Steht den USA für 2005 der wirtschaftliche Kollaps
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 01.06.05 00:54 | ||||
Eröffnet am: | 31.05.05 23:34 | von: oneDOLLAR. | Anzahl Beiträge: | 4 |
Neuester Beitrag: | 01.06.05 00:54 | von: hjw2 | Leser gesamt: | 4.582 |
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Vor kurzem bestätigte der US-Senat den 78jährigen Alan Greenspan -erstmalig für eine fünfte Amtszeit als Vorsitzenden der mächtigsten Zentralbank der Welt, der -Federal
Reserve Bank oder Fed, wie sie auch genannt wird. Die Tatsache, dass Präsident Bush Greenspan erneut ernannte, ist weniger ein Hinweis darauf, welch ausgezeichneter Zentralbanker Greenspan ist, sondern macht vor allem deutlich, wie verletzbar das globale finanzielle Gebäude ist.
Oberflächlich gesehen, scheint nach schwerer Rezession und dem Sturz der US-Börse um 60% in den Jahren 2000 bis 2001 endlich ein weltweites wirtschaftliches Wachstum einzusetzen. Die Federal Reserve Bank sagt, sie sei so davon überzeugt, dass das Wachstum innerhalb der US-Wirtschaft zu einer festen Grösse werde, dass man vor einigen Wochen den Leitzinssatz von dessen Rekordtief von 1% auf 1,25% erhöhte, und signalisierte, ihn in den kommenden Monaten allmählich auf ein «neutrales» Niveau von 3,5 bis 4,5% anzuheben.
Überall auf der Welt, von Brasilien über Mexiko bis Südkorea, wird ein starkes Wachstum der Exporte vermeldet. Das Wirtschaftswachstum Chinas ist so stark, dass die Regierung befürchtet, es könnte sich überhitzen. In Europa expandiert Grossbritannien in einem Tempo wie seit 15 Jahren nicht mehr. Frankreich erwartet eine Zunahme seines Bruttoinlandprodukts um 2,5%, und sogar Deutschland spricht von stärkerem Wachstum der Exporte. Die treibende Kraft dahinter ist das Wirtschaftswachstum der USA.
Das Problem an diesem optimistischen Bild ist die Tatsache, dass es gänzlich auf dem Dollar und der beispiellosen Schaffung preiswerter Dollarkredite durch Greenspan und die Regierung Bush basiert. Deren einziges, kurzfristiges Ziel ist, die US-Wirtschaft stark genug zu erhalten, um George Bush im November die Wiederwahl zu sichern. Berichten aus Washington zufolge soll Bush einen Handel ausgemacht haben, dass er Greenspan erneut berufe, wenn er die Zusicherung habe, dass Greenspan die Wirtschaft bis zu den Wahlen am Wachsen halte. Bewerkstelligt hat man das durch eine Kombination von historisch tiefen Zinssätzen, wie man sie vorher nur in Zeiten des Krieges oder der Depression kannte, mit Ausgaben zur Anregung der Wirtschaft, die das Haushaltsdefizit in Rekordhöhe trieben, wobei man Staatsanleihen ausgab, um dies zu finanzieren. In der Folge ist die Welt mit billigen Dollars überschwemmt worden.
Eine neue Weltwirtschaftskrise?
Klar ist heute schon, dass dieser unhaltbare Aufwand mit hoher Wahrscheinlichkeit kurz nach den Wahlen irgendwann im Jahre 2005 ein Ende nimmt, unabhängig davon, wer Präsident wird. Angesichts der Menge des von der amerikanischen Zentralbank Fed und dem amerikanischen Finanzministerium seit 2001 gedruckten Geldes ist es vorprogrammiert, dass die «Korrektur» der neuesten Greenspan-Kredit-Orgie das gesamte globale Finanz- und Wirtschaftssystem beeinflussen wird. Einige Wirtschaftswissenschafter befürchten eine neue grosse Depression wie in den dreissiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Welt hängt heute von billigen US-Dollarkrediten ab. Steigen die Zinssätze in den USA schliesslich gezwungenermassen, werden Europa, Asien und die gesamte globale Wirtschaft dramatische Schläge erleiden, die sich von allem unterscheiden, was die Welt seit den 1930er Jahren erlebte. Schulden, die jetzt handhabbar erscheinen, werden plötzlich unbezahlbar werden. Zahlungsunfähigkeit und Bankrott werden um sich greifen, so wie dies unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Creditanstalt im Jahre 1931 der Fall war.
