Dumpfer Nationalismus
Seite 1 von 2 Neuester Beitrag: 06.07.04 15:33 | ||||
Eröffnet am: | 05.07.04 22:24 | von: Karlchen_I | Anzahl Beiträge: | 38 |
Neuester Beitrag: | 06.07.04 15:33 | von: Karlchen_I | Leser gesamt: | 1.316 |
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Haben die Leute nicht mehr zu feiern als ihre Stellvertreter, die gerade einmal in Abwehrhaltung vor einen Ball treten können?
Triumphzug der griechischen Helden
Ganz Griechenland ist im Fußball-Rausch. Hunderttausende bejubeln ihr Team bei der Ankunft in Athen
Der griechische Nationalspieler Zagorakis und Trainer Rehhagel bei der Ankunft in Athen Foto: dpa |
Athen - Athen hat dem Sensations-Europameister und Trainer Otto Rehhagel am Montagabend einen triumphalen Empfang bereitet. Das Team landete kurz nach 18 Uhr auf dem Flughafen der griechischen Metropole. Feuerwehrwagen sprühten mit zwei Wasserstrahlen einen Triumphbogen über das Flugzeug. Auf einem riesigen Plakat hatte die Flughafendirektion den Satz geschrieben: „Ihr habt uns zum Abheben gebracht - Danke!“
Am Flughafen hatten sich rund 5.000 Fans versammelt. Mehr Fans hatte die Polizei aus Sicherheitsgründen den Zugang nicht erlaubt. Trainer und Spieler wurden von Vertretern der Regierung sowie Verwandten mit der griechischen Nationalhymne empfangen. „Wir lieben euch, weil ihr uns stolz gemacht und weil ihr den Traum wahr gemacht habt“, sagte der griechische Sport-Vizeminister Giorgus Orfanos.
Im geschlossenen Bus fuhr die Mannschaft, eskortiert von 40 Motorrädern der Polizei, durch die Stadt. Auf dem Beifahrersitz präsentierte Otto Rehhagel den jubelnden Fans den Pokal. Hunderttausende bildeten in den Straßen im Zentrum Athens ein Spalier. Nur im Schritttempo konnte sich der Bus mit den EM- Gewinnern den Weg durch die Menschenmassen zum Empfang im alten Olympiastadion bahnen. Immer wieder stoppten jubelnde Fans den Bus, warfen sich einfach auf die Straße.
Erst gegen 21.30 Uhr erreichten die Europameister das Stadion. Rund 500 000 Menschen in blau-weiß feierten nach Polizeiangaben im und vor dem alten Olympiastadion von 1896. Ein Empfang in der ruhmreichen Sportstätte wird sonst nur Olympiasiegern zu Teil. Das Stadion war bereits rund zwei Stunden vor der Landung der Mannschaft in Hellas mit rund 45.000 Besuchern restlos gefüllt.
Jubel in aller Welt
Bereits in der Nacht zum Montag hatten Millionen Griechen in aller Welt haben den sensationellen Sieg ihrer Mannschaft bei der Fußball-Europameisterschaft gefeiert. Selbst in den USA und Australien bejubelten ausgelassene Fans den 1:0-Erfolg unter dem deutschen Trainer Otto Rehagel über Gastgeber Portugal.
Auch in Deutschland feierten Griechen ihre Nationalmannschaft mit stundenlangen Autokorsos und Hupkonzerten. Allein auf dem Berliner Kurfürstendamm versammelten sich mehrere Zehntausend Menschen. Auf der Münchner Leopoldstraße feierten mehr als 10.000 Fans.
