Nobelpreisträger M. Friedman "Ich hoffe, dass ich


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Neuester Beitrag: 28.06.01 20:29
Eröffnet am:27.06.01 21:13von: rebeccaAnzahl Beiträge:7
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108 Postings, 9200 Tage rebeccaNobelpreisträger M. Friedman "Ich hoffe, dass ich

 
  
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27.06.01 21:13
"Ich hoffe, dass ich mich irre"

     Der Euro gefährdet Europa, der Weltwirtschaft droht eine Depression - und die
     US-Notenbank riskiert alles. Ein ZEIT-Gespräch mit dem amerikanischen
     Nobelpreisträger Milton Friedman

     Von Petra Pinzler (Gesprächsführung)


     DIE ZEIT: Professor Friedman, Sie
     leben in San Francisco, der Heimat
     der New Economy. Haben Sie am
     Internet-Boom verdient?

     MILTON FRIEDMAN: Nein, ich
     spekuliere nicht. Das kostet zu viel
     Zeit.

     ZEIT: Beobachtet haben Sie das Ganze aber schon. Sie prophezeiten das Platzen der
     Spekulationsblase bereits vor zwei Jahren.

     FRIEDMAN: Und ich lag falsch, ich hatte zu früh an den Crash geglaubt. Wäre ich beim
     Spekulieren meinem Ratschlag gefolgt, dann wäre ich heute mein letztes Hemd los.

     ZEIT: Warum irrten Sie?

     FRIEDMAN: Keine Ahnung. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis vieler Internet-Werte war schon
     lange vor dem Ende des Booms untragbar. Unternehmen verloren Geld und wurden trotzdem
     fantastisch beurteilt. Jeder wusste, dass das so nicht weitergehen konnte. Anfang und Ende
     von Spekulationsblasen lassen sich aber einfach nicht logisch erklären.

     ZEIT: Sie haben auch bezweifelt, dass wirklich eine neue Ökonomie entstanden ist.

     FRIEDMAN: Alle Argumente, die man in den neunziger Jahren hören konnte, wurden auch in
     den zwanziger Jahren angeführt. Und beide Male stimmten sie, denn in beiden Fällen gab es
     einen technologischen Durchbruch - in den Zwanzigern durch die Automobilindustrie und die
     Elektrizität, in den Neunzigern durch Telekommunikation und Computer. Beide Male wuchs
     zudem die Wirtschaft stark, und auch der Aktienmarkt boomte besonders bei den
     High-Tech-Aktien. Es entstand also durchaus eine neue Wirtschaft; und gleichzeitig war es
     doch die alte, denn sie funktionierte immer noch nach den bewährten ökonomischen Regeln.

     ZEIT: Die Zwanziger endeten ziemlich böse mit der Weltwirtschaftskrise. Was ist heute
     anders?

     FRIEDMAN: Wir haben inzwischen sogar drei ähnliche Episoden erlebt: die Zwanziger, die
     Achtziger in Japan und die neunziger Jahre in den USA. Der erste Boom endete in Desaster
     und Depression, der zweite immerhin noch in einer langen Rezession. Nun müssen wir
     abwarten, was diesmal passiert. Für Vorhersagen ist es zu früh. Man kann eine Geschichte
     nicht vom Ende her erzählen.

     ZEIT: Sie machen die Geldpolitik für die ersten beiden Krisen verantwortlich.

     FRIEDMAN: Mit den Wirtschaftsaufschwüngen hatte die Geldpolitik nichts zu tun, die wurden
     von echtem technologischem Fortschritt genährt. Aber nach dem Crash handelten die
     Notenbanker jedes Mal falsch, sie reduzierten die Geldmenge. Es ist also höchst interessant
     zu beobachten, wie sie heute experimentieren. Diesmal nämlich unterscheidet sich die
     Geldpolitik grundlegend von der der Vergangenheit. Sie ist sehr ungewöhnlich. Denken Sie
     einmal über folgendes Szenario nach: Die Arbeitslosigkeit liegt bei etwa vier Prozent, die
     Produktion wächst um vier Prozent, die Inflationsrate liegt bei etwa zwei Prozent. Was
     würden Sie tun?

     ZEIT: Wahrscheinlich nicht die Zinsen senken, sondern eher eine restriktive Geldpolitik
     betreiben.

     FRIEDMAN: Genau. Sie würden jedenfalls keine expansive Geldpolitik betreiben. Genau das
     aber geschieht in den USA seit langer Zeit - mit der Gefahr, in eine Inflation zu geraten.

     ZEIT: Der Grund dafür ist doch wohl die Hoffnung, in Amerika auf diese Weise die Rezession
     zu verhindern. Geben Sie dieser Strategie eine Chance?

