Island Thread
Das staatliche Förderinstitut KfW hat viel mehr Geld in Darlehen in Island gesteckt als bislang bekannt. Der kleine Staat wurde nur knapp vor der Pleite gerettet. Erst im September war die Staatsbank mit der Überweisung von mehr als 300 Millionen Euro an die Pleitebank Lehman in die Schlagzeilen geraten.
Die staatliche Förderbank KfW ist weit stärker durch Darlehen und Investments in Island belastet als bisher bekannt. Nach aktuellen Angaben aus dem Bundesfinanzministerium beläuft sich das Engagement des Förderinstituts auf nunmehr knapp 800 Millionen Euro. Erst Anfang November war von insgesamt rund 560 Millionen Euro die Rede. Die FDP sprach in Berlin von einem Fass ohne Boden.
Wie aus einer Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Nicolette Kressl an den Finanzausschuss des Bundestages hervorgeht, war die KfW in Island direkt mit 400 Millionen Euro engagiert. Davon entfielen nach 150 Millionen Euro auf Globaldarlehen und 171 Millionen Euro auf Wertpapiere der Republik Island und von Banken. Hinzu kommt ein Darlehen der KfW-Tochter IPEX in Höhe von 79 Millionen Euro.
Für diese Anlagen seien bisher eine Risikovorsorge von 90 Millionen und Abschreibungen von 111 Millionen Euro vorgenommen worden. Über Auslandstöchter isländischer Banken – darunter auch Kaupthing – ist die KfW den Angaben zufolge mit weiteren 399 Millionen Euro über Darlehen und Wertpapieren engagiert. Teils unterliegen sie aber einer dänischen Staatsgarantie, hieß es früher.
FDP-Experte Frank Schäffler kritisierte, „damit wird die KfW immer mehr zur Kreditanstalt für Wertvernichtung.“ Der „Rheinischen Post“ (Freitag) sagte Schäffler, aufgrund einer Salamitaktik würden immer neue Zahlen bekannt. Die Bank sei ein Fass ohne Boden. „Die KfW muss nun reinen Tisch machen, und endlich alle Fakten auf den Tisch legen.“
Es ist offen, wieviel der Forderungen wirklich verloren gehen und wieviel am Ende komplett abgeschreiben werden muss. So sind etwa Wertpapiere der Republik Island grundsätzlich weiter handelbar. Ein Verkauf ist im aktuellen Marktumfeld aber ungünstig. Einige Wertpapiere bei Banken wurden inzwischen aber veräußert.
Die KfW ist nach früheren Angaben des Finanzministeriums eine von mehr als 30 deutschen Banken, die bei isländischen Instituten im dreistelligen Millionenbereich engagiert sind. Viele Banken seien wesentlich stärker betroffen. Insgesamt belaufe sich das Engagement aller deutscher Banken auf rund 21 Milliarden US-Dollar.
Zuletzt war die KfW stark unter Beschuss geraten: Die Fast-Pleite der Mittelstandsbank IKB, deren Mehrheitseigentümerin die KfW war, belastete die staatliche Bank mit rund zehn Milliarden Euro. Mitte September folgte eine peinliche Überweisung von 320 Millionen Euro an die US-Investmentbank Lehman Brothers am Tag ihres Insolvenzantrags.
Erst am Sonntag hieß es, die KfW rechne wegen der schwachen Börsen auch im vierten Quartal mit einem Verlust. Im Gesamtjahr 2008 werde das Minus höher ausfallen als in den ersten neun Monaten des Jahres, als ein Verlust von 1,8 Milliarden in den Büchern stand, sagte KfW-Chef Ulrich Schröder der „Süddeutschen Zeitung“. „Der Oktober und bisherige November waren noch einmal katastrophal an den Wertpapiermärkten“, erklärte Schröder.
Demonstranten dringen in isländische Zentralbank ein
Protest angesichts der Wirtschaftskrise
Hunderte von Demonstranten haben am Montag die isländische Zentralbank gestürmt und den Rücktritt von Notenbankchef David Oddsson gefordert. Sie machen ihn mit für den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Landes verantwortlich.
(ap) Die Demonstranten schlugen zuerst gegen die Glastür der Bank und wurden etwas später dann in das Gebäude hereingelassen. Im Foyer forderten sie in Sprechchören dann den Rücktritt Oddssons. «Die Regierung hat Roulettes gespielt und das ganze Land hat verloren», sagte der Schriftsteller Einar Mar Gudmundsson am Montag auf einer friedlichen Kundgebung vor mehreren Tausend Menschen in Reykjavik. Island feierte an diesem Tag eigentlich den 90. Jahrestag des Beginn seiner Unabhängigkeit am 1. Dezember 1918 von Dänemark. Die volle Unabhängigkeit erlangte das Land 1944. Die gegenwärtige Finanzkrise, die Island besonders hart getroffen hat, hat aber aller überschattet. Ein Rücktritt hat Ministerpräsident Geir Haarde bisher abgelehnt.
http://www.nzz.ch/nachrichten/international/...ank_ein_1.1340625.html
Er kommt nicht zur Ruhe, der kleine Inselstaat im Nordatlantik mit den gerade mal 316.252 Einwohnern, die er im März dieses Jahres hatte.
Heute bestätigte die Polizei in der Hauptstadt Reykjavik, das gestern Abend die Zentralbank Islands das Ziel von Demonstranten war, die auch in das Gebäude eindringen konnten. Dies war eine Fortsetzung der bereits seit einer Weile andauernden Bürgerproteste, die derzeit auf Island stattfinden.
Der kleine Staat war vor einigen Monaten mit aller Wucht von der Finanzkrise getroffen worden, woraufhin die drei großen Banken Islands verstaatlicht worden waren. Nur Finanzspritzen aus vielen Ländern, unter anderem einigen Ländern Skandinaviens, konnten Island vor dem schnellen Staatsbankrott retten. Mehr als hundert Isländer nahmen an den Protesten teil, bei denen der Rücktritt von David Oddsson, dem seit drei Jahren amtierenden isländischen Zentralbankchef, gefordert wurde.
Erst die Drohung der Polizei, das Gebäude der Zentralbank mit Gewalt zu räumen, beendete den Protest. Dabei sind die Proteste der Isländer nur zu verständlich. Der Inselstaat kämpft um das Überleben. “Sehr ernst” sieht es wohl aus für Island, denn genau diese Worte verwandte Ministerpräsident Geir Haarde heute, als er eine Erklärung abgab über die Situation Islands in finanzieller und wirtschaftlicher Hinsicht.
Durch die Verstaatlichung und damit Quasi-Bankrotterklärung der drei isländischen Banken Kaupthing, Glitnir und Landsbanki geht dem kleinen Staat immer mehr die Puste aus. Inzwischen liegt die Inflationsrate schon bei fast 20 Prozent, die Arbeitslosenzahlen steigen mehr und mehr an. Es herrscht eine drastische Knappheit von Devisen, welche Island jedoch braucht, um wirtschaftlich weiter in aller Welt tätig zu sein.
Durch das Bankendrama, welches durch die Verstaatlichung der drei Banken ausgelöst würde, ging es rapide ab mit dem Land, das in aller Welt mit ihren – vermeintlich so guten – Konditionen für Tagesgeld und Festgeld geworben hatten geworben hatte, und damit zigtausende von Sparer in den finanziellen Abgrund gerissen hatte.
Inzwischen ist zwar klar, dass die Einlagen der deutschen Sparer, die ihr Geld auf der deutschen Niederlassung der Kaupthing-Bank angelegt hatten, wieder zu ihnen zurückfließen werden. Dies wird jedoch nicht möglich gemacht, weil in Island Einsicht herrscht über wirtschaftliches Fehlverhalten, sondern durch einen Kredit der Bundesregierung an Island. So zahlt – wieder einmal bei dieser Finanzwirtschaftskrise – der Steuerzahler die Zeche für den sorglosen Umgang mit dem Geld anderer Menschen
Und das Drama um Island geht noch weiter. Bereits am Wochenende waren wieder tausende von Isländern auf die Straße gegangen, um erneut den Rücktritt von Ministerpräsident und Regierung zu fordern. Ihnen wird die Mitverantwortung gegeben für die Last der Schulden, unter der das ganze Land zusammen zu brechen droht.
