Culture Club
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...Es liegt auf der Hand, dass sich der heutige antimuslimische Rassismus und der deutsche Antisemitismus des Kaiserreichs, ein Vorläufer des nationalsozialistischen Vernichtungsantisemitismus, nicht gleichsetzen lassen. Ihnen liegen verschiedene politische Rahmenbedingungen zu Grunde und ihre Konsequenzen und die Art der von ihnen bewirkten Ausgrenzung sind unterschiedlich.
Allerdings erscheint der Gedanke eines antimuslimischen Rassismus als „kultureller“ Chiffre der bundesrepublikanischen Rechten einleuchtend. Vor dem Hintergrund der Shoah befindet sich die deutsche Rechte in einer strukturellen Legitimationskrise. Überdies stellen der Fortschritt der Produktivkräfte und die damit einhergehende soziale Beschleunigung und Mobilisierung konservative und nationalistische Grundannahmen immer stärker in Frage.
Während sich die populistische, staatsaffine Linke unter dem Banner der Verteidigung der Arbeit gegen den raffgierigen Finanzkapitalismus sammelt und längst die „guten“ Palästinenser_innen zu ihrem Lieblingsvolk gegen die „bösen“ Israelis erkoren hat, bleibt der deutschen Rechten, wie antisemitisch sie im Kern auch sein mag, nicht mehr viel anderes übrig, als sich unter dem Banner der Verteidigung des Abendlandes gegen „den Islam“ zu sammeln.
Dies birgt die Möglichkeit in sich, der eigenen Legitimationskrise zu begegnen, indem man vorgibt sogenannte „westliche Werte“ wie Freiheit, Menschenrechte und Demokratie gegen den „rückwärtsgewandten“ Islam zu verteidigen. Manch ein_e rechte_r Spinner_in setzt sogar „Islam“ und Nationalsozialismus gleich.
Nicht nur der Legitimationskrise lässt sich mit dem antimuslimischen Feindbild beikommen. Es ermöglicht auch, dass Aktivist_innen vom rechten Rand der CDU bis hin zur Partei „Die Rechte“ unter einem Banner (bspw. PEgIdA, oder DügIdA) marschieren können, auch wenn sie ansonsten möglicher Weise ganz verschiedene Einstellungen zu Themen wie Israel, Homosexualität, Volksabstimmungen oder deutscher Außenpolitik haben mögen.
Hinter dem Feindbild Islam steht jedoch ein weiteres Feindbild: das des links-grünen Multi-Kulti-Homo-Individualisten, der die deutsche Kultur und Tradition zersetzt und der in seiner Naivität dem islamischen Mordor freien Lauf lässt. Wie sich deutsche Kultur und Tradition mit Demokratie und Menschenrechten vertragen, hat uns bereits der Führer unter Beweis gestellt, aber gerade der sei ja das Totschlagargument der „Gutmenschen“. Ob man nun für „liberale“ Werte oder für „traditionelle“ ist, ist bei vielen Rechten variabel und ändert sich je nach aktuell thematisiertem Feindbild.
...Trotz aller Unlogik und trotz der Lächerlichkeit mancher Figuren: wenn sich Rechte von AfD bis NPD hinter einer derart hegemonialen Chiffre, wie dem Kampf gegen „den Islam“ sammeln, ist das sehr ernstzunehmen. Bisher zumindest vorgetäuschte Grenzen (bspw: ProNRW|Autonome Nationalisten) sind im Fallen begriffen. Der Feind wird selbstbewusster und wir tun gut daran, ihn nicht zu unterschätzen. Im Kampf für Emanzipation und Selbstverwaltung und gegen die Reaktion sollten wir möglichst auf Analysen und Strukturen statt auf Chiffren und Labels setzen. Nur dann sind wir in der Lage, den Feind wirklich zu schlagen.