Der offizielle amerikanische Mythos lautet, dass die Rezession von 2000/2001 im November 2001 endete und seitdem ununterbrochen «konjunktureller Aufschwung» angesagt sei. Die Wirklichkeit ist nicht so positiv. Mit rekordverdächtig niedrigen Zinssätzen hat die amerikanische Zentralbank Fed amerikanische Familien dazu verlockt, sich in Rekordhöhe zu verschulden; sie hat damit etwas geschaffen, das man einen «virtuellen Aufschwung» nennen könnte, finanziert durch riesige Summen neuer Konsumentenschulden. Tatsache ist, dass es bisher noch nie einen wirtschaftlichen Aufschwung gegeben hat, bei dem das Niveau der Verschuldung stieg, im Gegenteil.
Der amerikanische Traum vom eigenen Heim ist die Quelle der Rekordanleihen gewesen, unterstützt durch die niedrigsten Zinssätze seit 43 Jahren. Greenspan hat sich häufig gerühmt, dies sei es, was die US-Wirtschaft seit 2001 gestützt habe. Wenn Familien ein Haus kaufen, benötigen sie Möbel, beschäftigen sie Bauarbeiter, Elektriker, Ingenieure, und die Wirtschaft wächst. Einmalig niedrige Zinssätze haben es den Familien sehr einfach gemacht, von den Banken Darlehen zu erhalten, indem sie das Eigenkapital ihres Eigenheimes als Bürgschaft oder Garantie einsetzen. Diese Darlehen, die an die steigenden Immobilienpreise gebunden waren, erlaubten amerikanischen Familien, neue Möbel, Autos und unzählige weitere Dinge zu finanzieren. Im Jahre 2003 vergaben die Banken die Rekordsumme von 324 Milliarden Dollar für derartige Darlehen auf das Eigenkapital der Eigenheime - zusätzlich zu 1 Billion Dollar für neue Hypotheken.
Wachsende Hypothekarschulden
All dieser wirtschaftliche Konsum hat die Illusion einer sich erholenden Wirtschaft genährt. Aber unter der Oberfläche hat sich eine ungeheure Schuldenlast aufgebaut. Seit 1997 ist die Gesamtmenge der Hypothekarschulden der Amerikaner um 94% auf kolossale 7,4 Billionen Dollar angestiegen. Dies entspricht einer durchschnittlichen Schuldenlast von etwa 120 000 Dollar für eine vierköpfige Familie. Bankkredite für den Erwerb von Immobilien sind seit 1997 um 200% auf 2,4 Billionen Dollar gestiegen. Die Durchschnittspreise für amerikanische Immobilien sind seit 1998 um 50% gestiegen. Allein im Jahre 2003 wurden - ebenfalls ein Rekord - für insgesamt 1 Billion Dollar neue Hypotheken abgeschlossen. Zum Vergleich: Im Jahr 1997 entsprachen die abgeschlossenen Hypotheken einer Gesamtsumme von 202 Milliarden Dollar.
In vielen Teilen der USA ist die Preisinflation für Eigenheime alarmierend. Eine Wohnung in Manhattan kostet heute über 1 Million Dollar. Die Hauspreise in Boston haben sich innerhalb von 5 Jahren um 64% erhöht. Die kalifornischen Immobilienpreise sind in die Höhe geschnellt. Im Laufe von 6 Jahren sind die Immobilienpreise durchschnittlich um 50% gestiegen; ein beispielloser Anstieg, angetrieben durch Greenspans einfache Kredite. In den 7 Jahren bis 2004 hat der Wert der amerikanischen Häuser auf dem Papier um 7 Billionen Dollar auf insgesamt 15 Billionen Dollar zugenommen, der höchste Wert in der Geschichte der USA. Das Problem ist so offensichtlich gefährlich, dass Greenspan sich vor kurzem gezwungen sah, die Existenz einer «Immobilien-Blase»zu bestreiten, so wie er im Jahr 2000 eine «dot.com-Börsen-Blase» bestritt.
