Cegedim (WKN:895036)
Cegedim SRH ist ein wichtiger HR-Softwareanbieter (Top-5 in Frankreich) und erstellt z.B. jährlich mehr als 9 Millionen Gehaltsabrechnungen. Der Umsatz betrug 90 Mio. (Wachstum von 17% yoy) und das Ergebnis lag bei 11,6 Mio (Nettoergebnismarge von 13%). Zum Vergleich: in den USA werden solche HR-Softwareanbieter (Paycore, Workday) mit 6-7 mal Umsatz bewertet - das würde auf SHR umgelegt 550 bis 600 Mio. EV entsprechen. Wenn man realistisch mit 3-4 mal EV/Sales kalkuliert, wäre man mit SRH allein schon fast bei der gesamten Bewertung von Cegedim. Und in Deutschland: "Personio" hat einen Umsatz von geschätzt 100 bis 150 Mio. (für 2022) und ist damit 50% größer als SRH. Mitte des letzten Jahres wurde Personio mit fast 8 Mrd. Euro (!) bewertet. Personio wächst aber auch mit 100% p.a. D.h. es gibt natürlich Gründe für den Bewertungsabschlag von SRH gegenüber diesen Unternehmen - aber es zeigt welche Bewertungen der Markt in dem Segment akzeptiert, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
Auf Cegedim Santé bin ich ja schon öfters eingegangen. Das Wachstum ist hoch und die Anfangsverluste auch (noch). Konkret lagen die Verluste bei 12 Mio. Euro in 2022. Hier wird der Umsatz von einer Basis von 67 Mio. Euro (in 2022) dynamisch wachsen. Und perspektivisch sollten hier auch deutliche Gewinne erwirtschaftet werden. Wenn Cegedim Santé es schafft, in 2-3 Jahren ein ROS von 10% zu erreichen und der Umsatz dann 100 Mio. beträgt, wäre das ein Ergebnis-Swing von über 30 Mio. nur bei Santé. Und das muss keinesfalls das Ende der Fahnenstange sein. Die Bewertung bei der KE lag ja bei über 360 Mio. (Anteil Cegedim ca. 300 Mio.)
Healthcare Solutions (INPS) - dieses Segment von Cegedim sollte eigentlich auf dem Weg zu einem führenden Anbieter von interoperablen Apps im Bereich der Primärversorgung in UK sein. Dass man da noch eine Baustelle hat, zeigen die Zahlen. Im Jahr 2022 lag der Umsatz stagnierend bei 16 Mio. (wobei durch den Verkauf des JV-Anteils (Healthcare Gateway) etwa 2 Mio. dekonsolidiert wurden). Im Jahr 2021 wurde ein großer Verlust aufgrund der Restrukturierung und Investitionen ausgewiesen. Im Jahr 2022 betrug das Ergebnis zwar fast 10 Mio. Euro - allerdings nur aufgrund eines Sondereffektes (Verkauf Healthcare Gateway JV-Anteil um 16 Mio.). Ohne den Sonderertrag wären wieder 5-6 Mio. operativer Verlust angefallen. Wenn man den Hauptwettbewerber EMIS Health als Peer heranzieht, dann sollte INPS eigentlich 4 Mio. Gewinn machen. (Marge von 25% bei EMIS). EMIS selber wird mit 4-5 mal Umsatz bewertet. Der JV-Anteil an Gateway wurde sogar um ein Multiple von 8 verkauft (32 Mio. EV für 4 Mio. Umsatz auf Gesamtunternehmensbasis). Umgelegt auf INPS wären 4x Umsatz etwa 80 Mio. Euro. INPS ist eine Ergebnis-Baustelle - aber eine bei der es keinen Grund gibt, dass sich das nicht auflösen sollte. Ein wichtiger Trigger ist Wachstum. INPS ist heute zwar bereits in allen UK-Landesteilen aktiv. In Schottland ist man inzwischen sogar der einzige Anbieter. Und in Wales hat man einen Marktanteil von 56% bei den Hausarztpraxen (Wettbewerber EMIS mit 44%), in Nordirland liegt der Marktanteil bei 40%. Spannend ist aber die Situation in England - dort hat INPS bisher nur einen Anteil von 1%. Das wird sich vermutlich durch die bevorstehende Ausschreibung ändern. Nachdem England viel bevölkerungsreicher ist (55 Mio. Einwohner ggü. nur 10 Mio. in Summe im Rest von UK), könnte sich hier eine Wachstumsstory anbahnen.