In Athen und anderen griechischen Städten strömten die Menschen nach Spielende auf die Straßen, schwenkten Flaggen und entzündeten Feuerwerke. Hunderttausende feierten allein auf den großen Plätzen in Athen. Die Straßen waren verstopft von hupenden Autos. Auf entlegenen Berggipfeln feuerten Schafhirten Freudenschüsse ab. Von Luxusjachten stiegen Leuchtraketen auf. WELT.de/dpa/AP
Artikel erschienen am 5. Juli 2004
Ist doch wohl albern, wie hier manche versuchen, sich qua als Nation versuchen sich selbst zu erhöhen - und damit versuchen, ihre individuellen und kollektiven Minderwertigkeitskomplexe zu überspielen Gilt für die Griechen. Gilt aber auch für diejenigen, die den Rehhagel hier bei uns über den grünen Klee loben. Nach dem Motto: Otto ist toll, Otto ist einer von uns - wir sind deshalb auch toll.
Ich bin für mich bis heute ohne das Wort Patriot ausgekommen. Ich nehme an, dies wird auch gelten für die Jahre, die mir bleiben. Wenn Patriotismus eine Tugend ist, hört sich diese Äusserung nicht tugendvoll an. Aber ich hatte schon immer Probleme mit der Tugend, mit dem Laster übrigens auch. Es hatte mich seinerzeit aufs erste überrascht, als ein Niklaus Meienberg sich darauf berief, Patriot zu sein, und die Auszeichnung auch für Mitstreiter reklamierte. Anderseits war es begreiflich, dass die, welche als Nestbeschmutzer abgekanzelt werden, auf das aufmerksam machen, was selbstverständlich sein sollte, nämlich dass die Kritik am eignen Land zumindest aus Interesse an diesem Land entsteht, wenn nicht gar aus Liebe und Passion zu ihm. – Meine Bedenken hängen also damit zusammen, dass es unter Umständen gilt, das Vaterland vor solchen zu schützen, die es zu verteidigen vorgeben. Dem Vaterland geht es in der Hinsicht nicht besser als dem lieben Gott, für den man nicht minder Mitleid empfinden muss, wenn man sieht und hört, wer alles sich für ihn auf welch gläubige Weise einsetzt. Dennoch: ich schlage um den Patrioten einen Bogen – und um ein Wort, das Konjunktur hatte, da sich Vaterländer als Nationalstaaten formierten. Waren das noch Zeiten, als Gottfried Keller den sieben Aufrechten einen jungen achten beifügte. Nachdem dieser eine Lobrede über die Zukunft vaterländischer Biederkeit gehalten und beim Eidgenössischen Schützenfest einen silbernen Becher geschossen hatte, verhalf ihm Keller zu Frau und Doppelbett – eine Eheanbahnung, die ohne Zweifel verlorengegangen ist: süss war es, fürs Vaterland beizuschlafen. Wie sinnlich aber konnte der gleiche Keller sein, wenn er nicht das Vaterland zwischen den Beinen hatte, sondern im «Sinngedicht» auszog, um eine weisse Galatee mit einem Kuss zum Erröten zu bringen. Süsser Tod? Die Sache mit dem Vaterland selber ist älter: Pro patria morire dulce est. Die Weisheit, dass es süss sei, fürs Vaterland zu sterben, ist klassisch und lateinisch. Aber das mit dem süssen Vaterlandstod hat mich stets irritiert, denn es ist ebenso militärische Usanz, jemanden zur Strafe an die vorderste Front zu verschicken. Ist es nun Strafe oder Belohnung? Und müssten nicht die Soldaten Spalier bilden und den Generälen den Vortritt lassen? Statt dessen drängen sich die Soldaten nach vorn und versperren den Höchsten und Vorgesetzten den Weg zum süssen Tod. Sinnvoller scheint es mir, ein Vaterland herzurichten, wo es süss ist zu leben, und zwar für alle. Es ist also nicht einem Antipatriotismus das Wort gesprochen, einem Desinteresse und der Gleichgültigkeit. Es gilt sich vor dem zu hüten, was ich einmal «negatives Jodeln» nannte: wenn wir schon nicht die Besten sind, dann wollen wir wenigstens die Schlechtesten sein. Subversiv bleibt nach wie vor der Verdacht, dass wir am Ende mehr oder weniger internationalen Durchschnitt abgeben.
