Berliner Schule kapituliert wegen Schülergewalt
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Eröffnet am: | 30.03.06 09:08 | von: lassmichrein | Anzahl Beiträge: | 307 |
Neuester Beitrag: | 23.01.09 20:25 | von: daxcrash200. | Leser gesamt: | 42.361 |
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Gewalt auf dem Schulhof (Foto: dpa) | |
Berliner Schule kapituliert wegen Schülergewalt
Zum ersten Mal hat eine Berliner Rektorin aus Sicherheitsgründen die zeitweise Auflösung ihrer Schule gefordert. In einem von der Gesamtkonferenz einstimmig beschlossenen Brief an die zuständigen Behörden habe sie von einer "nicht mehr kontrollierbaren Schülergewalt" an der Neuköllner Rütli-Schule gesprochen, berichtete der Berliner "Tagesspiegel".
In der jetzigen Schule werde "der Intensivtäter zum Vorbild", heißt es in dem Brief an die Senatsverwaltung für Bildung. Die Stimmung an der Schule sei geprägt von Zerstörung, Gewalt und menschenverachtendem Verhalten - auch gegenüber Lehrern. Selbst die 20 Prozent Schüler deutscher Herkunft - verspottet als "Schweinefleischfresser" - sprächen mittlerweile den gebrochenen Slang ihrer arabischen Kameraden, heißt es.
Die Schüler sollten daher an andere Schulen verteilt werden. Die Rütli-Schule könnte später in neuer Zusammensetzung als neue Schulform wieder eröffnet werden, heißt es.
"Massiver Hilferuf"
"So einen massiven Hilferuf hat es noch nie gegeben", sagte der Fachgruppenleiter für Hauptschulen der Bildungsgewerkschaft GEW, Norbert Gundacker.Die Schulbehörde lehnt der Zeitung zufolge das Ansinnen der Rektorin ab. Die Schule werde jetzt einen Sozialarbeiter bekommen. An der Schule sind den Angaben zufolge weniger als 20 Prozent der Schüler deutscher Herkunft.
(N24.de, Netzeitung)
<!--nachrichtentext ende -->Bayern erlässt Handy-Verbot an Schulen
Ein Drittel aller Schüler hat Angst vor Gewalt
Studie: Gewalt an Schulen wird brutaler
nun einige Berichte über "bestimmte"
Schulen gesehen wie "Ausländer" das
Kamerateam oder die Lehrer oder aber
auch die anderen Schüler angemacht und
sogar mit "abstechen" gedroht haben.
So dann höre ich wie die Lehrer zum Teil
sagen das die armen "Täter" ja nichts
dafür können das sie "nur" Hauptschule
sind und damit keine Perspektiven haben.
Ich verstehe nicht das solche Gewltbereiten
"Täter" auch noch verteitigt werden.
Sorry um es einmal klar zu sagen.
Ich brauche solche "Täter" nicht.
Raus aus Deutschlend mit solchen Leuten
die über "Schnauze" polieren "Überfälle"
"Abstechen" so reden als wenn ich mit meiner
Frau darüber rede was wir am Wochenende
essen wollen. Da gibt es für mich keine
Verteitigung. Solche Leute gehören einfach
nicht zu unserer Gesselschaft. Aus und Basta.
Einfügen sollen sich andere und nicht wir sind
dafür verantwortlich die zu erziehen.
Wenn einer es möchte können wir helfen aber
diese (oh mann ich muss mich bremsen) also
diese netten Kerle will und brauche ich nicht.
So nun dürft ihr mich zerreissen aber das ändert
nicht meine Meinung und es gibt auch dazu nichts
zu diskutieren denn das alles was zum Teil vom
normalem Bürger verlangt wird diese Grenze ist
nach meiner Meinung schon lange überschrittetn.
noch 1-2 Kinder mehr in die Welt setzen
damit diese Kerle auch weiter ihren Frust
ablassen können.
Ich denke wer Kinder hat die schon einmal
soll ich nun Opfer oder Täter sagen?
Weil die Täter werden ja meist zum Opfer
der Gesselschaft gemacht.
Also meine Kinder nun die Täter weil sie
Deutsch können und lernen wollen und eine
wohl etwas bessere Erziehung haben.
Ach komm das nachdenken darüber ist für mich
ich sage für mich einfach es nicht wert.
