Ahmadinedschad
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 07.02.10 23:58 | ||||
Eröffnet am: | 07.02.10 23:00 | von: Eulenspiegel | Anzahl Beiträge: | 4 |
Neuester Beitrag: | 07.02.10 23:58 | von: Zwergnase | Leser gesamt: | 1.837 |
Forum: | Talk | Leser heute: | 2 | |
Bewertet mit: | ||||
Ahmadinedschad zeige, dass die ausgestreckte Hand des Westens vom Iran „nicht nur nicht ergriffen, sondern weggeschlagen wird“, sagte Guttenberg bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Nun sei der UN-Sicherheitsrat gefragt, darauf zu reagieren – notfalls mit strengen Sanktionen gegen den Iran.
Guttenberg appellierte an Russland und China, sich notwendigen Maßnahmen im UN-Gremium nicht zu verweigern.
Dem Iran müsse endlich „deutlich gemacht werden, dass die Geduld nun wirklich am Ende ist“, warnte Guttenberg.
Seit Jahren streitet sich der Westen mit dem Diktator in Teheran darüber, wie dem Land eine zivile Nutzung der Atomenergie ermöglicht werden kann, ohne es mit waffenfähigem Nuklearmaterial zu versorgen.
Hintergrund: Der Iran hatte dem Westen Anfang Januar ein Ultimatum gestellt. Die internationale Gemeinschaft habe „einen Monat Zeit“, auf die Bedingungen für eine Uran-Anreicherung im Ausland einzugehen, sagte Außenminister Manuchehr Mottaki damals.
Freitag erst sprach Mottaki bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Allerdings enttäuschte er mit der Erklärung, Iran werde auf die von der Welt geforderte Uran-Anreichung im Ausland nur unter Bedingungen eingehen.
Erst letzte Woche wurde bekannt, dass der Iran bei seinen Planungen für einen Atomsprengkopf die Hilfe eines ehemaligen Sowjet-Wissenschaftlers in Anspruch genommen hat.
Das berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ und beruft sich auf ein Papier, das den Kenntnisstand der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien zusammenfasst. Der Atomexperte habe in den 1990er-Jahren bis mindestens zum Jahr 2000 für den Iran gearbeitet.
IAEA-Unterlagen belegen, dass der Iran bis Anfang des Jahrzehnts an Atomwaffen gearbeitet hat. Die Behörde zeigte schon vor zwei Jahren iranische Konstruktionspläne für einen Sprengkopf und Erläuterungen, wie dieser auf eine Rakete gebaut werden könne.
Seit 2003 arbeitet der Iran aber mit der IAEA offiziell zusammen. Doch die Kooperation verläuft alles andere als gut...
um es differenzierter zu betrachten:
Atomstreit mit Iran
"Der Westen reagiert kurzsichtig und hysterisch"
Im Umgang mit Iran macht der Westen immer wieder dieselben Fehler, kritisiert der Grünen-Politiker Omid Nouripour in einem Gastbeitrag für SPIEGEL ONLINE. Der unklare Kurs des Uno-Sicherheitsrates lasse Teheran besonders stark aussehen - und verhindere die Lösung der wahren Probleme.
"Mottaki mischt das Meeting der Mächtigen auf", titelte SPIEGEL ONLINE. In der Tat hat der kurzfristig angekündigte Auftritt des iranischen Außenministers die gesamte Aufmerksamkeit der Münchener Sicherheitskonferenz auf sich gezogen. Hochbezahlte Analysten hingen an seinen Lippen und suchten in jedem winzigen Detail nach Zeichen der Entspannung im Atomstreit mit Iran. Doch substantiell Neues hatte der Teheraner Chef-Diplomat nicht im Gepäck. Und wie zu erwarten hat sein Chef Mahmud Ahmadinedschad bereits am Sonntag das Angebot wieder vom Tisch genommen. Wieder einmal viel Lärm um nichts.
Eine weit signifikantere und ernüchterndere Beobachtung ist, dass die internationale Gemeinschaft auch nichts Neues zu bieten hat. Der Grund dafür sind zwei chronische Krankheiten, unter denen unsere Debatte über die iranische Bombe leidet.
Erstens: Seit Jahren tut vor allem der Westen so, als müsse er sich entscheiden, was gerade das dringlichere Problem mit den Machthabern in Teheran ist: Das iranische Atomprogramm oder die Situation der Menschenrechte im Land. Die gegebene Antwort darauf ist immer gleich: Erst kommt die Verhinderung der iranischen Bombe, dann alles andere. Schließlich würde uns mit dem weiteren Fortgang der Uran-Anreicherung an dieser Stelle die Zeit davon rennen.
