Kommunen. Statt endlich mal sparsam mit den Steuereinnahmen umzugehen, wollen die Kommunen jetzt Selbstständige und Freiberufler mit Gewerbesteuer belasten. So reden nur die ganz Mächtigen: „Wir kündigen die Zusammenarbeit mit dem Finanzministerium auf“, lautete die Absage der kommunalen Spitzenverbände an Hans Eichel. Der zusätzliche Geldsegen, den Eichels Gewerbesteuerreform verspricht, reicht ihnen nicht. Niemand sonst in der Republik erlaubt sich gegenüber dem Finanzministerium einen derart forschen Ton. Doch die kommunalen Spitzenverbände können ihn sich leisten. Einer ihrer Wortführer ist Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. Er residiert in Köln in einem klobigen Betonbau der 60er Jahre: miefige Flure, Gummibäume in den Zimmern, Bleistiftspitzer auf den Schreibtischen. Doch was aussieht wie eine verschnarchte Behörde, ist in Wahrheit eine der mächtigsten Institutionen der Republik: Articus ist in der Lage, hunderte Abgeordnete aus allen Bundestagsfraktionen für seine Sache zu mobilisieren. Wie gut sein System funktioniert, demonstrierte Articus eben erst in der SPD-Fraktion. Auf einer stürmischen Sitzung im Reichstagsgebäude schmetterten die Genossen die Reform ihres Finanzministers für die Gewerbesteuer ab. Hauptvorwurf: Eichel dehnt zwar die Gewerbesteuer auf Freiberufler und Selbstständige aus, aber er besteuert nur den Gewinn. Die Gemeinden wollen aber auch die Substanz besteuern, damit mehr Geld fließt. Beiseite schieben die Gemeinden Einwände wie den des Kieler Ökonomen Horst Siebert: „Substanzbesteuerung kann Unternehmen in die Pleite treiben.“ „Die Einbeziehung der Freiberufler verbreitert das Aufkommen“, so Articus in schönstem Bürokratendeutsch. Die Substanzsteuer rechtfertigt er mit der „Verstetigung der Einnahmen“. Stetige Einnahmen wünschen sich Unternehmen auch. Doch während die freie Wirtschaft für jeden Euro hart arbeiten muss, bestellen sich die Kommunen im Bundestag einfach ein neues Gesetz. Viele Abgeordnete lassen sich gern vor den Karren der Kommunalpolitiker -spannen, weil sie an ihre Parteifreunde im Heimatwahlkreis denken. „Eine Hand wäscht die andere“, lautet die Devise. All die Posten bei -Stadtwerken, Entsorgungsbetrieben oder Wohnbaugesellschaften – sie werden halt gern mit Spezis besetzt. Da spielt es keine Rolle, dass viele Gemeindebetriebe Verluste machen. Von Privatisierung wollen die Kommunalpolitiker nichts wissen, denn sie möchten weiterhin über die Zukunft des Kreiskrankenhauses oder der Müllverbrennungsanlage entscheiden. Mancher hält sogar die Hand auf, wie die Skandale in Köln und Bonn zeigten, wo hunderte Millionen Euro für viel zu große Müllöfen verschwendet wurden. Filz und Klüngel allerorten Der Filz verhindert, dass im Bundestag ein Abgeordneter aufsteht und widerspricht, wenn die Kommunen stets dieselbe Leier von der „Pleite“ anstimmen. Geradezu erpresserisch klingt die Forderung von Städtetagspräsidentin Petra Roth: „Unsere Hiobsbotschaft muss zu einer Soforthilfe führen.“ Sonst müssten die Städte ihre Leistungen kürzen. Die von Eichel angebotenen 2,5 Milliarden Euro reichen der Kommunallobby nicht. Roth verweist auf den Einbruch bei der Gewerbesteuer, die tatsächlich stark zurückging: in Stuttgart um 35 Prozent, in Ros-tock um 44 Prozent. Aber das ist normal in einer Wirtschaftsflaute, wenn den Betrieben die Umsätze wegbrechen. Die Unternehmen greifen in schweren Zeiten auf Reserven zurück. Die Gemeinden aber haben keine Rücklagen gebildet. Ihre Geldnot ist hausgemacht. Jobst Fiedler, Unternehmensberater von Roland Berger: „Die Kommunen haben ein Ausgabenproblem.