Thread für Lieblingsgedichte


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Neuester Beitrag: 03.08.10 17:01
Eröffnet am:17.04.07 19:39von: ZwergnaseAnzahl Beiträge:155
Neuester Beitrag:03.08.10 17:01von: knetegirlLeser gesamt:5.773
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30936 Postings, 8772 Tage ZwergnaseThread für Lieblingsgedichte

 
  
    #1
10
17.04.07 19:39
Da das gerade mega in ist, mach ich auch mal einen auf...

Zwei Flöhe spielten wippe wippe,
auf Brunhildes Mösenlippe.
Bis die Alte einmal brunzte
und das ganze Spiel verhunzte.
 
129 Postings ausgeblendet.
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15372 Postings, 6300 Tage knetegirl#130,

 
  
    #131
16.03.08 12:56
das ist doch ein Gedichte Thread ;)

aber ich hab verstanden was #130 sing:

Reden is silber schweigen is Gold,
doch Gold wird zu silber,
schweigst du am falschen Ort ;)




(Fortsetzungserweiterung
geschrieben und gedichtet bei
knetegirl ;)  @copyright)


 

129861 Postings, 7678 Tage kiiwiiIn meiner Erinnrung erblühen

 
  
    #132
1
08.04.08 01:48
...
Die Bilder, die längst verwittert -
Was ist in deiner Stimme,
Das mich so tief erschüttert?

Sag nicht, daß du mich liebst!
Ich weiß, das Schönste auf Erden,
Der Frühling und die Liebe,
Es muß zuschanden werden.

Sag nicht, daß du mich liebst!
Und küsse nur und schweige,
Und lächle, wenn ich dir morgen
Die welken Rosen zeige.

(H.Heine)

129861 Postings, 7678 Tage kiiwiiIch lieb eine Blume,

 
  
    #133
1
15.04.08 22:50
..........doch weiß ich nicht welche;
Das macht mir Schmerz.
Ich schau in alle Blumenkelche,
Und such ein Herz.

Es duften die Blumen im Abendscheine,
Die Nachtigall schlägt.
Ich such ein Herz so schön wie das meine,
So schön bewegt.

Die Nachtigall schlägt, und ich verstehe
Den süßen Gesang;
Uns beiden ist so bang und wehe,
So weh und bang.

(H.Heine)

15372 Postings, 6300 Tage knetegirlvon Lisa Baumann

 
  
    #134
20.05.08 17:26
Silberweiss

... Der Himmel ist so blau - von meinen blauen Träumen ...
Mein Stöhnen schauert tief in blassen Birkenbäumen
Und meine weissen, wirren Phantasien
Entbrennen licht im bebenden Jasmin ...

Ich hab' das kühle Silberlicht so gerne
Und alles Blonde, Helle, Ewigferne,
Und wenn durch feuchte, blaugeträumte Weiten
Die weissen Wolken und die weissen Verse gleiten ...
 

15372 Postings, 6300 Tage knetegirlKaroline von Günderrode

 
  
    #135
20.05.08 17:31
(1780-1806)

Wandel und Treue
 
  Violetta
Ja, du bist treulos! Laß mich von dir eilen;
Gleich Fäden kannst du die Empfindung theilen.
Wen liebst du denn? Und wem gehörst du an?

  Narziß
Es hat Natur mich also lieben lehren:
Dem Schönen werd' ich immer angehören
Und nimmer weich ich von der Schönheit Bahn.

  Violetta
So ist dein Lieben, wie dein Leben, wandern!
Von einem Schönen eilest du zum Andern,
Berauschest dich in seinem Taumelkelch,
Bis Neues schöner dir entgegen winket -

  Narziß
In höh'rem Reiz Betrachtung dann versinket
Wie Bienenlippen in der Blume Kelch.

  Violetta
Und traurig wird die Blume dann vergehen
Muß sie sich so von dir verlassen sehen!

  Narziß
O Nein! es hat die Sonne sie geküßt.
Die Sonne sank, und Abendnebel thauen.
Kann sie die Strahlende nicht mehr erschauen,
Wird ihre Nacht durch Sternenschein versüßt.
Sah sie den Tag nicht oft im Ost verglühen?
Sah sie die Nacht nicht thränend still entfliehen?
Und Tag und Nacht sind schöner doch als ich.
Doch flieht ein Tag, ein Andrer kehret wieder;
Stirbt eine Nacht, sinkt eine Neue nieder
Denn Tröstung gab Natur in jedem Schönen sich.

  Violetta
Was ist denn Liebe, hat sie kein Bestehen?

  Narziß
Die Liebe will nur wandlen, nicht vergehen;
Betrachten will sie alles Trefliche.
Hat sie dies Licht in einem Bild erkennet,
Eilt sie zu Andern, wo es schöner brennet,
Erjagen will sie das Vortrefliche.

  Violetta
So will ich deine Lieb' als Gast empfangen;
Da sie entfliehet wie ein satt Verlangen,
Vergönnt mein Herz Ihr keine Heimath mehr.