Klassenzimmer in der Milbertshofener Hauptschule (dpa) | |
Milbertshofen lässt seine Türken nicht im Stich
Von Jan Brinkhus
An der Imbissbude gibt es Döner Kebab statt Bratwurst. Viele Läden rund um die Hauptschule im Münchner Stadtteil Milbertshofen tragen türkische oder arabische Namen. Auch die Schule an der Schleißheimer Straße ist ein Spiegelbild des Viertels, das als sozialer Brennpunkt gilt: Rund 70 Prozent der Schüler stammen aus Migrantenfamilien. Dennoch ist die Schule mit 250 Kindern weit entfernt von Verhältnissen wie an der Berliner Rütli-Hauptschule. Mit Streitschlichtern, Schulsozialarbeitern und türkischstämmigen Lehrern können an der Münchner Schule viele Spannungen entschärft werden.
In dem großen gelben Schulgebäude sind Integration und Prävention schon Alltag. Die Schule setzt vor allem auf eine ständige Einbeziehung der Schüler. Konflikte sollen möglichst bei Versammlungen in der Klassengemeinschaft gelöst werden, sagt Schulleiter Johann Greßirer. Zu einem Streit mit kulturellem Hintergrund komme es aber eher selten. «Für viele spielt es keine Rolle, ob sie Kosovaren, Türken oder Afghanen sind. Sie sehen sich als Milbertshofener», hat Greßirer beobachtet.
Hier leben die meisten Armen
Die Schüler aus höheren Klassenstufen sollen als Streitschlichter in den Pausen Verantwortung lernen. Zwei Schulsozialarbeiter setzen sich mit den Kindern und Jugendlichen auseinander. Zudem sind an der Schule auch zwei türkischstämmige Lehrer beschäftigt. «Das ist Gold wert», sagt Rektor Greßirer. Hilft das alles nichts, nimmt er sich die Streithähne oder Störer persönlich zur Brust. Dabei werden Vereinbarungen geschlossen, die der Schüler selbst formuliert und anschließend unterschreibt - etwa, die nächsten sechs Wochen den Unterricht nicht mehr zu stören.
Die bayerische Landeshauptstadt hatte im vergangenen Jahr bundesweit einen der höchsten Ausländeranteile. Die knapp 298.000 Ausländer in der weißblauen Metropole stellten 23,8 Prozent der Einwohner - im Vergleich dazu hat Berlin einen Ausländeranteil von 13,4 Prozent. München-Milbertshofen zählt nach dem Sozialbericht der Stadt zu den fünf Stadtbezirken mit der höchsten Zahl armer Menschen.
Sprachdefizite nur selten
Bei den Ausländern hier in Milbertshofen sorgt der Vorstoß des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU), den Druck auf Migrantenfamilien zu erhöhen, für heftige Debatten. Ausländischen Eltern drohen in Bayern Bußgelder, wenn sie ihre Vorschulkinder nicht an einem Sprachtest und einem Deutschkurs teilnehmen lassen. Notorische Unterrichtsstörer sollen schon nach acht Schuljahren von der Schule fliegen können. SPD-Landtagsfraktionschef Franz Maget warf Stoiber daraufhin Populismus und eine «Haudraufpädagogik» vor.
Mit gravierenden Sprachdefiziten der Schüler hat die Hauptschule in München nur selten zu kämpfen. «Wir kriegen aus der Grundschule keine Kinder, die kein Deutsch oder nur radebrechen können. Ein guter Survival-Level ist erreicht», sagt Schulleiter Greßirer. Dennoch ist bei vielen Schülern der fünften und sechsten Klasse eine spezielle Förderung nötig. Dabei arbeitet die Hauptschule mit der Stiftung «Kairos» zusammen, die sich die sprachliche Förderung von Kindern auf die Fahne geschrieben hat.
Immer weniger Gewalt an bayerischen Schulen
Solche und ähnliche Bemühungen um Integration auch an anderen Schulen im Freistaat scheinen erste Früchte zu tragen. Nach einer jüngst in München vorgestellten Langzeitstudie der Katholischen Universität Eichstätt hat die Gewalt an bayerischen Schulen in den vergangen Jahren abgenommen. 2005 registrierte das bayerische Landeskriminalamt 442 Fälle von Gewaltkriminalität - bei rund 9.600 Straftaten insgesamt am «Tatort Schule».
