Über die Dämonisierung des Bösen
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 12.06.13 16:13 | ||||
Eröffnet am: | 10.10.06 15:17 | von: Talisker | Anzahl Beiträge: | 20 |
Neuester Beitrag: | 12.06.13 16:13 | von: Talisker | Leser gesamt: | 4.057 |
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Wohnungseinbrüche und Autodiebstähle nehmen zu?
Die Straftaten von Ausländern nehmen zu?
Morde nehmen zu?
Sexualmorde nehmen zu?
Wir benötigen ein schärferes Strafrecht?
Die verhängten Gerichtsurteile bei Gewaltkriminalität werden hingegen immer milder?
Wer auf all diese Fragen immer oder zumindest häufiger "Jawoll!" gesagt hat, dem sei folgender link ans Herz gelegt:
http://www.kfn.de/daemonisierung.pdf
Gruß
Talisker
Gruß BarCode
Stramme Genossen = Sozis = Gutmenschen.
Kann doch nicht so schwer sein, das zu kapieren. Komm am WE zum Grillfest, dann kann ich's Dir notfalls mit Handpuppen vorspielen...
*ggg*
MadChart, ich will die Show! Die mit den Handpuppen!
Deine komischen Saucen hingegen kannste behalten.
Gruß
Talisker
An dein Schubladensystem will ich lieber nicht ran. Das darfst du weiter pflegen. Bei mir sind die strammen Genossen halt woanders eingeordnet. Irgendwo unter "Kanalarbeiter des schlechten Geschmacks" oder so... Die Gutmenschen sind bei mir eher unter "Als die Welt noch flach war" einsortiert. Aber ich bin ein recht unordentlicher Mensch und neige zum Verstapeln. Deshalb wäre so ein anschauliches Puppentheater sicher hilfreich gewesen...
Gruß BarCode
Härtere Urteile sorgen für volle Haftanstalten: Der Strafrechtler Johannes Feest führt die steigenden Gefangenenzahlen auf zunehmenden Populismus von Politikern und Medien zurück. Manchmal, wie in Hamburg, laufe es aber auch umgekehrt
INTERVIEW NICO POINTNER
taz: Herr Feest, mit über 64.000 ist die Zahl der Strafgefangenen so hoch wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Wie eng ist es hinter deutschen Gittern?
Johannes Feest: Der neue Anstieg ist dramatisch. Die Zahl der Strafgefangenen ist in den letzten zehn Jahren um ein Fünftel gestiegen. Immer mehr Menschen werden eingesperrt.
Weil es mehr Straftaten gibt?
Nein. Die Gefängnispopulation wächst, ohne dass die Kriminalität steigt, die nahm teilweise sogar ab. Die Ursache findet man in den Gerichtssälen: Die Rechtsprechung ist sehr viel härter geworden, die Zahl der Inhaftierten mit lebenslänglicher Haftstrafe etwa hat sich verdoppelt. Je härter die Urteile und länger die Strafen, desto mehr Haftplätze sind belegt. Das ist der eigentliche Motor dieser Entwicklung.
Also weniger, dafür aber schlimmere Verbrechen?
Eher schlimmere Politiker. Es ist immer wieder ein Wahlkampfschlager, sich Verbrechensbekämpfung und härtere Gesetze auf die Fahnen zu schreiben. Durch die Medien greift diese Stimmung auf die Bevölkerung über, was das Thema für die Politik noch reizvoller macht. Es entsteht ein Teufelskreis, der sich immer weiter verstärkt. Das lässt die Justiz nicht unbeeindruckt. Richter sind auch nur Menschen.
Der Wahlkampf bringt die Verbrecher hinter Gitter?
Ja. Wahlkämpfe bieten genau das Klima, in dem diese Problematik gedeiht. Wir haben sie leider alle Nase lang. Deshalb sind längere Wahlperioden und weniger Wahltermine wünschenswert.
Das ist die eine Seite. Aber geht es unseren Gefangenen nicht trotzdem relativ gut?
Ich bin in vielen Knästen. Das sind meist unerfreuliche, übelriechende Plätze, die man keinem Bekannten zumuten will. Politiker haben lang genug unsinnige Begriffe wie "Hotel-Vollzug" ins Spiel gebracht, für die ich nirgendwo ein Beispiel sehe.
Aber ist ein gewisses Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung nicht auch gerechtfertigt?