“ Sie können nicht mit Geld umgehen. Aber sie verstehen es, diese Tatsache zu vertuschen. So halten sie Leistungsvergleiche geheim, die zeigen, dass Kommunen für dieselbe Leistung sehr unter-schiedlichen Aufwand betrei-ben. Die Einwohner von Fischingen in Baden-Württemberg beispielsweise zahlen 155 Euro für die Wasserversorgung, ihre Nachbarn in Seekirch 672 Euro. Die Kommunen haben etwas gegen Wettbewerb. Das stellen sie bei der Kanzler-Agenda 2010 unter Beweis. So lehnten sie in der Gemeindefinanzkommission den Vorschlag der Wirtschaft ab, die Gewerbesteuer abzuschaffen und den Gemeinden stattdessen das Recht zu geben, auf die Einkommensteuer einen variablen Zuschlag zu erheben. Städte, die gut wirtschaften, wären so attraktiver. Dagegen will der Städtetag sogar die von Firmen zu zahlenden Mieten, Pachten und Leasingraten voll gewerbesteuerpflichtig machen. Diese ertragsunabhägigen Komponenten würden 25 Prozent des künftigen Gewerbesteueraufkommens aus machen. „Die begreifen nicht, dass man die Kuh, die man melken möchte, nicht schlachten darf“, klagen die Arbeitgeberverbände. Hans Eichel schlägt den Kommunen vor, dass sie statt derzeit 28 Prozent ihrer Gewerbesteuereinnahmen künftig deutlich weniger an Bund und Länder abführen sollen, wenn sie im Gegenzug auf die Besteuerung der Unternehmenssubstanz verzichten. Der Kompromiss würde zwar ein weiteres Loch in seinen Haushalt reißen. Aber der Minister muss sich offensichtlich dem Druck von Deutschlands dreistester Lobby beugen. Privat läuft besser: Statt Aufgaben an private Betreiber abzugeben, halten die Kommunen an ihrem Hoheitsbereich fest. Dabei gibt es keinen Grund, warum Theater, Straßen- und U-Bahnen, Kläranlagen oder Kindergärten teuer und ineffizient von Beamten geführt werden müssen. Erfolgreiche Privatisierungen zeigen, dass die Gemeinden viel Geld sparen, wenn die Politiker die Macht über die öffentlichen Betriebe abgeben. Bad Kreuznach hat seine Verkehrsbetriebe an zwei private Unternehmer verkauft und gibt nur noch die Fahrtrouten vor. Die Stadt konnte ihr Defizit ausgleichen. Untersuchungen zeigen, dass private Betreiber im Schnitt um 30 Prozent günstiger wirtschaften als öffentliche. Die Privatisierung von Stadtwerken stellt diese Betriebe auf gesunde Beine und entlastet die Kommunalhaushalte erheblich. Das Mauermuseum Haus Checkpoint Charlie in Berlin, das dem Schicksal der Flüchtlinge gewidmet ist, arbeitet profitabel und benötigt keinen Euro vom Staat. Privattheater kommen mit erheblich geringeren Zuschüssen aus als die städtischen. Im Schnitt spielen die zirka 150 öffentlichen Theater gerade einmal 15 Prozent ihrer Kosten ein. Sie sind völlig ineffizient und die meisten auch künstlerisch unbedeutend. In Köln besucht von einer Million Theatergängern ein Drittel die Oper und das Schauspielhaus, zwei Drittel die kleinen, privaten Theater. Während jeder Besuch der städtischen Bühnen mit etwa 120 Euro bezuschusst wird, erhalten die freien Bühnen nur einen Euro pro Besucher. Die Stadt Gera hat ihre Wohnungsgesellschaft für 97 Millionen Euro verkauft. Damit beschafft sie sich die Mittel für die Gartenschau 2007. Insgesamt halten die Kommunen mit rund 2,7 Millionen den Großteil der zirka 3,5 Millionen Wohnungen, die im Besitz der öffentlichen Hand sind. Der Verkehrswert beträgt 120 Milliarden Euro. Der Verkauf an die Mieter wäre der beste Weg, um den Wunsch vieler Bürger nach einem eigenen Heim zu erfüllen. Doch das Potenzial bleibt weitgehend ungenutzt. |