Wie bereits erwähnt, ist Heiner Geißler im Streit um Stuttgart 21 als Vermittler eingeschaltet und von allen Seiten akzeptiert worden. Doch bereits am ersten Tag stellt sich die Frage, ob Geißler als Moderator schon gescheitert ist. Der Süddeutschen Zeitung sagte Geißler: «Die Gespräche müssen ohne Vorbedingungen geführt werden.» Ferner müsse es eine Friedenspflicht geben, so der mittlerweile Achtzigjährige. Geißler nimmt also die Haltung ein, die auch die CDU verfolgt. Die selben Forderungen, die nun Geißler stellt, haben bereits Stefan Mappus, Heribert Rech und Tanja Gönner gestellt. Die Bauarbeiten gehen in Stuttgart weiter, das heißt, es werden mit jedem Tag mehr unumkehrbare Fakten geschaffen. Gleichzeitig soll es keine Demonstrationen mehr geben, das Thema verschwindet in der Folge aus den Medien, die Landtagswahl ist für die CDU gerettet.
Die Forderungen Geißlers sind eine Unverschämtheit, eine Ungleichbehandlung der beiden Seiten. Eine Fortsetzung der Bauarbeiten während des Dialoges ist eine Vorbedingung der Regierungsparteien. Es werden Fakten geschaffen, so dass die Alternative der Gegner Stuttgarts 21, der Kopfbahnhof, nicht mehr realisierbar ist. Worüber sollen die Verhandlungspartner sprechen, wenn Fakten geschaffen werden? Über das Wetter oder das Fußballspiel am Freitagabend? Die Gespräche sind sinnlos, wenn die Regierungsparteien weiterhin auf ihren Vorbedingungen beharren und weiter gebaut wird.
Ein Gespräch unter den Bedingungen, die Geißler gegenüber der SZ kommuniziert hat, ist sinnlos. Es ist ein Affront gegenüber den Stuttgart-21-Gegnern. Hier soll offensichtlich nicht auf Augenhöhe diskutiert werden, sondern weiterhin nur gesendet und für Stuttgart 21 geworben werden. Heute Morgen hat es Stefan Mappus auch offen zugegeben: Bei Stuttgart 21 geht es für ihn und die Landesregierung nicht um Dialog — das Projekt muss nur besser verkauft werden. Mit der Aussage, Stuttgart 21 muss nur besser kommuniziert werden, wird klar, was Mappus wirklich denkt: an einem Dialog ist ihm nicht gelegen, das Werbebudget muss nur aufgestockt werden.
Es ist ein altbekanntes Spiel der Politik: erhebt sich gegen eine Entscheidung Protest, so hört man mittlerweile fast täglich, die Entscheidungen müssen nur besser kommuniziert werden. Kein Politiker ist bisher auf die Idee gekommen, dass die Menschen mitgenommen werden und an den Entscheidungen beteiligt werden wollen. Stuttgart 21 ist mitnichten ein Kommunikationsproblem — die Gegner haben triftige inhaltliche Gründe gegen das Projekt auf ihrer Seite. Es muss also inhaltlich diskutiert werden. Ohne Vorbedingung heißt dann auch, dass es einen absoluten Baustopp geben muss. Wird in Stuttgart weiter gebaut, ist eine Abkehr von Stuttgart 21 schon sehr bald unmöglich. Darauf setzt die Landesregierung — und Geißler ist offensichtlich auf diesen Zug aufgesprungen.
Sollte Geißler in diesem Punkt nicht zurückrudern, wird es zu keinem Dialog kommen. Geißler wird wahrscheinlich bei einer heißen Tasse Kaffee mit der CDU, der FDP, der SPD und den Grünen in einem beheiztem Konferenzraum der Deutschen Bahn zusammensitzen. Draußen aber werden die Menschen demonstrieren und sich weiter von der Politik entfernen und abgrenzen. Die Parteien und auch Heiner Geißler haben den entscheidenden Punkt nicht verstanden: es gibt nicht um Parteipolitik, es geht nicht um CDU oder Grüne, um Stefan Mappus oder Winfried Kretschmann. Es geht um die Menschen in Baden Württemberg und ihre Sorgen, Ängste und ihre triftigen inhaltlichen Einwände.
Stefan Mappus ist unwichtig, Winfried Kretschmann von den Grünen ebenso, sie sind politisch jederzeit austauschbar. Die Menschen sind wichtig, sie sind die Hauptakteure bei Stuttgart 21. Wird es keinen Baustopp geben, werden ein paar Politiker zusammensitzen und sich weiterhin fragen, was da draußen passiert. Wenn man die Äußerungen Geißlers liest, steht genau dies zu befürchten. Er wäre dann schon am ersten Tag gescheitert. Das wäre sehr schade, weil er sich in den letzten Jahren parteiübergreifend und auch bei den Menschen draußen einen respektablen Ruf erworben hat.
Ein Baustopp ist unumgänglich.
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