Dabei ist spätestens nach der gefälschten Präsidentschaftswahl vom 12. Juni letzten Jahres und der seitdem nicht mehr verstummten Protestwelle klar, dass die Menschenrechts- und die Atomfrage zwei Seiten ein und derselben Medaille sind. Denn: Wie kann eine langfristig nur auf Vertrauen basierende Lösung des Atomproblems mit einer Regierung funktionieren, der das eigene Volk nicht vertraut?
Gleichzeitig rennt uns auch in der Menschenrechtsfrage die Zeit davon. Es ist derzeit unklar, wie sich die heterogene Protestbewegung in Iran weiter formieren kann. Was aber deutlich ist: Die angeblichen Zeichen der Kompromissbereitschaft aus der Regierung werden immer wieder kurz vor angekündigten Großdemonstrationen der Opposition geäußert. So lenkt man die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit weg von den inner-iranischen Verhältnissen.
Wenige Tage vor der angekündigten Demonstration der Opposition am 11. Februar, dem 31. Jahrestag der islamischen Revolution, will Ahmadinedschad natürlich lieber über das Atomprogramm reden als über Proteste. Sich auf dieses Spiel einzulassen statt den inneren Druck auf ihn ernst zu nehmen, weil ja erst die Bomben zu entschärfen, dann die Menschenrechte zu achten sind, ist schlicht kurzsichtig.
Ehrliche Verständigung fehlt
Zweitens: Der internationalen Gemeinschaft fehlt die Einsicht in die eigene Schwäche. Das ist der Grund, warum sich seit Jahren die iranische Nuklearkrise nicht lösen lässt und nicht etwa, weil Iran so stark ist. Die ersten drei Stufen der Uno-Sanktionen gegen das Land sind inkohärent und entfalten kaum entscheidende Wirkung auf die iranische Führung. So ist es beispielsweise verboten, Waffen aus Iran zu kaufen, aber nicht, welche an Iran zu verkaufen. Der einzige Sinn der bisherigen Sanktionen war, die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates und Deutschland (P5+1) bei allen Interessenkonflikten zusammenzuhalten.
Da wäre es sinnvoller, wenn es eine ehrliche Verständigung zwischen den P5+1 gäbe über die jeweiligen Interessen. Ist es Russland wichtiger, eine für sich vorteilhafte Aufteilung des Kaspischen Meeres mit Iran zu verhandeln als das Atomprogramm des Landes zu stoppen? Fühlt sich China von einer iranischen Atombombe überhaupt bedroht?
Sollte eine ehrliche Beantwortung dieser Fragen zum Schluss führen, dass die gemeinsame Grundlage für den Druck auf Iran nicht ausreichend da ist, wäre es zwingend notwendig, über Alternativen oder zumindest über Ergänzungen zum P5+1-Format nachzudenken. Was wäre beispielsweise so falsch an einer weiteren Runde im Uno-Rahmen, in der auch bedrohte Nachbarstaaten Irans wie Türkei oder Aserbaidschan vertreten sind oder eben die Vereinigten Arabischen Emirate, die weiterhin das Einfallstor für blühenden indirekten Handel mit Iran darstellen?
Wochenlange Interpretation jedes Kommas
Die fehlende Einsicht in die eigene Schwäche führt zu einer Hysterie, die Iran besonders stark aussehen lässt. Das ist das Land aber nicht. Die inneren politischen Verhältnisse sind porös, die Mehrheit der Bevölkerung hat sich längst von der Regierung abgewandt. Die ökonomische Lage des Landes ist teilweise katastrophaler als zu Zeiten der Kriegswirtschaft in den achtziger Jahren. Iran ist weiterhin von Ländern umzingelt, in denen US-Streitkräfte stationiert sind. Die einzige Stärke der Regierung besteht in der Chuzpe des Staatspräsidenten. Und wir fallen reihenweise darauf rein.
Beeindruckend an der iranischen Führung ist die Professionalität, mit der sie den Rhythmus und die Agenda der internationalen Debatte vorgeben kann. Und der Rest der Welt macht das Spiel einfach so mit. Kurz gesagt: Alle wissen, dass Ahmadinedschad keine Entscheidungsgewalt über das iranische Atomprogramm hat. Die Entscheidung liegt beim Revolutionsführer Ali Chamenei. Trotzdem folgt auf jede Finte Ahmadinedschads eine wochenlange Interpretation aller Kommata seiner Reden. Die Frage darf erlaubt sein, ob es nicht manchmal sinnvoller wäre, so manche bewusste Provokation der iranischen Führung zu ignorieren. Nicht nur wegen der meist unsäglichen Inhalte, sondern auch aus einer rationalen, strategischen Überlegung.