Die Milbertshofener Schule habe kein ernsthaftes Problem mit Gewalt, betont Greßirer. «Die Schüler fühlen sich hier ganz wohl.» Kurze Zeit später läuft ein Fünftklässler über den Schulflur. «Die Schule ist schön», ruft er und verschwindet in einem Klassenzimmer - zur intensiven Nachmittagsbetreuung. (N24.de, dpa)
Keine Handys, keine Mützen, klare Regeln: Eine Problemschule schaffte das Wunder
Bayern verschärft Gesetz: Kein Deutsch - keine Einschulung
N24-Umfrage: Erst Sprachtest, dann Einschulung
Schnupperknast oder Abschiebung: Wohin mit Gewaltschülern?
ich finde, die beiden Schulen kann man nicht miteinander vergleichen. ("Wir kriegen aus der Grundschule keine Kinder, die kein Deutsch oder nur radebrechen können." schon mal ein riesen Vorteil)
In Berlin "ist das Kind schon in den Brunnen gefallen" wie man so schön sagt; die müssen so ein Konzept völlig neu aufsetzen. Die jetzige Schülergeneration kannst Du da vergessen.
So long (oder doch besser short?)
Kalli
Bis vor zwei Jahren leitete Rolf Scharmacher , 57, eine Förderschule in Hamburg-St. Pauli. Er kämpfte einfallsreich gegen viele der Probleme, über die derzeit diskutiert wird. Eine Nachhilfestunde für Lehrer und Politiker.
DIE ZEIT: Herr Scharmacher, bevor Sie Oberschulrat wurden, waren Sie 18 Jahre lang Schulleiter einer Förderschule in Hamburg-St. Pauli. Die Probleme, die in den vergangenen Wochen am Beispiel der Rütli-Schule diskutiert wurden, dürften Ihnen vertraut sein?
Rolf Scharmacher: Klar, das kenne ich alles, gewalttätige Schüler, Störenfriede, frustrierte Lehrer. Klassen, in denen siebzig Prozent Ausländer sitzen. Schüler, die früh Gewalt erfahren haben. Je früher dies geschieht, desto schwerer ist es, diese Fehlentwicklung wieder wegzutherapieren. Das alles aber scheint mir nicht so sehr eine Frage des Kulturkreises zu sein, aus dem die Eltern stammen, als vielmehr eine Frage der gesellschaftlichen Schicht.
ZEIT: Herr Stoiber irrt also, wenn er nun fordert, Migrantenkinder auszuweisen, falls die sich nicht besser integrieren?
Scharmacher: Das greift daneben und ist, wie so vieles, was in diesen Tagen angeregt wird, Populismus. Es ist doch niemandem geholfen, wenn Kindern, die einen Sprachtest nicht bestehen, der Zugang zur Grundschule verwehrt wird.
ZEIT: Was hilft denn weiter?
Scharmacher: Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin durchaus der Meinung, dass die Beherrschung unserer Sprache über das Gelingen von Integration entscheidet. Ich halte es in diesem Zusammenhang für unerträglich, dass in manchen Grundschulklassen dreißig Kinder sitzen, während sich auf dem Gymnasium Achtergruppen über altgriechische Verse beugen.
ZEIT: Sie hadern mit der Politik.
Scharmacher: Schon. Aber im Grunde will ich sagen, dass man etwas tun kann, in den Schulen, auch unabhängig von der Politik.
ZEIT: Was haben Sie dann damals an Ihrer Schule unternommen?
Scharmacher: Das fängt beim Ambiente an. Nehmen Sie das Schülerklo, eigentlich ein Ort des Grauens, wo die Schüler rauchen und ihren Frust an Klodeckeln und Türen ablassen. Wir haben da kontrolliert und die Vandalen zur Beseitigung der Schäden einbestellt. Einmal haben wir einen Schmierer identifiziert, der überall mit seiner Spraydose unterwegs war. Ich habe gar nicht groß Krawall gemacht, ich habe ihm bloß vorgerechnet, was es kosten würde, das reinigen zu lassen, und dann wollte er es lieber selber machen. Der Hausmeister besorgte ihm ein Mittel, das sinnigerweise noch Vandal-Ex hieß, und mit Hilfe seines Bruders hat er dann eine Stunde lang geschrubbt. Der Junge hat nie wieder mit Graffiti gearbeitet.
ZEIT: Er hatte Angst.
Scharmacher: Nein, ich glaube, er hat eingesehen, dass man sich anständig verhalten muss.
ZEIT: Ist man als Lehrer eine Art Ersatzvater?
Scharmacher: Für viele unserer Kinder ist die Schule ja das heilste Umfeld ihres Lebens. Wir kümmern uns selbst darum, dass sie zum Zahnarzt gehen. Aber wir sollten es mit der Nähe auch nicht übertreiben. Den Altersunterschied und die Zugehörigkeit zu einer anderen Schicht durch Kumpelei zu überwinden, halte ich für falsch.
