Die Entzauberung des Joseph Martin
Seite 1 von 2 Neuester Beitrag: 22.04.04 23:39 | ||||
Eröffnet am: | 22.04.04 10:51 | von: anarch. | Anzahl Beiträge: | 48 |
Neuester Beitrag: | 22.04.04 23:39 | von: Leuchtturm | Leser gesamt: | 2.565 |
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J O S E P H M A R T I N F I S C H E R
"[...] Er sollte dem deutschen Steuerzahler die Reisekosten ersparen. [...]“
Die Krawatte irritiert. Eingeschnürt vom Sakko steht der teure Binder vom Bauch des Ministers 45 Grad ab. Ja, unhöflich, aber wahr: Joschka Fischer nimmt immer weiter zu.
Das Essen schmeckt, hin und wieder ein italienischer Rotwein, no sports. So sieht die optische Seite eines Mannes aus, der vor einer Woche 56. Geburtstag feierte. Er war einmal dünn, dann dick, dann wieder dünn und jetzt halbschwer.
Die andere Seite ist die aktivere: Der deutsche Außenminister greift politisch noch einmal an. Kein Thema, das er fürchtet: Irak, Naher Osten, Uno, USA und Rußland. Kein Weg in einer Woche zu weit: Von Berlin über Irland, nach Frankreich, nach Afghanistan, nach Aserbaidschan, nach Armenien und so weiter. Manches auch, was nervt: EU-Verfassung. Da bremsen zu viele die schönen Ambitionen auf den Posten des EU-Außenministers.
Joschka Fischer hat mal wieder ein neues Kapitel seines Lebens aufgeschlagen. Strikt nach einem Motto, das die Fischer-Biografen Bernd Ulrich und Matthias Geis („Der Unvollendete – Das Leben des Joschka Fischer“) so beschrieben: „Ein Mensch und Politiker, der sich vor allem in einem treu geblieben ist: im ständigen Wandel.“
Neue Freundin und Grillen auf Malle
Und der sieht seit kurzem so aus. Privat: Neue Freundin, Grillen auf Mallorca statt Joggen in der Toskana. Politisch: Wenn Kanzler Schröder sich die Europapolitik unter den Nagel reißt, dann nehme ich eben den Rest. Die große Politik wühlt in ihm. Da kommen das Desaster in Irak und der Nahe Osten für die neue Politoffensive gerade recht.
Es begann im Februar: Auf der international beachteten Wehrkundetagung in München blätterte Fischer seine Vision von „greater middle east“ aus. Und er nannte – zum Entsetzen der Franzosen – die Nato. Er sprach von einer Freihandelszone und Sicherheitsbedürfnissen und Zivilgesellschaften. Große, weite Welt.
Europa interessiert in diesen Mustern nicht mehr so sehr („Es ist halt nicht die Zeit für huldvolle Humboldt-Reden“, meint einer seiner Berater), dafür der Nahostkonflikt und die Rolle der Amerikaner umso mehr. Wie der deutsche Chefdiplomat es fertigbringt, Amerikaner und Israelis trotz eines Komplettschwenks in zentralen Fragen nicht zu kritsieren, nennen Brüsseler EU-Diplomaten komisch-faszinierend: „Köstlich die Dreistigkeit, schwankend die Politik.“
Fischer findet, obwohl US-Präsident George Bush zusammen mit Israels Premier Ariel Scharon den hochgelobten Friedensfahrplan für den Nahen Osten von einem Tag auf den anderen komplett über den Haufen geworfen hatte, nur Phrasen: „Jetzt kommt auf Europa sehr viel Arbeit zu.“
Arbeit, die sich Fischer gerne selbst machen möchte. Zusammen mit seinen Leuten: Zum Küchenkabinett im Auswärtigen Amt gehören der Politische Direktor Michael Schaefer, Büroleiterin Helga Schmid und Sprecher Walter Lindner. Auf Martin Kobler, Botschafter in Ägypten und vormals Leiter des Ministerbüros, hört Fischer immer dann, wenn es um den Nahen Osten geht.
