Genug gespielt
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 06.02.03 08:42 | ||||
Eröffnet am: | 06.02.03 08:42 | von: Trader | Anzahl Beiträge: | 1 |
Neuester Beitrag: | 06.02.03 08:42 | von: Trader | Leser gesamt: | 783 |
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Dt. Lang genug hat Schröder mit der Macht gespielt, einen Teil davon auch schon verspielt. Jetzt wird es Zeit, daß er sie zum Wohle des Landes gebraucht. Beim Stand von 4,6 Millionen Arbeitslosen muß Schluß sein damit, daß sich der Kanzler mal bei der bürgerlichen Mitte, mal bei den Traditionslinken anbiedert. Er kann sich nicht länger hinter Kommissionen und Konjunkturprognosen verstecken, mit Papieren rascheln, mit zweifelhaften Lockangeboten die Opposition vorführen. Die Verantwortung liegt bei der gewählten Regierung. Sie bestimmt die Richtung der Politik. Nur sie kann handeln.
Schröder hat jüngst noch einmal die Aufgabe beschrieben, die er meistern will: "den Zusammenhang deutlich machen zwischen demographischen und wirtschaftlichen Herausforderungen und der Erhaltung unserer sozialen Sicherungssysteme". Auf diese Herausforderung gibt es mindestens zwei Antworten: eine marktwirtschaftliche und eine etatistische. Die rot-grüne Koalition neigt zwar zum Dirigismus, ist aber darin vielen ihrer Anhänger längst nicht konsequent genug vorgegangen. Die Gewerkschaften, die nun immer lauter nach Lafontaine rufen, schreiben den Mißerfolg der Regierung Schröder dem Umstand zu, daß Steuern und Schulden nicht noch mehr erhöht, politische Macht nicht noch mehr dazu genutzt wurde, die Wirtschaft zu lenken. Im Kanzleramt verstärkt sich indessen die Erkenntnis, daß man genau mit diesen Instrumenten auf dem falschen Weg sei. Daher die Aufgeregtheit im Berliner Regierungsapparat: Schröder spürt, daß er nicht länger zwischen Positionen lavieren kann, die einander ausschließen. Er steht vor einer Entscheidung. Gäbe er der Linken nach, könnte er das Feld gleich Lafontaine überlassen.
Den marktwirtschaftlichen Weg wird die Koalition aber auch allein gehen müssen, denn er ist steinig. Den Erfolg, der am Ende winkt, will Schröder schließlich auch seinem Konto gutschreiben. Demokratie lebt vom Wettbewerb der Politikangebote. Konsensrunden, die die Regierungsverantwortung verwischen und die Handlungsunfähigkeit verlängern, mehren nur den Verdruß über die Politik. Die SPD hat mit Schröder eine historische Chance bekommen, Deutschland nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Sie hat diese Chance - das zeigen die Wählerurteile von Hessen und Niedersachsen - schlecht genutzt. Der zweite Wurf muß sitzen, wenn sich die SPD nicht für lange Zeit von der Regierung verabschieden will.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.02.2003, Nr. 31 / Seite 10
Gruß
Trader