Anleitung zum ökonomischen Verzweifeln ...
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Eröffnet am: | 23.02.06 23:41 | von: Daxhotte | Anzahl Beiträge: | 1 |
Neuester Beitrag: | 23.02.06 23:41 | von: Daxhotte | Leser gesamt: | 2.262 |
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von Gertrud Traud
Ökonomen sehen es oft als ihre Hauptaufgabe an, Jahr für Jahr einen Überblick möglicher Risiken zusammenzustellen. Sicherlich findet jeder sein "Lieblingsrisiko" in den Szenarien. Was aber wäre, wenn die ökonomischen Rahmenbedingungen dieses Jahr zwar weniger spektakulär, dafür aber um so mehr Chancen bieten könnten?
Doch Raum für Pessimismus ist in der kleinsten Hütte. Neben dem Dauerrisiko eines weiter signifikant ansteigenden Rohölpreises sind für dieses Jahr weitere Gefahrenquellen schnell auszumachen. Da gibt es zum einen die geopolitischen Unwägbarkeiten, insbesondere aus dem Nahen Osten. Zum anderen dienen die strukturellen Ungleichgewichte in dieser Welt immer gern als Bedrohung für die Kapitalmärkte. Und letztendlich gilt für einen Ökonom "It is our job to worry". Auch die USA wachsen nicht ewig. Spielen wir das also mal durch: Am einfachsten ist es, die USA verantwortlich zu machen. Der angeblich hoch verschuldete US-Konsument wird früher oder später unter der aufgebürdeten Verschuldungslast zusammenbrechen, insbesondere dann, wenn die negativen Vermögenseffekte aus dem zu erwartenden Immobilencrash das Chaos komplett machen. Vergessen wir also, daß die Verschuldung des US-Konsumenten im internationalen Vergleich gar nicht außergewöhnlich hoch ist. Ignorieren wir auch, daß der extrem robuste Arbeitsmarkt aufgrund der soliden Unternehmensfinanzen und der regen Investitionstätigkeit auch in diesem Jahr im Monatsdurchschnitt 230 000 neue Jobs hervorbringen kann, dann ist ein Konsumeinbruch vorstellbar. Natürlich müssen wir auch unterstellen, daß der gesamte US-Immobilenmarkt schlagartig zusammenbricht und das Land von West nach Ost gleichmäßig in den Abgrund reißt - auch wenn in der Tat nur ausgewählte Regionen insbesondere an der Ost- und Westküste Überhitzungserscheinungen aufweisen. Dann kann man noch annehmen, daß der neue Präsident der US-Notenbank Bernanke zu stark an der Zinsschraube dreht. Um jegliche Inflationsgefahren aus der Welt zu räumen, könnte er also im Gegensatz zu seinem Vorgänger Greenspan eine aggressive Geldpolitik fahren. Gemäß der Regel "neue Besen kehren gut" würde dann eine Fed Funds Rate von sechs oder sieben Prozent wunderbare restriktive Wirkungen entfalten können. In dieser verzweifelten ökonomischen Lage wären kaum Chancen in den USA auszumachen und der US-Dollar ginge in die Knie.
Negative Illusionen auch in Deutschland. Am einfachsten ist es dabei, verpaßten Chancen in Deutschland nachzutrauern. So hat der Dax seit seinem Tiefpunkt im März 2003 mehr als 150 Prozent Performance aufzuweisen. Aber auch diejenigen, die diese günstige Aktienmarktphase miterlebten, können sich immer noch an den Risiken der Zukunft laben. Die Stimmungsverbesserung bei den Unternehmen und auch den Konsumenten ist vermutlich maßlos übertrieben. Auch wenn die Unternehmen angeben, daß sie ihre Investitionstätigkeit in diesem Jahr deutlich ausweiten wollen, so können wir immer noch darauf bauen, daß die Konsumnachfrage noch nicht richtig angesprungen ist. So ist es ja auch vermessen zu glauben, daß die Fußballweltmeisterschaft einen konjunkturellen Impuls geben könnte. Wie kann sich ein Land, das mit einer zunehmend alternden Bevölkerung konfrontiert ist, überhaupt mit dem Gedanken einer konjunkturellen Besserung anfreunden. Dann wäre auch der konjunkturelle Optimismus der EZB unangemessen und Zinserhöhungen nicht zu erwarten.
Was aber wäre, wenn die USA ein weiteres Jahr soliden Wachstums meisterten, der US-Immobilienmarkt nicht zusammenbräche und die US-Geldpolitik nicht restriktiv, sondern lediglich in den neutralen Bereich geführt würde? Deutschland nach vielen Jahren schmerzhafter Restrukturierungen tatsächlich an Dynamik gewänne und der Exportmultiplikator positive Effekte auf dem Arbeitsmark und damit Konsumnachfrage schaffen könnte? Mit einem Wachstum von knapp zwei Prozent in diesem Jahr war das Land zwar kein Hauptdarsteller. Die Rolle eines Statisten müßte Deutschland angesichts dieser Chancen nicht mehr spielen. Deutschland könnte aus ökonomischer Sicht auf die Weltbühne zurückkehren. Dann wäre die Anleitung zum Verzweifeln der Berufspessimisten nur Tinte auf weißem Papier.