Der DORIS ihrem MANN sein FINANZMINISTER
Ökonomen werfen Eichel Täuschung vor
Von Jens Tartler, Berlin
In der Debatte über einen angeblichen Wahlbetrug durch die Bundesregierung haben führende Wirtschaftsforschungsinstitute Vorwürfe gegen Finanzminister Hans Eichel erhoben. Er habe Informationen über die Finanzlage im Wahlkampf bewusst zurückgehalten.
Das sagte Heinz Gebhardt, Finanzexperte am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen. Genau diesen Verdacht hat auch die Opposition im Bundestag. Deshalb wird die Union die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Thema "Wahlbetrug" der Bundesregierung durchsetzen. Einer der Zeugen soll Eichel sein.
Gebhardt hatte bereits am 24. Mai in der "Tagesschau" gesagt, dass nach seiner Einschätzung ein Sparpaket von 10 Mrd. Euro pro Jahr notwendig werde. Im selben Beitrag hatte der Mainzer Professor Rolf Peffekoven, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats in Eichels Ministerium, vorhergesagt: "Wir brauchen also ein Konsolidierungsprogramm, das wird offenbar jetzt vor der Wahl noch nicht publiziert, was ja vielleicht auch verständlich ist. Aber egal wie die Regierung nach dem September aussehen wird, sie wird als erste Handlung ein solches Konsolidierungsprogramm vorlegen müssen."
Wortwahl "unterste Schublade"
Eichel tat die Warnungen am selben Tag ab: "Das gehört zu den vielen Latrinenparolen, die in diesen Tagen durch die Landschaft geistern. Es geht nicht um zusätzliche Sparpakete, aber es geht um große Anstrengungen, die wir im Haushalt machen."
RWI-Forscher Gebhardt erinnert sich: "Eichels Aussage hat uns Ökonomen erschüttert - nicht nur, weil die Wortwahl unterste Schublade ist." Gebhardt findet es nicht nur "befremdlich", dass Eichel nach der Bundestagswahl ganz anders gehandelt hat, als er im Mai sagte. Allein der Bund habe später 13,5 Mrd. Euro zusätzliche Schulden gemacht. Er, Gebhardt, habe die 10 Mrd. Euro auf den Gesamtstaat bezogen.
Er vermutet auch, dass den führenden Ökonomen Informationen vorenthalten wurden. Als die Vertreter der führenden Forschungsinstitute in der zweiten Aprilwoche in Kiel an ihrem Frühjahrsgutachten arbeiteten, versuchten sie, vom Finanzministerium die Steuerzahlen für März zu bekommen. Dies ist nach Gebhardts Aussage trotz zahlreicher Anrufe nicht wirklich gelungen.
Auch Alfred Boss vom Kieler Institut für Weltwirtschaft erinnert sich: "Wir haben die Zahlen gar nicht oder nur in Bruchstücken gekriegt." Nach Aussage von Christina van Deuverden, Finanzexpertin am Institut für Wirtschaftsforschung in Halle, gab es "nur die Wachstumsraten von ein paar Gemeinschaftssteuern". Absolute Zahlen blieben aus. Gebhardt, Boss und van Deuverden sagen übereinstimmend, das sei ein absolutes Novum.
Amtliche Statistik korrigiert
Auch auf das Statistische Bundesamt ist Gebhardt nicht gut zu sprechen. Im September, kurz vor der Bundestagswahl, habe die Behörde für das erste Halbjahr 2002 ein Defizit von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an die Forscher gemeldet, die ihr Herbstgutachten schrieben. Einige Wochen nach der Wahl wurde die Quote auf 3,7 Prozent korrigiert. Der Überschuss der Sozialversicherungen wurde von 4,6 Mrd. Euro auf 2,2 Mrd. Euro heruntergesetzt. Gebhardt: "Schon bei der ersten Veröffentlichung kannte jeder ganz andere Zahlen." Auch der Kieler Forscher Boss sagt: "Das warf einige Fragen auf."
Gebhardt kritisiert, dass Eichel die Verantwortung für seine Haushaltsprobleme den Forschungsinstituten zuschieben wolle. "Dass die Regierung immer anderen die Schuld geben will, irritiert uns schon."
EU-Kommission zweifelt an deutscher Etatplanung
Die EU-Kommission zweifelt an den Eckdaten der deutschen Haushaltsplanung bis 2007.
Das geht aus der in Brüssel vorgelegten Bewertung des deutschen Stabilitätsprogrammes hervor. Das Bundesfinanzministerium hat die Zweifel zurückgewiesen.
Nach Einschätzung der Kommission sind die Vorstellungen der Bundesregierung zu Wirtschaftswachstum, Steuereinnahmen und Ausgabenentwicklung wenig realistisch. Die Kommission sieht das Risiko, dass das Haushaltsdefizit auch 2005 die Obergrenze im Stabilitätspakt von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) übersteigt. In diesem Fall hätte Deutschland dann zum vierten Mal in Folge die Defizitgrenze verletzt.
Dagegen sagte Ministeriumssprecher Jörg Müller in Berlin, der Vorwurf der Kommission, die Wachstumsaussichten für 2005 seien unrealistisch, sei "völlig unbegründet". Die Bundesregierung habe in ihrem Stabilitätsprogramm für Brüssel noch keine aktuelle Wachstumsprognose abgegeben. Die Berechnungsmethoden Brüssels und Deutschlands könnten auch nicht miteinander verglichen werden.
dpa, 18.2.4
STAATSFINANZEN
Zock mal wieder
Der Bundesfinanzminister will die enorme Zinslast des Bundes drücken - und dafür unter die Zocker gehen.
Fast so wichtig wie der neueste Sparplan von Bundesfinanzminister Hans Eichel selbst ist dessen Geheimhaltung: Die Gruppe seiner Experten ist handverlesen und zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet. Auf jeder einzelnen Seite ihres Berichts prangt der Schriftzug "Streng vertraulich". Eine penibel geführte Liste verzeichnet zudem, wer das Papier wann zu Gesicht bekommen hat. All das hat einen guten Grund.