Gestern hat dann die Kaupthing-Bank einen Zahlungsaufschub beantragt für die Schulden, die sie in den USA hat. Die bislang größte Bank Islands hat dort Zahlungsverpflichtungen in Höhe von mehr als 26 Milliarden US Dollar. Umgerechnet sind dies 20,6 Milliarden Euro, eine Summe, die mehr als das Doppelte des Staatshaushaltes von Island beträgt.
Ob die US-Behörden auf dieses Gesuch eingehen, wird sich zeigen. Wenn nicht, ist der kleine Inselstaat dem finanziellen und wirtschaftlichen Aus geweiht. Die Schuldenlast erdrückt Island mehr und mehr, und inzwischen steht auch das isländische Volk immer weniger hinter der Regierung des Inselstaates.
Ebenfalls am heutigen Tage wurde eine Umfrage veröffentlicht, bei der nur noch 32 Prozent der befragten Einwohner sagten, dass sie Vertrauen in die Regierung ihres Landes haben. Die Warnsignale stehen also auf Rot in Island. Es wird höchste Zeit, dass endlich etwas passiert, sonst ist der kleine Inselstaat, mitten im Nordatlantik gelegen und in aller Welt als Urlaubsziel bekannt und beliebt, wohl endgültig dem finanziellen und wirtschaftlichen Untergang geweiht.
REYKJAVIK (dpa-AFX) - Die Nationalbank in dem zeitweise vom Staatsbankrott bedrohten Island hat am Mittwoch die Freigabe der Landeswährung Krone angekündigt. Mit der für den folgenden Tag vorgesehenen Maßnahme erfüllt die Bank in Reykjavik eine Bedingung des Internationalen Währungsfonds (IWF) bei der Gewährung von Hilfskrediten. Der Kredit über 2,1 Milliarden Dollar (1,7 Milliarden Euro) galt als Rettung vor dem Kollaps der Staatsfinanzen.
Zuvor waren die drei größten Banken der Inselrepublik mit 320.000 Einwohnern im Oktober zusammengebrochen. Seit dem letzten Jahr hat die Krone gegenüber dem Euro knapp drei Viertel ihres Wertes verloren. Der Kurs war in den letzten Wochen von der Zentralbank festgelegt worden. Es gilt als wahrscheinlich, dass er nach der Freigabe vorübergehend noch deutlicher abrutscht. Ministerpräsident Geir Haarde äußerte in Interviews, dass seine Regierung die einseitige Einführung des Euro oder eine "Dollarisierung" der isländischen Währung erwägt. /tb/DP/js
http://www.finanzen.net/nachricht/...ank_gibt_Kronen_Kurs_frei_818761
Die Isländer wollen ihre wegen der internationalen Finanzkrise unter Druck stehenden Banken unter allen Umständen vor einem Zusammenbruch bewahren.
Aussenministerin Ingibjörg Sólrún Gísladóttir sagte in einem Interview mit der Kopenhagener Zeitung «Berlingske Tidende»: «Wir können es uns nach dem aktuellen Stand der Dinge nicht erlauben, sie in Konkurs gehen zu lassen.»
Die drei grössten isländischen Banken Kaupthing, Glitnir und Landsbanki waren in den vergangenen Wochen massiven Spekulationsangriffen von US-Hedgefonds ausgesetzt.
Die sozialdemokratische Ministerin erneuerte eine trotzige Ankündigung ihres konservativen Regierungschefs Geir Haarde. Man werde gegen aggressiv spekulierende US-Hedgefonds «mit allen Mitteln zurückschlagen», erklärte Haarde vor zwei Wochen.
Wie das geschehen kann, liess er allerdings offen, und die Aussenministerin begründete jetzt indirekt, warum: «Es geht uns wie im wilden Tierleben in der Savanne, wo sich die starken Jäger das schwächste Tier der Herde aussuchen.»
Verletzliche Währung
Tatsächlich ist die Inselrepublik mitten im Nordatlantik mit gerade einmal 300'000 Einwohnern wie kein anderes westliches Land von der derzeitigen Finanz- und Bankenkrise bedroht. Die Krone als kleinste selbstständige Währung der Welt hat allein seit Jahresbeginn mehr als 20 Prozent gegenüber dem Euro verloren.
Die Inflationsrate nähert sich dem zweistelligen Bereich, die Auslandsverschuldung wächst bedrohlich. Und mit 15,5 Prozent haben die Isländer die höchsten Leitzinsen in ganz Europa zu verkraften.
Damit droht den Inselbewohnern eine hohe Zeche für ihr extremes Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre. Nicht zuletzt die drei grössten Banken Kaupthing, Glitnir und Landsbanki haben ihre Kreditgeschäfte auf der Basis der lange so niedrigen Zinsen im Ausland betont wagemutig ausgeweitet.
Nach dem Anstieg der Zinsen, der Degradierung durch Rating-Agenturen und der extremen Verteuerung eigener Kreditkosten wackelt dieses lange erfolgreiche Geschäftsmodell nun bedenklich.
Regierung beschwichtigt
Islands politische Spitze einschliesslich des ehemaligen Ministerpräsidenten und jetzigen Nationalbankchefs Davíd Oddsson wird nicht müde, die kerngesunden Grundstrukturen der isländischen Wirtschaft als Garant gegen einen Finanz- und Bankencrash herauszuheben.
Arbeitslosigkeit ist auf Island ein Fremdwort, die Fischerei als nach wie vor wichtigste Einnahmequelle floriert, von der Sicherheit des Rentensystems könnten andere nur träumen, der Staat hat gut gefüllte Kassen, heisst es immer wieder.
Proteste gegen Preishausse
In der Bevölkerung allerdings macht sich doch spürbar Unruhe breit. Auch viele Normalbürger haben in den Boomjahren bei schnell steigendem Lebensstandard und explodierenden Immobilienpreisen sehr optimistisch konsumiert und Kredite aufgenommen. Nun gab es erste Protestdemonstrationen in Reykjavik gegen den äusserst schmerzlichen Preisanstieg auf breiter Front.
Die Aussenministerin denkt in dieser Lage schon ein bisschen weiter. «Ich hab das Gefühl, dass der Widerstand gegen Islands Beitritt zur EU bei uns abnimmt. Es wird für viele deutlich, wie verletzlich wir alleine sind», sagte Gísladóttir im Interview mit «Berlingske Tidende».
Noch sieht Ministerpräsident Haarde das anders, weil er die Fischereipolitik nicht so gerne aus dem fernen Brüssel gelenkt sehen möchte. Das aber könnten die mächtigen Hedgefonds, die man weiter südlich auch «Heuschrecken» nennt, nun endgültig ändern.
(sda)
http://www.bluewin.ch/de/index.php/36,34302/...ls_Spekulationsobjekt/
Erschienen am 01. Dezember 2008 | Financial Times Deutschland
Die Banken verstaatlicht und den Landesbankrott vor Augen schwärmt die isländische Regierung vom Euro. Die Insel im Nordatlantik will sich mit der Gemeinschaftswährung krisenfester machen - ohne Beitritt zur EU.
Island denkt über Euro-Einführung nach
Das von der Finanzkrise gebeutelte Island erwägt zur Lösung seiner Währungsprobleme die Einführung des Euro ohne Beitritt zur EU. Regierungschef Geir Haarde sagte der Nachrichtenagentur Reuters am Wochenende in Reykjavik, die globale Finanzkrise habe die Probleme aufgezeigt, die es für eine kleine, offene Wirtschaft wie der Islands mit eigener Währung gebe.
Im Sog der Bankenkrise
Die Krise habe das Bankensystem und die isländische Krone ins Schlingern gebracht. "Die Leute schauen nun nach der Möglichkeit einer ,Dollarisation‘ oder einseitigen Einführung des Euro - was in der Europäischen Union sicher für Stirnrunzeln sorgen wird", sagte Haarde.
Immer mehr Isländer für einen EU-Beitritt
Viele Bürger und Politiker Islands hatten sich schon in den vergangenen Jahren für den Euro ausgesprochen. Gegen den dafür notwendigen Beitritt in die EU sträubte sich aber vor allem die für die Insel extrem wichtige Fischerei-Industrie. Sie fürchtet, dann Zugeständnisse machen zu müssen. Umfragen hatten zuletzt aber gezeigt, dass sich angesichts der Krise des Landes immer mehr Bürger auch mit einem EU-Beitritt anfreunden könnten.