ZEIT: Wie verhält man sich, wenn ein Schüler dieses Verhältnis auf die Probe stellt, indem er die Vorschriften ignoriert und weiter Klos beschmiert?
Scharmacher: Es kommt darauf an, konsequent zu handeln. Es gibt klare, verbindliche Richtlinien, die auch Sanktionen vorsehen, und wenn wir unsere Autorität behalten wollen, dann müssen wir die sorgsam durchsetzen. Und wir sollten auch die Eltern nicht vergessen, die richtigen; Ersatzeltern sein heißt ja nicht, dass die völlig aus dem Spiel sind. Es ist sehr wichtig, den Eltern klar zu machen, dass man im selben Boot sitzt. Vertrauen zu den Eltern aber baut man nur auf, wenn man regelmäßig den Kontakt hält. Sucht man sie nur dann auf, wenn es Stress gibt, machen sie die Ohren zu und solidarisieren sich auf eine manchmal ziemlich irrationale Art mit ihren Kindern.
ZEIT: Was machen Sie mit Eltern, die sich sperren?
Scharmacher: Auch hier gilt: Konsequent und hartnäckig sein. Ein Beispiel. Wir hatten einen Schüler, der klaute wie ein Rabe. Seine Mutter war verzweifelt. Als alles nichts mehr half, haben wir ihm eine Nachmittagsbetreuung organisiert. Aber die Mutter wollte das nicht. Es hatte für sie was Diskreditierendes. Wir sind dann so oft bei ihr aufgelaufen, bis sie sich dazu bewegen ließ, einmal zu der Nachmittagsbetreuung mitzukommen. Sie guckte da zu und merkte, dass das alles gar nicht schlimm ist. Ihr Junge hat das Klauen später zwar nicht völlig aufgegeben, aber die Zeiten, wo er Beute machen konnte, hatten sich doch reduziert.
ZEIT: Wie reden Sie mit Eltern, die eine andere Sprache sprechen?
Scharmacher: Wir hatten das Glück, zwei Lehrer mit Migranten-Hintergrund zu haben, die in solchen Fällen oft vermittelten. Es gab mal ein Problem mit einem jungen Türken, der hatte keine Lust, während der Werkstatttage in die Berufsschule zu gehen, und sein Vater unterstützte das, er meinte, der Junge sollte lieber Mathe lernen, anstatt in der Werkstatt rumzuhängen. Da haben wir dem Vater dann ruhig erklärt, dass der Werkstatttag bei uns zum Unterricht gehört. Er sah das ein, und seitdem hat sein Sohn kaum noch geschwänzt.
ZEIT: So leicht dürfte es nicht immer sein, die Schwänzer zu bekehren?
Scharmacher: O nein, das ist ein echtes Problem. Und ich glaube, dass wir uns das Leben sehr erleichtern würden, wenn wir das Kindergeld an den Schulbesuch koppeln würden. Die Eltern würden viel mehr Druck ausüben, deshalb bin ich sicher, dass sich die Anwesenheitsquote stark erhöhte.
ZEIT: Was aber, wenn die Politik nichts tut?
Scharmacher: Da hilft dann oft nur noch Generve. Anrufen, vorbeischauen. Als ich noch Lehrer war, gab es eine Familie, die morgens gerne mal verschlief. Die Kinder wachten häufig erst um zehn Uhr auf, sie dachten, es hat keinen Zweck mehr, in den Unterricht zu gehen, es war ihnen peinlich. Also blieben sie zu Hause. Die Familie wohnte allerdings so nah, dass ich in der Pause hingehen konnte. Und dann stand ich vor der Tür und hab geklingelt und am Briefkasten geklappert, bis sich drinnen etwas tat. Ich rief dann: Ihr habt zehn Minuten, ich gucke auf die Uhr, und als sie kamen, hatten sie sogar ein Butterbrot dabei.
ZEIT: Diese Methode lässt sich wohl nur in Einzelfällen anwenden.
Scharmacher: Ja klar, aber man muss sich auch was einfallen lassen. Andere Kollegen schenkten Schülern Wecker, nicht zum Spaß oder damit sie keine Ausrede mehr hatten, sondern aus Notwendigkeit. Weil die so was nicht besaßen!
ZEIT: Viele Schüler stehen auch nicht auf, weil sie sich fragen, was sie in der Schule sollen. Was sagen Sie dem Schüler, der zu Ihnen kommt und fragt: Warum soll ich meinen Abschluss machen, wenn ich danach eh nichts finde?