Die Bevölkerung erhofft sich vom Strafrecht die Lösung aller Probleme. Kriminologen nennen das gerne eine "punitive" Stimmung in der Bevölkerung. Nur wenige Menschen haben doch eigene Erfahrungen mit Kriminalität gemacht. Die meisten Leute trauen sich nicht aus dem Haus, nur weil sie gehört haben, dass es immer gefährlicher auf unseren Straßen wird.
Eine imaginäre Gefahr?
Die aber zu einer sehr realen Angst vor Verbrechen wird. Dabei wird das Leben zumindest in Deutschland immer sicherer. Hier zu leben ist in Sachen Sicherheit absoluter Luxus.
Was für Folgen hat die Überbevölkerung der Knäste auf den Gefängnisalltag?
Die spürbarste Konsequenz sind überfüllte Hafträume. Das Personal wird nicht aufgestockt und muss sich um mehr Gefangene kümmern. Hinter Gittern bauen sich so Spannungen auf, die sich irgendwann in einem großen Knall auflösen - und dann sind alle völlig überrascht. Einige aktuelle Skandale zeigen, dass sich das Verhältnis zwischen Bediensteten und Gefangenen verschlechtert, siehe den Foltermord in der JVA Siegburg. Das sind eindeutige Warnsignale.
Sie führen derartige Extremfälle auf die hohe Gefangenenzahl zurück?
Die Überpopulation ist noch weniger problematisch als der gleichzeitige Rückgang von Lockerungen im Strafvollzug. Resozialisierungsmaßnahmen wie der offene Vollzug haben dramatisch abgenommen. Für die Gefangenen ist das aber eine wichtige Chance, sich in einem langsamen Übergang an die Normalität zu gewöhnen. Geschlossener Vollzug bedeutet indes eine steigende Rückfallquote und weniger Entlassungen. Auch das ist politisch gewollt.
Um Kosten zu sparen?
Nein, der offene Vollzug ist sogar billiger. Doch er ist nicht nur finanziell von Vorteil: Lockerungen bedeuten weniger Spannungen im Knastalltag. Auch vorzeitige Entlassungen vermeiden Konflikte und führen auch zu mehr Platz in den Gefängnissen.
Handelt es sich bei den steigenden Gefangenenzahlen um eine bundesweite Entwicklung?
Nein, es gibt auch erfreuliche Gegenbeispiele. In Hamburg ist die Gefängnispopulation entgegen allen Erwartungen deutlich rückläufig. Sie ist in den letzten Jahren um 8 Prozent gesunken, während sich die Zahlen in anderen Ländern verdoppelt haben.
Wieso ausgerechnet in der Hansestadt? Wollten sich der frühere Justizsenator Kusch und die CDU dort nicht gerade mit einem besonders harten Strafrecht profilieren?
Ich erkläre mir das mit einem negativen "Kusch-Effekt". Der ehemalige Justizsenator hat mit seinen Vorschlägen deutlich gemacht, dass er ein Extremist jenseits jedes konservativen Spektrums ist. So hat er die Richter gegen sich aufgebracht, die als eine Art Gegenbewegung den Strafrahmen nach unten ausgeschöpft haben. Ihr Protest waren mildere Urteile.
Wie wird es weitergehen?
Es kann jedenfalls nicht sehr viel schlimmer werden. Die Problematik wird abgeschwächt, sobald wieder andere Themen auf der politischen Agenda stehen. Grundsätzlich können wir unsere Gefangenen auf verschiedene Wegen aus den überfüllten Knästen herausbekommen. Eine Möglichkeit ist Resozialisierung. Die anderen sind Dachbesteigungen, Geiselnahmen und Aufstände.
taz vom 2.1.2007, S. 7, 172 Z. (Interview), NICO POINTNER
http://www.taz.de/pt/2007/01/02/a0075.1/text
JOHANNES FEEST, 67, ist Kriminalwissenschaftler. Bis 2005 lehrte er als Professor für Strafverfolgung, -vollzug und Strafrecht an der Uni Bremen.
taz vom 2.1.2007, S. 7, 4 Z. (Portrait)
http://www.taz.de/pt/2007/01/02/a0074.1/text
taz vom 2.1.2007, S. 7, 3 Z. (TAZ-Bericht)
http://www.taz.de/pt/2007/01/02/a0077.1/text
Ferner sind überfüllte Gefängnisse verfassungswidrig, denn jeder Inhaftierte hat einen Rechtsanspruch auf einen Einzelhaftraum.