     FRIEDMAN: Ja, aus einem Grund - wegen des Respektes, den ich für den US-Notenbankchef
     Alan Greenspan hege.

     ZEIT: Mit diesem Kompliment verstoßen Sie aber gegen Ihre eigene Theorie, dagegen, dass
     Geldpolitik nicht aktiv betrieben werden sollte, sondern Zinssätze am besten langfristig
     festgeschrieben werden sollen.

     FRIEDMAN: Stimmt. Ich stecke da in einem Dilemma. Mein Instinkt sagt mir, diese Politik ist
     viel zu expansiv. Gleichzeitig aber erleben wir eine außergewöhnliche Situation. Versetzen
     Sie sich in die Lage von Greenspan. Der kennt die Vergangenheit und wird sich ständig
     sagen: Wir wollen nicht die gleichen Fehler machen wie damals. Wir werden es nicht so
     enden lassen.

     ZEIT: Also macht er etwas, das noch nicht ausprobiert worden ist ...

     FRIEDMAN: ... und wenn er damit Erfolg hat, dann verdient er einen Orden.

     ZEIT: Was sagen Sie zur Politik der Europäischen Zentralbank? Sie folgt Ihren
     geldpolitischen Ideen viel strikter und muss gleichzeitig viel mehr Kritik hinnehmen.

     FRIEDMAN: Im Großen und Ganzen hat die Zentralbank alles richtig gemacht. Sie hat eine
     sehr stabile Geldpolitik verfolgt. Europa geht es doch vergleichsweise gut. Es geht zwar
     Furcht vor der Rezession um, aber die ist ja nicht da.

     ZEIT: Dennoch haben immer noch wenige internationale Kapitalanleger Vertrauen zur
     europäischen Währungszone und dem Euro gefasst.

     FRIEDMAN: Der Euro ist seit einiger Zeit deutlich unterbewertet und der Dollar
     überbewertet. Allerdings habe ich den Euro immer für einen Fehler gehalten und glaube, die
     Mitgliedsländer mit ihrer unterschiedlichen Wirtschaftspolitik werden künftig viele Probleme
     bekämpfen müssen. Ich hoffe aber, dass ich mich auch hier irre. Möglicherweise wird er ein
     großer Erfolg. Wenn die Länder ihre Volkswirtschaft ausreichend reformieren, könnte er eine
     wunderbare Sache sein.

     ZEIT: Genau da liegt aber ein grundlegendes Problem: Die Europäer sind ja gerade stolz
     darauf, ihre Märkte nicht so stark liberalisiert zu haben wie die Vereinigten Staaten - mit dem
     Argument, das sorge für größere soziale Gerechtigkeit.

     FRIEDMAN: Und die Folge? Am Ende haben sie weniger soziale Gerechtigkeit. Denn: Ist das
     durchschnittliche Einkommen der Bürger so hoch, wie es sein könnte, wenn die Regierung
     nicht so viel davon wegnähme?

     ZEIT: Der Durchschnitt ist wenig relevant, denn der verschleiert die Kluft zwischen Arm und
     Reich.

     FRIEDMAN: Schauen wir doch mal in die Vergangenheit. Den Superreichen geht es heute,
     mal abgesehen von der Gesundheitsvorsorge und den Transportmöglichkeiten, doch nicht
     besser als vor hundert Jahren. Große Häuser besaßen sie immer, und fließendes Wasser
     hätten sie damals gar nicht gebraucht, denn sie hatten ja eilende Sklaven. Die Armen
     hingegen konnten ihren Lebensstandard enorm verbessern, sie haben Autos, Fernseher,
     fließendes Wasser.

     ZEIT: ... und diese Privilegien haben sie sich heftig erkämpfen müssen.

     FRIEDMAN: Nein, die haben sie dem Kapitalismus zu verdanken. Die Regierung hat die
     Waschmaschine nicht erfunden. Es lässt sich schlicht nicht beweisen, dass es in Europa heute
     durch den Wohlfahrtsstaat größere Gleichheit zwischen Arm und Reich gibt als ohne ihn.

     ZEIT: Wenn das alles stimmen sollte, warum akzeptieren es die Menschen und wählen
     Regierungen, die ihnen einen Sozialstaat europäischer Prägung bieten?

     FRIEDMAN: Weil sie glauben, sie bekommen etwas kostenlos.

     ZEIT: Menschen wollen soziale Gerechtigkeit doch nicht nur für sich. Schauen Sie sich die
     Bewegung der Antiglobalisierer an. Die hat sich nicht nur den Kampf für die Armen im
     eigenen Land, sondern weltweit auf ihre Fahnen geschrieben.

     FRIEDMAN: Kein Zweifel. Es gibt Altruisten. Hinter der Antiglobalisierungsbewegung stecken
     aber vor allem die Gewerkschaften, die den Enthusiasmus von jungen Leuten missbrauchen.