EZB gegen vorzeitigen Währungsbeitritt
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich wiederholt gegen Vorstöße von Ländern zur Einführung des Euro ohne einen vorherigen Beitritt in die Gemeinschaft ausgesprochen. Für Haarde ist der aber mit Blick auf die lange Wartezeit keine Lösung. Sollte sich Island tatsächlich für einen Beitritt in die EU entscheiden, werde es zwei Jahre bis zur Aufnahme und weitere drei Jahre bis zur Einführung des Euro dauern, sagte er. "Diese Debatte ist sicher nicht die Antwort auf die aktuelle Krise."
Stützung der Krone hat Vorrang
Neben dem Euro-Beitritt sieht er zur Stabilisierung der Währung als eine weitere Möglichkeit für sein Land auch ein Währungsboard, also eine Anbindung der isländischen Krone an eine andere Währung. "Im Moment ist die Frage offen", sagte der Regierungschef. Aktuell habe aber erst einmal die Stützung der Krone Vorrang.
Arbeitslosigkeit könnte drastisch steigen
Island ist wie kein anderes Land von der Finanzkrise betroffen. Durch die Verstaatlichung von Banken und mithilfe ausländischer Darlehen versucht die Regierung, eine Staatspleite zu verhindern. Dazu erhält die Nordatlantikinsel ein milliardenschweres Rettungspaket vom Internationalen Währungsfonds und anderen Ländern. Angesichts der Lage wird in Island 2009 mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von zehn Prozent und deutlich mehr Arbeitslosen gerechnet.
Stabilisierung der Währung gescheitert
Kurzfristig versuchte die Notenbank, den Wechselkurs der isländischen Krone zu stabilisieren - allerdings ohne Erfolg. Nur zwei Tage nach Bekanntgabe des Wechselkursziels musste es wieder aufgegeben werden. Der Grund dafür waren geringe Währungsreserven.
Kritik an der Regierung wächst
Die Regierung Haardes steht unter gewaltigem Druck. Am Wochenende forderten wieder rund 5000 der insgesamt 320.000 Isländer ihren Rücktritt. In einer am Montag veröffentlichten Onlineumfrage sprachen sich nur 21 Prozent der Befragten für einen Verbleib Haardes an der Spitze ihres Landes aus. Seine Partei unterstützten nur noch 39,7 Prozent. 1100 Isländer wurden befragt, 62,5 Prozent davon sandten die Fragebögen zurück.
Reykjavik (Reuters) - Das von der Finanzkrise heftig getroffene Island würde für einen EU-Beitritt offenbar nicht auf die vorteilhaften Bedingungen für seine Fischereiwirtschaft verzichten.
Ministerpräsident Geir Haarde sagte am Samstag im staatlichen Rundfunk, es sei gut möglich, dass das Thema der Mitgliedschaft vorangebracht werden könne, wenn es akzeptable Bedingungen gebe. "Die Bedingungen müssten die Anerkennung unseres nationalen Interesses und unserer nationalen Ressourcen vollständig berücksichtigen." Am Ende müssten zudem noch die Bürger einem Beitritt zustimmen.
In Island wird derzeit verstärkt über einen EU-Beitritt diskutiert, der Voraussetzung für die Einführung des Euro auf der Insel wäre. Die isländische Krone ist in der Finanzkrise stark unter Druck geraten und langfristiger Ausweg für das Land könnte die Einführung des Euro sein. Gegen den dafür notwendigen Beitritt in die EU sträubt sich aber vor allem die für die Insel extrem wichtige Fischerei-Industrie. Sie fürchtet, bei einem EU-Beitritt Zugeständnisse machen zu müssen.
Haarde war bis vor wenigen Monaten Gegner eines Beitritts. Seit Island mit seinen knapp 300.000 Einwohnern wie kaum ein anderes Land von der Finanzkrise betroffen ist, hat er seine Position aber aufgeweicht. Durch die Verstaatlichung von Banken und mit Hilfe ausländischer Darlehen versucht die Regierung eine Staatspleite zu verhindern. Erst jüngst hatte Island Finanzhilfen über 10,2 Milliarden Dollar erhalten, die vom Internationalen Währungsfonds und zahlreichen Ländern gewährt wurden. Angesichts der Lage wird in Island 2009 mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von zehn Prozent und mehr Arbeitslosen gerechnet. Daher wächst der Druck auf Haarde. Wiederholt haben Demonstranten seinen Rücktritt gefordert.
Vor wenigen Tagen hatte Haarde erklärt, eine Einführung des Euro sei angesichts der langen Wartezeit nicht die Lösung für die aktuelle Krise. Sollte sich Island tatsächlich für einen Beitritt entscheiden, werde es zwei Jahre bis zur Aufnahme und weitere drei Jahre bis zur Einführung des Euro dauern, sagte er.
http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEBEE4B601N20081207
Rezession - Islands Wirtschaft am Boden
Die Banken sind schon verstaatlicht, das Land lebt von IWF-Krediten, das Ansehen ist ruiniert. Nun kommt es für die Insel im Nordatlantik noch schlimmer: Die Konjunktur bricht ein. Ein Ende der Misere ist nicht in Sicht.
Die isländische Wirtschaft ist im dritten Quartal nach dem Kollaps des Bankensystems eingebrochen. Die Wirtschaftsleistung sank im Vergleich zum Frühjahr um 3,4 Prozent. Das teilte das Statistikamt am Freitag mit. Verglichen mit dem Vorjahr lag das Minus bei 0,8 Prozent. Im zweiten Quartal hatte die Wirtschaft der Nordatlantikinsel noch um 4,7 Prozent zum Vorquartal und um 4,8 Prozent auf Jahressicht zugelegt.
Island ist wie kein anderes Land von der Finanzkrise betroffen. Durch die Verstaatlichung von Banken und mit Hilfe ausländischer Darlehen versucht die Regierung, eine Staatspleite zu verhindern. Dazu erhält die Nordatlantikinsel ein milliardenschweres Rettungspaket vom Internationalen Währungsfonds und anderen Ländern. Angesichts der Lage wird in Island 2009 sogar mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von zehn Prozent und deutlich mehr Arbeitslosen gerechnet.
Sympathie für den Euro
Island erwägt zur Lösung seiner Währungsprobleme die Einführung des Euro ohne Beitritt zur EU. Regierungschef Geir Haarde sagte kürzlich in Reykjavik, die globale Finanzkrise habe die Probleme aufgezeigt, die es für eine kleine, offene Wirtschaft wie der Islands mit eigener Währung gebe.
Die Krise habe das Bankensystem und die isländische Krone ins Schlingern gebracht. "Die Leute schauen nun nach der Möglichkeit einer 'Dollarisation' oder einseitigen Einführung des Euro - was in der Europäischen Union sicher für Stirnrunzeln sorgen wird", sagte Haarde.
Viele Bürger und Politiker Islands hatten sich schon in den vergangenen Jahren für den Euro ausgesprochen. Gegen den dafür notwendigen Beitritt in die EU sträubte sich aber vor allem die für die Insel extrem wichtige Fischerei-Industrie. Sie fürchtet, dann Zugeständnisse machen zu müssen. Umfragen hatten zuletzt aber gezeigt, dass sich angesichts der Krise des Landes immer mehr Bürger auch mit einem EU-Beitritt anfreunden könnten.
FTD.de, 12.12.2008
© 2008 Financial Times Deutschland
nur ein Gerücht oder bekommt die krise eine neue Dimension ??
Es wird darüber gemunkelt das Island Pleite ist und damit hätte die Krise das erste land erwischt, laut unbestättigten Meldungen sollen die drei Banken des Landes Pleite sein
Die Uhr tickt für Kaupthing-Opfer
von Karsten Röbisch (Frankfurt)
Zahlreichen deutschen Kunden der insolventen isländischen Kaupthing-Bank droht der Verlust ihrer eingefrorenen Ersparnisse. Nach FTD-Informationen haben erst zwei Drittel der rund 30.800 Betroffenen ihre Entschädigungsansprüche beim isländischen Einlagensicherungsfonds geltend gemacht.
Die Frist für die Anmeldung läuft am 30. Dezember ab. Wichtig ist der Tag des Posteingangs. "Wer die Frist nicht einhält, ist bei den Auszahlungen ausgeschlossen", sagte Rechtsanwalt Wilhelm Segelken von der Kanzlei Robert, Kempas & Segelken. Eine spätere Anmeldung werde nur berücksichtigt, wenn der Anleger aus wichtigem Grund dazu vorher nicht in der Lage war. Das Antragsformular in englischer Sprache und die Postadresse des Einlagensicherungsfonds sind im Internet abrufbar (www.tryggingarsjodur.is).