  Narziß
O sieh den Frühling! gleicht er nicht der Liebe?
Er lächelt wonnig, freundlich, und das trübe
Gewölk des Winters, niemand schaut es mehr!
Er ist nicht Gast, er herrscht in allen Dingen,
Er küßt sie Alle, und ein neues Ringen
Und Regen wird in allen Wesen wach.
Und dennoch reißt er sich aus Tellus Armen,
Auch andre Zonen soll sein Hauch erwarmen
Auch Andern bringt er neuen, schönen Tag.

  Violetta
Hast du die heil'ge Treue nie gekennet?

  Narziß
Mir ist nicht Treue, was ihr also nennet,
Mir ist nicht treulos was euch treulos ist! -
Wer den Moment des höchsten Lebens theilet;
Vergessend nicht, in Liebe selig weilet;
Beurtheilt noch, und noch berechnet, mißt;
Den nenn' ich treulos, ihm ist nicht zu trauen
Sein kalt Bewußtseyn wird dich klar durchschauen
Und deines Selbstvergessens Richter seyn.
Doch ich bin treu! Erfüllt vom Gegenstande
Dem ich mich gebe in der Liebe Bande
Wird Alles, wird mein ganzes Wesen seyn.

  Violetta
Giebt's keine Liebe denn, die dich bezwinge?

  Narziß
Ich liebe Menschen nicht, und nicht die Dinge,
Ihr Schönes nur, und bin mir so getreu.
Ja Untreu' an mir selbst wär andre Treue,
Bereitete mir Unmuth, Zwist und Reue,
Mir bleibt nur so die Neigung immer frei.
Die Harmonie der inneren Gestalten
Zerstören nie die ordnenden Gewalten,
Die für Verderbniß nur die Noth erfand. -
Drum laß mich, wie mich der Moment gebohren.
In ew'gen Kreisen drehen sich die Horen;
Die Sterne wandeln ohne festen Stand,
Der Bach enteilt der Quelle, kehrt nicht wieder
Der Strom des Lebens woget auf und nieder
Und reisset mich in seinen Wirbeln fort.
Sieh alles Leben! Es ist kein Bestehen,
Es ist ein ew'ges Wandern, Kommen, Gehen,
Lebend'ger Wandel! buntes, reges Streben!
O Strom! in dich ergießt sich all mein Leben!
Dir stürz ich zu! vergesse Land und Port!




 

15372 Postings, 6300 Tage knetegirlauch ein supertoller Dichter: Friedrich Schiller

 
  
    #136
20.05.08 17:37
Die Hoffnung
Es reden und träumen die Menschen viel
Von besseren künftigen Tagen,
Nach einem glücklichen gold'nen Ziel
Sieht man sie rennen und jagen,
Die Welt wird alt und wieder jung,
Doch der Mensch hofft immer Verbesserung.

Die Hoffnung führt ihn in's Leben ein,
Sie umflattert den fröhlichen Knaben,
Den Jüngling bezaubert ihr Geisterschein,
Sie wird mit dem Greis nicht begraben;
Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf,
Noch am Grabe pflanzt er die Hoffnung auf.

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn,
Erzeugt im Gehirne des Toren,
Im Herzen kündet es laut sich an:
Zu was Besserem sind wir geboren!
Und was die innere Stimme spricht,
Das täuscht die hoffende Seele nicht.

von Friedrich Schiller
 

15372 Postings, 6300 Tage knetegirlBreite und Tiefe

 
  
    #137
20.05.08 17:42
Es glänzen Viele in der Welt,
Sie wissen von allem zu sagen,
Und wo was reizet, und wo was gefällt,
Man kann es bei ihnen erfragen;
Man dächte, hört man sie reden laut,
Sie hätten wirklich erobert die Braut.

  Doch gehn sie aus der Welt ganz still,
Ihr Leben war verloren.
Wer etwas Treffliches leisten will,
Hätt' gern was Großes geboren,
Der sammle still und unerschlafft
Im kleinsten Punkte die höchste Kraft.

  Der Stamm erhebt sich in die Luft
Mit üppig prangenden Zweigen;
Die Blätter glänzen und hauchen Duft,
Doch können sie Früchte nicht zeugen;
Der Kern allein im schmalen Raum
Verbirgt den Stolz des Waldes, den Baum.

 

15372 Postings, 6300 Tage knetegirlSommertraum

 
  
    #138
20.05.08 17:47
Sommertraum

Golddurchflammte Ätherwogen,
Schwerer Äste grüne Bogen,
Süss verwob'ne Träumerei'n ...
Sommer, deine warmen Farben,
Helle Blumen, gold'ne Garben
Leuchten mir ins Herz hinein ...

In dem Wald, dem dämm'rig düstern,
Hörst du's rauschen, lispeln, flüstern,
Elfenmärchen - Duft und Schaum ...?
Blumenkinder nicken leise,
Lauschen fromm der alten Weise
Von des Waldes Sommertraum ...

Und der See, der windumfächelt
Lallend plätschert, sonnig lächelt,
Netzt das Schilf aus lauem Born ...
Rosen blühen am Gelände,
Rosenglut, wo ich mich wende,
Und im Herzen tief ein Dorn ...
 