"Was hier zum Schuldenmanagement des Bundes vorgeschlagen wird", so ein Beteiligter, "ist äußerst kapitalmarktrelevant." Wer vorab weiß, wie Eichel die Zinsbelastung des Bundes senken will, könnte illegale Insidergeschäfte tätigen. Das brisante Papier droht zudem die Anleihemärkte in Aufruhr zu versetzen. Denn Berlins Kassenwart will unter die Zocker gehen und sich auf hoch spekulative Geschäfte einlassen.
Devise eins: Nach uns die Sintflut. Devise zwei: Ohne Risiko kein Profit.
Schon heute zahlt der Bund jedes Jahr rund 38 Milliarden Euro an Zinsen. Zwischen 2004 und 2006 werden obendrein rund 250 Milliarden der Gesamtschulden von knapp 800 Milliarden Euro fällig. Dieser Berg muss umgeschichtet werden. Das Ministerium fürchtet, der Kapitalmarkt werde die hohen Summen nur mit teuren Aufschlägen akzeptieren.
Ein ganzes Bündel von Maßnahmen soll die Situation deshalb kurzfristig entspannen. Der Kern von Eichels Geheimplan ist die "Neustrukturierung der Staatsschulden", für die das Ministerium ein "Zielportfolio" entwickelt hat, das in zehn Jahren erreicht werden und deutlich mehr Anleihen mit kurzen Laufzeiten enthalten soll als heute (siehe Grafik).
Die durchschnittliche Laufzeit sinkt schon bis 2007 von 6,17 auf 5,22 Jahre, was die Zinsenausgaben in dieser Zeit um rund 500 Millionen Euro drückt. Doch die Ersparnis hat ihren Preis.
Denn je kürzer die Laufzeiten der Anleihen ausfallen, desto stärker wirken sich auch Zinsänderungen aus. Jeder Häuslebauer weiß das. Selbst Ex-Finanzminister Theo Waigel predigte stets: Sind die Zinsen niedrig, muss man sich Geld langfristig leihen. Eichel schwenkt nun um - obwohl dadurch auch Mehrausgaben entstehen können, wie seine Experten zugeben. Bis 2007 sei diese Gefahr jedoch gering, denn bis dahin überwiegen die billigeren Zinsen durch die Umschichtung.
Ist das Zielportfolio aber erreicht, steigt das Haushaltsrisiko kräftig an - und liegt dann "15 Prozent über dem Niveau des derzeitigen", was Eichels Fachleute noch für vertretbar halten. Das ist Ansichtssache.
Denn möglich ist auch, dass sich der Bund dann in einer Phase steigender Zinsen am Kapitalmarkt neu verschulden muss. Mit einer Wahrscheinlichkeit von immerhin 30 Prozent, so die Berechnungen, müsse er schon im ersten Jahr 570 Millionen Euro mehr aufbringen als unter der jetzigen Schulden-Architektur. Vier Jahre später läge die Summe bei 3,2, nach zehn Jahren sogar bei etwa 5,5 Milliarden Euro.
Die Umschichtung könnte so zu einem teuren Ausflug werden, der den relativ kleinen, kurzfristigen Gewinn kaum rechtfertigt. Doch das muss nicht mehr das Problem von Eichel sein, der dann sicher nicht mehr oberster Kassenwart in Berlin ist.
Zur "Strukturkomponente" des neuen Schuldenmanagements kommt eine "taktische Komponente". Die Finanzagentur des Bundes, die für Eichels Ministerium die Schulden managt, soll die Zinsentwicklung anhand von Wirtschaftsprognosen für die jeweils nächsten drei Jahre vorhersagen - und darauf spekulieren. Das tut sie mit Swaps, also hochriskanten Finanzinstrumenten, die eigentlich zum Absichern von Zinsrisiken gedacht sind.
Eichel hat die Finanzagentur bereits ermächtigt, diese Zockergeschäfte im Jahr 2004 auf 80 Milliarden Euro zu erhöhen. Obendrein will er künftig auch Fremdwährungsanleihen begeben, also Bundesschulden in Dollar, Rubel, britischen Pfund oder auch anderen Währungen.
Rechtlich ist das aber nicht möglich, der Bundestag müsste zustimmen. Doch auch diese Geschäfte sind riskant: Sinkt der Euro-Kurs gegenüber der jeweiligen Emissionswährung zum Ende der Laufzeit etwa um 20 Prozent, muss der Bund 20 Prozent mehr zurückbezahlen, als er sich geliehen hat.
Selbst bei einer Währungsabsicherung, heißt es in dem Bericht, "könnte der Eindruck von Spekulationsgeschäften entstehen". Andererseits führten diese Finanzinstrumente zu einer "Entlastung der Liquiditätssituation". Die sperrige Formulierung kaschiert eine prekäre Situation.
Die hohen Tilgungsverpflichtungen ab 2004 und die deshalb nötigen Umschuldungen könnten an den Märkten zu einem Überangebot führen, das von Investoren nur zu deutlich höheren Zinsen akzeptiert wird. Die Bundesanleihe, einst das sicherste Schuldpapier der Welt, droht dabei unter die Räder zu kommen. Wenn aber ein Teil der Schulden im Ausland platziert werde, sei diese Gefahr geringer.
Schon deshalb wollen Eichel und seine Finanzmanager den Gang zum Parlament antreten. Das einzige Problem: "Bisher wissen wir noch nicht", sagt ein Insider, "wie wir den Abgeordneten die Materie erklären sollen, ohne unsere Pläne im Detail offen zu legen."
Spiegel online, 6.3.4
BUNDESHAUSHALT
Eichel droht neues Zehn-Milliarden-Loch
Bundesfinanzminister Hans Eichel muss ein weiteres Haushaltsloch in Milliardenhöhe stopfen. Presseinformationen zufolge fällt der diesjährige Gewinn der Bundesbank deutlich geringer aus als erwartet, die Opposition befürchtet zudem wegen der schwachen Konjunktur weitere Steuerausfälle.