Kein Raum der Welt bietet im Moment wohl so viel Stoff für einen Politvisionär. Und da haben sich die Gewichte verschoben. Mehr Verständnis für die Israelis, weniger für die Palästinenser. „Diese Märtyrisierung ist doch auch nicht mehr zu ertragen“, sagt ein Fischer-Mann.
Der Ex-Sponti hat ein altes Thema wiedergefunden: Israel. Der Staat, der aus dem von Deutschen verantworteten Kriegstrauma entstand, und heute um seine Existenz kämpft. Im kleinen Kreis räumt der Grüne ein, dass Israel dabei ja wohl auch militärisch agieren dürfe.
Der grüne Buddha brütet wieder schöne Lebens- und Politweisheiten aus. Fast so glanzvoll wie früher, als er bescheiden sagte: „Der Heilige Vater und ich sind in großer Sorge um den Weltfrieden.“ Heute mag er es angliziert: „Der Schrei nach der road map wird lauter“, heißt das über den Friedensfahrplan in Nahost.
Fischer im Frühjahr 2004 – wer ist das? Einer, der ihn gut kennt, sagt: „Joschka ist ein kluger Mensch, der noch immer Zusammenhänge herstellen kann, die brillant sind. Aber er ist auch ein Spieler. Einer, der mit seinen intellektuellen Fähigkeiten jeden Bruch seiner Argumentationskette neu verkauft.“ Einer seiner ehemaligen Freunde beschrieb schon vor Jahren die Sprunghaftigkeit Fischers fasziniert-angewidert: „Der joggt nackt über den Bonner Marktplatz, wenn es seinen Interessen dient.“
In Brüssel wissen sie nicht so recht. In der EU-Zentrale, wo Amerikaner und Israelis in den Politanalysen traditionell negativ abschneiden, steht er mit seiner Israel-Verteidigung im Moment allein. Eine kluge Minderheitsposition muss durch diese Kräftelage nicht per se diskreditiert sein. Doch Fischer fehlen die Verbündeten.
In Berlin weicht das Nicht-Verstehen schon dem Abgesang. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Werner Hoyer, Ex-Staatsminister im Auswärtigen Amt, hat für die neue Fischer-Offensive in der weiten Welt nur Spott über: „Die Entzauberung des Joseph Fischer hat längst begonnen.“
Ein vernichtendes Urteil fällt auch der Historiker und Nahost-Experte Michael Wolffsohn: „Außer Spesen nichts gewesen. Joschka Fischer ist von allen geachtet und geschätzt, aber er erreicht nichts. Er sollte dem deutschen Steuerzahler die Reisekosten ersparen.“
Focus online, 22.4.4
Davon abgesehen: Erinnere Dich mal an die Ära Kohl. Wie im 'Spiegel' über den Mann hergezogen worden ist, war erheblich schlimmer.
Liest sich nett, was Du schreibst. Etwas Inhalt wäre allerdings hilfreich.
Pauschalargumente aus dem Topf Seiteneinsteiger. Kannst Du auch argumentieren statt provozieren und beleidigen?
Fachlich kompetent soll der Seiteneinsteigere sein, parteilich möglichst unabhängig (soweit möglich). Es hat doch keiner gesagt, dass es nur um die Eigenschaft "Seiteneinsteiger" geht.
(Unter den EU-Neulingen der Einzige, der sich die Aufnahme redlich verdient hat und nicht am Tropf von Brüssel hängen wird.)
Vielleicht hat die deutsche Anerkennung den Zerfall Jugoslawiens etwas beschleunigt, aber selbst das kann bezweifelt werden.
PS.:
Wer wird denn wegen so nem blöden Sternchen so dünnhäutig sein? :-)
Gruß
Rheumax
D war seinerzeit m.E. der erste Staat, der Slowenien anerkannte. Klar hat das den Zerfall Yugoslawiens beschleunigt. Und es war auch ein Affront gegen die Serben. Aber auch unter dem Aspekt der Geschichte des Zweiten Weltkreiges hätte Genscher deutlich zurückhaltender sein dürfen.