15372 Postings, 6300 Tage knetegirlEiner nur ? (von Karoline Günderrode)

 
  
    #139
1
20.05.08 17:58
Einer nur  
 
Einer nur und Einer dienen
Das ermüdet meine Seele.
Rosen nur und immer Rosen -
Andere Blumen blühen noch bunter;
Wie die Bienen will ich schwärmen
Mich in Trauben Gluth berauschen,
In der Lilie Weiß mich kühlen,
Ruhen in der Nacht der Büsche.
. . . . . . . . . . . . . . . .
Wehe, wer mit engem Sinne
Einem, nur sich Einem weihet:
Schmachvoll rächt sich an dem Armen
Alles was er streng verschmähet!
Nicht zur Heimath wird die Weite,
Ungestaltet in die Ferne,
Aufgelöst in leeres Sehnen
Wird der Inhalt so des Lebens.
Schön ist was sich grenzt und g'nüget,
Treu um eines sich beweget
An dem Einen sich erneuet,
Wie des Pulses rege Schläge
Stets sich um das Herz bewegen,
Stets zum Herzen widerkehren
Stets am Herzen sich erneuen
Sich an seiner Gluth entzünden ...
 

15372 Postings, 6300 Tage knetegirlAch die liebe

 
  
    #140
14.11.09 23:27
sehnsucht holt mich ein..


15372 Postings, 6300 Tage knetegirlFranz Grillparzer (1791-1872)

 
  
    #141
20.01.10 22:44
Franz Grillparzer

Auf die Hände küsst die Achtung,
Freundschaft auf die offne Stirne,
Auf die Wange Wohlgefallen,
Selge Liebe auf den Mund;
Aufs geschlossne Aug die Sehnsucht,
In die hohle Hand Verlangen,
Arm und Nacken die Begierde,
Überall sonst hin Raserei.  

15372 Postings, 6300 Tage knetegirlUnd von wem is das ?

 
  
    #142
20.01.10 22:45
Gefunden

Ich ging im Walde
So für mich hin,
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn.

Im Schatten sah ich
Ein Blümchen stehn,
Wie Sterne leuchtend,
Wie Äuglein schön.

Ich wollt' es brechen,
Da sagt' es fein:
Soll ich zum Welken
Gebrochen sein?

Ich grub's mit allen
Den Würzlein aus,
Zum Garten trug ich's
Am hübschen Haus.

Und pflanzt es wieder
Am stillen Ort;
Nun zweigt es immer
Und blüht so fort.  

15372 Postings, 6300 Tage knetegirlMartin Luther

 
  
    #143
20.01.10 22:47
Martin Luther (1483-1546)

Das größte Haus ist eng...

Das größte Haus ist eng,
das kleinste Haus ist weit,
wenn dort ein Gedräng
und hier Zufriedenheit.  

15372 Postings, 6300 Tage knetegirlGotthold Ephraim lessing

 
  
    #144
20.01.10 22:49
Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781)

Die große Welt

Die Waage gleicht der großen Welt -
Das Leichte steigt, das Schwere fällt.  

13396 Postings, 6486 Tage cv80...

 
  
    #145
1
20.01.10 22:52
Drei Drillinge im Mutterleib,
spielten Skat zum Zeitvertreib.
Plötzlich kracht es in der Spalte,
Karten weg - jetzt kommt der Alte!

;-)

15372 Postings, 6300 Tage knetegirlMatthias Claudius

 
  
    #146
20.01.10 22:53
Matthias Claudius (1740-1815)

Die Sternseherin Lise

Ich sehe oft um Mitternacht,
Wenn ich mein Werk getan
Und niemand mehr im Hause wacht,
Die Stern' am Himmel an.

Sie gehn da, hin und her zerstreut
Als Lämmer auf der Flur;
In Rudeln auch, und aufgereiht
Wie Perlen an der Schnur.

Und funkeln alle weit und breit
Und funkeln rein und schön;
Ich seh’ die große Herrlichkeit
Und kann mich satt nicht sehn ...

Dann saget unterm Himmelszelt
Mein Herz mir in der Brust:
“Es gibt was Bessers in der Welt
Als all ihr Schmerz und Lust.“

Ich werf mich auf mein Lager hin,
Und liege lange wach,
Und suche es in meinem Sinn:
Und sehne mich darnach.  

15372 Postings, 6300 Tage knetegirlAugust Kopisch

 
  
    #147
20.01.10 22:56
August Kopisch (1799-1853)

Dummheit

Wer nur der Weisheit nachgespürt, den halt’ ich noch für keinen Mann:
Doch wer die Dummheit ausstudiert, den seh ich für was Rechtes an!
Der Weisen Tun errät man leicht: man sieht da noch wann, wie, warum;
Bei Dummen kuckt man sich umsonst nach allen diesen Sachen um.
Der Dummheit Weg ist wunderbar; niemals erkennet man den Grund,
Und fänd’ ihn einer richtig aus, so tät er aller Funde Fund!
Denn Dummheit ist die größte Macht, sie führt Heere stärkstes an;
Ich glaube, dass sie nie ein Held bekämpfen und besiegen kann.  

15372 Postings, 6300 Tage knetegirlRingelnatz

 
  
    #148
20.01.10 22:57
Joachim Ringelnatz (1883-1934)

Der letzte Weg

"Ich gehe ins Wasser," sagte sie leis,
"Ade!
Du hast es gut mit mir gemeint.
So weiß ich einen, der um mich weint.
Hab Dank!"
Ich aber sah ihr tiefes Weh
Und küsste sie, die arm und krank,
Und sagte: "Geh!"  