Die Halbwertzeit des Budgetplans wird kleiner, die Lücke dafür größer
Wegen der flauen Konjunktur muss Eichel (SPD) nach Einschätzung des CDU- Haushaltsexperten Michael Fuchs ein weiteres Milliarden-Loch im Haushalt ausgleichen. Wie Fuchs der "Bild"-Zeitung sagte, seien zusätzliche Steuerausfälle von bis zu acht Milliarden Euro zu befürchten. Zur Begründung sagte der Unionspolitiker, der von Eichel aufgestellte Haushalt gehe von 1,8 Prozent Wirtschaftswachstum aus. Nach Schätzungen Fuchs' werde die Wirtschaft aber nur um rund ein Prozent wachsen. Dadurch steige das Haushaltsdefizit stärker als geplant. Die meisten Wirtschaftsforschungsinstitute gehen inzwischen von einem Wachstum für 2004 von unter 1,8 Prozent aus, erwarten jedoch eine bessere Konjunkturentwicklung als Fuchs.
Für eine weitere Haushaltslücke könnte ein Gewinneinbruch bei der Deutschen Bundesbank sorgen. Für 2003 wird deren Überschuss nach Informationen des "Handelsblatts" deutlich unter einer Milliarde Euro liegen. Damit tue sich im Bundeshaushalt 2004 eine neue Lücke von deutlich mehr als 2,5 Milliarden Euro oder rund zehn Prozent der geplanten Nettoneuverschuldung auf. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) habe einen Bundesbankgewinn von 3,5 Milliarden Euro im Bundeshaushalt fest eingeplant. Das Finanzministerium lehnte dem Blatt zufolge eine Stellungnahme ab.
EU-Finanzminister: "Unsolider Haushalt"
Bereits in der vergangenen Woche hatte Bundesbankpräsident Ernst Welteke vor dem Haushaltsausschuss des Bundestages gesagt, dass der Gewinn der Bundesbank vor allem wegen der niedrigen Zinsen unter 3,5 Milliarden Euro bleiben werde. Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dietrich Austermann, hatte eine Größenordnung von einer Milliarde Euro ins Spiel gebracht. Dass jetzt sogar dieser Wert deutlich unterschritten werde, komme überraschend, schreibt die Zeitung. Die genauen Zahlen gibt die Bundesbank am 24. März bekannt.
Die Finanzminister der EU hatten Deutschlands Haushalt vergangene Woche als unsolide kritisiert und Eichel davor gewarnt 2005 erneut zu hohe Schulden aufzunehmen und damit den Stabilitätspakt von Maastricht zu verletzen. Diese Gefahr bestehe, falls das Wirtschaftswachstum schwächer ausfalle als von Berlin angenommen.
Spiegel online, 15.3.4
EICHEL IN NOT
Bundesbank-Gewinn drastisch eingebrochen
Die schlimmsten Befürchtungen haben sich bestätigt. Bundesfinanzminister Hans Eichel wird von der Deutschen Bundesbank nur einen Bruchteil dessen überwiesen bekommen, was er eingeplant hatte.
Ursprünglich hatte Eichel mit rund 3,5 Milliarden Euro gerechnet. Jetzt wird die deutsche Zentralbank für 2003 lediglich 248 Millionen Euro zum Bundeshaushalt beisteuern.
Im vergangenen hatte die Bundesbank noch einen Jahresüberschuss von deutlich mehr als fünf Milliarden Euro überwiesen, ein Jahr davor waren es sogar 11,238 Milliarden Euro. Allerdings hat die Bundesbank in den siebziger Jahren auch schon einmal auf Grund von Dollarkurs-Verlusten einen Jahresfehlbetrag verbucht. So lag das Minus im Jahr 1973 bei rund 6,7 Milliarden Mark, wie ein Sprecher am Mittwoch mitteilte.
Die Bundesbank erklärte am Mittwoch in Frankfurt am Main das Ergebnis damit, dass zum Jahresende 2003 hohe Abschreibungen erforderlich gewesen seien. Von den ausgewiesenen Bewertungsverlusten von 2,3 Milliarden Euro seien allein 1,7 Milliarden auf US-Dollar entfallen, hieß es weiter.
Spiegel online, 24.3.4
Verkauf der Goldreserven - Welteke-Ablösung schon länger geplant
Die Adlon-Affäre ist angeblich nicht der einzige Grund, warum die Bundesregierung Ernst Welteke als Bundesbankpräsident ablösen möchte.
Wie FOCUS mit Bezug auf Vorstandskreise berichtet, gab es Unstimmigkeiten über den Verkaufserlös der Goldreserven. Die Bundesregierung will dadurch einen zweistelligen Milliardenbetrag für eine Innovationsoffensive vor den kommenden Wahlen erlösen. Welteke sei aber nur bereit gewesen, einen Fonds einzurichten und der Regierung dessen Zinsen und Erträge zur Verfügung zu stellen. Die Bundesregierung soll dieses Angebot als zu gering abgelehnt haben.
Schon vor der Welteke-Affäre sei Caio Koch-Weser, Staatssekretär im Finanzministerium, siignalisiert worden, er solle Welteke ablösen. FOCUS zufolge ist Koch-Weser bereit, den Verkaufserlös deutscher Goldreserven der Bundesregierung zur Verfügung zu stellen.
Focus online, 9.4.4
Wird wohl nix mit der Steueramnestie
Neue Haushaltsrisiken für Bund und Länder: Die Steueramnestie von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) zeigt bislang kaum Erfolg.
Nach internen Papieren aus dem Bundesfinanzministerium beliefen sich die Einnahmen im ersten Quartal auf 76,9 Mill. Euro. Für das Gesamtjahr haben Eichel und seine Länderkollegen 5 Mrd. Euro in ihre Haushalte eingestellt.
Der Finanzexperte des Münchner Ifo-Instituts, Rüdiger Parsche, sagte, „wenn am Jahresende eine halbe oder gar eine Milliarde zusammenkommt, kann Eichel sich sehr glücklich schätzen“. Es habe viel Mühe gekostet, das Schwarzgeld dorthin zu transferieren wo es nun ist, und für die meisten Steuerflüchtlinge gäbe es keine Grund, es nun wieder zurückzuholen, sagte Parsche dem Handelsblatt.
Handelsblatt, 21.4.4
Da wäre man ja schon ein grosser Däpp.
Ich als Schweizer habe ja auch ein Schwarzgeldkonto, aber im fernen Ausland, wäre ja auch bekloppt wenn ich das zurückholen würde. Das ist ein Teil meines Altersgeldes, dass dann, aber ohne Steuer, einmal ausgegeben wird.