Kaupthing war Anfang Oktober unter der hohen Schuldenlast zusammengebrochen und verstaatlicht worden. Zeitgleich wurde der Geschäftsbetrieb der deutschen Tochter Kaupthing Edge eingestellt. Ende Oktober stellte die isländische Finanzaufsicht schließlich den Insolvenzfall fest und machte damit den Weg frei für das Entschädigungsverfahren. Der isländische Garantiefonds schützt alle Einlagen bis 20.887 Euro.
Angesichts der prekären Finanzlage des Landes ist aber ungewiss, ob der Fonds dazu in der Lage ist. Um wenigstens die ausländischen Kunden zu entschädigen, gewährten Deutschland, die Niederlande und Großbritannien dem Fonds Kredite. Die Hilfe der Bundesregierung von 300 Mio. Euro entspricht dem eingefrorenen Guthaben deutscher Kunden bei Kaupthing.
Die Auszahlungsmodalitäten sind nach Angaben des Bundesfinanzministeriums noch nicht geklärt. Die Verhandlungen mit den isländischen Behörden liefen noch, sagte eine Sprecherin. Auch der Kredit sei noch nicht ausgezahlt worden. Laut EU-Recht hat Island nach Bekanntgabe des Insolvenzfalls drei Monate Zeit, Anleger auszuzahlen. Die Frist läuft somit Ende Januar ab.
http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/....html?mode=print
28.11.2008 HANNES GAMILLSCHEG (REYKJAVIK) (Die Presse)
Im Land der Geysire kocht die Wut über die Finanzkrise über. Doch ehe es besser wird, dürfte es noch schlechter werden.
In ihrer Garage hält Hrafnhildur Thorarinsdottir Ausverkauf: Alles kostet nur ein Viertel des Preises, den sie in ihrem Laden in Reykjaviks Einkaufsmeile verlangt hätte. „Ich bin mit hohen Schulden ausgestiegen, und die Schulden wachsen weiter“, sagt die 30-jährige Jungunternehmerin. Denn sie hat auf Anraten ihrer Bank einen Fremdwährungskredit aufgenommen, wegen der günstigen Zinsen. Jetzt, im Island der Finanzkrise, hat die isländische Krone zwei Drittel ihres Werts verloren, und die Kreditsumme hat sich verdreifacht. „Ich habe mein Haus verpfändet, also muss ich weiterzahlen, sonst nehmen sie uns das Haus weg.“
„Wie eine Naturkatastrophe“ habe die Krise Island getroffen, sagt Solveig Olafsdottir, Sprecherin des Roten Kreuzes. „Wir sind ein Volk im Schockzustand.“ Die Banken sind pleite, die Baukräne stehen still, die Arbeitslosigkeit hat sich verdoppelt und wird im nächsten Jahr auf zehn bis 20 Prozent hochschnellen. Und das in einem Land, in dem „Arbeit heilig“ war, wie der Schriftsteller Einar Mar Gudmundsson meint.
Der Verfall der Krone macht das früher so teure Island zu einem Schnäppchenland für Touristen. Für die Isländer ist die Wirklichkeit eine andere. Die sehen eine Inflation, die auf 20 Prozent zusteuert, und Lebensmittelpreise, die sich teilweise verdoppelt haben. Die Isländer, die sonst wahllos kauften, was sie haben wollten, schauen jetzt auch beim Diskonter sehr genau auf die Kosten.
Samstag für Samstag strömen die Menschen zu den Protestkundgebungen vor das Parlament, zuletzt 6000. Das ist enorm in einem Land mit 320.000 Einwohnern. In Windjacken und Pelzmänteln, mit Hund und Kinderwagen, alt und jung, mit schwarzen Anarchistenfahnen und den blauen der EU. Alle sind sie da, alle ballen die Fäuste, alle stimmen jubelnd ein, wenn die Redner den Rücktritt von Notenbankchef und Ministerpräsident fordern.
Der Zorn wächst. „Wie die DDR vor dem Fall der Mauer“, meint Gudmundsson, der Dichter, einer der führenden Köpfe des Aufruhrs. „Das politische System hat alle Glaubwürdigkeit verloren.“ Mit der Liberalisierung der Banken habe es begonnen, als die Politiker „den Reichtum des Volks ihren Freunden schenkten“, die Banken dem Land über den Kopf wuchsen, das Zwölffache des Sozialprodukts war ihre Bilanzsumme zuletzt. Bis alles zusammenkrachte wie ein Kartenhaus.
Der Traum vom schnellen Geld
Ein „nationaler Zustand der Verleugnung“ habe Island geprägt in den Boomjahren, sagt der Nationalökonom Gylfi Magnusson, einer der wenigen, die damals schon warnten. Doch damals wurden die Warner als Neider abgestempelt. Man gab weiter Vollgas. „In einer so kleinen Gesellschaft breiten sich Epidemien rasch aus“, sagt Magnusson. Wenn der frühere Klassenkamerad plötzlich Milliardär ist, denken andere: „Der war nicht klüger als ich, das kann ich auch.“
Ganz normale Arbeitnehmer luden sich Schulden auf, die sie nicht tragen können. In Reykjavik gibt es mehr dicke Schlitten als in Londons City, schicke Häuser, wo man vor einer Generation noch sehr primitiv wohnte, rasanten Lebensstil, alles auf Pump. Doch die Kredite wachsen mit der Inflation, der Leitzins beträgt 18 Prozent, die Schulden auf den Häusern sind höher als deren fallender Wert, und jetzt bangen alle um den Job.
„Wäre Island ein Mensch, er wäre längst mit Nervenzusammenbruch in der Klapsmühle“, sagt Gudmundsson. Es gibt momentan nur ein Thema: Wer hat Schuld an „Kreppa“, der Krise?
Die Schwefelquelle im Freiluftbad – von oben prasselt der Schneeregen, unten brodelt das heiße Wasser – hat hier die Funktion des Stammtisches. Da brodelt auch der Volkszorn gegen die Obrigkeit, und der den Isländern eigene Galgenhumor blüht. Einer fragt, ob wir wissen, wie man einen Bankier vorm Ertrinken rettet. Nein? „Gut so!“ Und noch so ein Witz: „Was haben Islands Banken und Islands Nudisten gemeinsam? Alles Wertvolle ist eingefroren.“
Ehe es besser wird, wird alles noch viel schlimmer. Das nächste Jahr wird hart, ein Einbruch um zehn Prozent ist realistisch, jeder Dritte denkt daran abzuwandern. Benedikt Stefansson, der als Chefvolkswirt der Landsbanki miterlebte, wie die Regierung bis zuletzt Warnungen überhörte, hat sich an die Spitze einer Bewegung gesetzt, die sich „Novemberaufruhr“ nennt. Drei Forderungen hat Stefansson: erstens einen Wechsel an der Spitze der Zentralbank. Dann eine unabhängige, von ausländischen Experten geleitete Untersuchung, was geschah. Und schließlich „brauchen wir den Euro, und dazu müssen wir in die EU“.
Reich an Rohstoffen
An der Wirtschaftsfakultät der Universität sehen die Studenten die Lage nicht so schwarz. „Ja, unsere Chancen sind beeinträchtigt“, sagt Egill, „aber in drei, vier Jahren, wenn ich den Abschluss mache, wird es wieder besser sein.“ Grund für diesen Optimismus gibt ihm just Gylfi Magnusson, der düstere Warner: „Grundsätzlich ist die isländische Wirtschaft ja gesund“, sagt dieser, „wir sind reich an Rohstoffen, Fisch, Wasser, billiger Energie und haben eine gut ausgebildete und flexible Arbeitskraft. Es gibt keinen Grund, warum wir uns nicht aus dem Morast herausarbeiten könnten.“
Entschuldigt die Ironie...die Menschen dort tun mir wirklich leid :(
Lg
wenn ich milliardär wäre, würde ich an der küste eines armen afrikanischen staates ne meerwasserentsalzungsanlage bauen wollen und drumrum jede menge solarstromanlagen und kleine häuser.
danach würde ich mit der schrittweisen ackerlandgewinnung in der wüste fortfahren...
die isländer lebten bisher königlich und mächtig über ihre verhältnisse...
aber dein posting klärt es gan nüchtern.