179550 Postings, 8455 Tage GrinchEdgar Allen Poe...

 
  
    #149
1
20.01.10 22:58

Der Rabe

Einst, um eine Mittnacht graulich, da ich trübe sann und traulich
müde über manchem alten Folio lang vergess'ner Lehr'-
da der Schlaf schon kam gekrochen, scholl auf einmal leis ein Pochen,
gleichwie wenn ein Fingerknochen pochte, von der Türe her.
"'s ist Besuch wohl", murrt' ich, "was da pocht so knöchern zu mir her -

das allein - nichts weiter mehr.

 

Ah, ich kann's genau bestimmen: im Dezember war's, dem grimmen,
und der Kohlen matt Verglimmen schuf ein Geisterlicht so leer.
Brünstig wünscht' ich mir den Morgen;- hatt' umsonst versucht zu borgen
von den Büchern Trost dem Sorgen, ob Lenor' wohl selig wär'-
ob Lenor', die ich verloren, bei den Engeln selig wär'-

bei den Engeln - hier nicht mehr.

 

Und das seidig triste Drängen in den purpurnen Behängen
füllt', durchwühlt' mich mit Beengen, wie ich's nie gefühlt vorher;
also daß ich den wie tollen Herzensschlag mußt' wiederholen:
"'s ist Besuch nur, der ohn' Grollen mahnt, daß Einlaß er begehr'-
nur ein später Gast, der friedlich mahnt, daß Einlaß er begehr':-

ja, nur das - nichts weiter mehr."

 

Augenblicklich schwand mein Bangen, und so sprach ich unbefangen:
"Gleich, mein Herr - gleich, meine Dame - um Vergebung bitt' ich sehr;
just ein Nickerchen ich machte, und Ihr Klopfen klang so sachte,
daß ich kaum davon erwachte, sachte von der Türe her -
doch nun tretet ein!" - und damit riß weit auf die Tür ich - leer!

Dunkel dort - nichts weiter mehr.

 

Tief ins Dunkel späht' ich lange, zweifelnd, wieder seltsam bange,
Träume träumend, wie kein sterblich Hirn sie träumte je vorher;
doch die Stille gab kein Zeichen; nur ein Wort ließ hin sie streichen
durch die Nacht, das mich erbleichen ließ: das Wort "Lenor'?" so schwer -
selber sprach ich's, und ein Echo murmelte's zurück so schwer:

nur "Lenor'!" - nichts weiter mehr.

 

Da ich nun zurück mich wandte und mein Herz wie Feuer brannte,
hört' ich abermals ein Pochen, etwas lauter denn vorher.
"Ah, gewiß", so sprach ich bitter, "liegt's an meinem Fenstergitter;
Schaden tat ihm das Gewitter jüngst - ja, so ich's mir erklär';-
schweig denn still, mein Herze, lass mich nachsehn, daß ich's mir erklär':-

's ist der Wind - nichts weiter mehr!"

 

Auf warf ich das Fenstergatter, als herein mit viel Geflatter
schritt ein stattlich stolzer Rabe wie aus Sagenzeiten her;
Grüßen lag ihm nicht im Sinne; keinen Blick lang hielt er inne;
mit hochherrschaftlicher Miene flog empor zur Türe er -
setzt' sich auf die Pallas-Büste überm Türgesims dort - er

flog und saß - nichts weiter mehr.

 

Doch dies ebenholzne Wesen ließ mein Bangen rasch genesen,
ließ mich lächeln ob der Miene, die es macht' so ernst und hehr:
"Ward dir auch kein Kamm zur Gabe", sprach ich, "so doch stolz Gehabe,
grauslich grimmer alter Rabe, Wanderer aus nächtger Sphär'-
sag, welch hohen Namen gab man dir in Plutos nächtger Sphär'?"

Sprach der Rabe, "Nimmermehr."

 

Staunend hört' dies rauhe Klingen ich dem Schnabel sich entringen,
ob die Antwort schon nicht eben sinnvoll und bedeutungsschwer;
denn wir dürfen wohl gestehen, daß es keinem noch geschehen,
solch ein Tier bei sich zu sehen, das vom Türgesimse her -
das von einer Marmor-Büste überm Türgesimse her

sprach, es heiße "Nimmermehr."

 

Doch der droben einsam ragte und dies eine Wort nur sagte,
gleich als schütte seine Seele aus in diesem Worte er,
keine Silbe sonst entriß sich seinem düstren Innern, bis ich
seufzte: "Mancher Freund verließ mich früher schon ohn' Wiederkehr -
morgen wird er mich verlassen, wie mein Glück - ohn' Wiederkehr."

Doch da sprach er, "Nimmermehr!"

Einen Augenblick erblassend ob der Antwort, die so passend,
sagt' ich, "Fraglos ist dies alles, was das Tier gelernt bisher:
's war bei einem Herrn in Pflege, den so tief des Schicksals Schläge
trafen, daß all seine Wege schloß dies eine Wort so schwer -
daß' all seiner Hoffnung Lieder als Refrain beschloß so schwer

dies "Nimmer - nimmermehr."

