Sind Analysten Tiere oder Monster?
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 06.09.00 08:24 | ||||
Eröffnet am: | 05.09.00 17:53 | von: IZ | Anzahl Beiträge: | 4 |
Neuester Beitrag: | 06.09.00 08:24 | von: Hansel | Leser gesamt: | 6.294 |
Forum: | Börse | Leser heute: | 4 | |
Bewertet mit: | ||||
Analysten-Empfehlungen: Vorsicht ist angebracht
Abgeschickt von: kmu am 31 August 2000 um 08:45
Analysten-Empfehlungen: Vorsicht ist angebracht
Hinter den Empfehlungen von Analysten verbergen sich oft massive Eigeninteressen der Banken. Nur wer diese
erkennt, kann sich vor Flops schützen.
Nachkaufen? Abstoßen? Ratlose Telekom-Aktionäre verfolgen Bankmeinungen zu ihrem stark gebeutelten Liebling
derzeit mit besonderem Interesse. Schaut man auf die Gesamtheit der Analystenempfehlungen, müsste das hoffnungsvoll
für die auf 45 Euro abgesackte T-Aktie stimmen: Von 66 Urteilen, die im Informationssystem Bloomberg von Beginn des
Jahres bis zum 28. August aufgelistet sind, sprechen sich mehr als die Hälfte für die Magenta-Aktie aus, nur neun sind
negativ für das Papier. Anders sieht das Bild aus, wenn man die Analysten in zwei Gruppen trennt - nämlich Banken, die
im Konsortium bei der dritten Platzierung der T-Aktien dabei waren, und Nichtkonsorten. Bei letzteren sind von 25
Urteilen sieben Käufe, neun neutral und neun Verkäufe. Deutlich positiver die 41 Bewertungen aus dem Kreis der
Konsortialbanken: 30 Käufe, zehn neutral und nur ein Verkauf. T-Konsorten urteilen also im Schnitt T-freundlicher.
Positive Stimmen von Emissionsbanken auch bei fallenden Kursen gibt es öfter, als es Anlegern lieb sein kann . Begleitet
eine Bank ein Unternehmen an die Börse, ist im Dienstleistungspaket oft auch die Verpflichtung enthalten, regelmäßig
Studien über den Debütanten zu veröffentlichen. Dabei verderben es sich die Geldhäuser ungern mit der eigenen
Kundschaft: Es locken lukrative Folgegeschäfte bei Kapitalerhöhungen oder weiteren Börsengängen. So beglückt die
Telekom den Kapitalmarkt regelmäßig mit Milliardenplatzierungen: Nach der jüngsten T-Anleihe geht 2001 T-Mobile an
die Börse.
Gefahr bei Abwärtstrend. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, dass Emissionsbanken ihre Ziehkinder weiter covern: Je
mehr Analysten sich zu einer Aktie äußern, desto schneller können sich auch private Anleger ein Bild von der Aktie
machen (Wirtschaftswoche 14/2000). Im besten Fall verschaffen die Konsortialbanken einer guten Aktie die verdiente
Aufmerksamkeit. Gerade bei kleinen Werten droht aber auch Gefahr. Ein deutliches Warnsignal sind Kauftipps mitten in
einen kräftigen Abwärtstrend hinein, wenn sich nur oder überwiegend Banken aus dem Konsortium zu einer Aktie äußern.
Denn neben der Aussicht auf weitere Geschäfte werden auch Fehler in der Auswahl der Börsenkandidaten ungern
eingestanden. Entsprechend selten stufen Analysten ein Unternehmen herab, das das eigene Haus an die Börse
gebracht hat - auch wenn immer schlechtere Zahlen das dringend nötig machen würden. Leidtragende sind oft die
Privatanleger. Denn klammheimlich steigen viele Profis längst aus, während möglicherweise für die Aktie sogar noch laut
die Werbetrommel gerührt wird - überdeutlich zu sehen beim Neuer-Markt-Wert Ixos und Goldman Sachs
(Wirtschaftswoche 35/2000).
Auffällig ist ebenfalls die Ballung von Kaufempfehlungen der Konsortialbanken im März rund um den Höchstkurs der
Telekom-Aktie . Als der Kurs anschließend die Talfahrt antrat, gab es laut Bloomberg bis auf zwei Neutralurteile keine
Kommentare von Emissionsbanken mehr. Und dass, obwohl bis zum 22. Mai - am Folgetag begann die
Analystenschweigepflicht vor der dritten T-Aktien-Platzierung - der Kurs bis auf 55,10 Euro abrutschte, es also
massive Verkäufe auch von großen Investoren gegeben haben muss. Nach Ende der so genannten Blackout-Period am
20. Juli, die natürlich nur Emissionsbanken betrifft, ballten sich dann wieder massiv Kaufempfehlungen aus dem
Konsortenkreis. Der Kurs war inzwischen unter 50 Euro gesunken.