Dass für Touristen alles billiger wird.
Hat jemand von euch in den letzten Tagen dort ein bisschen "Urlaub" gemacht? Ich würde das jetzt nicht als Katastrophentourismus bezeichnen, aber zur Zeit ist es günstig, also, warum nicht??
Wer langfristig grössere Beträge anlegen möchte, sollte mal in Erwägung ziehen jetzt in Island in Immobilien zu investieren.
Man konnte bei jedem "Staatscrash" der letzten 20-30 Jahre Riesengewinne machen, wenn man im richtigen Moment investiert hat, egal, ob Argentinien, Asienkrise, etc.
Man sollte dabei mind. 5 Jahre, besser aber noch 10 Jahre als Anlagehorizont im Auge haben.
Vergesst meinen Immobilien tipp mal besser gleich wieder:
"There are substantial restrictions on foreign ownership of real estate.
Individuals must be residents of Iceland to purchase real estate. "
Irgendwie geht's zwar trotzdem, z.B. indem man dort ein GmbH gründet, welche die Immobilie erwirbt, aber welcher Investor will sich schon derart das Leben komplizieren, für 1 oder 2 Objekte? ich jedenfalls nicht.
man sollte sich also eher als lebendes mini-konjunkturprogramm betrachten. ganz nach dem motto: lieber island als opel das geld angedeihen lassen. ,-)
Island-Urlaub ist so günstig wie nie
VON MARTINA STÖCKER
Reykjavik (RPO). Makaber, aber wahr: Ein Urlaub in Island ist derzeit so günstig wie nie. Die Isländer begegnen der Krise gelassen - und treffen sich in den warmen Quellen. In diesen Hot Pots wird die Situation im Land heiß diskutiert.
Viele schwarze Karossen vor dem Weißen Haus. Das ist nicht gut - schon gar nicht in Zeiten der Krise. Hinter den hell erleuchteten Fenstern tagen sie, die Politiker und Bankenchefs, und suchen nach einer Rettung vor dem Staatsbankrott. An einer Hauptstraße Reykjaviks liegt der Regierungssitz des Ministerpräsidenten. Kein Zaun umgibt das Gebäude, es sieht aus wie ein Wohnhaus. Und trotzdem ist Geir Haarde der erste Staatschef in der Geschichte Islands, der einen Leibwächter für nötig hält.
Lächerlich finden das die Isländer. Ein Bodyguard gibt den Anschein von Aufregung. In der Krise sucht das Volk die Gemeinschaft, und wo kann man besser zusammenrücken als in einem Hot Pot, einer der heißen Quellen im Land? Im warmen Wasser wird heiß diskutiert, der Hot Pot ist der Stammtisch. Und natürlich haben die Nordmänner in Badehose alles schon seit langem so kommen sehen. Hektik? Panik? Island, das seit Jahrhunderten Wetter, Erdbeben und Vulkanausbrüchen trotzt, scheint so schnell nichts aus der Ruhe zu bringen.
TV-Teams aus aller Welt
Die ausländischen Fernsehteams, die fast alle Hotelzimmer in Reykjavik belegen, wissen, wo sie für ihre Krisenberichte Volkes Stimme einfangen können. Von oben hängen sie die Mikrofone in den Hot Pot, Kameralinsen beschlagen im aufsteigenden Dampf. Angesichts des Medienaufgebots wirkt es, als hätte sich bald jeder des 300.000-Seelen-Volkes zum Crash geäußert.
Die Journalisten aus aller Welt hat die nationale Misere angezogen, viele Touristen sollen der Medienmeute folgen. "Sie können uns retten", sagt Gudmundur Oskarsson, Marketingdirektor der Fluglinie Icelandair. Die isländische Krone hat drastisch an Wert verloren: Gab es im Frühjahr für einen Euro nur 70 Kronen, wechselten die Banken Anfang Oktober gegen 150 Kronen. Die Gerüchte überschlagen sich: Die Europäische Zentralbank soll den Euro für 390 Kronen handeln, raunen die Badegäste in den Hot Pots. Kopfschütteln. Und abtauchen.
Mag der Staat auch hoch verschuldet sein, mögen die Banken auch Privatvermögen von Tausenden von Sparern vernichtet haben - Islands Reizen tut dies keinen Abbruch. Nur dreieinhalb Flugstunden entfernt lassen sich bei einem drei- oder viertägigen Kurztrip einige Höhepunkte der Atlantik-Insel erkunden. Sogar noch im Herbst. Von 8 bis 19 Uhr ist es hell, der Wind pfeift zwar kalt, aber das Wetter ist weder viel schlechter noch zuverlässiger als im Sommer.
Nahe der quirligen Hauptstadt lassen sich typische Naturereignisse schnell erreichen: Wenn die Wirtschaftswelt schon aus den Fugen gerät, lohnt die Fahrt an einen Ort, an dem die Erde wirklich auseinander bricht. In Thingvellir treffen sich die nordamerikanische und die eurasische Kontinentalplatte und driften jedes Jahr einige Zentimeter auseinander. Es ist der Mittelpunkt der isländischen Kultur: Nach der Besiedlung um 870 kam dort im Jahr 930 das erste Parlament (Althing) zusammen. Es ist der Ort der Rechtssprechung, das Ur-Island, nur eineinhalb Stunden von Reykjavik entfernt und Weltkulturerbe.
Geysir und goldener Wasserfall
Fotostrecke
Wenn man Island bereist, steht ein Besuch der bekannten Geysire auf dem Pflichtprogramm. Ein Geysir ist eine heiße Quelle, die ihr Wasser in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen als Fontäne ausstößt.
Warum Island eine Reise wert ist.
In der Nähe faucht der Geysir Strokkur und pumpt kochendes Wasser in hohen Fontänen in die Luft. Nach einer weiteren halben Stunde, vorbei an Moosen, Schwefelquellen und Elfenhäusern, ist der Gullfoss, der goldene Wasserfall, erreicht. Bedrohlich-mächtige Massen an Gletscherwasser stürzen sich donnernd in die Tiefe. Bei Sonne leuchtet über der Gischt ein Regenbogen. Der Mensch fühlt sich klein und ausgeliefert - und das passt auch wieder zur Wirtschaftskrise.
OPINIO
Blick auf die isländische Hauptstadt Reykjavik vom Turm der Hallgrimskirche. Von hier oben sieht die Stadt aus wie ein Dorf aus Lego-Steinen. Leider sind längst nicht alle Stadtteile so schön.
Island ist für Reisende derzeit so günstig wie vielleicht noch nie. Der von der Tourismuszentrale ausgegebene Slogan des "Schnäppchen-Urlaubs" hält allerdings nur vordergründig, was er verspricht. Alles für die Hälfte - der Kursverfall macht's möglich. Billig wird der Urlaub aber nicht: Dafür war Island zu seinen Hoch-Zeiten zu teuer. Stattdessen haben sich nun die Preise auf ein gemäßigtes Niveau begeben: Zimmer wie in Reykjaviks bestem Haus, das Art-Déco-Hotel "Borg", kosten nun 200 Euro und nicht wie früher das Doppelte.
Selbst der Alkoholgenuss im legendären Nachtleben der Stadt ist nun erschwinglich geworden. Drinks kosten mittlerweile zwischen vier und sechs Euro. Trotzdem startet die Party in den Clubs und Bars erst gegen Mitternacht - vorher bleiben die Isländer zu Hause und trinken dort. Und das nicht zu knapp. Alkohol ist neben dem Hot Pot das zweitwichtigste Mittel gegen die Krise.
Nordisch essen
Olivenöl sucht man im Gourmet-Restaurant "Vox" im Hilton-Nordica-Hotel in Reykjavik vergeblich: Die Köche setzen rein auf Produkte, die aus Skandinavien stammen - wie aufs Süppchen aus Rote Beete, auf Wildgansbrust oder Kabeljau-Mousse. Bei "Vox" gibt es feine Küche und eine feine Wein-Auswahl.
45 Minuten von der Hauptstadt entfernt gibt es im Küstenörtchen Stokkseyri das gemütliche Strandrestaurant "Fjorubordid", das Hummer der Sorte Kaisergranat serviert. Ein Menü - mit Hummersuppe und Schokoladenkuchen - gibt es ab etwa 35 Euro pro Person.