Aber es ist genau das, was er mit seinen niedrigen Zinssätzen verursacht hat. Die «dot.com-Blase» ist in eine grössere und bedrohlichere «Immobilien-Blase» umgewandelt worden. Die Familien haben sich überzeugen lassen, ihr Geld im Hinblick auf die Pension anstatt in Aktien in ein Haus zu investieren.
Der Anstieg der Häuserpreise ist durch niedrige Zinssätze und Banken angetrieben worden, die ungehemmt Kredite vergaben. Weil zwei halbstaatliche Einrichtungen, die National Federal Mortgage Association (Bundesstaatliche Hypothekenvereinigung), bekannt als FannieMae, und die Government National Mortgage Association (Regierungsamtliche Hypothekenvereinigung) oder GinnieMae, die Hypothekarverträge der Banken aufkaufen und damit den örtlichen Banken die Risiken abnehmen, hat die lokale kreditgebende Bank weniger Druck bei der Garantie von Krediten, die sie an weniger risikoreiche, kreditwürdige Familien verleiht, die das Darlehen wahrscheinlich zurückerstatten.
Der US-Kongress hat neue Gesetze verabschiedet, die es Familien sogar ermöglichen, Häuser ohne einen Cent Eigenkapital zu kaufen. Dies führte zu einer enormen Zunahme von Hypotheken, die an wirtschaftlich schwache oder subjektiv risikoreich einzustufende Familien vergeben wurden. Die Zahl solcher riskanten oder «nicht erstklassigen» Hypotheken hat allein in diesem Jahr um 70% zugenommen; sie machen nun 18% aller US-Hypotheken aus. Viele dieser riskanten Hypotheken werden mit variablem Zinssatz abgeschlossen. Heute sind die Zinssätze für variable Hypotheken tief, sie liegen nur knapp über 4%. Aus diesem Grund werden heute etwa 35% aller neuen Hypotheken als variable Hypotheken abgeschlossen.
Solange die Zinsen niedrig bleiben, dreht sich das Roulette der Schulden weiter. Problematisch wird es, wenn die Zinssätze steigen, und Familien - mit tiefen variablen Zinsen zum Erwerb eines Eigenheimes verlockt - plötzlich feststellen, dass ihre monatlichen Kosten für die Hypothek mit den steigenden Zinsen explodieren. Die US-Banken werden sich dann einem ernsthaften Problem mit schlechten Krediten gegenübersehen, weit schlimmer als in den Jahren von 1990 bis 1992, als sich einige der grössten US-Banken am Rande des Bankrotts befanden. Im Mai begannen die Zinsen in den Vereinigten Staaten erheblich zu steigen, und die amerikanische Zentralbank Fed sah sich gezwungen, ihren offiziellen Zinssatz am 30. Juni zum ersten Mal seit vier Jahren anzuheben. Viele Banken haben Hypothekenverträge mit variablen Zinssätzen abgeschlossen. Wenn die amerikanischen Zinssätze in den nächsten zwölf Monaten steigen, löst dies eine Welle von geplatzten Hypothekarverträgen aus. Einige Industrieexperten befürchten ein «Blutbad» für das Jahr 2005.
Die amerikanische Familie ist allerdings nicht nur in bezug auf ihr Eigenheim hoch verschuldet. Die Daten der amerikanischen Zentralbank Fed geben die Höhe der privaten Verschuldung in den USA mit gegenwärtig 35 Billionen Dollar an, was einer durchschnittlichen Verschuldung von rund 450000 Dollar für eine typische vierköpfige Familie entspricht. Die durchschnittliche Verschuldung der Verbraucher auf Kreditkarten, Autos und dergleichen erreicht Rekordhöhe. Die Autohersteller bieten weiterhin Autokredite an, darunter solche mit Laufzeiten bis zu sechs oder sieben Jahren. Viele Amerikaner haben höhere Schulden auf ihrem Auto, als dessen Wert noch beträgt. Und die Schulden wachsen weiter. Solange die Leitzinsen auf dem Tiefststand seit 43 Jahren bleiben, sind die Schulden überschaubar. Steigen die US-Zinsen aber, werden es viele nicht mehr schaffen. Die Erhöhung hat schon begonnen, und es gibt zwei Arten, wie die Zinsen voraussichtlich weiter steigen werden.