Scharmacher: Ich frage ihn erst mal, in welche Richtung er denn gehen will. Und wenn er sagt, ich würde gerne Automechaniker werden, dann sage ich: Da hast du Recht, da kriegst du keine Stelle. Danach versuche ich, ihn umzulenken, ich zeige ihm, in welchen Branchen seine Chancen größer wären. Und abgesehen davon, ist es Aufgabe der Schule, die Jugendlichen frustdurabel zu machen. Es hinzukriegen, dass einer nicht nach fünf Bewerbungsschreiben aufgibt, sondern es noch fünfzigmal versucht. Wir müssen ihnen beibringen, dass nicht nur ihr Traumberuf ein Ziel ist, sondern Beschäftigung an sich.
ZEIT: Ist es heute Aufgabe der Lehrer, ihre Schüler zu desillusionieren?
Scharmacher: Gewissermaßen ja. Ich denke, man sollte sich verabschieden von dem Gedanken, dass jeder einen Hauptschulabschluss haben muss. Viel wichtiger als die so erworbene Ausbildungsreife scheint mir zu sein, dass die Schüler die Betriebsreife erlangen. Dass sie während ihrer Schulzeit lernen, was am Arbeitsplatz gefordert wird, Sozialverhalten, Tugenden wie Pünktlichkeit und Höflichkeit und Fleiß. Darauf stellen mittlerweile nicht nur viele Förderschulen ihr Lehrangebot ab, sondern auch immer mehr Hauptschulen. Das heißt, dass das klassische Betriebspraktikum, bei dem man drei Wochen lang in irgendeiner Firma rumhühnert und Pfandflaschen entsorgt, abgelöst wird von regelmäßigeren Praxistagen. Zwei Tage die Woche verbringen die Schüler im Betrieb, also beim Klempner um die Ecke, beim Maler oder an der Tankstelle, und nach einem halben Jahr wechseln sie die Branche. Am Ende haben sie ein reicheres Portfolio, und das verbessert ihre Aussichten am Arbeitsmarkt enorm.
ZEIT: Übernehmen die Betriebe dann?
Scharmacher: Das hat es schon gegeben, wenn auch selten. Entscheidend aber ist, dass Jugendliche, die es gar nicht kennen, dass einer in der Familie sein Geld mit Arbeiten verdient, das Arbeitsleben einmal live und in Farbe kennen lernen. Die Schüler interessieren sich dann auch mehr für den Unterricht. Sie merken, dass es doof ist, wenn man den Taschenrechner nicht bedienen kann. Es ist interessant: Die Abschlüsse der Förderschüler mit Betriebstagen waren zuletzt besser als die der Hauptschüler ohne Betriebstage.
ZEIT: Die klassischen Bildungsinhalte spielen demnach eine immer geringere Rolle?
Scharmacher: Absolut. Aber wenn man sich mal ansieht, wie viel Quatsch da zum Teil unterrichtet wird, ist das auch gar nicht so verkehrt. Ich selbst hatte mir als junger Lehrer so eine tolle Sammlung aufgebaut mit Materialien zum Thema Magnetismus. Das war alles Unsinn, überflüssig. Im Unterricht mit Eisenspänen am Stabmagneten die Magnetwellen zu verfolgen – das ist nur Zeitverschwendung. Wichtig ist, dass es Magneten gibt, die Türen festhalten. Und das Gleiche in Biologie: Es ist sinnlos, den anatomischen Aufbau des Auges durchzunehmen. Wichtig ist, dass sie lernen, dass das Auge ein empfindliches Organ ist, das man an einem Arbeitsplatz, an dem es spritzt und splittert, mit einer Brille schützen muss. Genauso mit dem Ohr. Wichtig ist: Gehörschutz tragen. Die höchste Invaliditätsursache in unserer Gesellschaft sind Gehörschäden. Aber ich habe nicht den Ehrgeiz, Jugendlichen ihren Walkman, oder wie heißen die Dinger, die man heute auf den Ohren trägt…
ZEIT: MP3-Player.
Scharmacher: Ja. Das ist illusorisch, denen das abgewöhnen zu wollen.
ZEIT: Sind die Lehrer heute vielleicht nicht mehr richtig ausgebildet?
Scharmacher: Nicht unbedingt. Aber gerade die Kollegen an den Grund- und Hauptschulen benötigen ein ordentliches Maß an Ausbildungselementen aus der Sonder- und Sozialpädagogik. Und viele machen meiner Meinung nach den Fehler, dass sie die Schüler überfordern. Sie sind zu ungeduldig. Anstatt in kleinen Schritten vorzugehen, versuchen sie zu oft den einen großen Sprung, der aus einem Schüler gleich den aufgeklärten Bürger macht.