Lagune & Spa
Man kann Island nicht verlassen, ohne in ihr gebadet zu haben: der Blauen Lagune. Im 1,5 Meter tiefen, chlorfreien und warmen Salzwasser paddeln die Gäste durch eine Vulkanlandschaft und schmieren sich Mineralsalbe ins Gesicht. Von Reykjavik aus beträgt die Fahrtzeit etwa 45 Minuten. www.bluelagoon.com
Reykjavik verfügt über sieben öffentliche Schwimmbäder. Im Laugardalur-Pool gibt's zudem ein Fitnesszentrum und ein großes Spa mit diversen Saunen und Dampfbädern. Der Besuch im Spa kostet ungefähr 20 Euro - Pool inklusive.
Direkt neben der Touristen-Info im Zentrum bietet Kraum (Adalstraeti) einen Überblick über isländisches Design - von Schmuck, Porzellan, Lampen aus Fischhaut bis zur Kleidung. Stöbern lohnt sich. Isländische Mode für jede Gelegenheit gibt's bei Spaksmannsspjarir in der Bankastraeti im hippen Viertel 101.
http://www.rp-online.de/public/article/reise/...guenstig-wie-nie.html
Die Party im "hot spot" Reykjavik ist vorbei: Der Premier schützt sich mit Bodygards, die Bevölkerung kauft CDs und Bücher wie nie. Autor Hallgrimur Helgason über das Ende von Islands Wirtschaftswunder.
taz: Herr Helgason, wie bisher kein anderes Land ist Island von der weltweiten Finanzkrise erschüttert worden. Der Staat steht vor dem Bankrott, die Wirtschaft bricht massiv ein, die Arbeitslosigkeit steigt rapide. Können Sie da gerade ruhig an Ihrem Schreibtisch arbeiten?
Hallgrimur Helgason: Zufällig hatte ich genau einen Tag vor dem großen Crash Anfang Oktober ein Buch beendet, so dass ich mich danach, anstatt auf meine Arbeit, auf die ökonomische und politische Lage konzentrieren konnte. Und das habe ich auch getan. Dabei vergehen die Tage irgendwie, und du weißt nicht wirklich, was du eigentlich gemacht hast. Du überfliegst die Nachrichten, liest die Blogs, schreibst einen Artikel, hörst Leuten am Telefon zu, gehst zu Protest-Meetings, verfasst ein Gedicht über die Situation. Aber die meiste Zeit bist du nur am Denken, gibst dir alle Mühe, dir einen Überblick über dieses komplizierte Durcheinander zu bekommen.
In den Medien kann man über die jungen Banker lesen, die Island auf die Landkarte des aggressiven Investments gesetzt haben – was nun zu seinem Absturz geführt hat. Würden auch Sie ein spezifisches Milieu identifizieren, das die „kreppa“, wie die Isländer die Rezession nennen, verursacht hat?
Wir hatten hier in Island eine Finanzblase, ein übermäßiges Wachstum der Banken und Unternehmen, die mit dem Kollaps unserer Banken geplatzt ist. Nun haben wir uns mit all den Auswirkungen auseinander zu setzen. Tatsache ist, dass eine Menge kleiner Leute viel Geld verloren hat, manche gar ihre gesamten Ersparnisse. Natürlich können wir dafür der internationalen Krise die Schuld in die Schuhe schieben, aber wir können auch zwei Gruppen in unserer Bevölkerung verantwortlich machen: die rücksichtlosen Banker und Geschäftsmänner, die die Blase auf einem Darlehen nach dem anderen aufgebaut haben und die schlafenden Politiker, die eigentlich die Situation kontrollieren sollten, aber den Gierhälsen erlaubten, frei herumzulaufen und Schulden aufzutürmen in ihrem unerbittlichen Durst nach „Geschäftschancen“ und finanziellem Ruhm.
Im kleinen Island existiert die große Chance, den Leuten auf der Straße zu begegnen, denen Ihre Vorwürfe gelten. Wie gehen die Isländer dieser Tage miteinander um? Herrscht eine Atmosphäre der Aggression gegen die „Sündenböcke“?
Es sagt eine Menge über die Situation, dass in unserem mordfreien Land Premierminister Geir Haarde nun Bodyguards hat, um sich vor seinem Volk zu schützen. Die Leute sind wütend auf ihn und seine Regierung, und sie sind sehr wütend auf den Direktor der Zentralbank, David Oddsson, da er als eine Art Super-Premierminister gilt, als derjenige, der Island eigentlich regiert. Er ist ein früherer Premierminister und Haardes politischer Pate. Oddsson regierte 13 Jahre lang und die „neue Isländische Marktgesellschaft“ war sein Baby. Aber er hat schon lange den Bezug zur Realität verloren und die Fehler, die er in den vergangenen Monaten gemacht hat, haben den Schaden nur noch maximiert. Haarde ist aber unfähig, Oddsson zu feuern, hat er ihm doch praktisch alles zu verdanken. Natürlich sollten wir beide los werden, schließlich haben sie unser Land in den Ruin getrieben. Die Menschen sind auch erbost über die Luxuselite, die sich selbst monatlich Gehälter in Höhe von 100.000 Euro ausgezahlt hat, die Privatjets und Luxusjachten besitzt und dazu Häuser in drei Städten. Es heisst, dass diese Elite es kaum noch wagt, ihre Häuser zu verlassen. Die Menschen in Island haben das Gefühl, dass sie jetzt mit ihren erheblichen Verlusten für das Erste-Klasse-Leben dieser Reichen aufkommen müssen. Dass sie ihr lebenslang Erspartes, ihre Pensionsfonds geopfert haben, nur damit es einigen Bonzen möglich wurde, Jacuzzis in ihre Privatflieger einbauen zu lassen. Es herrschen wirklich schlimme Zustände.
In ihrem Roman „101 Reykjavik“ würdigen sie das lebhafte, zuweilen exzessive Nachtleben der isländischen Hauptstadt. Inwieweit würden Sie den Aufstieg des „hot spot“ Reykjavik mit dem Boom verbinden, den Island durchlebt hat?
Das „hot spot“-Image Reykjaviks kam zuerst auf, angeheizt durch Björks frühen Ruhm und Damon Albarns (Sänger von Blur) Interesse an Island. Das war in den frühen Neunziger Jahren. Der Boom startete nach der Jahrtausendwende. Man kann sagen, dass das „hip-and-cool“-Image Islands, jenes, das die frühen Björk-Jahre geschaffen hatten, half, das Selbstbewusstsein der Business-Wikinger aufzubauen und so die Grundlage für das „wirtschaftliche Wunder“ legte. Aber ich bin mir nicht sicher. Ich denke, man kann eher sagen, die Geschäftsleute haben ihren Nutzen aus der Coolness der Künstler gezogen. Es gab immer eine große Kluft zwischen der Geschäftselite und der kulturellen Elite. Erstere war ein eng zusammenhaltender Haufen von Geheimniskrämern. An Kunst waren Sie nur als Sponsoren interessiert. Nun ist das ganze Geld weg, und alles was wir haben ist Kunst.
Ist die Partylaune im Postzustellbezirk 101 Reykjavik getrübt?
Die Party ist vorbei. All die schicken Restaurants in 101 Reykjavik sind leer. Die Leute wagen es nicht mehr, ihre glänzend schwarzen Range Rovers durch die Gegend zu fahren. Plötzlich ist reich sein ein großes Tabu. Das schlimmste am Kater ist für viele Leute, hören zu müssen, dass alle Welt nun über Island lacht, auf unsere Kosten Witze macht.
Ihr Buch stieß speziell in Deutschland auf so große Resonanz, da zur selben Zeit, die isländische Musikszene ins Scheinwerferlicht gerückt war. Deutsche Verleger brachten verstärkt deutsche Übersetzungen isländischer Autoren heraus. Und selbst isländische Filme fanden hierzulande ihr Publikum. Welchen ökonomischen Effekt hat die „kreppa“ nun auf den Kultursektor Islands?