Die Fed sitzt in der Falle
Zunächst war die Zentralbank, wie erwähnt, selbst gezwungen zu handeln, als sie am 30. Juni die US-Leitzinsen zum ersten Mal seit vier Jahren von 1% auf 1,25% erhöhte. Ihr blieb keine andere Wahl. Greenspan behauptete seit Monaten, der Aufschwung der amerikanischen Wirtschaft sei «solide», und die Zinsen würden bald wieder eine «normale» Höhe erreichen. Das war ein kalkulierter Bluff. Hätte er nicht gehandelt, als die US-Beschäftigungszahlen die Investoren davon überzeugten, dass ein Aufschwung tatsächlich in Sicht sei, wäre er mit einer grossen Vertrauenskrise in den Dollar konfrontiert gewesen. Berichten zufolge hat die Administration Bush die Beschäftigungsstatistiken so manipuliert, dass sie mit Blick auf die Wahlen eine Zunahme der Arbeitsplätze vorweisen kann.
Seit der Erhöhung der Leitzinsen hat Greenspan die aufgescheuchten Märkte immer wieder mit der Erklärung beruhigt, dass künftige Zinserhöhungen weiterhin graduell und massvoll erfolgen werden. Mit anderen Worten: «Spekulanten, nur keine Angst!» Will er aber das Vertrauen der grossen Bondmärkte beibehalten, muss er diese davon überzeugen, dass er immer ein wachsames Auge auf die Inflation hat. Und das ist äusserst schwierig, angesichts der Tatsache, dass die Preise in den letzten Monaten für nahezu alles um 50 bis 110% angestiegen sind, angefangen von Kupfer und Öl über Bauholz und Sojabohnen bis zu Schrottstahl.
Sein einziges Antiinflationswerkzeug sind höhere Zinsen oder zumindest das Versprechen, sie zu anzuheben. Je länger er das Erhöhen der Leitzinsen hinauszögert, während die Preise steigen, desto grösser wird das Risiko einer Dollarkrise, da ausländische Investoren das Schlimmste befürchten, nämlich dass die US-Wirtschaft weitaus schlechter dasteht, als die Beamten zugeben. Die Fed sitzt in der Falle.
Aber höhere Zinssätze drohen die Billionen-Dollar-Hypothekarzins-Blase zum Platzen zu bringen - zu einer Zeit, in der Immobilien landesweit um mindestens 20% oder 3 Billionen Dollar überbewertet sind.
Wenn private Bond-Investoren, wie grössere Pensionsfonds und Banken, ihr Vertrauen in Greenspans Versicherungen, die Inflation im Griff zu haben, verlieren, bliebe als einzige andere Unterstützung für die Tiefzinspolitik die Bereitschaft der Japaner und vor allem der Chinesen, weitere Milliarden ihrer Dollars in den Kauf von US-Staatsanleihen zu investieren.
Die grössten Abnehmer von Schuldscheinen der US-Regierung sind die Zentralbanken von Asien und dem Pazifikraum. Die Zentralbanken Japans und Chinas allein besitzen mehr als 1 Billion US-Staatsanleihen als Auslandwährungsreserven. Weltweit halten ausländische Zentralbanken in etwa 1,3 Billionen Dollar US-Regierungsschulden. Addiert man dazu die Privatverschuldungen, dann sind die Vereinigten Staaten der gröss-te Schuldner der Welt mit mehr als 3,7 Billionen Dollar Netto-Auslandschulden am Anfang dieses Jahres. Mittlerweile sind sie wohl auf über 4 Billionen Dollar angewachsen. Als Ronald Reagan 1980 gewählt wurde, waren die USA noch der grösste Kreditgeber der Welt mit einem Überschuss von 1 Billion Dollar.