Im Fall Gigabell schockte der Internetanbieter schon sechs Wochen nach dem Börsengang im August 1999 seine frisch
gebackenen Aktionäre mit einer höheren Verlusterwartung. Prompt sackte der Kurs um zwei Drittel. Der Internethype
und Akquisitionen jazzten dann Gigabell zwar kräftig nach oben, jedoch nur, bis die Party der Internetaktien vorbei war.
Mitten im Kursrutsch - am 7. April, Kurs 80 Euro - empfahl die DG Bank das Papier zum Kauf. Im Sommer tauchte
Gigabell auf so genannten Todeslisten mit Pleitekandidaten auf und musste Liquiditätsprobleme eingestehen. Der Kurs
sackte auf unter 20 Euro. Schlecht für Anleger, die nach dem Banktipp orderten. Was viele nicht wussten: Die DG Bank
hat Gigabell mit an die Börse gebracht.
Maulkorb für Analysten. ?Angesichts der dynamischen Akquisitionstour, mit der die Marktstellung gefestigt wird,
empfehlen wir, die Aktie zu kaufen?, schrieb DG-Bank-Analyst Rainer Raschdorf im Rahmen einer Neuer-Markt-Studie
im April. Als Gigabells Liquiditätsprobleme offenkundig wurden, waren Raschdorf jedoch die Hände gebunden: ?Unsere
Compliance-Abteilung hat den Wert auf die Sperrliste gesetzt, das heißt, wir dürfen uns dazu nicht mehr äußern?, erklärt
der Analyst. Compliance bedeutet, dass kursrelevante Informationen einzelne Bankbereiche nicht verlassen dürfen, um
Interessenskonflikte innerhalb der Bank und Insidergeschäfte zu vermeiden.
Wenn den Analysten so ein Maulkorb verpasst wird, ?erfährt der Normalanleger das wohl nicht?, räumt Raschdorf ein.
Kommt eine Aktie auf die Sperrliste, hören das nur Profikunden und hauseigene Berater. Fondsmanager zum Beispiel
können sich dann ihr Teil denken und Stücke auf den Markt werfen. Wer einen Tipp in der Zeitung oder im Internet
gelesen hat, wundert sich nur über den fallenden Kurs. Andere Banken haben Gigabell nach Angaben von Bloomberg -
dessen Listen allerdings keine Vollständigkeitsgarantie bieten - nicht beobachtet.
Dass Kaufempfehlungen offensiv publiziert werden, kritischere Einstufungen dagegen eher leise, zeigt auch das Beispiel
von Teldafax, einem weiterem Börsenzögling der DG Bank. In der großen Marktstudie vom April stufte Analyst
Raschdorf das Anlageurteil für den Telefonanbieter von ?reduzieren? auf ?akkumulieren? hoch: ?Der Kurs war schon
recht niedrig und die von Teldafax angekündigte Restrukturierung erschien aussichtsreich.? Leider kam es anders für
Teldafax: Geschäftsfelder wurden von anderen besetzt, Übernahmehoffnungen zerschlugen sich. Der Kurs sackte von in
der Studie genannten 16,40 Euro unter 9 Euro, während es von Nichtkonsorten Verkaufsempfehlungen hagelte. Erst
mit den letzten Quartalsergebnissen Mitte August stufte auch die DG Bank das Papier zurück. ?Aber jetzt nicht in dieser
Lautstärke?, sagt Raschdorf. ?Es gab keine neue Marktstudie, sondern einen kurzen Flash.?
Die Liste der Aktienflops ist lang, denen Konsorten noch die Stange hielten, obwohl sie längst auf die Verkaufsliste
gehört hätten. Das zeigt ein Blick in die Bloomberg-Listen:
* Zum Wiener Telekomsoftwareanbieter Comtelco - seit dem Börsengang im Sinkflug - findet sich bei Bloomberg nur ein
?buy? von Robertson Stephens Ende Mai. Es folgten eine Gewinnwarnung und der Rücktritt mehrerer Vorstände. Der
Kurs verlor rund 60 Prozent.
* Auch das Internetportal Lycos Europe wurde seit dem Börsengang nur einmal empfohlen - Anfang Mai vom
Konsortiumsmitglied Chase Hambrecht & Quist. Seitdem rutschte der Kurs noch weiter von knapp 17 auf 8,80 Euro ab.