Sicherlich ist es nicht einfach, Kritik zu üben. Wenn man an unsere politischen und wirtschaftlichen Skandale denkt, machen die uns zwar immer europakompatibler, aber es ist so schwierig, an die Sache heranzukommen, da alles infinitesimal verfilzt bzw. auch die Korruption dank verteilter Kompetenz und Verantwortung völlig durchdemokratisiert ist. Ich wiederhole mich. Aber nicht einfach deshalb, weil mir nichts Neues einfällt, sondern weil der Schweiz selber, die zur Debatte steht, so wenig Neues einfällt. Das hat auch gewisse Vorteile. Da verfasste man einst einen Kommentar zur Abstimmung über das Frauenstimmrecht, das zu früh gefordert wurde, «weil alles reifen und wachsen muss». Dann konnte ich den gleichen Artikel veröffentlichen, als es um den BeitrittBeitritt zur Uno ging; «aber der Moment war noch nicht gekommen». Das letztemal publizierte ich den Kommentar tel quel, als über die Schweiz und Europa abgestimmt wurde. Alle vier, fünf Jahre ergibt sich erneut die gleiche Aktualität, was beweist, dass bei uns die Verhältnisse stabil sind – «niemand war so schöpferisch im Abwarten wie wir». Nationalstolz? Und nun also die Frage, ob ich stolz bin, Schweizer zu sein. Auf etwas stolz, wofür ich nichts kann. Ich habe zu meiner Geburt ausser einigen Wehen nichts beigetragen, und die hätte ich auch auf nichtschweizerischem Territorium ausgelöst. Ob die Vorsehung dabei im Spiel war, wie der Patriot Iselin meinte, weiss ich nicht. Wenn ja, finde ich das sehr aufmerksam. Denn ich verdanke meiner nationalen Zufälligkeit die Chance, einen Pass erhalten zu haben, der mir viel erleichterte beim Reisen durch die Welt, auch wenn es einen Schock in den USA gab, wo an einem Bankschalter das rote Büchlein nicht zählte, wo ich erst Person wurde dank einem Fahrausweis und einer Kreditkarte. Haben wir uns nicht einst an der amerikanischen Verfassung inspiriert, sollen wir nicht einmal mehr inspirationsfähig sein und in Zukunft mit dem Geburtsschein die erste Kreditkarte ausstellen? Jedenfalls erwies sich die Gnade der schweizerischen Geburt anderseits als folgenschwer – die Tatsache, dass es im eignen Land neben der eignen Sprache andere gibt und dass diese unabdingbar zu dem gehören, was man nationale Identität nennt, hat einen ein für allemal an der Hierarchie gehindert, das Eigene als das einzige und das Oberste zu betrachten. Glücklicherweise erwächst einem aus dem Geburtsschein nicht schon irgendwelche Verpflichtung zu typisch Schweizerischem. Wenn «treuherzig» und «schwerfällig» typisch sein sollten – wo holen wir unsere Manager her, und was soll ich dann mit meiner mobilen Skepsis? Darüber hinaus: Es hat jeder das unveräusserliche Recht, ein Hinterwäldler zu sein, aber es gibt kein Recht, aus den anderen Hinterwäldler zu machen, für die das Alpenglühn die einzige Erleuchtung darstellt. Ich zähle mich nicht zu denen, welche sich bemüssigt fühlen, sich für diesen Kleinstaat zu entschuldigen, an ihm zu leiden wegen seines Schicksaldefizits oder seiner Enge. Provinzialismus ist weder eine Gegebenheit noch ein Zustand, sondern ein Entscheid, und gegen diesen Entscheid gilt es anzutreten, politisch wie kulturell. Wie verhält es sich also mit meinem Vaterlandsstolz? Die Verlegenheit beginnt schon im persönlich- individuellen Bereich. Ich bin Schriftsteller oder betrachte mich mindestens als solchen. Bin ich stolz darauf, Schriftsteller zu sein? Ich käme mir, so ernst ich meine Arbeit nehme, mit einer solchen Antwort läppisch vor. Auch dann, wenn ich einen andern Beruf ausüben würde und dafür einen Bekenntnisstolz ablegen würde. So einfach ist aber die Situation nicht. Denn ich muss mit dem Appell rechnen, als schweizerischer Schriftsteller zu gelten und als schweizerischer Schriftsteller schweizerischen Obliegenheiten gerecht zu werden – als ob es bei meiner Arbeit nicht in erster Linie um Literatur ginge, als ob es bei einer Blinddarmoperation hierzulande primär nicht um einen Blinddarm geht, sondern um einen schweizerischen Appendix. Das heisst nicht, dass man als