Länder, die vom grossen US-Exportmarkt abhängig sind, verwerten ihre Dollars aus dem Handelsbilanzüberschuss für den Kauf von US-Schulden, um die Dollarbindung ihrer Währung zu erhalten. Nur weil Japan, China und andere fortwährend Riesensummen für US-Schulden aufbringen, die sie mit ihren schwer verdienten Handelsdollars zahlen, können die US-Zinsen weit tiefer bleiben, als sie es sonst wären. Wären die Auslandskäufe von US-Wertpapieren rückläufig oder schleppend, müsste das amerikanische Finanzministerium höhere Zinsen anbieten, um Investoren für den Kauf der Schuldscheine anzulocken. Und das wiederum würde die Zinsen für Eigenheime sehr schnell verteuern. Millionen von Hausbesitzern würden in Zahlungsverzug geraten. In vielen Regionen würden die Preise zusammenbrechen, was eine höhere Arbeitslosigkeit nach sich zöge.
Diesmal wird es nicht so ablaufen wie beim «dot.com Crash»: Dieser war ein von der Zentralbank absichtlich herbeigeführter Crash, indem sie die Zinsen erhöhte, um der Blase die Luft abzulassen. Im Jahre 2000 lag der Zinssatz bei 6,5%, und die Zentralbank hatte Spielraum, um ihn auf 1% zu senken, womit als alternative Geldanlage die Wohnungsbau-Blase geschaffen werden konnte, um die Wirtschaft auf einem Meer von Schulden über Wasser zu halten. Heute sind die Zinsen auf einem historischen Tiefpunkt, die Schulden in historischer Höhe, und die Abhängigkeit von fortlaufendem ausländischem Kapitalzufluss hat ein noch nie dagewesenes Ausmass erreicht.
Spekulation ist global geworden wie nie zuvor. Der billige Kredit in der Dollarwelt hat weltweit zu billigeren Krediten geführt. Die Wirtschaftssysteme von Brasilien, Mexiko und sogar Argentinien profitieren von Banken und Spekulanten wie George Soros, die zu superniedrigen amerikanischen oder japanischen Zinssätzen Geld aufnehmen, um es in Wertpapieren in Hochzinsländern wie Brasilien, der Türkei oder Argentinien zu investieren. Aufgrund von Greenspans Versprechen, die US-Zinsen so niedrig zu halten, haben die Märkte der sogenannten Schwellenländer im vergangenen Jahr geboomt. Das sieht nun immer riskanter aus. Auch das Reden der Bush-Administration über mögliche Terroranschläge zur Zeit der Wahlen schreckt die Hauptinvestoren ab, das Risiko einer Investition in US-Aktien oder Bonds einzugehen. Statt dessen fangen sie an, ihre neuerlichen Gewinne aus dem Aktienkapital-Boom Greenspans von 2003/04 einzulösen und als sicheres Bargeld zurückzuhalten.
Dies ist ein Hauptgrund, warum sich der US-Aktienmarkt wie auch andere Märkte in den vergangenen Wochen in ständigem Fall befinden. Die US-Schuldenblase hängt davon ab, inwieweit der Mythos vom Aufschwung der US-Wirtschaft aufrechterhalten werden kann, um ausländisches Investitionskapital anzulocken und so den Dollar vor dem Zusammenbruch zu retten. Sollten ausländische Pensionsfonds der Zentralbanken Chinas und Japans zur Überzeugung gelangen, dass eine Erholung der US-Konjunktur in Frage steht, könnte es zu einer bedeutenden Verlagerung von Geldanlagen weg vom Dollar kommen.
Vor kurzem haben China und Japan aus Angst vor der Dollarkrise schon mit grossen Warenkäufen begonnen, von Öl über Eisen und Kupfer bis zu Gold. Sie nutzen ihre Handelsdollars für den Kauf realer Waren statt für US-Schuldscheine, die nichts als Papier darstellen. Chinesische Panikkäufe von Öl zur Anlage von Reserven sind einer der Hauptfaktoren, die den Ölpreis trotz zweier wesentlicher Kontingenterhöhungen der OPEC wieder auf ein Rekordniveau von 42 Dollar pro Barrel (Stand: August 2004) hochschnellen liessen. Aufgrund der Nachfrage aus China sind auch die Stahlpreise sprunghaft angestiegen.