So ist das und so ist es für tausende Andere auch.
bilanz
SCHULDENREPUBLIK DEUTSCHLAND
Ökonomen warnen vor Defizit-Verstoß auch 2005
Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten, dass Finanzminister Hans Eichel auch 2005 die Defizitgrenzen der EU verletzen wird. Die Zahl der Arbeitslosen werde im kommenden Jahr zwar sinken - aber nur um kaum spürbare 1,3 Prozent.
Schatten des Finanzministers: Wenn jetzt noch die Zinsen steigen, eskaliert das Etatproblem
Offiziell legen die sechs führenden Institute ihr Frühjahrsgutachten erst am Dienstag vor. Nach und nach aber sickern einige Kernzahlen durch. So berichtet die "Financial Times Deutschland" nun: Aus Sicht der Ökonomen werde das Haushaltdefizit des Bundes auch 2005 die im EU-Vertrag festgelegte Stabilitätsgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) überschreiten. Die Regierung geht bisher nicht davon aus - auch die EU erwartet bisher, dass Deutschland 2005 bei der Neuverschuldung im Rahmen bleibt.
Die Institute sagen aber für nächstes Jahr einen Fehlbetrag von 3,5 Prozent des BIP voraus, so die "FTD". Begründung: Auch 2005 werde die Wirtschaft nur um 1,5 Prozent wachsen, nicht schneller und nicht langsamer als in diesem Jahr. 2004 wird Deutschland die Defizitgrenze ohnehin verfehlen.
Die Zahl der Arbeitslosen wird den Angaben zufolge in diesem Jahr erstmals seit 2001 wieder sinken. Sie gehe von 4,376 Millionen 2003 auf 4,332 Millionen zurück, glauben die Volkswirte. Im kommenden Jahr werde sie weiter auf 4,276 Millionen sinken.
"Dann wird es eng"
Nach Berechnungen der rot-grünen Koalition zeichnet sich unterdessen ab, dass im Bundeshaushalt 2004 schon jetzt eine Lücke von sechs bis zehn Milliarden Euro klafft. Es werde "ein schwieriges, aber machbares Unterfangen", die Neuverschuldung bei den geplanten 29,3 Milliarden Euro zu halten, meldete AP am Montag unter Berufung auf Koalitionskreisen. Das Finanzministerium wollte keine Angaben dazu machen und lehnte die von SPD und Grünen geforderten Maßnahmen zur Haushaltssicherung ab.
Die von der Union genannten fast 16 Milliarden Euro Defizit seien "zu hoch gegriffen", hieß es in den Kreisen. Eine Rekordneuverschuldung von 45 Milliarden Euro sei nicht in Sicht. "Das heißt nicht, dass die Lage rosig ist." Es sei aber möglich, die Situation zu beherrschen, ohne noch mehr Kredite aufzunehmen. Das Haushaltsloch werde auf zehn Milliarden Euro anwachsen, wenn die Konjunktur nicht anziehe, die Steuerschätzung erneut eine Hiobsbotschaft bringe und die Zinsen stiegen. "Dann wird es eng."
Union und FDP plädierten für einen Nachtragsetat. Trotz der sich abzeichnenden Haushaltslöcher hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder darauf bestanden, die Milliarden-Einnahmen aus dem Verkauf deutscher Goldreserven in den Bildungsbereich statt in den Schuldenabbau zu stecken. Er erteilte möglichen Begehrlichkeiten Eichels eine Absage. "Jeder Finanzminister will Geld haben, um Schulden abzubauen", sagte Schröder. Er aber unterstütze den Vorschlag des zurückgetreten Bundesbankpräsidenten Ernst Welteke, die Milliarden in eine Bildungsstiftung zu stecken.
Spiegel online, 26.4.4
Wirtschaftsforscher sehen nur schwaches Wachstum
Wirtschaftsexperten geht nach eigenen Angaben für 2004 nur von einem schwachen Anstieg der deutschen Wirtschaftsleistung aus.
Der Anstieg des Bruttoinlandproduktes (BIP) werde im laufenden Jahr bestenfalls bei rund einem Prozent liegen, sagte der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel am Montag in Berlin. Deutschland sei in einer Phase der hartnäckigen Stagnation, die vor allem im industriellen Bereich deflationäre Züge trage. Das geringe Wachstum komme alleine aus dem Export, wobei dieser vor allem durch Warenlieferungen nach Osteuropa getragen werde: "Die Binnenkonjunktur liegt jedoch so danieder, dass durch den Export kein Konjunkturfunke überspringen wird."
Die Bundesregierung will am Freitag ihre Erwartung an die Konjunktur veröffentlichen. Nach Worten von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) gibt es keine Veranlassung von den bisherigen Einschätzung von 1,5 bis zwei Prozent Wachstum des BIP für 2004 abzugehen. Am Dienstag stellen die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Wachstumsprognose vor. Nach Medienberichten gehen sie von einer Zunahme der Wirtschaftsleistung von rund 1,5 Prozent im laufenden Jahr aus.
Nach dem "Memorandum 2004" des Arbeitskreises hat die Reformagenda der Bundesregierung - insbesondere Gesundheits- und Rentenreform - die Nachfrage weiter geschwächt und zu einer deutlich gestiegenen Sparquote beigetragen. Nach Hickels Worten wird etwa die Wirkung der vorgezogenen Steuerreform vollständig durch die höheren Gesundheitsausgaben neutralisiert.
Nach dem Forschungsbericht der Wissenschaftler muss eine neue Beschäftigungspolitik im Zentrum der Wirtschaftspolitik stehen, die pro Jahr rund 129 Milliarden Euro kosten soll. Innerhalb der kommenden zehn Jahre müsse deshalb ein öffentliches Investitionsprogramm von rund 75 Milliarden Euro pro Jahr aufgelegt werden. Davon sollten rund 20 Milliarden Euro nach Ostdeutschland, 15 Milliarden Euro in Bildungsinvestitionen und 40 Milliarden Euro in ein ökologisches Sanierungs- und Modernisierungsprogramm fließen. Ferner müsse die Zahl der öffentlichen Beschäftigten durch höhere Ausgaben von jährlich 30 Milliarden Euro um mindestens eine Million zusätzliche Arbeitsplätze aufgestockt werden. Weitere 20 Milliarden Euro sollten in einen Ausbau von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bereitgestellt werden.
