Angefeuert von einer Rekordkreditvergabe von 9,6Billionen Yuan im Vorjahr schossen unzählige Immobilienprojekte aus dem Boden. Die Folge des als Konjunkturspritze gedachten Geldsegens: explodierende Immobilienpreise. Im ersten Quartal des heurigen Jahres kosteten chinesische Immobilien um 68Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor. Diese Krise werde auch die chinesischen Banken hart treffen, warnte kürzlich Kenneth Rogoff, Harvard-Professor und früherer Chefökonom des IWF. Sie haben heute 40Prozent mehr Immobilienkredite in ihren Büchern als noch vor einem Jahr.
Wohnung für 20Jahresgehälter
Mitte April hatte die Regierung in Peking daher begonnen, langsam Luft aus der Blase zu lassen. Etwa durch die Anhebung der Mindesteigenmittel für Zweitwohnsitze. Damals hatte ein Stresstest den Banken noch ein gutes Zeugnis ausgestellt. Allerdings nur dann, wenn die Immobilienpreise um höchstens 30 Prozent fallen.
Im Juni gab es erste Erfolge zu feiern. Die Immobilienpreise in 70 Städten fielen um 0,1Prozent gegenüber dem Vormonat, meldete das chinesische Statistikamt. Eine Entwarnung ist das freilich nicht. Im Gegenteil: Der neue Stresstest, der 60Prozent tiefere Preisen unterstellt, ist offenbar als Zeichen für die Banken gedacht, die Risken nicht zu unterschätzen.
Besonders heiß ist die Lage nach Ansicht der CBRC in den Städten Peking, Shanghai, Shenzhen und Hangzhou. Dort kostet ein Appartement oft das Zwanzigfache eines durchschnittlichen Jahreseinkommens. Wer sich hier seine dritte Immobile kaufen will, soll nach den Wünschen der CBRC keinen Kredit mehr erhalten, um weitere Spekulation hintanzuhalten.
Die Maßnahmen gegen die Immobilienblase bringen das Land, das in seiner Entwicklung auf immer neue Wachstumsrekorde angewiesen ist, aber in eine Zwickmühle. Die Konjunktur könnte abgewürgt werden, warnen Kritiker. Immerhin sorgt der Immobiliensektor für 20Prozent der Investitionen im Land. Platzt die Blase, würde das auch die Stahl- und Zementindustrie hart treffen.
Daran glaubt Jao Chianhai von der staatlichen Akademie der Sozialwissenschaften nicht. Die Regierung werde eher weiter Milliarden in die Wirtschaft pumpen, als einen großen Crash zuzulassen, sagte er dem „Spiegel“ – zumindest bis ins Jahr 2012. Dann endet die Amtszeit von Staatschef Hu Jintao und Premier Wen Jiabao.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2010)