Als Bush Präsident wurde, übernahm er einen Staatshaushalt mit Überschuss. Seither schrieb er die grössten Defizite in der US-Geschichte, nahezu 500 Milliarden Dollar im Jahre 2004 und geschätzte 600 Milliarden Dollar bis zum Jahre 2005. Als Nixon im Jahre 1971 den Dollar vom Goldstandard löste, sprach man von einem «alarmierenden» Staatsdefizit von 23 Milliarden Dollar.
Finanziert werden diese riesigen Defizite, wie gesagt, durch das amerikanische Finanzministerium, das Staatsanleihen oder ähnliche Papiere an Investoren verkauft. Seit dem Jahre 2001 hat die Zentralbank von Asien, angeführt von Japan und China, riesige Summen aufgekauft, in etwa 43% aller US-Staatsschulden. Sie verwerteten auf diese Weise die Dollars, die sie aus dem Export von Autos, Elektronik, Textilien und anderen Waren an US-Konsumenten gewannen. In dem Zeitraum von 12 Monaten bis April dieses Jahres gab die Bank von Japan eine Rekordsumme von 200 Billionen aus, um US-Dollaranleihen zu kaufen, in Wirklichkeit, um die Kosten für Bushs Irak-Krieg zu finanzieren. Fast ebenso viele Dollaranleihen kauften die Banken von China, Südkorea und Taiwan.
Und sie taten dies mit gutem Grund: Ihre Währungen sind an den Dollar gebunden - sollte der Dollar gegenüber dem Yen oder dem Yuan fallen, dann würden auch die asiatischen Exporte einen Rückgang erleiden, was ihr Wirtschaftswachstum gefährden und zu einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit in ganz Asien führen würde. Indem sie aber ihren Handelsbilanzüberschuss in Dollars in US-Staatsschulden anlegen - so ihre Argumentation -, kümmerten sie sich nur um ihre eigenen Belange.
Eine Dollarkrise am Anfang des Jahres 2005 könnte ein Signal sein für die nächste weltweite Krise. So ist im Grunde die ganze Welt die Geisel einer ausser Kontrolle geratenen Wirtschaftspolitik, die von der falschen Voraussetzung eines Dollarstandards ausgeht.
Artikel 4: Zeit-Fragen Nr.38 vom 4.10.2004, letzte Änderung am 7.10.2004
Und wie satyr schon sagt, schuld ist natürlich rot-rün.
DIE ZEIT
Niemals stabil
Warum deregulierte Finanzmärkte zwangsläufig Werte vernichten
Von Uwe Richter
Der Markt hat immer Recht. So lautet das erste Gebot der liberalen Ökonomen. Es gilt vor allem für den Finanzmarkt, kommt er doch dem theoretischen Ideal am nächsten. Er ist transparent, jedermann zugänglich und liquide – das heißt, es findet sich fast immer ein Käufer oder Verkäufer. Was Außenstehenden gelegentlich undurchschaubar vorkommt, ist für den Gläubigen der Inbegriff der Effizienz. In Sekundenschnelle passen sich die Preise neuen Informationen an. Zu jedem Zeitpunkt sind die Vermögenstitel richtig bewertet, weil alle Daten wie künftige Gewinne, Inflation oder Wachstum im Preis enthalten sind. Die Finanzmärkte generieren somit Preise, die der Wirtschaft die richtigen Signale für die effiziente Kapitalverwendung liefern. So zumindest lautet das Credo der Effizienzmarkttheorie, das bis heute fast ungeteilt von der herrschenden Lehrmeinung vertreten wird.
Da mag es wie Frevel klingen, wenn immer öfter Notenbanker vor Blasen an den Finanzmärkten warnen. Seit dem Platzen der »New Economy Blase« widmen sich die Monatsberichte der Zentralbanken und die Reden der Geldpolitiker regelmäßig der Gefahr drohender Instabilitäten durch spekulative Übertreibungen. Doch die kann es auf effizienten Märkten per Definition nicht geben. Was nun? Haben die Märkte immer Recht, oder sind sie doch nicht so perfekt, wie es uns liberale Ökonomen weismachen wollen?