 

Doch was Trübes ich auch dachte, dieses Tier mich lächeln machte,
immer noch, und also rollt' ich stracks mir einen Sessel her
und ließ die Gedanken fliehen, reihte wilde Theorien,
Phantasie an Phantasien: wie's wohl zu verstehen wär'-
wie dies grimme, ominöse Wesen zu verstehen wär',

wenn es krächzte "Nimmermehr."

 

Dieses zu erraten, saß ich wortlos vor dem Tier, doch fraß sich
mir sein Blick ins tiefste Innre nun, als ob er Feuer wär';
brütend über Ungewissem legt' ich, hin und her gerissen,
meinen Kopf aufs samtne Kissen, das ihr Haupt einst drückte hehr -
auf das violette Kissen, das ihr Haupt einst drückte hehr,

doch nun, ach! drückt nimmermehr!

 

Da auf einmal füllten Düfte, dünkt' mich, weihrauchgleich die Lüfte,
und seraphner Schritte Klingen drang vom Estrich zu mir her.
"Ärmster", rief ich, "sieh, Gott sendet seine Engel dir und spendet
Nepenthes, worinnen endet nun Lenor's Gedächtnis schwer;-
trink das freundliche Vergessen, das bald tilgt, was in dir schwer!"

Sprach der Rabe, "Nimmermehr."

 

"Ah, du prophezeist ohn' Zweifel, Höllenbrut! Ob Tier, ob Teufel -
ob dich der Versucher sandte, ob ein Sturm dich ließ hierher,
trostlos, doch ganz ohne Bangen, in dies öde Land gelangen,
in dies Haus, von Graun umpfangen,- sag's mir ehrlich, bitt' dich sehr -
gibt es - gibt's in Gilead Balsam?- sag's mir - sag mir, bitt' dich sehr!"

Sprach der Rabe, "Nimmermehr."

 

"Ah! dann nimm den letzten Zweifel, Höllenbrut - ob Tier, ob Teufel!
Bei dem Himmel, der hoch über uns sich wölbt - bei Gottes Ehr'-
künd mir: wird es denn geschehen, daß ich einst in Edens Höhen
darf ein Mädchen wiedersehen, selig in der Engel Heer -
darf Lenor', die ich verloren, sehen in der Engel Heer?"

Sprach der Rabe, "Nimmermehr."

 

"Sei denn dies dein Abschiedszeichen", schrie ich, "Unhold ohnegleichen!
Hebe dich hinweg und kehre stracks zurück in Plutos Sphär'!
Keiner einz'gen Feder Schwärze bleibe hier, dem finstern Scherze
Zeugnis! Laß mit meinem Schmerze mich allein!- hinweg dich scher!
Friß nicht länger mir am Leben! Pack dich! Fort! Hinweg dich scher!"

Sprach der Rabe, "Nimmermehr."

 

Und der Rabe rührt' sich nimmer, sitzt noch immer, sitzt noch immer
auf der bleichen Pallas-Büste überm Türsims wie vorher;
und in seinen Augenhöhlen eines Dämons Träume schwelen,
und das Licht wirft seinen scheelen Schatten auf den Estrich schwer;
und es hebt sich aus dem Schatten auf dem Estrich dumpf und schwer

meine Seele - nimmermehr.

 

Nix kannst du!

15372 Postings, 6300 Tage knetegirlHeine

 
  
    #150
20.01.10 22:58
Heinrich Heine (1797-1856)

Das Fräulein stand am Meere...

Das Fräulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang,
Es rührte sie so sehre
Der Sonnenuntergang.

"Mein Fräulein! sein Sie munter,
Das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück."  

15372 Postings, 6300 Tage knetegirl#149

 
  
    #151
1
20.01.10 23:01
sry hab mich verklickt

wollt ein * interessant * geben ;-)  

179550 Postings, 8455 Tage GrinchKein Thema!

 
  
    #152
1
20.01.10 23:03

15372 Postings, 6300 Tage knetegirlLorbeer

 
  
    #153
20.01.10 23:04
Die Unsterblichkeit der Seele

Da steh' ich auf dem Hügel, und schau' umher,
  Wie alles auflebt, alles empor sich dehnt,
     Und Hain und Flur, und Tal, und Hügel
        Jauchzet im herrlichen Morgenstrahle.

O diese Nacht - da bebtet ihr, Schöpfungen!
  Da weckten nahe Donner die Schlummernde,
     Da schreckten im Gefilde grause
        Zackigte Blitze die stille Schatten.

Jetzt jauchzt die Erde, feiert im Perlenschmuck
  Den Sieg des Tages über das Graun der Nacht -
     Doch freut sich meine Seele schöner;
        Denn sie besiegt der Vernichtung Grauen.

Denn - o ihr Himmel! Adams Geschlechte sinds,
  Die diese Erd' im niedrigen Schoße trägt -
     O betet an, Geschlechte Adams!
        Jauchzet mit Engeln, Geschlechte Adams!

O ihr seid schön, ihr herrliche Schöpfungen!
  Geschmückt mit Perlen blitzet das Blumenfeld;
     Doch schöner ist des Menschen Seele,
        Wenn sie von euch sich zu Gott erhebet.