Ich denke, die „teueren“ Gefilde der Kunst werden am meisten leiden, zum Beispiel Film und der extravagante Teil der Bildenden Künste – all die Installationen á la Olafur Eliasson. Es wird schwieriger werden, Geld zu kriegen fürs Filmemachen und Sponsoren für unverkäufliche Kunstprojekte. Auf der anderen Seite werden andere Medien florieren. Die Leute kaufen Bücher und CDs wie nie zuvor. Wenn die Großen Gatsbys von der Bühne gefegt worden sind, sind es Autoren und Künstler, die auf ihr stehen bleiben. Plötzlich herrscht große Nachfrage nach Schriftstellern und Dichtern, die auf jedem Treffen das Wort erheben, in jeder Zeitung schreiben und Pamphlete verfassen. Über viele Jahre habe ich mich ein wenig einsam gefühlt als einer von gerade mal zwei oder drei Schriftstellern in Island, die Kritik an der politischen Situation geübt hatten. Aber nun haben wir eine Hundertschaft von Stimmen, die ihre Meinung sagen - was großartig ist.
Gab es irgendwelche Experten in den isländischen Medien, die Ihre Landsleute vor der Möglichkeit gewarnt haben, dass die Blase platzen könnte?
Ja, ein paar, und sie sind die Helden des Tages, werden ständig interviewt. Noch letztes Jahr wurden sie als jammernde Verlierer angesehen, Fliege tragende Sonderlinge auf der Kokainparty. Niemand wollte ihnen Gehör schenken, aber nun sind sie die ganze Zeit über im Fernsehen und im Radio. Und sie üben weiter Kritik, sind wenig glücklich darüber, wie die Regierung mit der Krise umgeht. Aber: Immer noch hören ihnen die verantwortlichen Politiker nicht zu, ignorieren weiter den Rat dieser weisen Menschen, die alles vorhergesehen haben, die im Grunde genommen sagen, dass die Isländische Krone tot ist und dass wir die Mitgliedschaft in der EU beantragen müssen – besser heute als morgen. Aber die herrschende Partei hört nicht zu. Noch leugnet sie die Realität, da „König David“ ein Gegner der EU ist. Er würde ja sonst all seine Macht an Brüssel und die Europäische Zentralbank abgeben müssen. Wir leben in einem winzig kleinen Königreich, mit einem verrückt gewordenen Regenten.
Was denken Sie? Würde ein Beitritt zur EU die jetzige Lage Islands verbessern?
Das ist der einzige Weg. Anscheinend sind wir unfähig, auf uns selbst aufzupassen. Wir brauchen jemanden oder eine Art Rahmen, der von außen kommt. Es ist sehr traurig daran zu denken, aber seit unser Land zum ersten Mal im Jahr 874 besiedelt wurde, genossen wir nur eine kurze Periode wirklicher Unabhängigkeit. Das war das „Zeitalter der Saga“, das mit internen Fehden endete und damit, dass wir vom König von Norwegen übernommen wurden. Und da waren wir für eine lange Zeit, bis uns für die darauf folgenden 600 Jahre der dänischen König zu seinen Untertanen gemacht hatte. Wir erhielten unsere Unabhängigkeit 1944, aber damals waren schon die Amerikaner anwesend, mit ihrer Militärbasis. Am Ende war ihr Einfluss auf uns eher psychologischer denn ökonomischer Natur, doch wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass, kurz nachdem sie abzogen, unser Land kollabiert ist.
Aber ist die Rettung von außen das alleinige Mittel, das gegen die Krise hilft?
Das Beste, was aus diesem ganzen Schlamassel hervorgehen kann, ist die komplette Erneuerung der politischen Klasse. Zumindest habe ich die Hoffnung, dass das der Fall sein wird. Die vergangenen Jahre haben uns eine Menge Korruption und Unfähigkeit sehen lassen. Vor sechs Jahren wurden zwei der größten Banken im Mafiastil privatisiert – sie wurden den besten Freunden der Regierung ausgehändigt. Danach hatte sich der Premierminister selbst zum Chef der Zentralbank ernannt. Das hatte eine schlechte Mischung aus Geschäft und Politik zum Ergebnis. Unser Parlament wurde seiner ganzen Macht beraubt und ist nun praktisch sinnlos. Alle Entscheidungen werden von der Regierung getroffen, und die einzige Rolle des Parlaments ist es, die Gesetze, wie von der Regierung gewünscht, durchzuwinken. Die politische Klasse genoss in der vergangenen Dekade leichtes Spiel, blieb praktisch unbehelligt von Wählern und Medien. Von der Öffentlichkeit isoliert, schafften sie es, ihre eigenen Rentenauszahlungen in absurde Höhen zu schrauben, und selbst die nutzlosen Parlamentarier hatten im letzten Jahr noch den Nerv, für sich selbst Assistenten einzustellen. Aber nun sehen diese Leute dem Moment der Wahrheit entgegen. Sie müssen sich denen stellen, von denen sie gewählt wurden und die sie nicht wieder wählen werden. Die Forderung des Tages lautet: Neuwahlen.
In ihrem Buch „Rokland“ kämpft die Hauptfigur Böddi als eine Art moderner Don Quichotte gegen die Dumpfheit, die Kulturlosigkeit und den Materialismus der Isländer. Kann er als tragischer Prophet der jetzigen Krise gesehen werden.
Wenigstens hatte Böddi vor, eine Revolution anzuzetteln. Und das ist es, was einige Leute nun fordern. Er war der einsame Rebell auf dem Höhepunkt des Goldenen Zeitalters: Er wollte unsere Gesellschaft wirklich verändern, dieses materialistische Paradies des Easy-Listening und des hirntoten Fernsehens, wobei er meiner Meinung nach generell die westliche Gesellschaft im Blick hatte. Böddi predigte einen Weg zurück zum Wesentlichen, zu klassischeren Werten. Zum Beispiel, dass wir Isländer unser eigenes Erbe schätzen sollten, das der Sagas und der wahren Poesie. In gewisser Hinsicht ist es das, was im Moment in Island passiert. Wir sind dabei, sehr schnell die gerade erst neu gefundenen und extravaganten Pfade wieder zu verlassen und uns zurück zu unseren Wurzeln zu begeben: Nie mehr Sushi und Champagner. Nun gibt’s wieder „abgehangenes Fleisch“ und „saure Milch“.
Die Isländer bezeichnen sich selbst als tatkräftige Menschen, die in ihrer Geschichte schon viele Krisen gemeistert haben, vor allem solche, die Naturkatastrophen geschuldet waren. Ist dieses Image überhaupt noch zeitgemäß angesichts der Krise.
Am Ende werden wir die “kreppa“ besiegen. Wir sind zähe und starke Menschen. Aber es ist ein herber Schlag für uns, und im Moment versuchen wir mit allen Kräften, uns davon zu erholen. Das wird einige Zeit brauchen. Es ist auch ein großer Rückschritt für ein Land, das im Jahr 1900 noch die ärmste Nation Europas war, das es aber schaffte, innerhalb eines Jahrhunderts den ganzen Weg bis an die Spitze zu erklimmen. Wir glaubten tatsächlich, wir hätten die tragische Vergangenheit hinter uns gelassen, mit all den Gefühlen des Versagens. Aber nun sind wir praktisch zurück in einem Halldór-Laxness-Roman, der Island als „dem Untergang geweiht“ charakterisiert. Laxness schrieb viel über Geschäftsleute, die groß raus kamen, von ihren Erfolgen mitgerissen wurden und ein Leben in Luxushotels aufnahmen. Dort gaben sie auf all ihre Eroberungen Trinksprüche aus und prahlten mit ihrem Reichtum, bis sich dann im nächsten Kapitel herausstellte, dass dieser aus nichts als Luftschlössern bestand. In diesem Kapitel befinden wir uns jetzt.
Auch die gegenwärtige Krise bietet sicher eine Menge Stoff zum Erzählen von Geschichten. Haben Sie schon eine Fiktion im Kopf, die ausdrücklich auf die Ereignisse der letzten Wochen und Monate Bezug nimmt?
Ja. Lange habe ich einen Roman über die „goldenen Jahre“ des frühen 21sten Jahrhunderts verfassen wollen. Ich spüre, dass die Story nun bald an ein Ende kommen wird. Aber ich warte noch auf die letzte Seite, die durch die Geschichte geschrieben wird, bevor ich mit meiner eigenen Version beginnen kann. Wenn all die Geschäfts-Wikinger Mönche geworden sind und alle Politiker abgedankt haben, ist das Ende klar und ich kann los legen.
Hallgrimur Helgason, 49, Autor, erlangte internationale Bekanntheit durch seinen Roman "101 Reykjavik" (auf deutsch erschienen bei Klett-Cotta), der auch verfilmt wurde. Neben weiteren Romanen schrieb Helgason Hörspiele, Essay und Theaterstücke. Er malt und trat auch mehrfach als Stand-up-Comedian auf. Derzeit engagiert er sich in der Protestbewegeung, die den Rücktritt der isländischen Regierung und Neuwahlen fordert.