ZEIT: Noch mal zum MP3-Player. Mich wundert, dass Sie den nicht kannten, und ich frage mich, ob Sie zum Beispiel wissen, welche Musik auf diesen Dingern heute läuft?
Scharmacher: Das ist ja unvermeidbar, dass man das mitbekommt. An unserer Schule hören die meisten Schüler HipHop. Mir reicht es, wenn ich weiß, dass es das gibt. Meine Eltern haben sich ja damals auch nicht dafür interessiert, ob ich jetzt Mod war oder Rocker, und geschadet hat mir das nicht.
Das Gespräch führte Marian Blasberg
DIE ZEIT 20.04.2006 Nr.17
17/2006
AN
Nach dem Zusammenbruch wischt sich Lehrerin Sabine Deutschmann die Tränen ab. Um sie herum stehen die Schüler, manche tragen „Alpha“-Bomberjacken – ein Statussymbol in Straßengangs
Berlin – Hauptschulen in Deutschland, wirklich Orte des Schreckens, der Gewalt, Angst und Perspektivlosigkeit? Heute abend sehen wir im TV, wie eine gestandene Lehrerin weinend im Klassenzimmer zusammenbricht.
Monatelang begleitete ein Fernsehteam von SPIEGEL TV im Auftrag des ZDF* zwei sogenannte Schul-Coaches (betreuen Lehrer und Schüler an sozialen Brennpunkten) bei ihrer Arbeit an der Pommern-Hauptschule in Berlin-Charlottenburg. 300 Schüler werden hier unterrichtet. Der Ausländeranteil liegt bei 75 Prozent, die Chance auf einen Ausbildungsplatz nahe null.
In der Klasse 9.3 der Schule unterrichtet Sabine Deutschmann (36). Sie gilt als Lehrerin, die sich gut durchsetzen kann. Doch am ersten Schultag nach den Winterferien pöbeln die Hauptschüler besonders schlimm.
In Szenen sieht man, wie Schüler Messer mit in die Schule bringen. Sie schreien, streiten, beachten die Lehrerin überhaupt nicht. Dann springen zwei Jungen auf, drohen, wild aufeinander einzuprügeln. Das ist zuviel für die Lehrerin.
Minutenlang sitzt sie schluchzend am Pult, umringt von ihren Schülern. Manche grinsen. Andere gucken zu Boden. Schließlich gibt einer der Rädelsführer ein Kommando, daraufhin entschuldigt sich die Klasse im Chor. Es klingt wie blanker Hohn.
Die Kamera, sie schien den Schülern nichts auszumachen. Die TV-Dokumentation zeigt erschreckende Bilder – aufgenommen lange vor dem verzweifelten Hilferuf der Lehrer an der Berliner Rütli-Schule. Lichtblick: Durch die Arbeit der Schul-Coaches hat sich die Situation an der Hauptschule langsam verbessert.
Lehrerin Deutschmann: „Es ist das erste Mal seit Jahren möglich, Unterricht ohne Zwischenfälle zu führen.“
* Heute im ZDF, 21 Uhr (1. von sechs Teilen)
Fü Fün Fünü Fünün Fününü Fününününününününününü...
Die neuen Nachrichten über Gewaltvorfälle an Hauptschulen reißen nicht ab. Die Diskussion über die Situation an der Neuköllner Rütli-Hauptschule hat dazu geführt, dass sich immer mehr Lehrer zu Wort melden, um auf ihre schwierige und teilweise bedrohliche Lage hinzuweisen. Gestern erzählte ein Pädagoge, dass eine Lehrerin der Weddinger Theodor Plievier-Hauptschule in der Nähe der Schule in einer Telefonzelle beschossen worden sei. Morgen ist an der Schule eine Dienstbesprechung angesetzt, nachdem die Plievier-Lehrer dem Beispiel der Rütli-Schule gefolgt sind und einen ähnlichen Brandbrief geschrieben haben. Darin ist die Rede davon, dass die Hälfte der Schüler kaum beschulbar sei, dass ein Großteil kein Empfinden für allgemeine Werte, Normen und Grenzen habe. Zudem sei die Quote polizeibekannter Krimineller erschreckend hoch. Die Lehrer fordern deshalb Sozialpädagogen, eine bessere Verteilung der schwierigen Schüler und Baumaßnahmen, um „ungebetene Besucher fern zu halten“.Auch einige Kollegen der Pommern-Hauptschule fühlen sich nach dem Überfall verunsichert und wären froh, wenn sie eine Schließanlage oder Videokameras bekämen. Es sei nur ein Projekttag über Rassismus geplant, weil es seit einiger Zeit Konflikte zwischen den arabischen und schwarzen Schülern gegeben haben soll, berichtet ein Pädagoge. Nähere Einzelheiten waren gestern dem Sprecher des Bildungssenators Klaus Böger (SPD) nicht bekannt. Schulleiter Dieter Hohn war nicht erreichbar. Die Pommern-Hauptschule ist bekannt für ihre Anti-Gewalt-Projekte.