Von wegen rational: Kursverläufe gleichen Fieberkurven
Betrachtet man den Verlauf einzelner Aktienkurse oder ganzer Marktindizes, ähnelt das Bild kaum dem einer sich im Gleichgewicht entwickelnden Wirtschaft. Es sieht eher aus wie die Fieberkurve eines Patienten, der in unregelmäßigen Intervallen von heftigen Attacken geschüttelt wird. Die beobachteten großen Handelsvolumen, starke Preisschwankungen, kurz- bis mittelfristige Trends und spekulative Blasen stehen im Widerspruch zu dem, was man nach einer rationalen Informationsverarbeitung erwarten sollte. Deshalb spricht viel dafür, dass die Finanzmärkte zuweilen arge Schwierigkeiten haben, die richtigen Preissignale zu senden.
Schon seit geraumer Zeit erhält eine Forschungsrichtung in Theorie und Praxis starken Zulauf, die die Effizienzmarkttheorie verwirft: Sie nennt sich Behavioral Finance und postuliert, dass Anleger auch nur Menschen seien. Auch Anleger träfen ihre Entscheidungen nicht unabhängig von ihrer psychischen Verfassung und ihrem sozialen und institutionellen Umfeld. Werner De Bondt von der Universität Wisconsin und Robert Thaler von der Universität Chicago nennen »übersteigertes Selbstvertrauen« als wichtigen Grund für die Überreaktion an den Märkten. Menschen neigten dazu, ihre Fähigkeiten und die Qualität ihrer Informationen zu überschätzen. Erfolge in der Vergangenheit würden in die Zukunft fortgeschrieben, und Risiken würden unterschätzt. Robert Shiller von der Universität Yale verweist auf die Rolle der Medien, die durch selektive Berichterstattung Trends verstärken können. Ein Phänomen, das in der Verhaltensforschung als kognitive Dissonanz bezeichnet wird, spielt ebenfalls eine Rolle: Informationen, die die eigene Entscheidung bestätigen, erhalten ein größeres Gewicht als Informationen, die dies nicht tun.
Hinzu kommt: Die Leistung von Fondsmanagern wird oft relativ zum Abschneiden der Indizes oder Konkurrenten gemessen. Deshalb ist es aus Sicht der Fondsmanager riskant, sich gegen den Trend zu stellen, auch wenn sie ihn für übertrieben halten. Der Arbeitsplatz ist sicherer, wenn man sich später mit allen anderen geirrt hat, als wenn man kurzfristig der Einzige ist, der eine unterdurchschnittliche Performance vorweist. So entsteht Herdentrieb.
Aber auch ein Gedankenexperiment lässt an der praktischen Relevanz der Effizienzmarktthese zweifeln. Es hätte wenig Sinn, in einem Markt zu spekulieren, in dem die Preise zu jedem Zeitpunkt alle verfügbaren Informationen widerspiegeln. In einem solchen idealen Markt wäre jede Spekulation ein reines Glücksspiel. Geht man aber davon aus, dass die Händler ihre Kauf- und Verkaufsentscheidung immer rational begründen können, käme es im Idealfall eines perfekten Marktes zu der paradoxen Situation, dass die Handelsaktivitäten fast zum Erliegen kommen.
Der amerikanische Finanzmarktexperte Fischer Black hat festgestellt, dass es gerade die Ineffizienzen in der Preisbildung sind, die die Aktivität an den Märkten begründen und sie dadurch liquide machen. Investoren sind ständig einer Flut von unsicheren und sich widersprechenden Informationen ausgesetzt. So gibt es immer Anleger, die aufgrund von »Scheininformationen«, auch noise genannt, handeln und die Preise von ihren fundamental gerechtfertigten Werten wegtreiben. Diese noise traders sind es, die den besser informierten Investoren einen Anreiz liefern, nach unter- oder überbewerteten Finanztiteln zu suchen, um die damit verbundenen Arbitragegewinne zu realisieren. Diese an sich stabilisierende Spekulation der besser Informierten versagt allerdings, wenn der Markt von noise traders dominiert wird. Die Behavioral Finance erklärt die Dynamik, die der Markt dann zeigt und dabei Preise hervorbringt, die mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun haben. Zum Schaden der Gesamtwirtschaft wird Kapital in wertvernichtende Produktionsprozesse gelenkt.