Durch die positiven konjunkturellen Effekte finanziere sich ein solches Programm zum Teil von selbst, heißt es in dem "Memorandum 2004". Zudem könnten durch mehr Effizienz und Gerechtigkeit in der Steuerpolitik höhere Einnahmen erzielt werden. Schließlich solle eine kurzfristige höhere Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte in Kauf genommen werden.
Reuters, 27.4.4
Steuerausfälle - Eichel steht vor Milliardenproblem
Auf Bundesfinanzminister Hans Eichel kommen noch schwerere Zeiten zu. Einem Zeitungsbericht zufolge werden die Steuerschätzer ihre Prognosen um einen zweistelligen Milliardenbetrag korrigieren - nach unten.
Berlin - Gut zwei Wochen vor der amtlichen Steuerschätzung sickern erste Informationen durch, wie das Ergebnis aussehen wird. Die "Berliner Zeitung" berichtet unter Berufung auf Kreise der Länderfinanzminister, dass sich die neuen Steuerausfälle aller Gebietskörperschaften für die Jahre 2004 und 2005 auf hochgerechnet 20 Milliarden Euro belaufen werden. Um diesen Betrag würden die Schätzer ihre Prognose vom November letzten Jahres reduzieren.
Gründe dafür sind dem Bericht zufolge die schlechter als erwartet laufende Konjunktur, die zu Ausfällen von zirka vier Milliarden Euro führen soll. Außerdem müsse Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) kräftige Abstriche an seiner Kalkulation im Rahmen der Steueramnestie machen, die deutlich weniger Kapital aus dem Ausland zurückgeholt habe als ursprünglich erhofft. Ebenfalls enttäuschend sollen die steuerlichen Einnahmen aus der Bekämpfung der Schwarzarbeit sein. Schließlich sei aufgrund unverändert schwachen Konsums auch die Umsatzsteuer nicht wie erwartet angesprungen.
Auf endgültige Zahlen wird sich der Arbeitskreis Steuerschätzung, zu dem Experten aus Bundesregierung, Bundesbank und führenden Wirtschaftsforschungsinstituten im Mai und im November jeden Jahres zusammenkommen, im Rahmen seines nächsten Treffens am 13. Mai verständigen.
Spiegel online, 29.4.4
Kurswechsel 180 Grad - Rot-Grün lässt das Sparen sein
Rot-Grün will durch Kurswechsel in der Finanzpolitik die Wirtschaft ankurbeln / Bulmahn: Mehr Geld für Forschung / Kabinettsklausur
Angesichts eines historischen Tiefs in den Meinungsumfragen bereitet die Bundesregierung zweieinhalb Jahre vor den nächsten Bundestagswahlen eine grundlegende Korrektur ihrer Finanz- und Haushaltspolitik vor: Der bisherige Sparkurs hat nach übereinstimmender Ansicht hochrangiger Koalitionspolitiker in eine Sackgasse geführt. Nun soll der Staat wieder mehr Geld in den Wirtschaftskreislauf pumpen, um das Angstsparen der Bürger zu überwinden und um mehr Wachstum und bessere Arbeitsmarktzahlen zu erzielen.
Nach Informationen der Berliner Zeitung soll das Thema "Neujustierung der Finanzpolitik" bereits an diesem Montag eine zentrale Rolle im SPD-Präsidium und im Parteirat der Grünen spielen. Führende Koalitionäre sind bereit, als Preis für mehr Wachstum einen neuerlichen Verstoß gegen den Europäischen Stabilitätspakt in Kauf zu nehmen. Allerdings sollen die geplanten Mehrausgaben des Staates in Zukunftsfelder fließen, schon um den Eindruck eines Rückfalls in alte Schuldenpolitik zu vermeiden. Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) sagte der Berliner Zeitung: "Wir müssen deutlich mehr Geld in Forschung und Bildung investieren. Wir können es uns nicht leisten, zu Lasten von Investitionen in Forschung, Bildung und Innovation zu sparen." Andernfalls setzte Deutschland seine Zukunftsfähigkeit aufs Spiel, warnte Bulmahn.
Ähnlich äußerte sich SPD-Vizefraktionschef Michael Müller: Er halte es "für richtig, nicht weiter sklavisch Sparpolitik zu betreiben", sagte Müller. Stattdessen müsse der Staat mehr Geld ausgeben für Zukunftsfelder wie Biotechnik, Ressourceneffizienz und Nanowissenschaft. Müller betonte, dies sei kein Angriff auf die Agenda 2010 von Kanzler Gerhard Schröder; es gehe um eine zweite Reformetappe.
Wie die Berliner Zeitung aus Regierungskreisen erfuhr, plant Rot-Grün, abermals eine Kabinettsklausur abzuhalten, diesmal zum Thema Neujustierung der Finanzpolitik; die letzte Kabinettsklausur fand Ende Juni 2003 in Neuhardenberg statt; seinerzeit wurde ein Vorziehen der dritten Steuerreformstufe beschlossen. Offen ist aber noch der Termin für die nächste Klausur - vor oder nach den Europawahlen am 13. Juni. Unterstützung für ihre Pläne bekommt die Regierung aus der Wissenschaft: Der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Gustav A. Horn, empfahl Rot-Grün, die jährliche Steigerungsrate der Staatsausgaben von heute 1,3 auf bis zu zwei Prozent anzuheben.
Bereits Mitte voriger Woche hatte es in der Regierungszentrale ein Treffen zwischen Schröder, SPD-Chef Franz Müntefering, Finanzminister Hans Eichel und Außenminister Joschka Fischer gegeben, bei dem über einen Neuzuschnittt der Finanzpolitik gesprochen wurde. Die Tatsache, dass Wirtschaftsminister Wolfgang Clement daran nicht teilnahm, wurde am Wochenende zum Problem, weil Fischer sich in einem unabgestimmten Vorstoß für einen Kurswechsel in der Finanzpolitik aussprach. Dem Spiegel sagte Fischer, für einen begrenzten Zeitpunkt müsse die konjunkturelle Erholung Priorität haben, "ohne dass wir von den Strukturreformen verabschieden". Regierungsintern wurde nun befürchtet, Clement könne sich neuerlich übergangen fühlen, nachdem Schröder ihn schon nicht in Pläne einbezogen hatte, den SPD-Vorsitz an Müntefering abzugeben.