Weniger Straftäter, vollere Knäste
Frühere RAF-Mitglieder sitzen nicht länger im Gefängnis als andere wegen Mordes Verurteilte, sagen Kriminologen. Nach der Entlassung haben "Lebenslängliche" schlechte Chancen. Insgesamt verhängt die Justiz schärfere Strafen. Die Kriminalität sinkt
VON TIEMO RINK
Wegen Mordes verurteilte Strafgefangene sitzen in Deutschland im Durchschnitt 18 bis 20 Jahre im Gefängnis. Das berichtete die Kriminologische Zentralstelle in Wiesbaden auf taz-Anfrage. 2004 hatten 54 Menschen ihre lebenslange Haftstrafe verbüßt und wurden entlassen. Davon hatten 15 Entlassene mehr als 20 Jahre lang gesessen. 6 waren sogar mehr als 25 Jahre inhaftiert - und damit auch länger als die kürzlich nach 24 Jahren entlassene ehemalige RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt.
Nach Mohnhaupts Entlassung war eine Debatte um die Haftdauer von RAF-Mitgliedern aufgekommen. Während die einen erklärten, die ehemaligen Terroristen müssten unverhältnismäßig lang im Gefängnis sitzen, gingen anderen die Haftzeiten nicht lang genug.
Als weder zu kurz noch zu lang beurteilt hingegen Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstitutes Hannover, die Haftdauer. "Es gibt keine Benachteiligung für RAF-Täter." Für Pfeiffer, der von 2000 bis 2003 niedersächsischer Justizminister war, steht fest, dass "die Justiz bei der RAF nicht mit Schaum vor dem Mund agiert hat, sondern ganz souverän den Rechtstaat verteidigte".
Die extrem lange Haftzeit von 24 Jahren bei Brigitte Mohnhaupt ist für den Sozialdemokraten kein "Politikaufschlag", sondern entspricht der vom Gericht zugesprochenen Tatbeteiligung an neun Morden. Sollte es beispielsweise zur Festnahme des bisher unbekannten Täters kommen, der seit September 2000 acht Türken und einen Griechen in deutschen Städten erschossen hat, würde er wohl ähnlich lange inhaftiert werden wie Mohnhaupt, sagte Pfeiffer der taz.
Die Kriminologische Zentralstelle hat keine Daten darüber, wie lange die 1.800 zu lebenslanger Haft Verurteilten schon inhaftiert sind. Bekannt ist allerdings, dass die Aussichten nach langjähriger Haftstrafe miserabel sind. "Die meisten Leute werden aus dem Knast in die Arbeitslosigkeit entlassen", sagte Frieder Dünkel, Kriminologieprofessor an der Universität Greifswald.
Seit Jahren beobachten Wissenschaftler eine Verschärfung des gesellschaftlichen Klimas. Der Kriminologe Dünkel sieht "Anzeichen dafür, dass die Strafen härter werden und sich die Verweildauer im Gefängnis erhöht". Insgesamt ist die Kriminalität in allen Bereichen, die mit Haftstrafen geahndet werden, seit Jahren rückläufig - trotzdem füllen sich die Gefängnisse.
Vor allem Gewaltdelikte werden mittlerweile häufig mit Haftstrafen geahndet. Grund dafür ist unter anderem eine rot-grüne Justizreform, mit der die als zu lasch empfundenen Strafen insbesondere für rechtsextremistische Schläger erhöht werden sollten.
Zusätzlich beobachtet Pfeiffer einen Trend in der Politik hin zu einer populistisch geführten Debatte um Haftzeiten und Strafmaß. So habe der frühere Kanzler Gerhard Schröder "die Ressentiments der Menschen befeuert" - mit seinem Vorschlag im Jahr 2001 für den Umgang mit Sexualstraftätern: "Wegschließen - und zwar für immer."
Dabei weist der Kriminologe Dünkel darauf hin, dass die Rückfallquote von Sexualstraftätern mit rund 10 Prozent wesentlich geringer sei als bei fast allen anderen Straftätern. Zudem seien Sexualverbrechen "seit 20 Jahren permanent rückläufig", auch wenn die Öffentlichkeit dies anders wahrnehme. Dünkel kritisiert die um sich greifende "Sicherheitsmanie, bei der Bürgerrechte verloren gehen".
Unterstützung erhält er dabei durch aktuelle Untersuchungen des Hannoveraner Forschungsinstituts. Demnach hat sich die Berichterstattung über Sexualdelikte seit der Einführung des Privatfernsehens versechsfacht. Durch eine "Dämonisierung des Bösen in den Massenmedien, vor allem in Fernsehen und Boulevardpresse", werde der Eindruck erweckt, die Kriminalität steige. Tatsächlich sei die Bundesrepublik heute sicher wie nie, allerdings komme das "in den Köpfen der Menschen nicht an", sagte Pfeiffer.