* Anfang Juni riet die Nordeutsche Landesbank, die Aktie des Internetbuchhändlers Buch.de zu ?akkumulieren?. Danach
halbierte sich der Kurs im Sog der schlechten Stimmung für Amazon.com.
* Beim Konkurrenten Bücher.de stemmten sich WestLB, ABN Amro und Commerzbank mit einer ganzen Welle von
Kauftipps gegen den Sinkflug. Bisher vergebens: Anleger, die der WestLB-Empfehlung bei 20 Euro folgten, haben pro
Aktie etwa neun Euro eingebüßt.
* Den Softwareanbieter Update.com empfahl Commerzbank Securities Ende Mai zum Kauf, nachdem der Kurs bereits
von 40 auf 20 Euro eingeknickt war. Aktueller Stand: um zehn Euro. Mitkonsorte ING Barings riet noch Anfang August
beim Stand von knapp elf Euro zum Kauf, nachdem Update ein höheres Halbjahresminus bekannt gab - zugleich gaben
die neutralen Hornblower Fischer und Independent Research Verkaufsempfehlungen.
* Die DG Bank stufte das Softwareunternehmen Poet noch im April zweimal mit ?buy? ein, während andere Analysten
zeitgleich und später zum Verkauf rieten. Seit dem letzten bei Bloomberg verzeichneten DG-Bank-Kauftipp rutschte die
Poet-Aktie von über 70 auf rund 17 Euro ab.
* Seit Jahren empfiehlt die WestLB mit schöner Regelmäßigkeit den Badmöbelhersteller Burgbad, den die Düsseldorfer
1995 an die Börse brachten. Anleger, die dem Rat 1997 folgten, verbuchten steigende Kurse. Aber auch im Juli 1999, als
die Aktie längst auf Talfahrt gegangen war, billigte die WestLB Burgbad unverdrossen überdurchschnittliches Potenzial
zu. Dabei schrumpften 1999 Umsatz und Gewinn, es gab Probleme mit Produktpalette und Akquisitionen. Dennoch lobte
die WestLB am 4. Mai 2000 Burgbad erneut als ?outperformer?. Wer für 9,55 Euro einstieg, verlor bis heute 23 Prozent.
Ungeliebter Abrat. Verkaufsempfehlungen sprechen alle Banken ohnehin nur sehr widerwillig aus. Mit einem Abrat ist für
die Bank wenig Provision zu verdienen, weil der Tipp nur Investoren anspricht, die das Papier schon im Depot haben.
Und ein Negativurteil verärgert das abgewatschte Unternehmen. Umso schwieriger ist es für Analysten, sich kritisch
über Aktien zu äußern, die das eigene Haus an die Börse gebracht hat. Wenn es dann keine korrigierenden Meinungen
neutraler Banken gibt, ist die Gefahr groß, dass Anleger zu spät von einer Schieflage erfahren. Das ist manchen Bankern
auch bewusst: ?Man würde sich schon wünschen, dass man die Kunden auch darauf hinweisen könnte, dass sich ein
Wert negativ entwickelt. Wenn man das nicht mitteilen darf, ist das schon sehr unangenehm?, klagt eine Frankfurter
Analystin.
Manchmal gehen die Verquickungen noch über die Börsenbegleitung oder große Investments der Fondstochter einer
Bank in besprochene Aktien hinaus. So brachte die Bayerische Landesbank die CPU AG nicht nur an den Neuen Markt,
sondern ist auch Kunde des Herstellers von Bankensoftware und hat sich mit knapp 14 Prozent an den Augsburgern
beteiligt. Am 11. Januar (Kurs 40 Euro) veröffentlichte Landesbank-Analyst Klaus Ragotzky eine positive Studie zu
CPU. Am 16. Mai (Kurs 25 Euro) billigte Ragotzky dem Papier ein Kursziel von 70 Euro bis Jahresende zu, auf kürzere
Sicht von 40 Euro. Heute - nach Gewinnwarnungen und dem Rücktritt des Vorstandschefs - liegt der Kurs bei 9,20
Euro.
?Ich habe vom Vorstand auf Basis des aktuellen Auftragsbestandes Signale erhalten, dass mit einem Break-even im
laufenden Jahr zu rechnen ist?, begründet Ragotzky seine damaligen Empfehlungen. ?Das hätte 2001 einen schönen
Turn-around geben können.? Einen Zusammenhang der Tipps mit der Dreifach-Verbindung seiner Bank zur CPU
bestreitet Ragotsky: ?Ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass solche Dinge definitiv bei uns im Hause nicht
vorkommen.? Hat der Analyst die Anleger denn gewarnt, als sich seine Einschätzung zu CPU verschlechtert hatte?
