beim öl hört die freundschaft auf!
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 10.01.07 12:25 | ||||
Eröffnet am: | 10.01.07 12:21 | von: brokeboy | Anzahl Beiträge: | 2 |
Neuester Beitrag: | 10.01.07 12:25 | von: biergott | Leser gesamt: | 5.231 |
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Aus der FTD:
Wolfgang Münchau: Eine neue Ostpolitik
Nach Schröders Schmusereien mit Putin ist es höchste Zeit für eine andere EU-Strategie gegenüber Russland.
In beiden von Sozialdemokraten geführten Regierungsperioden der Nachkriegszeit gab es eine Ostpolitik. Willy Brandts Ostpolitik gehörte zu den großen Erfolgen deutscher Diplomatie. Sie hat dazu beigetragen, die Spaltung unseres Landes und unseres Kontinents zu überwinden. Ohne sie wäre die Wiedervereinigung schwerer gewesen.
Die Ostpolitik von Gerhard Schröder hingegen wird sich als einer der großen strategischen Fehler bundesdeutscher Politik erweisen. Sie war von vornherein defensiv angelegt. Sie war geprägt von tiefer Skepsis gegenüber den USA und gegenüber einer liberalen EU. Deutschland, Frankreich und Russland vereinen der Glaube an den Korporatismus und eine in der Gesellschaft weitverbreitete Ablehnung des freien Markts. Wir wissen zwar mehr über die USA als über Russland - aber die USA sind uns fremder.
Diese Geisteshaltung ist Grundlage unserer bilateralen Beziehungen zu Russland. Mit Russland vereinbaren wir Energieabkommen zu Lasten Dritter. Wir stützen auf diese Weise unsere Klüngelwirtschaft im Energiesektor, die mittlerweile zu einem der wichtigsten Hindernisse für einen gemeinsamen europäischen Energiemarkt geworden ist. Die Energieindustrie ist Refugium ausrangierter Spitzenpolitiker wie Schröder oder seines ehemaligen Wirtschaftsministers Werner Müller.
Die Verbrüderungsszenen von Schröder und Putin waren unerträglich. Schröders Ausspruch, wonach Putin ein "lupenreiner Demokrat" sei, ist typisch für sein Demokratieverständnis und seine Menschenkenntnis. Er gehört zu den großen Fehlurteilen unserer Zeit.
Strippenzieher Steinmeier
Angela Merkel verfolgt inhaltlich noch die Politik, die sie von ihrem Vorgänger geerbt hat. Schließlich ist Außenminister Frank-Walter Steinmeier schon einer der Strippenzieher in Schröders Russlandpolitik gewesen. Das persönliche Verhältnis zwischen Merkel und Putin ist aber distanzierter als das von Schröder zum Kreml-Chef. Das Unbehagen gegenüber Russland wächst allmählich auch in der deutschen Bevölkerung. Vorbei die Zeiten, als sich der Durchschnittsbürger von Putins gutem Deutsch und seinen Spaziergängen durch Dresden beeindrucken ließ.
Der jüngste Stopp der Öllieferungen an Weißrussland sowie die Krise vor einem Jahr, als Gasprom der Ukraine zeitweilig den Gashahn zudrehte, sind Ausdruck russischen Machtgebarens, das den Europäern zu Recht nicht mehr geheuer ist. Und dann gab es da natürlich noch die vielen Morde oder Mordversuche an Kreml-kritischen Russen in letzter Zeit, die zum Teil so bizarr sind, dass es selbst den Verschwörungstheoretikern die Sprache verschlägt.
Der im letzten Jahr verstorbene Ökonom John Kenneth Galbraith sagte einmal: "Der Feind der gängigen Meinung sind nicht Ideen, sondern der Gang der Ereignisse." Genau dieses Phänomen erfährt die russische Führung momentan. Ich glaube nicht daran, dass Putin selbst die Morde angeordnet hat. Es wäre sehr dumm von ihm, und dumm ist er nicht. Was hier passiert ist, ist das aus russischer Sicht unglückliche Zusammenwirken eigenen Machtgebarens mit etwas Pech. Aber diese unglückliche Konstellation lässt Russland im Ausland in einem sehr schlechten Licht erscheinen.
Die weißrussische Ölkrise bedeutet zunächst, dass die EU ihre Energiepolitik bündeln wird. Die Notwendigkeit einer solchen Bündelung ist offensichtlicher denn je. Für die EU und die deutsche Ratspräsidentschaft sollte die Energiepolitik jetzt einen höheren Stellenwert einnehmen als die Europäische Verfassung.
Wie könnte eine einheitliche EU-Energiepolitik aussehen? Die EU, nicht die einzelnen Länder, sollte über eine große Ölreserve verfügen, die im Fall einer Krise schnell zur Verfügung gestellt werden kann. Die Energiemärkte sollten möglichst schnell liberalisiert und die Regulierung zentralisiert werden. Am besten wäre eine Aufspaltung der deutschen und französischen Energiemonopolisten. Die hierzulande so vehement verteidigte Bündelung von Netz und Vertrieb wird irgendwann ohnehin kippen.
All das wird passieren - nicht aufgrund irgendwelcher Ideen von Ökonomen oder Politikern, sondern, wie Galbraith einst sagte, schlicht wegen des Gangs der Ereignisse. Die Überdehnung russischer Machtinteressen hat Unternehmen wie Eon, Ruhrgas oder RWE zunächst genutzt. Am Ende werden diese Unternehmen daran zerbrechen.
Energiepolitik ist Sicherheitspolitik
Wenn man sich also die Frage stellt, wozu man eigentlich heute noch die europäische Integration braucht, dann liegt hier die Antwort. Wir brauchen die Integration sicher nicht mehr, um Deutschland in Schach zu halten. Auch als Liberalisierungsmotor ist Europa nicht mehr so stark wie in den 80er-Jahren. Wir brauchen Europa heute, um unsere gemeinsamen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Probleme zu lösen, die wir schon längst nicht mehr auf nationaler Ebene lösen können. Die Energiepolitik ist eines der klassischen Felder, die man viel besser auf EU-Ebene als auf nationaler Ebene regulieren kann.
Energiesicherheit ist sicher ein wichtiges Thema in unseren Beziehungen zu Russland. Im Grunde geht es aber um unsere Sicherheit insgesamt. Russland ist kein Feind oder Gegner mehr wie im Kalten Krieg. Aber Russland stellt trotzdem eine versteckte Bedrohung für unsere Sicherheit dar.
Wir brauchen weitere europäische Integration, in der Energiepolitik und in der Außen- und Sicherheitspolitik insgesamt, um unsere strategischen Interessen wahrzunehmen. Wir Westeuropäer haben ein fundamentales Interesse daran zu verhindern, dass Russland zur dominierenden Macht gegenüber der EU wird. Russlands politische Strategie ist die Wiedererlangung des Status einer Weltmacht, den das Land mit dem Ende des Kommunismus verloren hatte. Öl und Gas sind die Mittel zu diesem Zweck.
Wenn bei uns in Deutschland und in Europa alles so weiterläuft wie bislang, dann wird Russlands Strategie aufgehen.
Wolfgang Münchau ist Kolumnist von FTD und FT und Direktor des Wirtschaftsinformationsdiensts www.eurointelligence.com.