BZ, 3.5.4
Neuverschuldung - Gigantische Löcher tun sich auf
Eichel rechnet offenbar fest damit, dass die Neuverschuldung in diesem Jahr einen neuen Höchststand erreicht – Theo Waigels Rekord würde damit um Längen gebrochen.
Die Summe der durch den Staat aufgenommenen Kredite könnten 47 Milliarden Euro erreichen, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ am Dienstag unter Berufung auf Regierungskreise. Damit würde Rot-Grün den Rekord von CSU-Finanzminister Waigel von 40 Milliarden Euro aus dem Jahr 1996 brechen. Bisher hatte Eichel für den laufenden Haushalt eine Neuverschuldung von 29 Milliarden Euro eingeplant. Als Gründe nannte Eichel geringere Steuereinnahmen als erwartet und die nach wie vor schwache Konjunktur.
Auch 2005 tun sich laut „SZ“ neue Haushaltslöcher auf. Bisher sieht Eichels offizielle Planung 21 Milliarden Euro neue Schulden vor. Die Beamten des SPD-Finanzministers sähen aber einen zusätzlichen Bedarf von 15 Milliarden Euro.
Machtkampf Schröder vs. Eichel?
In diesem Zusammenhang gibt es angeblich einen Machtkampf zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Eichel: Während der Finanzminister laut „SZ“ zwecks Stopfung der drohenden Löcher unbedingt weiter sparen will, will der Regierungschef offenbar neu investieren.
Eichel seinerseits hatte am Montag Außenminister Joschka Fischer (Grüne) für die gegensätzlichen Signale aus Berlin verantwortlich gemacht. „Es gibt immer Missverständnisse, wenn ein Außenpolitiker sich zu Wirtschafts- oder Finanzfragen äußert", sagte er vor Journalisten. Fischer hatte für einen „begrenzten Zeitraum“ die Abkehr vom Sparkurs gefordert.
Focus, 4.5.4
KABINETTSKRISE
Die kleine Anti-Eichel-Verschwörung - Rufe nach höherer Neuverschuldung
Die Demontage von Hans Eichel erreicht einen weiteren Höhepunkt. Erneut ist von einem möglichen Rücktritt die Rede. Jetzt sollen es sogar mehrere Kabinettskollegen ablehnen, mit dem Finanzminister auch nur über Etatkürzungen zu sprechen. Stattdessen wächst bei Rot-Grün die Sympathie für neue Schulden.
Mehrere Bundesminister weigern sich der "Financial Times Deutschland" zufolge, die üblichen Chefgespräche über die Etatplanung für den Bundeshaushalt 2005 direkt mit Eichel zu führen. Einige Kabinettsmitglieder, darunter Verteidigungsminister Peter Struck, würden den Haushalt stattdessen direkt in einer Kabinettssitzung unter Leitung von Bundeskanzler Gerhard Schröder erörtern wollen. Zu den Verweigerern gehörten auch Forschungsministerin Edelgard Bulmahn und der grüne Umweltminister Jürgen Trittin. Selbst im Finanzministerium halte man es inzwischen für möglich, dass Eichel im Zuge der Etatberatungen zurücktreten werde, berichtete die Zeitung.
Erschwerend komme für den Finanzminister hinzu, dass auch der Kanzler vergrätzt sei, weil ihn Eichel bei der Neubesetzung des Bundesbankpräsidenten unter Druck gesetzt haben soll. Schröders Verärgerung sei noch gewachsen, als bekannt wurde, dass Eichel die Mehrwertsteuer erhöhen wollte, um mit den Mehreinnahmen das Etatdefizit zu drücken und die Lohnnebenkosten zu senken.
Über einen Rücktritt Eichels war in den Medien in den vergangenen Monaten wiederholt spekuliert worden. Eichel ist im Zuge der Haushaltskrise stark in die Kritik geraten, hat aber wiederholt einen Rücktritt ausgeschlossen. Am Wochenende hatte die Regierung einen Zeitungsbericht zurückgewiesen, wonach es Pläne für eine Regierungsumbildung gebe. Die "Bild am Sonntag" hatte unter anderem berichtet, als Nachfolger Eichels stehe der frühere Hamburger Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) bereit. Erwogen werde aber auch ein Wechsel von Verteidigungsminister Struck ins Finanzministerium.
Angesichts drohender Steuerausfälle in Milliardenhöhe mehren sich in der rot-grünen Koalition die Rufe nach einer höheren Neuverschuldung und einem veränderten EU- Stabilitätspakt. Der Grünen-Finanzpolitiker Fritz Kuhn sprach sich für neue EU- Stabilitätskriterien aus. Die Qualität eines Haushaltes könne nicht nur an der "Drei-Komma-Null-Prozent-Regelung" bemessen werden, sagte Kuhn heute im ZDF-"Morgenmagazin". SPD-Finanzexperte Joachim Poß sprach sich für neue Schulden aus. Es sei sozial nicht vertretbar und ökonomisch unvernünftig, "wenn wir jetzt zum Beispiel weiter in Sozialleistungen einschneiden würden, wie das Herr Merz gefordert hat", sagte Poß im WDR-Rundfunk.
Wirtschaftsexperte warnt vor neuen Schulden
Merz hatte der "Berliner Zeitung" gesagt, zur Etatsanierung müsse es weitere Einschnitte bei sozialen Leistungen sowie eine Reform der Sicherungssysteme geben. Der SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Franz Müntefering lehnte neue Einsparungen ab. Außerdem forderte er eine Diskussion über den EU-Stabilitätspakt. Als Ausgleich für eine Lockerung des Paktes in Krisenzeiten müsse "in guten Zeiten" mehr gespart werden, sagte er der in Potsdam erscheinenden "Märkischen Allgemeinen".
Der Wirtschaftsexperte Rolf Peffekoven ist dagegen, mehr Schulden zu machen, um die Löcher im Bundeshaushalt zu stopfen. Stattdessen forderte er heute im ZDF-"Morgenmagazin" eine striktere Sparpolitik. "Der Bundeshaushalt umfasst 250 Milliarden Euro Ausgaben. Da wird es wohl möglich sein, 15 Milliarden zu kürzen", sagte er.