INTERVIEW: OLIVER POHLISCH
http://www.taz.de/1/leben/buch/artikel/1/...er-gibts-nun-saure-milch/
Aussenministerin Ingibjörg Sólrún Gísladóttir sagte in einem Interview mit der Kopenhagener Zeitung «Berlingske Tidende»: «Wir können es uns nach dem aktuellen Stand der Dinge nicht erlauben, sie in Konkurs gehen zu lassen.»
Die drei grössten isländischen Banken Kaupthing, Glitnir und Landsbanki waren in den vergangenen Wochen massiven Spekulationsangriffen von US-Hedgefonds ausgesetzt.
Die sozialdemokratische Ministerin erneuerte eine trotzige Ankündigung ihres konservativen Regierungschefs Geir Haarde. Man werde gegen aggressiv spekulierende US-Hedgefonds «mit allen Mitteln zurückschlagen», erklärte Haarde vor zwei Wochen.
Wie das geschehen kann, liess er allerdings offen, und die Aussenministerin begründete jetzt indirekt, warum: «Es geht uns wie im wilden Tierleben in der Savanne, wo sich die starken Jäger das schwächste Tier der Herde aussuchen.»
Verletzliche Währung
Tatsächlich ist die Inselrepublik mitten im Nordatlantik mit gerade einmal 300'000 Einwohnern wie kein anderes westliches Land von der derzeitigen Finanz- und Bankenkrise bedroht. Die Krone als kleinste selbstständige Währung der Welt hat allein seit Jahresbeginn mehr als 20 Prozent gegenüber dem Euro verloren.
Die Inflationsrate nähert sich dem zweistelligen Bereich, die Auslandsverschuldung wächst bedrohlich. Und mit 15,5 Prozent haben die Isländer die höchsten Leitzinsen in ganz Europa zu verkraften.
Damit droht den Inselbewohnern eine hohe Zeche für ihr extremes Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre. Nicht zuletzt die drei grössten Banken Kaupthing, Glitnir und Landsbanki haben ihre Kreditgeschäfte auf der Basis der lange so niedrigen Zinsen im Ausland betont wagemutig ausgeweitet.
Nach dem Anstieg der Zinsen, der Degradierung durch Rating-Agenturen und der extremen Verteuerung eigener Kreditkosten wackelt dieses lange erfolgreiche Geschäftsmodell nun bedenklich.
Regierung beschwichtigt
Islands politische Spitze einschliesslich des ehemaligen Ministerpräsidenten und jetzigen Nationalbankchefs Davíd Oddsson wird nicht müde, die kerngesunden Grundstrukturen der isländischen Wirtschaft als Garant gegen einen Finanz- und Bankencrash herauszuheben.
Arbeitslosigkeit ist auf Island ein Fremdwort, die Fischerei als nach wie vor wichtigste Einnahmequelle floriert, von der Sicherheit des Rentensystems könnten andere nur träumen, der Staat hat gut gefüllte Kassen, heisst es immer wieder.
Proteste gegen Preishausse
In der Bevölkerung allerdings macht sich doch spürbar Unruhe breit. Auch viele Normalbürger haben in den Boomjahren bei schnell steigendem Lebensstandard und explodierenden Immobilienpreisen sehr optimistisch konsumiert und Kredite aufgenommen. Nun gab es erste Protestdemonstrationen in Reykjavik gegen den äusserst schmerzlichen Preisanstieg auf breiter Front.
Die Aussenministerin denkt in dieser Lage schon ein bisschen weiter. «Ich hab das Gefühl, dass der Widerstand gegen Islands Beitritt zur EU bei uns abnimmt. Es wird für viele deutlich, wie verletzlich wir alleine sind», sagte Gísladóttir im Interview mit «Berlingske Tidende».
Noch sieht Ministerpräsident Haarde das anders, weil er die Fischereipolitik nicht so gerne aus dem fernen Brüssel gelenkt sehen möchte. Das aber könnten die mächtigen Hedgefonds, die man weiter südlich auch «Heuschrecken» nennt, nun endgültig ändern.
http://www.bluewin.ch/de/index.php/36,34302/...ls_Spekulationsobjekt/
100 Euro = 17'371.6 Isländische Krone
100 Isländische Krone (ISK) = 0.57565 Euro (EUR)
Mittelkurs war 169.020 / 173.716 (Geld/Brief)
Geschätzter Preis basierend auf täglichen US Dollar Raten.
Eigentlich wollte Karlheinz Bellmann in Island nur Auskünfte über seine verschwundenen 110 000 Euro bei der zusammengebrochenen Kaupthing-Bank erhalten. Als er vier Tage später die Heimreise ins hessische Dieburg antrat, ging dem Vater von vier Kindern anderes durch den Kopf: „Was kann man tun, um den Menschen hier zu helfen?“Weinende Familienväter hatten ihm vom plötzlichen Verlust des eigenen Jobs, dem der Frau und der Wohnung erzählt.
Sie hinterließen einen ebenso unauslöschlichen Eindruck wie der Zynismus heimischer Bankmanager an der Bar des Grand-Hotels: „Klar haben wir mit dem Land als Einsatz gezockt, sagten die zu mir. Und dass sie Spaß gehabt hätten. Meistens wär's ja auch gut gegangen.“
Weil am Ende aber für Kaupthing und die anderen Großbanken Landsbanki sowie Glitnir gar nichts mehr gut ging, stehen die 320 000 Bürger der Atlantikinsel jetzt vor dem nationalen Ruin. Auf 19 Milliarden Dollar (15 Milliarden Euro) bezifferte Ministerpräsident Geir Haarde den Schuldenberg, den der Expansionsdrang isländischer Banker dem Land beschert hat. Das entspricht zweieinhalb kompletten Staatshaushalten oder zweimal dem jährlichen Bruttoinlandsprodukt.
Der komplette Zusammenbruch des Finanzsektors mit Massenentlassungen und ein praktisch totaler Stopp für die Baubranche seit Oktober dürften nur erste Signale für eine lange Talfahrt gewesen sein. Massive Hamsterkäufe in Supermärkten bei einer Inflationsrate von 16 Prozent sprechen eine deutliche Sprache über die Zukunftsängste der Wikinger-Nachfahren.
Man müsse mit einer Teuerungsrate von über 20 Prozent und einer Arbeitslosenquote von über zehn Prozent rechnen, erklärt die Regierung. Als „normal“ galten in Island bis Oktober ein Prozent Erwerbslose. „Robuste Kerle sind vor mir in Tränen ausgebrochen und haben gesagt, dass die Zukunft für Island zu einem schwarzen Loch geworden ist und man wieder in der Steinzeit anfangen muss“, berichtet Bellmann. Gezittert wird auf der Insel auch um die im internationalen Maßstab recht gut gefüllten Rentenkassen. Sie sind praktisch die einzige Möglichkeit, Gelder locker zu machen, ohne sich über Generationen hoffnungslos im Ausland zu verschulden. Die Wut der Normalbürger auf die Verantwortlichen scheint sich noch in Grenzen zu halten. Allerdings kommen immer mehr Bürger zur samstäglichen Protestkundgebung vor dem Parlament in Reykjavik.
Einige der 6000 zuletzt hier Versammelten warfen auch schon mal mit Toilettenpapier Richtung Althing, von wo aus ihr Regierungschef noch vor wenigen Monaten erklärt hatte, dass die isländischen Banken robust und die Wirtschaft des Landes gesund seien. Jetzt gibt Haardes Partei plötzlich ihren Widerstand gegen einen EU-Beitritt auf.
Vorerst scheint ein kollektiver Schock mehr als alles andere die Stimmung zu prägen. „Man hat das Gefühl, dass das ganze Land sein Selbstvertrauen verloren hat“, meint der Publizist Oskar Gudmundsson. Bellmann drückt es anders aus: „Es wirkt so wie auf der „Titanic“, als die Leute noch getanzt haben, obwohl das Schiff den Eisberg schon gerammt hatte.“ Seine eigene Bankeinlage werde er mit großer Wahrscheinlichkeit vollständig zurückbekommen, haben ihm die Kaupthing-Leute in Reykjavik versichert.
http://www.abendblatt.de/daten/2008/11/18/974633.html