Culture Club
schon damals vertrat:
Das kann man problematisieren, allerdings sollte man dabei nicht vergessen, dass der Einsatz organisierter Gewalt in den verschiedenen Formen den Regelzustand auf diesem Globus beschreibt und nicht die Ausnahme.
Inzwischen hat sich unter Zeithistorikern jedoch die Einschätzung durchgesetzt, dass diese ebenso wie die ersten Versuche einer praktischen Umsetzung weitaus früher anzusetzen sind, individuell auf Rudi Dutschke zurückgehen und bis in die Zeit vor der Studentenrevolte reichen. Mit anderen Worten: Das Konzept, in einem hochindustrialisierten westeuropäischen Land wie der Bundesrepublik eine eigene Guerillagruppe aufbauen zu wollen, ist vermutlich nicht einfach als Zerfalls- und Verzweiflungsprodukt der 68er-Bewegung zu erklären.
Der Protagonist der Guerilla als Gegner des Terrorismus
Der von Rudi Dutschke eingeschlagene Weg, einerseits über Jahre hinweg politische Konflikte zu dynamisieren und einer Eskalationsstrategie das Wort zu reden, andererseits aber vor individuellem Terror zu warnen und die RAF als politische Degeneration zu verurteilen, erweist sich als eine aufwendige Gratwanderung, als fortwährender Versuch, die selbstpropagierte Entgrenzung der Gewalt im Nachhinein einzuschränken und zu zähmen.
https://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/...udi-dutschke?p=1
Die RAF soll dabei zudem lange Zeit auf große offene aber auch heimliche Symapthien in größeren Teilen der bürgerlichen Gesellschaft gestoßen sein. Dass da nun ausgerechnet jemand wie Rudi Dutschke dem von vornerein kritisch begegnet wäre, mutet für mich nun eher unwahrscheinlich an.
Seine Abgrenzung und Kritik kam dann ja auch erst post, wenn ich das richtig verstanden habe.
Die Idee, als Revolutionär eine differenzierte Anwendung von Gewalt zu propagieren ist dabei ohnehin schon per se problematisch. So wird vorher doch immer geredet, die Realität sieht dann aber hinterher bekanntlich immer anders aus. Mir wäre dann auch keine einzige Revolution bekannt, bei der es am Ende tatsächlich bei einer differenzierten und möglichst minimalen Anwendung von Gewalt geblieben wäre.
Marx war da etwas realistischer, dass im Wege einer praktische Umsetzung seiner Gesellschaftsutopien erstmal hunderte Millionen Menschen bei seiner permanenten Weltrevolution über die Klinge springen müssten soll er sogar einmal explizit geäußert haben.
Und das ist ja auch völlig klar. Gegen wen soll sich denn die sogenannte "Gegengewalt" richten, wenn man unsere freien marktwirtschaftlichen bürgerlichen Gesellschaften als verborgen gewalttätige latent faschistische Instititutionen verunglimpft? Natürlich gegen die bürgerliche Gesellschaft selbst.
Dass aus solchen Gedanken so etwas wie eine RAF entwächst, finde ich dabei nicht nur kaum verwunderlich, sondern es stellt sich dabei m.E. sogar tatsächlich die Frage, ob dabei am Ende überhaupt irgendetwas anderes aus solchen fehlgeleiteten Vorstellungen herauskommen kann?
Zum einen gibt solch eine Feststellung nun keinerlei Argument ab, und zum anderen ist sie dann auch noch äußerst fragwürdig.
"Gewalt" geht in wirklich allen seinen Fazetten, von staatlicher Gewalt, Gewaltverbrechen, bishin zu häußlicher Gewalt und was einem sonst noch alles an beispielen einfallen mag, seit vielen vielen Jahren in einem erstaunlich konstantem und festen Trend zurück.
Da gibt es eine sehr interessante Studie von Steven Pinker, die sich damit in all seinen Details befasst.
In der heutigen Zeit, bildet im wesentlichen nur der nahe Osten, und Teile Afrikas und Südamerikas davon eine Ausnahme.
Aus diesem Umstand möchtest Du dann aber hoffentlich nun nicht ernsthaft irgendeine Legitimation für Gewalt für den Rest der Welt ableiten wollen, da liefe Dein Argument, dann allerdings praktisch schon irgendwo hinaus.
In unseren bürgerlichen Gesellschaften liegt das Gewaltmonopol bekanntlich beim Staat. Und ein politischer Übergang wird dabei anders als in Dikaturen nicht durch gewaltsame Umstürze sondern durch freie Wahlen hervorgerufen. Wer damit nicht einverstanden ist, der ist kein Demokrat, und das was er politisch errichten möchte, dürfte dann auch keine Demokratie sein.
Mannigfaltig? Na, dann zähle diese mannigfaltigen Rechtfertigungsgründe doch mal auf?
...also wenn es um Gewalt gegen andere Personen im Hinblick auf ihre körperliche Unversehrtheit geht, fällt mir da eigentlich nur Notwehr und Nothilfe ein.
Als Drittes gäbe es noch den Notstand, dabei geht es jedoch in der Regel vor allem um die widerrechtliche Nutzung fremden Eigentums und nicht um Gewalt gegen Personen.
Und jetzt bin ich auf Deine mannigfaltigen anderen anerkannten Gründe gespannt (...die es nicht gibt)
;-)
1. Die Geschichte der Linken in all ihren verschiedenen und gegensätzlichsten Formen ist randvoll mit fragwürdiger und illegitimer Selbstermächtigung zu exzessiver Gewalt, die sich nicht zuletzt auch gegen Linke selbst gerichtet hatte. Das kann man nicht als blossen Unfall abtun oder auf äussere Bedingungen abwälzen, sondern das muss man aufarbeiten. Eben das hat die postmoderne Linke versucht, sie ist sozusagen das Produkt der Ideologiekritik an ihren eigenen Vorgängern.
2. Der bürgerliche Staat der BRD wurde fehlinterpretiert als Faschismus in bürgerlicher Maske, wofür die massenhafte Übernahme von NS-Funktionären und sogar überführten NS-Massenmördern in den demokratischen Staatsapparat allerdings nicht zu knappen Anlass lieferte. Heute hingegen ist klar, dass der bürgerliche Staat als Bollwerk gegen Barbarei nicht nur interpretiert, sondern auch gegen diese verteidigt werden muss. Wie es bereits Adorno vorgab: Erst (ein neues) Auschwitz verhindern und dann sich um Emanzipation und Teilhabe kümmern, nicht umgekehrt.
3. Der lange Marsch war erfolgreich. Nicht unbedingt so wie ursprünglich gedacht und es dauerte auch länger als erhofft, aber soziokulturell haben die 68'er Epoche gemacht. Aus Sicht des Weltgeistes haben sie die kulturelle Begleiterzählung eines grünen postfordischen Postkapitalismus vorweggenommen und gegen Widerstände durchgesetzt.
...aber so mannigfaltig ist das doch nun alles gar nicht, sondern im Gegenteil äußerst eng begrenzt
;-)