Autor die schweizerische Herkunft leugnet; sie schlägt sich schon unbewusst nieder in Vokabular, Sprachduktus und Thematik, und dies erst recht bewusst-stilistisch. Aber der Punkt ist: Schweizer zu sein heisst nicht, in erster und gar ausschliesslicher Weise Schweizer zu sein, als nehme das Nationale die oberste Stelle in der Hierarchie der Werte ein. Mit dem Wort «Patriot» marschiert man in die gefahrvolle Richtung solcher Verabsolutierung, befürchte ich – wobei ich den Gedanken nicht los werde, dass der Patriotismus immer marschiert. Was, wenn er tanzen würde? Aber er würde sicher gleich daraus Folklore machen. Ohne Zweifel: Ich bin unabdingbar Schweizer, aber das ist nicht hinreichend. Man hat in unserem Zusammenhang mit Recht an Johann Georg Zimmermann erinnert und an seine Schrift «Vom Nationalstolz».Nationalstolz». Ende des achtzehnten Jahrhunderts, zu einer Zeit, als die Nationalstaaten sich zu etablieren und zu motivieren begannen, verband dieser Aargauer, nicht selber frei von Voreingenommenheiten, seine Analyse des Nationalstolzes mit der Frage nach der Herkunft der Vorurteile gegenüber anderen Menschen und anderen Völkern und hat nicht unbedingt zur Freude der Festredner festgehalten: «Oft ist die Liebe zum Vaterland nichts anderes als die Liebe zum Stall.» Das war lange bevor wir ein Bauernsekretariat hatten. Man könnte zugleich einen Zeitgenossen zitieren, Lessing, der über Zimmermann meinte, er schreibe ungemein schön und richtig, man merke ihm den Schweizer zwar noch an, «aber doch nicht mehr, als man anderen den Meissener oder den Niedersachsen anhört». Was den Nationalstolz betrifft, notierte Lessing, Repräsentant einer nationalen Klassik: «Vielleicht zwar ist der Patriot auch bei mir nicht ganz erstickt, obgleich das Lob eines eifrigen Patrioten nach meiner Denkungsart das allerletzte ist, wonach ich geizen würde: des Patrioten, der mich vergessen lehrte, dass ich ein Weltbürger sein sollte.» Vergleiche Nationalstolz gibt es für mich nur als Komparatistik, als Vergleich mit andern Nationalstolzen, und da kann die Schweiz durchaus mit einigem aufwarten, auch wenn sich dabei herausstellt, dass manches, was sie inzwischen zu ihren Selbstverständlichkeiten zählt, von andern übernommen wurde und ohne Einwirkung und Einfluss von aussen nicht zu denken ist – was für die andern nicht minder gilt. Aber sind all diese Stolze nicht längst und rundum empfindlich angeschlagen? Befinden wir uns nicht in einer Situation, in der nationale Mythen abgebaut werden? Ein Prozess, der bei uns in der Schweiz sehr bald nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzte und in dem Masse immer wieder hochkommt, als wir ihn verdrängen. Eine Demystifikation der heiligen Kühe – sie haben mit ihren Mythen den Rinderwahnsinn vorweggenommen. Nun sind wir nicht die einzigen, die über ihre patriotischen Bücher gehen, wenn wirwir an Europa und die westliche Welt denken. Die nationale Entzauberung trifft alle deutschen Wesen wie alle grandes nations, the British ruling wie die letzte christliche Bastion, die Mutter des Sozialismus wie Gottes eigenes Land oder eben unseren einmaligen und einzigartigen Sonderfall. Eine solche nationale Entrümpelung ist wohl für unentwegte Patrioten Krise und Untergang. Aber ist sie nicht zugleich die unerlässliche Bereinigung eines Terrains, auf dem es möglich sein sollte und vielleicht möglich sein wird, ein neues Gemeinsames aufzubauen, da keiner dem andern mehr etwas Nationales vormachen kann? Nun habe ich im Ohr, dass man zuerst irgendwo hingehören müsse, bevor man sich für weitere Horizonte öffnen kann – sicherlich, wenn damit gemeint ist, dass es keine Öffnung und Offenheit gibt ohne einen Standort und die entsprechende Perspektive oder Perspektiven. Doch, um beim Beispiel Europas zu bleiben: es verhält sich nicht so, dass ich vorerst einmal Schweizer bin und in zweiter oder dritter Instanz zusätzlich Europäer. Das eine ist mit dem andern zum vornherein gegeben, das eine im andern angelegt mit wechselseitiger Wirkung.