Ragotzky: ?Intern schon. Das ging an die Sparkassen. Die Berater hier sind informiert.?
Mütter und Töchter. Noch enger ist die Verbindung im Fall Consors: Die SchmidtBank hat den Discounter nicht nur mit
an die Börse gebracht, sondern hält auch dessen Aktienmehrheit. Dennoch veröffentlichten die Hofer am 17. Juli eine
Kurzstudie: ?Wir stufen die Consors-Aktie momentan als klare Kaufempfehlung ein?, lautete das Fazit von
Research-Chef Dieter Mäckler. ?Wir schreiben das aber nicht nur, weil wir die Mutter sind, sondern weil wir daran
glauben?, sagt SchmidtBank-Analyst Alois Bauer. Es habe Vorwürfe gegeben wegen der ungeschriebenen Regel,
Konzerngesellschaften nicht zu covern. ?Aber es war der Wunsch der Consors-Geschäftsleitung, dass wir über die
Aktie schreiben.? Bauer räumt ein, es klinge vielleicht ?ein bisschen blauäugig, aber wir sind in der Beurteilung der
Consors-Aktie unabhängig.?
Das Düsseldorfer Bankhaus Hermann Lampe hat sich mit knapp fünf Prozent an der Gold-Zack AG beteiligt, die
Beteiligungen an die Börse bringt. In diesem Geschäftsfeld ist auch eine Kooperation der Partner geplant. Im Mai und
Juni empfahl Lampe die Gold-Zack-Schützlinge CE Consumer Electronics und Phenomedia zum Kauf. Wer von solchen
Verbindungen nichts weiß, lässt sich leichter von positiven Analysen beeindrucken.
Schutz durch Information. Anleger können sich vor Kursverlusten nach tendenziösen Empfehlungen nur durch
Stop-Loss-Orders - hier wird die Aktie beim Erreichen einer Untergrenze des Kurses automatisch verkauft - und
zusätzliche Informationen schützen. Allerdings weisen wenige Banken auf ihre Emissionsbeteiligung hin. Eine Ausnahme:
?Die Deutsche Bank oder eine ihrer Konzerngesellschaften war innerhalb der letzten drei Jahre als Manager bzw.
Komanager an der Platzierung von Wertpapieren dieser Gesellschaft beteiligt?, vermerkt Deutschlands größtes Geldhaus
unter seinen Analysen. ?Der Leser einer Studie sollte wissen, dass die Gesellschaft geschäftlich mit der Deutschen Bank
verbunden ist?, begründet dies Sprecher Ronald Weichert.
Wo Hinweise fehlen, können Privatanleger im Internet nachforschen. Zwei Quellen für Konsortien sind die Datenbanken
der Wirtschaftswoche (www.wi wo.de, Neuemissionen, Firmensuche) und der ?Börsen-Zeitung? (www.boersen-zei
tung.com, Neuemissionen, Suchmaske).
Gehörte die empfehlende Bank zu den Konsorten, sollten sich Anleger noch gründlicher über Zahlen, Strategie und
Perspektiven des Unternehmens informieren als ohnehin, insbesondere in einem Abwärtstrend. Bei Tipps, die nicht vom
Berater der Hausbank stammen, ist eine sehr genaue Beobachtung der Aktie nach dem Kauf ratsam. Denn während
hausintern die Kunden vielleicht vor Unbill gewarnt werden, halten sich Konsortialbanken mit der öffentlichen
Zurückstufung ihrer Schützlinge offenbar zurück.
Deutliche Warnung. So vorsichtig Anleger bei Kauftipps von Emissionsbanken sein sollten, umso zügiger sollten sie
Verkaufseinstufungen folgen: Wenn sich eine Konsortialbank dazu durchringt, brennt die Hütte oft schon lichterloh.
Auch eine Rückstufung auf ?halten? oder ?neutral? ist ein eindeutiges Warnsignal. Wer darauf hört, kann sich oft
zumindest weitere Kursverluste ersparen: Als die Landesbank Baden-Württemberg zum Reduzieren von Kretztechnik
riet, war das Papier schon um fast die Hälfte abgestürzt. Der Kurs gab aber nochmals um ein Drittel nach. Und wer den
einzigen bei Bloomberg aufgelisteten Verkaufstipp eines Telekom-Konsorten befolgte - HSBC am 11. Februar, Kurs 88
Euro - verpasste zwar den Höchstkurs von 104 Euro, musste aber nicht mitansehen, wie sich die T-Aktie anschließend
mehr als halbierte.
STEPHANIE HEISE
30.08.2000 WiWo
Was hier angeprangert wird sind dummdreiste Bankenpushs sonst nichts
blaubärgrüsse