Culture Club
Es ist eine Zeit der Eindeutigkeiten. Der Standpunkt des postmodernen Zweideutigen, des augenzwinkernden Laufens in den Mokassins der protofaschistischen Ästhetik ohne Protofascho sein zu wollen, das experimentelle und spielerische, was da auch mit drin steckt, ist längst komplett aus der Welt gefallen. Es gibt kein unschuldiges Mitlaufen bei einem Trump-Mob mehr, so a la 'Free Speech gilt auch für Rechte', sondern es gilt mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen. Schwer vorstellbar, dass ein Analytiker wie Maus das nicht hat antizipieren können. Antifaschismus steckt in der DNA der popkulturellen Avantgarde, er ist in diesem Milieu so selbstverständlich wie Natur selbst. Sollte er da tatsächlich mitgelaufen sein, egal mit welcher Begründung oder Ausflucht, ist er verbrannt und wird sich mit einer Pariaexistenz bescheiden müssen. Zurecht, meiner Meinung nach, schon wegen der Naivität.
Ja, es sind schon überall durchaus besondere Zeiten. Solche Dinge, wie die Auschreitungen am Kapitol in US, der Vandalismus, der dort von anderer Seite an Denkmälern und Kulturgütern betrieben wird, die ebenfalls immer wieder ausufernden Covidioten Demos bei uns im Osten, sowie überhaupt diese ganze Bewegung um Figuren wie Captain Future oder Attila Hildmann, die Gelbwestenproteste in Frankreich, die ebenfalls regelmäßig entgleisen, oder letzlich auch die Auschreitungen in Hamburg beim g20 Gipfel... all diese Phänomene hätte man sich noch vor 10-15 Jahren nirgends vorstellen können.
Obwohl es sich hier um Bewegungen handelt, die teilweise von völlig unterschiedlichen Gruppen betrieben werden, so sehe ich dort überall schon gewisse Schnittmengen hinsichtlich der eigentlichen Dynamik, sowie der übergeordneten Phänomene, die diese Dynamiken überhaupt erst auslösen.
Mit rechts und links hat das alles m.E. gar nicht ganz so viel zu tun, wie man vielleicht auf den ersten Blick auf die Idee kommen könnte. Dabei sind all diese Bewegungen m.E. bei allem was dabei auch in Teilen vorgetragen wird, wofür man zumindest ein gewisses Verständnis aufbringen kann, letztlich alle äußerst destruktiv.
Auch wenn diese Bewegungen sehr viel Lärm versursachen, so ist das alles zahlenmäßig m.E. aber gar nicht ernsthaft als so große Bedrohung zu betrachten.
Es reicht völlig aus, wenn Exekutive und Judikative ihre Arbeit machen und die Randalierer strafrechtlich entsprechend verfolgen (auch in US).
Dabei sollte es allerdings keine Toten geben müssen. In den USA sind die Polizisten im allgemeinen nun leider sehr schnell bei der Schusswaffe, was m.E. sehr tief mit dem liberalen Wachenrecht in US sowie der gesamten dahinterstehenden Kulturgeschichte zu tun hat. Nichtsdestotrotz sollte man das von aussen betrachtet aber nicht als "Normalität" akzeptieren.
Was wäre hier wohl losgewesen, wenn der blöde Hildmann beim Versuch den Berliner Reichstag zu stürmen erschoßen worden wäre?...oder irgend ein flaschenwerfender Demonstrant bei den g20 Demos?
Nein, solche staatlichen Gewaltexzesse sollte man sich nicht wünschen, sonst ist man womöglich schon selber mehr zu einem Faschisten geworden, als einem lieb ist.
Sowas hier für notwendig zu halten, beruht zudem auch auf einer drastischen völligen Fehleinschätzung der tatsächlichen Lage.
Auch die Polarisierung "Pro Trump oder Pro Rep = Faschist" ist dann auch viel zu einfach, um den Lebenswirklichkeiten auch nur Ansatzweise in irgendeiner Weise gerecht werden zu können.
Wer so daherredet, sollte anderen im übrigen auch besser keine Naivität vorhalten. Eine naivere Position dazu kann man nämlich gar nicht vertreten (mit Ausnahme vielleicht der ebenso unsinnigen inversen Position "Antitrump = Kulturmarxist")
Wer eine wirklich besonnene und verantwortungsvolle Haltung einnehmen möchte, der beteiligt sich nicht an solchen Polarisierungen, auch da kann nämlich am Ende nichts Gutes daraus erwachsenen.
Ich kann im übrigen auch nichts Gutes daran finden, sich in solchen Zeiten zu einem Inquisitor oder Jakobiner aufzuschwingen, oder so eine Haltung dazu für richtig zu halten.
Des weiteren sollten auch informelle Sanktionen seitens gesellschaftlicher Institutionen nicht in einem völlig unangemessenen Verhältnis zur Verfehlung stehen, ansonsten ist man schnell bei dem Wahnsinn von McCarthy angelangt.
Ich für meinen Teil weigere mich jedenfalls, mich an solchen Polarisierungen zu beteiligen, und ich weigere mich noch mehr, ganze Lebenswerke zu entwerten (oder sogar den ganzen Menschen selbst), bloß weil jemand mal irgendwann irgendetwas blödes gesagt oder getan oder auch gedacht haben mag.
Politisch halte ich es dabei nicht nur in US gerade für eines der wichtigsten Projekte, die verschiedenen geselschaftlichen Gruppen wieder mehr mit einander zu versöhnen.
Sowas kann ich mir allerdings beim besten Willen nicht vorstellen.