Um mit dem Wort Heimat zu spielen: ich habe eine Heimatgemeinde, ohne dort geboren worden zu sein, ich habe an dieser Heimatberechtigung festgehalten; ich lebe nicht in meinem Heimatkanton, sondern in meinem Geburtskanton, beide sind Teile meines Heimatlandes, und dieses wiederum ist Teil dessen, was mein oder unser Heimatkontinent ist. Dabei kommt mir die Europa-Debatte oft genug antiquiert vor. Spannender und verpflichtender und grossräumiger hat längst die Auseinandersetzung Europas mit den andern Kontinenten an Aktualität gewonnen. Die Zukunft, die sich abzeichnet, scheint mit dem Satz Ernst zu machen, dass die Kinder, die auf die Welt kommen, auf die ganze Welt kommen. Werte der transnationalen Art Denn die Werte, zu denen ich mich bekenne und die ich in meinem Land verwirklicht sehen möchte, wie Demokratie, soziale Gerechtigkeit, Respekt des andern oder einfach Menschenrechte schlechthin, weisen über das Land hinaus. Wie zudem alle Kultur über alles Nationale hinausweist, ohne sich deswegen aufzugeben – eine Ausweitung, die im gleichen Masse Bestätigung wie Öffnung ist. Brauche ich für dieses Verhalten das Wort Patriotismus? Ein Versuch, dem Wort Patriotismus zu neuer Bedeutung zu verhelfen, redet von Verfassungspatriotismus. Sich zur Verfassung bekennen – sicher. Wobei ich zweifle, ob es von gutem ist, wie Machiavelli meinte, wenn ein Weiser endgültige Gesetze aufstellt. Jedenfalls möchte ich nicht, dass die, welche bei uns als Weisen gelten, ein für allemal die Gesetze bestimmen. Bei aller Verfassungstreue fallen mir sogleich alle Zusätze und Änderungen ein, und ich denke daran, wo und wann es nötig war, die Verfassung zu ändern und den neuen historischen Gegebenheiten anzupassen. Jedes Bekenntnis zur Verfassung läuft auf die Erkenntnis hinaus, wonach es eine schweizerische Demokratie nur als Geschichte dieser Demokratie gibt: für die Frauen begann sie vor gut zwanzig Jahren, eine soziale Demokratie haben wir seit der Nachkriegszeit, für die Juden gibt es seit dem letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts Gleichberechtigung, und seither erst haben wir auch das volle Wahl- und Stimmrecht (für Männer), die viersprachige Schweiz war eine Folge der Napoleonischen Kriege. Es ging also darum, die Demokratie stets von neuem zu bestimmen, was sie ausmacht, ist ihre Geschichte. Daher würde ich jeder Verfassung den Satz voranstellen: Im Namen der Revision. Eine jugendfreundliche Präambel, die, sich aller Vorläufigkeiten bewusst, der Tatsache Rechnung trägt, dass keine Gesellschaft ohne Gesetze und Konventionen auskommt, dass aber das, was historisch entstand, auch historisch korrigiert werden kann, so dass eine jüngere Generation sich an die Revision machen kann, welche der Demokratie eine neue, noch nicht gelebte Möglichkeit abgewinnt. Ob es dafür das Wort Patriotismus braucht, weiss ich nicht. Ich komme aus ohne. Nicht vaterländischer Stolz resultiert mir aus der Staatsbürgerschaft, sondern Zuständigkeit, um an die Aufgaben zu gehen, die dem Land bevorstehen, zum Beispiel: Aus diesem Land ein Land unter andern Ländern zu machen, damit es unter andern Ländern eines ist.