Zu Wort melden sich inzwischen allerdings auch Gesamtschulen, die teilweise in ähnlicher Lage sind wie die Hauptschulen. „Bei uns ist die Situation ähnlich wie in der Rütli-Schule“, berichtet der Lehrer einer Neuköllner Gesamtschule. Auch hier würden die Lehrerinnen regelmäßig beleidigt. Die Lehrer, die nicht hart durchgriffen, würden als „Schlappschwänze“ lächerlich gemacht.
Der Tagesspiegel am 2.4.2006
Zu den Merkmalen der Berliner Hauptschulen gehört, dass 40 Prozent der Kinder ausländischer Herkunft sind, in Kreuzberg sogar über 80 Prozent. Rund 25 Prozent der Schulabgänger erreichen keinen Abschluss, bei den ausländischen Schülern sogar über 30 Prozent. Das war schon 1996 so. Aber auch diejenigen, die einen einfachen oder erweiterten Hauptschulabschluss schaffen, haben keine Chancen auf dem Lehrstellenmarkt.
Wie hiess die Meinungsmache vorher? "ZDF-Magazin" und das kam nur mittwochs.
Mehr sag`ich ned.
DER SPIEGEL 18/2006 - 29. April 2006 Schule Psychologen und Arbeitsmediziner entdecken die Lehrer als Studienobjekte. In Bayern überwacht gar ein ganzes Institut die Gesundheit der Pädagogen. Der Freiburger Psychiater Joachim Bauer hat Angstkranke und Depressive behandelt, Alzheimer-Patienten und Psychotiker. Wahre Betroffenheit im Bekanntenkreis löst indes erst sein jüngstes Projekt aus: "Wie - du machst jetzt was mit Lehrern?", fragen die Kollegen voller Mitgefühl. Seit Mitte November 2005 ist der Professor im Nebenjob Chef des neugegründeten bayerischen Instituts für Gesundheit in pädagogischen Berufen. Die Einrichtung, getragen vom Lehrerverband im Freistaat sowie von der Bayerischen Beamtenkrankenkasse, soll das Wohlbefinden einer ganzen Zunft wiederherstellen. Scheuch selbst wandte sich schon Anfang der achtziger Jahre den Leiden der Lehrer zu. Nun leitet er das Projekt "Lange lehren", an dem auch Schulpsychologen aus Berlin und der Freiburger Forscher Bauer beteiligt sind. Projekte wie das bayerische Gesundheits-Institut sollen die Pädagogen deswegen schon aufpäppeln, ehe sie berufsbedingte Gebrechen entwickeln. "Sie leisten Schwerstarbeit", erklärt Institutschef Bauer rund 50 erfreuten Lehrern beim Gesundheitstag in München. Dann erläutert der Mediziner, wie der Körper Dauerstress in organische Beschwerden übersetzt - und was man dagegen tun kann.
URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,413676,00.html
Diagnose: Lehrer
Von Julia Koch DPAKlassenzimmer: Viele Lehrer mit Stress-Symptomen
Die hat es dringend nötig. Seit Jahren beobachtet Bauer, dass unter seinen Patienten überproportional viele Lehrer sind. Von rund 400 Gymnasiallehrern, die er in einer aktuellen Studie befragte, zeigten 20 Prozent stressbedingte Belastungssymptome. "Diese Lehrer", folgert der Wissenschaftler, "brauchen eigentlich eine medizinische Behandlung."
Auch anderswo steht es schlecht um die Fitness der Pädagogen. Nur eine Minderheit arbeitet bis zur gesetzlichen Regelaltersgrenze; im Jahr 2004 ließen sich bundesweit rund 4300 Lehrer wegen Dienstunfähigkeit pensionieren - bei mehr als der Hälfte davon waren psychische Krankheiten der Grund für die Flucht aus dem Klassenzimmer.
Die meisten Bundesländer sorgen sich um die Gesundheit ihres Lehrpersonals - aus purer Not: Allein im bayerischen Haushalt schlagen die Versorgungsausgaben für frühpensionierte Pädagogen nach Berechnungen des Lehrerverbandes mit jährlich etwa 250 Millionen Euro zu Buche.