O, dich zu denken, die du aus Gottes Hand
  Erhaben über tausend Geschöpfe gingst,
     In deiner Klarheit dich zu denken,
        Wenn du zu Gott dich erhebst, o Seele!
______________

Ha! diese Eiche - strecket die stolze nicht
  Ihr Haupt empor, als stünde sie ewig so?
     Und drohte nicht Jehovas Donner,
        Niederzuschmettern die stolze Eiche?

Ha! diese Felsen - blicken die stolze nicht
  Hinab ins Tal, als blieben sie ewig so?
     Jahrhunderte - und an der Stelle
        Malmet der Wandrer zu Staub das Sandkorn.

Und meine Seele - wo ist dein Stachel, Tod?
  O beugt euch, Felsen! neiget euch ehrfurchtsvoll,
     Ihr stolze Eichen! - hörts und beugt euch!
        Ewig ist, ewig des Menschen Seele.

Mit grausem Zischen brauset der Sturm daher,
  Ich komme, spricht er, und das Gehölze kracht
     Und Türme wanken, Städte sinken,
        Länder zerschmettern, wenn ich ergrimme.

Doch - wandelt nicht in Schweigen der Winde Dräun?
  Macht nicht ein Tag die brausende atemlos?
     Ein Tag, ein Tag, an dem ein andrer
     Sturm der Verwesten Gebeine sammelt.

Zum Himmel schäumt und woget der Ozean
  In seinem Grimm, der Sonnen und Monde Heer
     Herab aus ihren Höh'n, die stolze,
        Niederzureißen in seine Tiefen.

Was bist du, Erde? hadert der Ozean,
  Was bist du? streck' ich nicht, wie die Fittige
     Aufs Reh der Adler, meine Arme
        Über die Schwächliche aus? Was bist du,

Wenn nicht zur Sonne segnend mein Hauch sich hebt,
  Zu tränken dich mit Regen und Morgentau?
     Und wann er sich erhebt, zu nahn in
        Mitternachtswolken, zu nahn mit Donnern,

Ha! bebst du nicht, Gebrechliche? bebst du nicht? -
  Und doch! vor jenem Tage verkriechet sich
     Das Meer, und seiner Wogen keine
        Tönt in die Jubel der Auferstehung.

Wie herrlich, Sonne! wandelst du nicht daher!
  Dein Kommen und dein Scheiden ist Widerschein
     Vom Thron des Ewigen; wie göttlich
        Blickst du herab auf die Menschenkinder.

Der Wilde gafft mit zitternden Wimpern dich,
  O Heldin, an, von heiligen Ahndungen
     Durchbebt, verhüllt er schnell sein Haupt und
        Nennet dich Gott, und erbaut dir Tempel.

Und doch, o Sonne! endet dereinst dein Lauf,
  Verlischt an jenem Tage dein hehres Licht.
     Doch wirbelt sie an jenem Tage
        Rauchend die Himmel hindurch, und schmettert.

O du Entzücken meiner Unsterblichkeit!
  O kehre du Entzücken! du stärkest mich!
     Daß ich nicht sinke, in dem Graun der
        Großen Vernichtungen nicht versinke.

Wenn all dies anhebt - fühle dich ganz, o Mensch!
  Da wirst du jauchzen: Wo ist dein Stachel, Tod?
     Dann ewig ist sie - tönt es nach, ihr
        Harfen des Himmels, des Menschen Seele.

O Seele! jetzt schon bist du so wundervoll!
  Wer denkt dich aus? daß, wann du zu Gott dich nahst,
     Erhabne, mir im Auge blinket
        Deine Erhabenheit - daß du, Seele!

Wann auf die Flur das irdische Auge blickt,
  So süß, so himmlisch dann dich in mir erhebst -
     Wer sah, was Geist an Körper bindt, wer
        Lauschte die Sprache der Seele mit den

Verwesungen? - O Seele, schon jetzt bist du
  So groß, so himmlisch, wann du von Erdentand
     Und Menschendruck entlediget in
        Großen Momenten zu deinem Urstoff

Empor dich schwingst. Wie Schimmer Eloas Haupt
  Umschwebt der Umkreis deiner Gedanken dich,
     Wie Edens goldne Ströme reihen
        Deine Betrachtungen sich zusammen.

Und o! wie wirds einst werden, wann Erdentand
  Und Menschendruck auf ewig verschwunden ist,
     Wann ich an Gottes - Gottes Throne
        Bin, und die Klarheit des Höchsten schaue.

Und weg ihr Zweifel! quälendes Seelengift!
  Hinweg! der Seele Jubel ist Ewigkeit! -
     Und ist ers nicht, so mag noch heute
        Tod und Verderben des Lebens große

Gesetze niedertrümmern, so mag der Sohn
  In seinem Elend Vater und Mutterherz
     Durchbohren, mag ums Brot die Armut
        Tempel bestehlen, so mag das Mitleid

Zu Tigern fliehn, zu Schlangen Gerechtigkeit,
  Und Kannibalenrache des Kindes Brust
     Entflammen, und Banditentrug im
        Himmelsgewande der Unschuld wohnen.