Das größte Sorgenkind von Cegedim war (und ist) Cegedim Rx der Gesellschaft, die Softwarelösung für Apotheken in Frankreich und UK mit dem Cloud-basierten Pharmacy Intelligence Hub und den Pharmacy Services anbietet. Man bedient dabei in UK 32.000 Anwender und hat über 30% Marktanteil. Der Hauptkonkurrent ist in UK ebenfalls EMIS Health. In Frankreich sind es wohl Pharmagest und Winpharma. Der Apothekenmarkt wächst nicht, sondern wird (nur) durch neue Anforderungen an die IT am Laufen gehalten. Da gibt es aber genug. Effizienzsteigerung, die gemeinsame Gesundheitsakte und viele regulatorische Auflagen sind nur ein paar Stichworte. Die Ergebnisse in 2022 waren schlecht - ein Verlust von 16 Mio. bei einem Umsatz von 47 Mio., das ist schon ein Wort (in 2021 waren es 1,7 Mio. Verlust bei knapp 50 Mio. Umsatz). Diese Zahlen zeigen den Handlungsbedarf - auch wenn 2022 aufgrund des Verlustes eines Großkunden sicher nicht als Norm herangezogen werden kann. Es wird hier eine Ergebnisverbesserung im zweistelligen Bereich geben (müssen) - unklar ist aber, bis wann das möglich ist.
Cegedim Activ: Diese Gesellschaft bietet Softwarelösungen für Krankenversicherer an. Mit 23 Millionen Versicherten ist man dabei Marktführer in Frankreich. Der Umsatz liegt bei fast 70 Mio. 5% Wachstum und 7% Nettomarge sind nicht berauschend - aber 1 mal Umsatz müsste so eine Gesellschaft jedenfalls wert sein. (Inetum als wesentlicher Wettbewerber wurde vor einem Jahr um 1,1x Umsatz von PE übernommen.)
Cegedim Data (GPRS/Thin). Cegedim hat einen riesigen Datenschatz. Mit seiner Datenbank THIN® (The Health Improvement Network) stellt Cegedim Health Data anonymisierte Gesundheitsdaten von Patienten zur Verfügung. Diese Datenbank umfasst mehr als 69 Millionen Patientendatensätze und ist damit eine der größten Gesundheitsdatenbanken in Europa. THIN® ist in Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Spanien, Italien, Belgien und Rumänien vertreten und wird 2023 in Deutschland eingeführt werden. Die Daten sind nach einem gemeinsamen Datenmodell kodiert und strukturiert, was bedeutet, dass sie leicht zugänglich und für künstliche Intelligenz geeignet sind. Der Umsatz von GPRS und Thin betrug knapp 62 Mio. Euro - mit einer Nettomarge von fast 15%. Dass hier Potential schlummert wird klar, wenn man bedenkt, dass der Markt für die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten auf europäischer Ebene von 25 Mrd. € im Jahr 2020 auf 43 Mrd. € im Jahr 2028, also um 70 %, steigen sollte (Schätzung EU-Kommission). Wieviel ist der Bereich wert? Der Hauptkonkurrent ist IQVIA. Deren Marktkapitalisierung liegt bei 3 x EV/Sales. Umgelegt auf Cegedim wären das fast 200 Mio.
Diese Aufzählung ist keinesfalls vollständig, sondern nur ein Ausschnitt aus den Cegedim Aktivitäten. Es wird aber deutlich, dass Cegedim jede Menge Potential hat, sich innerhalb der nächsten Jahre im Kurs auch zu verdoppeln. Und das selbst dann, wenn die fundamentale Situation sich nur moderat verbessert und nur die Verlustquellen geschlossen werden. Wichtig auch: das ist ein Blick zurück ins Jahr 2022. Relevant ist die Zukunft. Und da hat das Q1 2023 schon ermutigende Zahlen gebracht. Das Wachstum im Q1 ggü. Vorjahr betrug 12,9% und war von allen Geschäftssegmenten getragen. Cegedim hat es jetzt in der Hand aus dem Potential auch was zu machen. Die Erwartung ist, dass sich jetzt ein klares Ergebnisplus mit einer gesunden Wachstumsdynamik verbindet. Dann muss man sich um den Kurs keine Sorgen machen.
Endstand 20.50 Euro. Da wird sich doch kein Aufwärtstrend etablieren?
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