© Verlag für die Neue Zürcher Zeitung
Lieber Bilanz, am nationalen Imperativ wäre die europäische Welt beinahe einmal zugrundegegangen. Bitte Patriotismus nicht mit blindem Nationalismus verwechseln. Der einzige Imperativ, der es wert ist, befolgt zu werden, ist der kathegorische von Kant. Leider steht er mit seinen Grundsätzen diametral zum nationalen und ist damit quasi unereichbar für diejenigen, die es am nötigsten hätten. Aber das ist eine andere Geschichte.
Laßt den Griechen ihre Freude und ihren Patriotismus, versaut es ihnen nicht mit nationalistischen Parolen oder antinationalen Kritizismus!
Mit nationalistischen Gefühlen, Symbolen, Aktionen, Gedanken
und Bewusstseinsformen wird - dies ist die These - ein bedrohtes und infrage gestelltes
(weil entfremdetes) Identitäts- und Selbstwerterleben abgewehrt und
kompensiert. Nationalismus ist deshalb das Ausleben von narzisstischen Größenphantasien,
die an der eigenen Nationalität festgemacht werden, um eine von
vielen erlebte subjektive Bedeutungslosigkeit zu kompensieren.
Das Besondere des Nationalismus gegenüber anderen Formen des Narzissmus
ist darin zu sehen, dass der Nationalismus die Möglichkeit bietet, die
Bedeutungslosigkeit kollektiv zu kompensieren. Der Nationalismus tut dies dadurch,
dass er dem, was die Vielen eint, nämlich ihre Nationalität, eine übersteigerte
Bedeutung verleiht. Die Psychodynamik von narzisstischen Kompensationen
ist dabei die gleiche, ob sie nur vereinzelt auftritt oder in kollektiven Größen-
phantasien, ob sie in einem aufgeblähten Ich oder in einem aufgeblähten Wir
sich äußert.
Der „Vorteil“, den ein kollektiv gelebter Narzissmus bietet, ist unübersehbar:
Wenn ein Einzelner von sich behauptet, dass er viel wertvoller als seine Mitbürger
ist, dann isoliert er sich gegenüber jenen, mit denen er unmittelbar zusammenlebt.
Wenn alle eines Volkes sagen, wir sind wertvoller, größer, stärker als
die anderen Völker, dann schmiedet dies die Menschen dieser Nationalität zusammen
und verbindet sie; so ist der Einzelne mit seinem Narzissmus nicht allein;
im Gegenteil, er hat viele Freunde.
Narzisstische Kompensationen zeichnen sich immer durch folgende
Merkmaleaus: Je bedeutungsloser das Selbsterleben eines einzelnen, einer gesellschaftlichen
Gruppe oder eines Volkes ist, desto mehr müssen das eigene Selbst
bzw. jene Teilaspekte, die den einzelnen oder eine gesellschaftliche Gruppe oder
ein Volk auszeichnen, großartig phantasiert und idealisiert werden. Mit den
Größenphantasienund der
Idealisierung des Eigenen geht zwangsläufig aber immereine
Wirklichkeitsverzerrung einher.http://www.erich-fromm.de/data/pdf/Funk,%20R.,%201996a.pdf
Im Prinzip bin ich Deiner Meinung, und was mich freut: früher dachte ich immer, ich bin geboren, um einsam zu sterben, weil ich als Einziger erkannt habe: alle anderen sind Vollidioten.