Doch nein! der Seele Jubel ist Ewigkeit!
  Jehova sprachs! ihr Jubel ist Ewigkeit!
     Sein Wort ist ewig, wie sein Name,
        Ewig ist, ewig des Menschen Seele.

So singt ihn nach, ihr Menschengeschlechte! nach,
  Myriaden Seelen singet den Jubel nach -
     Ich glaube meinem Gott, und schau' in
        Himmelsentzückungen meine Größe.  

15372 Postings, 6300 Tage knetegirlHeine

 
  
    #154
20.01.10 23:12
Waldeinsamkeit
(gefällt mir sehr gut)

Wohl auf dem Haupt einen Kranz getragen;
Die Blumen glänzten wunderbar,
Ein Zauber in dem Kranze war.


Der schöne Kranz gefiel wohl allen,
Doch der ihn trug, hat manchem mißfallen;
Ich floh den gelben Menschenneid,
Ich floh in die grüne Waldeinsamkeit.

Im Wald, im Wald! da konnt ich führen
Ein freies Leben mit Geistern und Tieren;
Feen und Hochwild von stolzem Geweih,
Sie nahten sich mir ganz ohne Scheu.

Sie nahten sich mir ganz ohne Zagnis,
Sie wußten, das sei kein schreckliches Wagnis;
Daß ich kein Jäger, wußte das Reh,

Daß ich kein Vernunftmensch, wußte die Fee.
Von Feenbegünstigung plaudern nur Toren –
Doch wie die übrigen Honoratioren
Des Waldes mir huldreich gewesen, fürwahr,
Ich darf es bekennen offenbar.

Wie haben mich lieblich die Elfen umflattert!
Ein luftiges Völkchen! das plaudert und schnattert!
Ein bißchen stechend ist der Blick,
Verheißend ein süßes, doch tödliches Glück.


Ergötzten mich mit Maitanz und Maispiel,
Erzählten mir Hofgeschichten zum Beispiel:
Die skandalose Chronika
Der Königin Titania.

Saß ich am Bache, so tauchten und sprangen
Hervor aus der Flut, mit ihrem langen
Silberschleier und flatterndem Haar,
Die Wasserbacchanten, die Nixenschar.


Sie schlugen die Zither, sie spielten auf Geigen,
Das war der famose Nixenreigen;
Die Posituren, die Melodei,
War klingende, springende Raserei.


Jedoch zuzeiten waren sie minder
Tobsüchtig gelaunt, die schönen Kinder;
Zu meinen Füßen lagerten sie,
Das Köpfchen gestützt auf meinem Knie.


Tällerten, trillerten welsche Romanzen,
Zum Beispiel das Lied von den drei Pomeranzen
Sangen auch wohl ein Lobgedicht
Auf mich und mein nobeles Menschengesicht.


Sie unterbrachen manchmal das Gesinge
Lautlachend, und frugen bedenkliche Dinge,
Zum Beispiel: »Sag uns, zu welchem Behuf
Der liebe Gott den Menschen schuf?


Hat eine unsterbliche Seele ein jeder
Von euch? Ist diese Seele von Leder
Oder von steifer Leinwand? Warum
Sind eure Leute meistens so dumm?«


Was ich zur Antwort gab, verhehle
Ich hier, doch meine unsterbliche Seele,
Glaubt mir's, ward nie davon verletzt,
Was eine kleine Nixe geschwätzt.


Anmutig und schalkhaft sind Nixen und Elfen;
Nicht so die Erdgeister, sie dienen und helfen
Treuherzig den Menschen. Ich liebte zumeist
Die, welche man Wichtelmännchen heißt.


Sie tragen Rotmäntelchen, lang und bauschig,
Die Miene ist ehrlich, doch bang und lauschig;
Ich ließ nicht merken, daß ich entdeckt,
Warum sie so ängstlich die Füße versteckt.


Sie haben nämlich Entenfüße
Und bilden sich ein, daß niemand es wisse.
Das ist eine tiefgeheime Wund',
Worüber ich nimmermehr spötteln kunnt.


Ach Himmel! wir alle, gleich jenen Zwergen,
Wir haben ja alle etwas zu verbergen;
Kein Christenmensch, wähnen wir, hätte entdeckt,
Wo unser Entenfüßchen steckt.


Niemals verkehrt ich mit Salamandern,
Und über ihr Treiben erfuhr ich von andern
Waldgeistern sehr wenig. Sie huschten mir scheu
Des Nachts wie leuchtende Schatten vorbei.


Sind spindeldürre, von Kindeslänge,
Höschen und Wämschen anliegend enge,
Von Scharlachfarbe, goldgestickt;
Das Antlitz kränklich, vergilbt und bedrückt.


Ein güldnes Krönlein, gespickt mit Rubinen,
Trägt auf dem Köpfchen ein jeder von ihnen;
Ein jeder von ihnen bildet sich ein,
Ein absoluter König zu sein.


Daß sie im Feuer nicht verbrennen,
Ist freilich ein Kunststück, ich will es bekennen;
Jedoch der unentzündbare Wicht,
Ein wahrer Feuergeist ist er nicht.