Folgt aus der Kritik an der Effizienzmarkttheorie, dass das kapitalistische System einen grundlegenden Defekt hat? Wer glaubt, man könne das System so weit deregulieren, bis es gemäß der liberalen Utopie des Idealtypus funktioniert, muss diese Frage paradoxerweise mit Ja beantworten. Wer jedoch davon ausgeht, dass die reale Welt einem von Unsicherheiten und Unwägbarkeiten geprägten Entwicklungsprozess unterliegt, darf nein sagen. Denn in einer solchen Welt erfüllen Finanzmärkte eine äußerst wichtige Funktion. Sie dienen der Verteilung von ebenjenen Risiken, die mit Unternehmungen in einer unsicheren Welt notwendigerweise verbunden sind. Jede Unternehmung hat ein spekulatives Element. Es wird heute unter der Bedingung investiert, dass sich der Unternehmenserfolg morgen auf einem ungewissen Markt erweisen muss. Über die Finanzmärkte werden diese Investitionen nicht nur finanziert, sondern auch die damit verbundenen Risiken auf viele Schultern verteilt. Die Bereitschaft, Innovationen durch Investitionen voranzubringen, hängt nicht nur vom Wagemut des Unternehmers ab, sondern auch von der Bereitschaft der Investoren, ihr Vermögen zu riskieren.
Die Trennung von Investor und Unternehmung, die die Entwicklung der Finanzmärkte seit der industriellen Revolution hervorgebracht hat, hat wesentlich zur Wohlstandssteigerung in den Industrieländern beigetragen. Liquide Finanzmärkte erlauben es dem Investor, sein individuelles Risiko nicht nur durch Diversifikation zu reduzieren, sondern auch durch die Möglichkeit, seine Anlageentscheidung jederzeit zu revidieren. Die Liquidität der Märkte ist aber nicht nur ihre Stärke, sondern gleichzeitig ihr Schwachpunkt. Je kostengünstiger der Handel mit Finanztiteln ist, desto eher treten kurzfristige Gewinnmöglichkeiten in den Vordergrund, die sich aus der Dynamik der Kursentwicklungen ergeben und nichts mit den darunter liegenden Realinvestitionen zu tun haben.
Etwas Sand im Getriebe schadet nicht
Eines schaffen deregulierte Finanzmärkte nämlich nicht: Sie können sich nicht selbst stabilisieren. Davon zeugen die geplatzten Blasen und Crashs der Vergangenheit. Dabei handelt es sich keineswegs nur um simple Marktkorrekturen. Aufgrund der finanziellen Verflechtungen der Unternehmen und Banken untereinander kommt es ebenso zu schwerwiegenden gesamtwirtschaftlichen Verwerfungen. Es ist fraglich, ob der Staat erst eingreifen soll, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, wie es angesichts der deregulierten Märkte verlangt wird. Immerhin erfordert eine solche Reaktion eine sehr expansive Wirtschaftspolitik. Und selbst dann kann ein gelähmtes Finanzsystem lange jedes Wachstum verhindern, wie die Malaise in Japan beweist.
Präventive Eingriffe in die Finanzmärkte sind ein schwieriges Unterfangen. Aber das Argument, Regulierung hemme per se die Effizienz der Märkte, läuft ins Leere. Die realen Kosten, die mit der Instabilität der Finanzmärkte verbunden sind, dürfen nicht unterschlagen werden. Wo die unsichtbare Hand ganz offensichtlich versagt, muss der Staat eine bessere Lösung suchen. Eingriffe, die Sand ins Getriebe der Märkte streuen, sei es über einen erschwerten Marktzugang, sei es über die direkte Verteuerung des Handels, widersprechen keineswegs der Logik der Marktwirtschaft. Es geht nur darum, die Kosten des instabilen Systems effizient zu verteilen.