Auch der zweite Sicherheitsbericht der Bundesregierung von 2006 könnte zur Beruhigung dienen - wenn er denn gelesen würde. Er bestätigt, dass immer weniger schwere Straftaten verübt werden. Auch weit verbreitet ist die Angst, Opfer eines Einbruches zu werden. Tatsächlich aber hat sich die Zahl der Einbrüche in den letzten 10 Jahren fast halbiert.
meinung und diskussion SEITE 11
taz vom 3.4.2007, S. 7, 144 Z. (TAZ-Bericht), TIEMO RINK
http://www.taz.de/pt/2007/04/03/a0074.1/text
Politisches Buch: Knastreport. Das Leben der Weggesperrten
Vorgestellt von Daniela Remus
Wenn ein Krimineller scheinbar mühelos aus dem Gefängnis ausbricht oder ein ehemaliger Strafgefangener trotz gegenteiliger Prognose rückfällig wird, und zwar mit einem brutalen Verbrechen, dann denken viele: Unsere Justiz ist zu lasch, und Verbrecher werden viel zu milde angefasst. Doch wer für dieses Gefühl Zahlen sucht, etwa in den Kriminalitätsstatistiken, der wird wenig Anhaltspunkte dafür finden, dass immer mehr Verbrechen geschehen, während die Justiz diese Entwicklung verschläft. Der Journalist Kai Schlieter hat diese Tatsache zum Ausgangspunkt seiner Recherchen gemacht.
Rund 75.000 Menschen sitzen hierzulande in Gefängnissen ein. Doch entgegen der landläufigen Meinung, dass sie es dort doch recht gemütlich hätten, mit Hofgang, TV-Konsum und therapeutischen Angeboten, sehe die Realität drastisch anders aus, meint Schlieter nach seiner Rundreise durch den bundesdeutschen Knast-Alltag: "Das hängt damit zusammen, dass man Einzelfälle aufgreift, und gerade bei Verbrechen sind es die Einzelfälle, die besonders spektakulär sind. Zum Beispiel die Jugendkriminalität, da hat man dann die Jugendintensivtäter und auf einmal denken die Leute in der Bevölkerung: Die Jugendkriminalität hat drastisch zugenommen, die Jugendlichen werden immer gewalttätiger. Die Realität ist eine ganz andere: Die Jugendkriminalität nimmt seit Jahren ab. Sie ist auf einem sehr niedrigen Stand, aber das Bild, das durch dieses Ausweiten von Einzelfällen geschaffen wird, ist ein ganz anderes."
http://www.ndr.de/kultur/literatur/buchtipps/weggesperrt101.html
P.S.: Der korrekte link zum überaus lesenswerten Bericht in #1 lautet inzwischen
http://www.kfn.de/versions/kfn/assets/daemonisierung.pdf
Einfach nur strafen, weg in den Knast, den kriegt man sowieso nicht mehr gebessert. So ne Veranlagung tritt nicht temporär oder per Zufall an den Tag.
Weg mit den Typen, möglichst lange einsperren.
Und denkt mal wieder an das arme Opfer
aus
http://www.boulevard-baden.de/ueberregionales/...hintergrunde-536566/
Zahl verurteilter Jugendlicher rückläufig
12.06.2013 · Weniger Verurteilungen - besonders von Jugendlichen: Justizminister Hahn freut sich über die neuesten Zahlen. Der positive Trend setzt sich in der Statistik fort. Auch wenn die jüngsten Vorfälle in Offenbach dies nicht vermuten lassen.
http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/...r-ruecklaeufig-12219095.html
"Auch wenn die jüngsten Übergriffe junger Menschen auf einen Rabbiner und ein Fernsehteam in Offenbach eine andere Sprache zu sprechen scheinen: In Hessen gibt es deutlich weniger jugendliche Kriminelle als noch vor wenigen Jahren. Die Zahl der Verurteilten im Alter zwischen 14 und 18 Jahren sank im vergangenen Jahr um knapp neun Prozent. Bei den Heranwachsenden, Personen von 18 bis 21 Jahren, ging die Zahl der nach dem Jugendstrafrecht Verurteilten ebenfalls um 6,4 Prozent zurück. Insgesamt reduzierte sich 2012 die Zahl der Verurteilungen in Hessen um 0,6 Prozent, wie Justizminister Jörg-Uwe Hahn in Wiesbaden berichtete. Die SPD-Opposition nahm die Aussagen zurückhaltend auf."