Die Felder seien bekannt, sagte Peffekoven: "Subventionsabbau, Kürzungen im Sozialbereich und vor allen Dingen auch die enorm hohen Ausgaben für die Arbeitsmarktpolitik". Mit dem Wegfall der Eigenheimzulage und der Pendlerpauschale sowie dem Streichen von steuerfreien Zuschlägen bei Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit könnten die Milliardenbeträge erbracht werden, die den Haushalt entlasteten.
Mit weiteren Schulden würde dagegen eine höhere Zinslast geschaffen. Das sei der Beginn neuer Steuererhöhungen. "Mit einer solchen Politik würde man das Vertrauen der Konsumenten und Investoren weiter beeinträchtigen", erklärte der Mainzer Wirtschaftsexperte, der auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ablehnte.
Der SPD-Spitzenkandidat für die thüringische Landtagswahl, Christoph Matschie, hält einen weiteren Subventionsabbau ebenfalls für notwendig. Neben der Streichung der Eigenheimzulage, für die bislang jährlich zehn Milliarden Euro ausgegeben würden, müssten auch weiter reichende Kürzungen bei den Staatsausgaben auf die Tagesordnung, sagte Matschie heute im Deutschlandfunk. Auch die Union müsse "in dieser Frage über ihren Schatten springen". Gegebenenfalls müsse vorübergehend auch die "Verschuldung etwas" ausgeweitet werden. Das "langfristige Ziel der Haushaltskonsolidierung" müsse aber "beibehalten werden", sagte der SPD-Politiker.
Spiegel, 10.5.4
Angesichts drohender Steuerausfälle in Milliardenhöhe, von 20 bis 50 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren ist die Rede, finden die Befürworter weiterer Neuverschuldung immer mehr Freunde. Nur der Finanzminister wirbt noch für Ausgabendisziplin und Sparkurs.
Der Generalsekretär der SPD ist noch nicht so lange im Amt. Aber die Floskeln, mit denen man Großes kleinredet oder daran vorbeimanövriert, beherrscht er inzwischen. "Das ist doch Sache der Bundesregierung", sagt Klaus Uwe Benneter, wenn man ihn fragt, ob das SPD-Präsidium sich am Montag mit den Kassenlöchern beschäftigt hat. Da sei gar nicht lange diskutiert worden. Auch die Personalie Hans Eichel habe keine Rolle gespielt. Brauchte es vielleicht auch nicht, denn es wurde schon vorher außerhalb der Präsidiumssitzung genügend geredet, um zu verstehen, wohin die Reise geht.
Angesichts drohender Steuerausfälle in Milliardenhöhe, von 20 bis 50 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren ist die Rede, finden die Befürworter weiterer Neuverschuldung immer mehr Freunde. Und um Hans Eichel wird es dadurch immer einsamer.
Prominentester Erbauer einer neuen Schuldenfalle in der SPD ist nun Partei- und Fraktionschef Franz Müntefering. Er hat sich auch schon eine Kommunikationsstrategie zurechtgelegt: Er fordert eine Diskussion über den EU-Stabilitätspakt, was ja irgendwie positiv klingt, aber nur die Verantwortung verschiebt. Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker hält schon mal dagegen: "Wenn die Deutschen ihre Versprechen nicht halten, bin ich sofort dafür, Artikel 104 wieder in Gang zu setzen." Dieser Passus im EU-Vertrag sieht zunächst vor, dass die EU-Kommission der Bundesregierung verbindliche Spardiktate machen kann. Wenn das nicht zieht, drohen ausgerechnet im wichtigen Wahljahr 2006 bis zu zehn Milliarden Euro Strafe für Schröder und Co..
Doch Müntefering will schlicht mehr Schulden machen, auch wenn er das so nicht sagt - und dafür nicht auch noch gerüffelt werden, weil die Zeiten nun mal schlecht sind. Als Ausgleich für eine Lockerung des Paktes in Krisenzeiten müsse dann eben "in guten Zeiten" mehr gespart werden.
Schröder gegen Mehrwertsteuer
Doch diese guten Zeiten sind nicht in Sicht und die Erfahrung lehrt, dass auch bisher bei besserer Kassenlage lieber (Wahl-)Geschenke verteilt werden, anstatt Schulden abzubauen. Das ist auch der Verdacht von Hans Eichel. Er befürchtet, frisches Geld über neue Steuern oder höhere Schulden nehme nur den Druck, das verschwenderische System zu reformieren. Doch Gerhard Schröder will unbedingt gute Stimmung und das zarte Pflänzlein sacht sprießender Konjunktur nun ordentlich bewässern, anstatt weitere Zumutungen zu verkünden. Vom Erfolg der bisher eingeleiteten Reformen und Kürzungen ist er angeblich selbst nicht mehr wirklich überzeugt. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, die in Eichels Ministerium zumindest auf Abteilungsebene diskutiert wurde, lehnt der Kanzler jedoch strikt ab - er ahnt schon die Schlagzeilen in der "Bild"-Zeitung.
Eichel ist ohnehin sauer, dass die Mehrwert-Idee so schnell publik wurde und fühlt sich von den eigenen Beamten gemobbt. Dazu kommt tiefes Misstrauen innerhalb des Kabinetts über Alleingänge von fachfremden Ministern. Das ging so weit, dass Regierungssprecher Bela Anda am Montag auffällig laut dementieren musste, einzelne Minister würden sich weigern, mit Eichel ihren Etat zu verhandeln, sondern nur in großer Kanzler-Runde darüber diskutieren: So sind sie gemeinsam einsam.
Zum fröhlichen Eichel-Bashing gehört auch die kolportierte Geschichte, dass der Minister nun Falschinformationen im eigenen Haus in Umlauf bringt, um undichte Stellen zu orten: Da er ungefähr weiß, welche Journalisten mit welchen Beamten öfter mal beim Bier zusammenhocken, ließe sich so eine Spur der Illoyalität nachvollziehen.
