das, obwohl Einzelwerte und sogar der Dax in den letzten vier Jahren (2009-2012) fast 100% zugelegt haben. Und dafür soll ich den Fonds noch weiter Management - Verwaltungs- und "Erfolgsprämien" zahlen? Nö.
Jedoch habe ich auch sämtliche Aktien (alles Bluechips ) aus Amerika komplett verkauft, die fast alle zwischen 30 bis 70% im PLUS waren. Warum? Nicht nur, weil ich mit Korrekturen in absehbarer Zeit rechne, sondern vor allem auch, weil mir der Verwaltungsaufwand zu hoch erscheint. Dieses elende Abheften und die Ablage von jeweils "vierteljährlich" ausgeschütteten Mini-Dividenden nervt einfach. Mich zumindest. Von dem ganzen Quellensteuergedöns etc. mal abgesehen. Da ist es aus meiner Sicht doch wesentlich einfacher, übersichtlicher und weniger aufwändig, die eine oder andere deutsche und europäische Aktie bzw. mal einfach einen Dax-ETF zu kaufen. Man muss dabei gar nicht mal die "Tops" anpeilen. Weder Allzeithoch noch Allzeittief. Son bisschen zwischen 5.500 und 7.500 Punkten plus minus 1000 einfach mal ein Dax-ETF? Nach ca. 30-40% Gewinn wieder verkaufen? Gelingt natürlich nicht jedes Jahr. Aber selbst auf vier Jahre verteilt wären das unter Umständen noch ca. 7,5 - 10 % p.a. Vielleicht eine Option. Oder auch nicht :-)
Wie ich in einem meiner letzten Postings bereits schrieb, verhält es sich ja mit den so genannten "Witwen- und Waisenaktien" so, dass genau diese auch im Falle eines Crashs auch extrem verkauft werden. Warum? Weil sie eben so gut, so begehrt, so liquide, so leicht verkäuflich sind und sie sich im Falle eines Falles relativ schnell zu Cash machen lassen können (was auch immer "Cash" bedeutet, wenn doch alle glauben, dass "Cash" bald nichts mehr wert ist).
Das heißt auch, dass nach heutigen Maßstäben sehr solide Aktien, wie z.B. Nestlé, BASF, Bayer, Siemens, SAP, VW, Coca Cola, P & C, Mac Donalds, Microsoft, Apple, Google, Amazon etc. sehr, sehr schnell mal eben 10-70% ihres Aktienwertes einbüßen können (meistens jedoch kommen diese Aktien auch sehr schnell wieder hoch - wenn die eigentliche Basis stimmt). Und das kann JEDE Aktie. Von jetzt auf gleich. Darüber hinaus kann auch jedes Unternehmen von jetzt auf gleich die Dividende extrem kürzen oder ganz aussetzen...(siehe Deutsche Bank, Allianz, RWE, Lufthansa, Thyssen Krupp etc. etc.)
Und niemals sollte man vergessen, dass jede einzelne Unternehmensbeteiligung = Aktie vor allem abhängig ist vom jeweiligem Management. Inkompetente, größenwahnsinnige und geldgierige Manager haben in der Vergangenheit schon häufig alteingesessene Unternehmen verheizt, wie z.B. ein inkompetenter Middelhoff (Karstadt/Arcandor), ein größenwahnsinniger Wiedeking (Porsche - (wollte in seinem Wahn VW übernehmen). Geldgierig waren sie alle - nicht zu sprechen von den vielen Bankern... Wie war das noch: Die erste Generation baut auf, schafft Werte, die zweite Generation verwaltet diese, die dritte Generation vernichtet sie oder so ähnlich. In den meisten Fällen befinden wir uns wohl in dieser dritten Generation, die die alten Werte vernichtet.
Irgendwann, vor vielen, vielen Jahren schien es wohl tatsächlich mal eine Art "Aktienkultur" zu geben. Die Meisten, die Aktien kauften, fühlten sich dem Unternehmen irgendwie verbunden und vielleicht sogar teilweise auch umgekehrt. Der Aktionär war sich sicher, er wäre tatsächlich eine Art "Miteigentümer" des Unternehmens. Die Unternehmen wiederum fühlten sich vor vielen, vielen Jahren zumindest teilweise vielleicht noch ihren Geldgebern/Aktionären verpflichtet.
Heute ist die Aktienkultur jedoch wohl eine komplett andere. Die so genannten "Aktionäre" spekulieren und zocken mit Aktien nur noch wild herum. Den meisten heutigen Managern ist das Wohl ihres Unternehmens, der Mitarbeiter, der Aktionäre schlicht egal. Sie wollen häufig nur in kürzester Zeit möglichst viel Gewinn für "sich persönlich" rausschlagen. Und das gelingt ihnen leider auch meistens.
Da ich natürlich nicht zu 100% sicher sein kann, dass die Indizes und entsprechende Einzelwerte, die ich halte bzw. hatte, tatsächlich innerhalb der nächsten Wochen korrigieren, habe ich eben einen kleinen Teil behalten. Geht die Hausse weiter, bin ich noch mit einem kleinen Teil dabei, gibt es eine (größere?) Korrektur, ist mein Schaden nicht allzu groß und ich habe genügend Cash um entsprechende Werte eventuell nachzukaufen.
Nicht, dass Ihr jetzt denkt, ich hätte NUR Gewinneraktien mit bis zu 95% PLUS im Depot gehabt. Nein. Ich habe darin auch einige Loser, wie Air Berlin, RWE, Porsche, Celesio, Deutsche Bank. Zum Glück nur mit verhältnismäßig kleinen Geldbeträgen. Die Loser habe ich aber wohl zur Belustigung und zum Unverständnis meines Bankberaters "gehalten". Warum? Weil ich nicht zwingend glaube, dass diese Firmen tatsächlich "pleite gehen". Und wenn, wären die Verluste für mich durchaus verschmerzbar. Es wäre aus meiner Sicht völliger Quatsch, in diesen Fällen drei Euro fuffzig gutschreiben zu lassen, wenn es am Ende doch eher 10 Euro zwanzig sein könnten ;-)
Nun ja, ich bin erstmal raus mit 85% und bin sehr froh darüber :-)
Allen denen, die noch drin sind (long) wünsche ich, dass die Hausse noch weiter geht und einen rechtzeitigen Ausstieg. Mit Shorts habe ich persönlich nichts an der Backe, wünsche aber auch den Shorties viel Glück bei ihrem Einstieg.
Beste Grüße Kosto |