Zwar geht die Zahl der Frühpensionierungen in Deutschland zurück, seit zum Jahr 2001 Kürzungen der Ansprüche beschlossen wurden. Doch die wenigsten Dienstherren wollen sich allein auf finanziell bedingte Spontangenesungen verlassen.
Deswegen steigt in Forscherkreisen jene Berufsgruppe, die ansonsten mit Hingabe beschimpft ("Lehrerhasserbuch") und verspottet wird ("Lehrer ist kein Beruf, sondern eine Diagnose"), zum beliebten Studienobjekt auf. "Inzwischen hat sich eine richtige Wissenschaftsszene zum Thema Lehrergesundheit entwickelt", beobachtet der Arbeitsmediziner Klaus Scheuch von der TU Dresden.<!-- Vignette StoryServer 5.0 Mon May 01 13:10:06 2006 --><!-- Vignette StoryServer 5.0 Mon May 01 13:10:07 2006 --><!-- Vignette StoryServer 5.0 Mon May 01 13:10:07 2006 -->
In Rheinland-Pfalz läuft das "Projekt Lehrergesundheit"; die Uni Greifswald hat ein Netzwerk zum Thema eingerichtet. In Lüneburg entwickelt der Psychologe Bernhard Sieland Methoden, mit denen schon die Studenten besser auf den Job vorbereitet werden können.
Denn es ist vor allem der falsche Umgang mit den berufsspezifischen Belastungen, der die Pädagogen früh schlappmachen lässt. Für die bislang umfangreichste Untersuchung zur Lage der Lehrer hat der Potsdamer Psychologe Uwe Schaarschmidt knapp 8000 Pädagogen befragt. Rund 60 Prozent rechnet der Forscher zur Risikogruppe für Stresskrankheiten - die eine Hälfte von ihnen ist chronisch überfordert, die andere bereits tief resigniert.
"Die Ausbildung ist viel zu kopflastig", klagt Schaarschmidt. Zwar seien die meisten Pädagogen beim Berufseinstieg fachlich fit, doch wie man ein Elterngespräch führt oder sich vor 30 pubertierenden Schülern behauptet, lernen sie erst durch Ausprobieren - oder gar nicht.
Derzeit entwickelt Schaarschmidt einen Selbsttest für künftige Lehramtsstudenten. "Zu viele Studierende wählen das Lehramt, weil sie es für einen leichten Beruf halten", erklärt der Wissenschaftler.
Und noch etwas stellten die Forscher fest: Lehrer kommen keineswegs schon als Psycho-Wracks in die Schule. Arbeitsmediziner Scheuch hat verschiedene Gruppen von Studenten auf neurotische Tendenzen untersucht. Ergebnis: Am meisten neigten die Musikstudenten zu Macken, als besonders robust erwiesen sich die Ingenieure. Künftige Lehrer hingegen liegen im Mittelfeld; psychisch sind sie stabiler als etwa angehende Mediziner.DER SPIEGEL
Nachmittags trainieren die Lehrer mit einer Sprecherzieherin den "Atemwurf" oder besprechen Schulprobleme in der Coaching-Gruppe. "Gerade Lehrerkollegien sind anfällig für Defizite im sozialen Gefüge", erklärt Psychologe Schaarschmidt, "im Unterricht sind die Lehrer Einzelkämpfer, in den Pausen kümmern sie sich um die Schüler, und dann gehen sie nach Hause."
So wird für manche gerade das zum Problem, was Nicht-Lehrer den Pädagogen am heftigsten missgönnen. "Von einer funktionierenden Ganztagsschule hätten viele Lehrer mehr als von Nachmittagen zu Hause, an denen sie allein vor sich hin arbeiten", glaubt Schaarschmidt.
Dann fiele auch das Image vom arbeitsscheuen Halbtagsjobber weg - und damit eine weitere Bedrohung der Pädagogengesundheit. Scheuch: "Der gute Ruf einer Profession ist eindeutig ein präventiver Faktor."
also daher einzeln:
http://doku.argudiss.de/data/erziehung_nbg_0109.mp3
http://doku.argudiss.de/data/erziehung_nbg_0109_1.mp3
http://doku.argudiss.de/data/erziehung_nbg_0109_2.mp3
http://doku.argudiss.de/data/erziehung_nbg_0109_3.mp3
http://doku.argudiss.de/data/erziehung_nbg_0109_4.mp3
http://doku.argudiss.de/data/erziehung_nbg_0109_5.mp3