Jetzt sind wir zu zweit.
Das macht mich glücklich.
Teilen wir uns meinen Weinkeller, es reicht für zwei. Es ist einfach schöner, mit dem seligen Grinsen des total Verblödeten aus dieser Welt zu scheiden, als ewig gegen Windmühlen zu kämpfen.
Werd' einfach ein bißchen unverkrampfter, bitte.
Laß andere auch mal lachen und sich freuen, auch wenn es daneben ist. Ein Tag ohne Freude ist ein verlorener Tag.
Weisst Du was, Karlchen: Du gerierst Dich zwar immer gerne als der feinsinnige, gebildete und intellektuelle Freigeist, der nicht nur über den Dingen, sondern vor allem auch über seinen doofen Mitschmenschen steht. Aber leider überschreitest Du immer öfter die Grenze zwischen konstruktiver Kritik und kleinlichem, mißgünstigem Rumgenörgel.
Ironischerweise wirst Du dadurch zu dem, was Du am allerwenigsten sein willst: Nämlich zum deutschesten von uns allen. Grüße an Deinen Geburtsort Nörgeldorf an der Laber.
Und ganz wichtig: Versuch, Dich mal über irgendwas zu freuen und lach mal wieder. :-)
Dann sehen wir uns demnächst in diesem Theater.
Auch wenn Du nicht wissen willst warum: das muß ich Dir jetzt reindrücken. Ich habe Deine Postings gelesen. Das hat Zeit gekostet.
Ich habe mir dazu Gedanken gemacht. Das hat auch Zeit gekostet.
Zeit ist das WERTVOLLSTE, was ich besitze, denn in der Frage, wieviel ZEIT MAN IM LEBEN HAT, unterscheidet man sich nicht von anderen. Die Begrenzung der Lebenszeit ist die einzige Gerechtigkeit in dieser Welt.
Und Du hast mir Zeit gestohlen. Mit einer billigen Provokation, die ich ernstgenommen habe.
Vorhang auf für die nächste Runde.
Meeting = in der Regel Zeitverschwendung
Maulfaul - hänge den halben Tag am Telefon wegen irgendwelcher Anfragen
Und dann muss ich auch noch arbeiten.
Na klar war das ne Provokation - allerdings steckt in den Texten schon einiges drin. Ich würde das aber nicht auf Fussballbegeisterung beziehen - ist eher ne harmlose Form des Narzismus oder des Austobens verdrängter Triebe. Im Kern ist es das - aber das lässt eben Luft ab, man fühlt sich als was.
Ich meine, so im Alter von 1 bis 2 Jahren habe ich auch öfter was gelassen, und habe mich beschissen gefühlt, im wahrsten Sinne des Wortes.
Aber damals war ich erleichert hinterher, das bin ich heute nicht.
Bitte hilf mir? Gib mir Beistand, Buße oder Bredigt.
Das waren übrigens die drei berühmten "B", für alle Broletarier der Vergangenheit und der Zukunft.
Wie wärs damit - so ähnlich wie Fussballgucken:
1. Deutsche Meisterschaft im Luftgitarre-Spielen
Berlin (dpa/bb) - Ihr Anblick ist kurios, ihre Leidenschaft echt: Bei der 1. Deutschen Meisterschaft im Luftgitarre-Spielen messen sich an diesem Samstag in Berlin die Besten der Szene. Der Gewinner starte am 27. August als erster offizieller deutscher Vertreter bei den 9. Air Guitar World Championships in Finnland, teilte die German Air Guitar Federation am Dienstag mit. Kurzentschlossene können sich mit ihrer «L-Gitarre» unter dem Arm und einem geeigneten Solo auf CD im Kunst- und Kulturhaus Knorre melden. Start ist 21.00 Uhr.
erschienen am 06.07.2004 um 14:45 Uhr
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