     ZEIT: Abgesehen von den Chaoten - würden sie den Demonstranten nicht zumindest
     zugestehen, sich um tatsächlich bestehende Probleme zu kümmern, beispielsweise um die
     Armut in der Dritten Welt?

     FRIEDMAN: Gut, nehmen wir deren Einsatz für die Dritte Welt. Da boykottieren
     wohlmeinende Menschen Läden, die Waren verkaufen, die in der Dritten Welt hergestellt
     worden sind. Wem helfen sie damit? Geht es den Arbeitern in den sweat shops besser, wenn
     sie dort nicht mehr arbeiten können?

     ZEIT: Die Demonstranten wollen nicht die Arbeitsplätze vernichten, sondern die
     Arbeitsbedingungen verbessern.

     FRIEDMAN: Indem sie die Nachfrage reduzieren? Gerade der Preiswettbewerb kommt den
     armen Ländern doch zugute. Wenn man in der Dritten Welt die Löhne erhöht, gibt es keinen
     Grund mehr, ausgerechnet dort fertigen zu lassen. Wenn ein amerikanischer Unternehmer
     dort genauso viel zahlen muss wie in den USA, kann er auch gleich zu Hause produzieren.
     Und außerdem: Wer von den jungen Demonstranten will denn selbst hohe Preise für Textilien
     zahlen? Stellen Sie sich beispielsweise vor, die amerikanische Bekleidungskette Gap hätte
     zwei Läden: Der eine verkauft Textilien, die unter besten Arbeitsbedingungen produziert
     werden. Der andere lässt dort produzieren, wo es am billigsten ist. Wo würde wohl
     eingekauft werden?

     ZEIT: Das wäre einen Versuch wert.

     FRIEDMAN: Sie wissen genauso gut wie ich, was passieren würde. Ein oder zwei Tage
     würden alle in den ersten gehen, dann aber würden sie bei dem anderen vorbeischauen ...

     ZEIT: Wie lautet Ihr Rezept gegen Armut? Der Markt wird es richten? Das stellt die Geduld
     gerade unter den Ärmsten auf eine sehr harte Probe.

     FRIEDMAN: Kennen Sie ein Land, in dem ohne Markt viel verbessert wurde? Schauen Sie
     sich beispielsweise Indien an, eine Nation mit weitgehend staatlich geplanter Wirtschaft - und
     desaströsen Ergebnissen. An den Menschen dort liegt es nicht. Indern außerhalb Indiens geht
     es ökonomisch meist sehr gut.

     ZEIT: Gibt es denn keinen einzigen Bereich, wo Sie den Staat für sinnvoll halten?

     FRIEDMAN: Am meisten gefällt er mir, wenn er Bürgern Geld zurückgibt. Außerdem sollte er
     natürlich die Regeln des Spiels bestimmen, man braucht ein Rechtssystem, Schutz gegen
     Gewalt. Aber der Staat ist eben ein miserabler Unternehmer, er sollte das erst gar nicht
     versuchen. Fragen Sie doch mal einen normalen Bürger nach den Dingen, die er täglich
     benutzt. Danach fragen Sie ihn, wie viele dieser Dinge vom Staat kommen. Und dann sagen
     Sie ihm noch, dass er ein Leben lang die Hälfte seines Einkommens an die Staatskasse zahlt.

     ZEIT: Der Ökonom Paul Samuelson hat einmal über Sie gesagt: Gott hat ihm so viel
     gegeben, aber nicht die Gabe des Zweifels. Kommt Ihnen bei manchen Ihrer Aussagen nach
     all den Jahren nicht doch ein Zweifel?

     FRIEDMAN (lacht): Na klar. Aber ich werde Ihnen nicht sagen, bei welchen.


                                         (c) DIE ZEIT   26/2001  

9123 Postings, 8823 Tage ReilaDanke, rebecca. o.T.

 
  
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28.06.01 00:06

4579 Postings, 8698 Tage tom68Super Artikel(!) - Friedman for FED..... o.T.

 
  
    #3
28.06.01 00:54

1125 Postings, 8981 Tage indexsehr interessant! o.T.

 
  
    #4
28.06.01 17:15

19 Postings, 8554 Tage steilpilz@ rebeca

 
  
    #5
28.06.01 17:23
Danke, einfach Super, Genial! Danke  

2184 Postings, 8568 Tage boomerdanke, mit diesem Artikel können einige mehr

 
  
    #6
28.06.01 17:25
lernen als mit 3 Semestern Volkswirtschaftsstudium!  

536 Postings, 9154 Tage vanSeeund was lernen wir

 
  
    #7
28.06.01 20:29
daraus?  

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