Rein zahlenmässig wären diese Gruppe allerdings ebenfalls "nicht die Bohne existenziell".
Problematisch würde sie allerdings sehr wohl im Hinblick auf ihre Bewaffnung.
Diese Grupe von 20.000 people dürfte dabei allerdings in keiner Weise repräsentativ für die über 40% an Trump wählern sein.
Ich persönlich rechne übrigens damit, dass wir den Höhepunkt mit den jüngsten Capitol Hill riots bereits gesehen haben und die Amtsübergabe an Biden nun friedlich und sogar ziemlich ungestört von Statten gehen wird und der ganz Spuk dann auch erstmal ein Ende hat.
Die übergeordnete Problematik einer Polarisierung der Gesellschaft dürfte dabei natürlich unter der Oberfläche erstmal weiter schwelen.
Biden findet hier leider keine leichte Ausgangslage vor.
Ein großer Teil der ganzen Probelmatik dürfte dabei in den großen Veränderungen liegen, die uns gerade in fast allen Lebensbereichen erwarten, von der Digitalisierung, dem Klimawandel, der Automatisierung, bishin zu Finanzmarkt- und u.U. auch Geldreformen etc. etc., sowie all den persönlichen Ängsten und Befürchtungen, die damit verbunden sind und dem Gefühl, dass sich die Politik von seinen Bürgern immer weiter entkoppelt.
Mitunter werden dafür dann alle möglichen Sündenböcke gefunden, und jemand wie Trump wird von manchen womöglich nur deswegen als Ausweg gesehen, weil er immer noch in alten Konzepten der Vergangenheit denkt, wie z.B. Industrie zurück in die USA zu holen, auf fossile Brennstoffe zu setzen, den Klimawandel beiseite schieben zu wollen etc.
Dieser ganze Spuk wird dann m.E. wiederum erst ein Ende finden, wenn die Geburtswehen, die mit größeren Veränderungen leider so häufig verbunden sind, überstanden sind. Bis dahin wird das gesellschaftspolitische Klima wohl weiter holprig und angespannt bleiben. Man wird dabei am Ende allen Seiten irgendwo ein bisschen gerecht werden, viel Toleranz aufbringen und auch vieles aushalten müssen.
Dass ist dann, zumindest meiner Meinung nach, auch das Markenzeichen einer Demokratie und eben nicht(!) der totale Krieg gegen die Opposition.
Alright, ...die werden vermutlich nicht viel zu tun bekommen.
Btw. habe gerade mal versucht, etwas über die geschätzte Anzahl der Demonstranten zu googeln, die da am Capitol Hill gewesen sein sollen, aber nichts gefunden.
Du hast Dich damit vielleicht etwas weiter beschäftigt, über was für eine Zahl reden wir da eigentlich ungefähr? Bei den Leuten die das Capitol gestürmt haben soll es sich um ein paar Dutzend gehandelt haben, wie ich soweit immerhin herausgefunden habe.
Ich weiß nicht, ...für mich sieht das alles nach einer ausufernden Demo mit einer Speerspitze weniger Extremisten und anderer Verrückter aus.
Hier sieht es nach tausenden aus:
https://en.wikipedia.org/wiki/International_Jewish_Labor_Bund
Was dort an Kollaborationen gelaufen oder auch nicht gelaufen sein mag, damit die besagten paar Dutzend ins Gebäude gelangen konnten ist doch aus der Ferne kaum wirklich sinnvoll abzuschätzen, ebenso wenig wie auch die mögliche Motivation dazu.
Ebenso unklar ist es, was mit dem Eindringen in das Capitol überhaupt bezweckt werden sollte bzw. ob damit überhaupt irgendetwas ernsthaft bezweckt werden sollte. Nach einem Putschversuch sah das jedenfalls nicht aus, eher nach sowas wie Abenteurvandalismus, mit netten Selfies, fürs Facebookalbum.
Ich halte das immer noch für eine mit Ankündigung aus dem Ruder gelaufene Demo, bei der sich die kollektive Enthemmung zumindest beim besagten Block immer weiter verselbständigt haben mag.
Im Großen und Ganzen scheint es daneben aber doch auch einen recht großen friedlichen Block gegeben zu haben, über dessen Beschaffenheit und Beweggründe der Teilnehmer man bloß spekulieren kann.
Es werden aber sicher auch viele Leute aus der bürgerlichen Mitte dabei gewesen sein, die irgendwo zu den über 40% gehören werden, die bei der Wahl für die Republikaner gestimmt haben.
Große Sorgen macht mir das alles nicht.
Glaubst du denn ernsthaft daran, dass jetzt irgendein Haufen glühender und militanter Trumpanhänger (wie groß auch immer dieser Haufen dann am Ende wirklich sein mag) jetzt tatsächlich ernsthaft veruchen wollen könnte, einen Umsturz zu organisieren und Trump wieder ins Amt zu befördern? ...oder dass die jetzt plötzlich nur wegen der Niederlage ihres Politllieblings zu Terroristen würden, die jetzt dauernd den Staat und seine Institutionen mit Gewalttaten überziehen?
Ich halte solche Szenarien jedenfalls allesamt für völlig unrealistisch.
Der Schock darüber, dass es dort am Capitol Hill am Ende zu 5 Todesopfern gekommen ist, dürfte bei der großen Mehrzahl der friedlichen Demonstranten auch immer noch tief sitzen. Der Appetit auf solche Adventures dürfte dabei erst einmal vergangen sein.
Meine Prognose ist wie gesagt, dass die Amtsübergabe in zweit Tagen nun nach diesem Kater völlig friedlich und nahezu ungestört ablaufen wird.