Personalien statt Inhalt
All diese politischen Ränkespiele verstellen zudem den Blick darauf, wie schlecht die Zeiten tatsächlich sind: Spätestens wenn am Donnerstag die Steuerschätzung veröffentlicht wird, müssen Schröder und Eichel Tacheles reden. Rot-Grün hat kaum noch Gestaltungsspielraum. Ein Teil der zu erwartenden Mindereinnahmen ist politisch gewollt: Die auf 2004 vorgezogene Steuerentlastung hatten die Experten einfach noch nicht berücksichtigt.
Aber richtig schmerzhaft werden andere Löcher. Die LKW-Maut bringt Eichel lediglich in der Theorie frisches Geld. Selbst die Cashcow Bundesbank überweist in diesem Jahr statt der eingeplanter mehrerer Milliarden nur noch 200 Millionen Euro. Unklar ist auch, ob die bisher eingeleiteten Reformen am Arbeitsmarkt so greifen, dass der Bund tatsächlich Geld spart.
Und lässt der Aufschwung weiter auf sich warten, werden auch die Steuereinnahmen bis zur nächsten Schätzung im Herbst noch weiter sinken. Bereits zum vierten Mal in Folge verstieße Deutschland 2005 dann gegen den Euro-Stabilitätspakt. Ein fatales Signal an alle anderen Mitgliedsstaaten vom ehemaligen europäischen Musterländle.
Die Chaostage der vergangenen Woche sind Ausdruck der Nervosität, sowie der Rat- und Führungslosigkeit im Kabinett. Genervt forderte der Kanzler jetzt die Minister auf, nicht mehr so viel mit Journalisten zu tratschen - als habe die Bundesregierung lediglich ein Kommunikationsproblem. Schweigen in schlechten Zeiten. Oder man hält sich fest an Floskeln wie Benneter. Der verkündete am Montag allen Ernstes: "Unser Dreiklang bleibt erhalten: Konsolidierung, Reformen, Wachstum."
Spiegel, 10.5.4
Stabilitätspakt, die Vierte - Eichel fehlen 2005 vier Milliarden Euro
Latrinensprüche, Boom bei Ich-AGs, Defizitquote, ...
Berlin - Im Haus von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) geht die Geldsuche weiter. Ziel ist, die Fehlbeträge im Etat 2005 auszugleichen und das Staatsdefizit im kommenden Jahr wieder unter die im EU-Stabilitätspakt erlaubten drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu drücken. Nach der Korrektur der Wachstumsprognose auf 1,8 Prozent in diesem und 1,7 Prozent im kommenden Jahr beziffern die Grünen die Finanzierungslücke im Etat 2005 mit gut vier Milliarden Euro. Grund sind Steuermindereinnahmen und Mehrausgaben von gut zwei Mrd. Euro wegen der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit. Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Anja Hajduk, forderte daher, den Abbau von Subventionen schon im nächsten Jahr voranzutreiben "und nicht erst auf 2006 zu vertagen".
Ohne weitere Einsparungen wird Deutschland nach Berechnungen der EU-Kommission im kommenden Jahr zum vierten Mal in Folge die Defizitobergrenze überschreiten. In ihrer Herbstprognose sagte die Kommission voraus, das deutsche Defizit werde von 3,9 Prozent in diesem Jahr auf 3,4 Prozent 2005 sinken. Erst 2006 werde das Defizit mit 2,9 Prozent wieder knapp darunterliegen. "Die Kommission hat ihre Prognose, wir als Bundesregierung haben unsere", sagte ein Sprecher des Finanzministeriums. Nur wenig pessimistischer als die Regierung ist die Kommission bei den deutschen Wachstumsaussichten 2005. Die Kommission geht von 1,5 Prozent aus.
Für den Haushalt 2004 zeichnet sich dagegen Entspannung bei den Arbeitsmarktausgaben ab. So muß Eichel weniger Geld an die Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg überweisen als befürchtet. "Der Zuschußbedarf der BA wird voraussichtlich nur wenig über dem im Haushaltsplan 2004 vorgesehenen Wert von 5,2 Milliarden Euro liegen", so das Fazit des BA-Finanzvorstands Raimund Becker. Zwar nahm die BA in den ersten neun Monaten 1,2 Milliarden Euro weniger ein als geplant, vor allem weil die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten stark zurückging. Dank eines strikten Sparkurses sanken die Ausgaben aber um 1,6 Milliarden Euro. Allein bei der Arbeitsförderung wurde fast eine Milliarde Euro eingespart.
Ohne den Boom bei Ich-AGs und Überbrückungsgeld wären die Einsparungen noch größer. Hier wurde der Haushaltsansatz um knapp eine halbe Milliarde Euro überschritten.
Statt 77 400 Ich-AG-Gründer wie geplant wurden im Jahresdurchschnitt 120 000 gefördert. Bis Jahresende rechnet die BA mit einem Mehrbedarf für Existenzgründungen von fast 900 Millionen Euro. Einen Hoffnungsschimmer für die BA-Finanzen sah Becker bei der Entwicklung der Zahl der Versicherungspflichtigen: Sie stieg im September um 180 000 an.
Ein erwogener Milliarden-Tauschhandel bei den Pensionslasten der Ex-Staatsunternehmen Deutsche Post und Deutsche Telekom zum Stopfen der Haushaltslöcher ist inzwischen wieder vom Tisch. "Das Bundesfinanzministerium hat geprüft, inwieweit das französische Modell zur Übernahme von langfristigen Pensionsverpflichtungen auch in Deutschland in Betracht kommt", sagte ein Sprecher. Allein 2005 müssen der Bund und beide Unternehmen gemeinsam 6,9 Milliarden Euro für die Ruheständler ausgeben. In den Gesprächen mit Post und Telekom sei jedoch "einvernehmlich geklärt worden, daß eine Umsetzung dieses Modells nicht weiter verfolgt wird". Post und Telekom sollten dem Bund kurzfristig mehrere Milliarden Euro überweisen, wenn dieser im Gegenzug Pensionslasten übernimmt. Frankreich war so vorgegangen, um frisches Geld für den Haushalt zu bekommen. Vom Tisch seien auch Pläne, die deutschen Bruttozahlungen an die EU von 22 Mrd. Euro aus den Defizit-Berechnungen herauszunehmen.
Berliner Morgenpsot, 27.10.04