Die klügsten Waldgeister sind die Alräunchen,
Langbärtige Männlein mit kurzen Beinchen,
Ein fingerlanges Greisengeschlecht;
Woher sie stammen, man weiß es nicht recht.


Wenn sie im Mondschein kopfüber purzeln,
Das mahnt bedenklich an Pissewurzeln;
Doch da sie mir nur Gutes getan,
So geht mich nichts ihr Ursprung an.


Sie lehrten mir kleine Hexereien,
Feuer besprechen, Vögel beschreien,
Auch pflücken in der Johannisnacht
Das Kräutlein, das unsichtbar macht.


Sie lehrten mich Sterne und Zeichen deuten,
Sattellos auf dem Winde reiten,
Auch Runensprüche, womit man ruft
Die Toten hervor aus ihrer Gruft.


Sie haben mir auch den Pfiff gelehrt,
Wie man den Vogel Specht betört
Und ihm die Springwurz abgewinnt,
Die anzeigt, wo Schätze verborgen sind.


Die Worte, die man beim Schätzegraben
Hinmurmelt, lehrten sie mich, sie haben
Mir alles expliziert – umsunst!
Hab nie begriffen die Schatzgräberkunst.


Wohl hatt ich derselben nicht nötig dermalen,
Ich brauchte wenig, und konnt es bezahlen,
Besaß auch in Spanien manch luftiges Schloß,
Wovon ich die Revenuen genoß.


Oh, schöne Zeit! wo voller Geigen
Der Himmel hing, wo Elfenreigen
Und Nixentanz und Koboldscherz
Umgaukelt mein märchentrunkenes Herz!


Oh, schöne Zeit! wo sich zu grünen
Triumphespforten zu wölben schienen
Die Bäume des Waldes – ich ging einher,
Bekränzt, als ob ich der Sieger wär!


Die schöne Zeit, sie ist verschlendert,
Und alles hat sich seitdem verändert,
Und ach! mir ist der Kranz geraubt,
Den ich getragen auf meinem Haupt.


Der Kranz ist mir vom Haupt genommen,
Ich weiß es nicht, wie es gekommen;
Doch seit der schöne Kranz mir fehlt,
Ist meine Seele wie entseelt.


Es glotzen mich an unheimlich blöde
Die Larven der Welt! Der Himmel ist öde,
Ein blauer Kirchhof, entgöttert und stumm.
Ich gehe gebückt im Wald herum.


Im Walde sind die Elfen verschwunden,
Jagdhörner hör ich, Gekläffe von Hunden;
Im Dickicht ist das Reh versteckt,
Das tränend seine Wunden leckt.


Wo sind die Alräunchen? Ich glaube, sie halten
Sich ängstlich verborgen in Felsenspalten.
Ihr kleinen Freunde, ich komme zurück,
Doch ohne Kranz und ohne Glück.


Wo ist die Fee mit dem langen Goldhaar,
Die erste Schönheit, die mir hold war?
Der Eichenbaum, worin sie gehaust,
Steht traurig entlaubt, vom Winde zerzaust.


Der Bach rauscht trostlos gleich dem Styxe;
Am einsamen Ufer sitzt eine Nixe,
Todblaß und stumm, wie 'n Bild von Stein,
Scheint tief in Kummer versunken zu sein.


Mitleidig tret ich zu ihr heran –
Da fährt sie auf und schaut mich an,
Und sie entflieht mit entsetzten Mienen,
Als sei ihr ein Gespenst erschienen.  

15372 Postings, 6300 Tage knetegirlDer Schatzgräber

 
  
    #155
1
03.08.10 17:01
Arm am Beutel, krank am Herzen,
Schleppt' ich meine langen Tage.
"Armut ist die größte Plage,
Reichtum ist das höchste Gut!"
Und zu enden meine Schmerzen,
Ging ich, einen Schatz zu graben.
"Meine Seele sollst du haben!"
Schrieb ich hin mit eignem Blut.

Und so zog ich Kreis um Kreise,
Stellte wunderbare Flammen,
Kraut und Knochenwerk zusammen:
Die Beschwörung war vollbracht.
Und auf die gelernte Weise
Grub ich nach dem alten Schatze
Auf dem angezeigten Platze:
Schwarz und stürmisch war die Nacht.

Und ich sah ein Licht von weiten,
Und es kam gleich einem Sterne
Hinten aus der fernsten Ferne,
Eben als es zwölfe schlug.
Und da galt kein Vorbereiten.
Heller ward's mit einem Male
Von dem Glanz der vollen Schale,
Die ein schöner Knabe trug.

Holde Augen sah ich blinken
Unter dichtem Blumenkranze;
In des Trankes Himmelsglanze
Trat er in den Kreis herein.
Und er hieß mich freundlich trinken;
Und ich dacht': "Es kann der Knabe
Mit der schönen, lichten Gabe
Wahrlich nicht der Böse sein."

"Trinke Mut des reinen Lebens!
Dann verstehst du die Belehrung,
Kommst, mit ängstlicher Beschwörung,
Nicht zurück an diesen Ort.
Grabe hier nicht mehr vergebens.
Tages Arbeit! Abends Gäste!
Saure Wochen! Frohe Feste!
Sei dein künftig Zauberwort."  

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