Großmutter Telekom will mehr Geld, aber warum?


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Neuester Beitrag: 04.02.03 15:24
Eröffnet am:04.02.03 15:24von: RexiniAnzahl Beiträge:1
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4112 Postings, 8789 Tage RexiniGroßmutter Telekom will mehr Geld, aber warum?

 
  
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04.02.03 15:24
Märchenstunde
Großmutter Telekom will mehr Geld, sagt aber nicht warum

Im Januar beantragte die  Deutsche Telekom bei der  Regulierungsbehörde das Recht auf Erhebung einer Sondergebühr in Höhe von 1,20 € monatlich für die 5 Millionen Kunden, die dem Unternehmen keinen Kontozugriff gewähren, sondern ihre Rechnungen per Überweisung zahlen (Vgl.  Telekom will Gebühren für Überweisung). Begründet wurde der Antrag mit angeblich höheren Kosten, die dieses Verfahren verursachen würde.

Doch warum genau verursachen der Telekom Überweisungen höhere Kosten als Lastschriften? Die entgangenen Zinsen für zwei Wochen Zahlungsfrist kann die Telekom nicht ohne weiteres betriebswirtschaftlich als Kosten verbuchen. Und selbst wenn man sie als "Kosten im Sinne der Telekom-PR" ansieht, rechtfertigen sie einen so hohen Betrag nicht. Mit fünf Millionen Kunden, die monatlich € 1,20 mehr für die gleiche Leistung bezahlen müssen, verschafft sich die Telekom jährliche Mehreinnahmen in Höhe von 72 Millionen €. Bei einer angenommenen Verzinsung von 2,5% müsste die durchschnittliche monatliche Telefonrechnung der Überweisungszahler stolze 1152,- € ausmachen, um die Extragebühr von 1,20 € zu decken.

Fragen wir also Großmutter Telekom: "Warum hast du so hohe Abrechnungskosten bei Kunden mit Überweisung?" Und tatsächlich verlegt sich der Telekom-Sprecher Peter Kespohl in seinem ersten Erklärungsversuch nicht auf die Zinsen, sondern beschuldigt "die Banken", die der Telekom für Überweisungen höhere Kosten in Rechnung stellen würden als für Lastschrifteinzüge. Ein Kontrollanruf bei Pressesprecher Schlegel von der Postbank ergibt jedoch, dass die Ausführungen des Telekom-Pressesprechers "definitiv nicht richtig" sind. Zwar entstünden der Bank höhere Kosten durch die Zahlung per Überweisungsformular, diese würden jedoch nicht an die Telekom weitergegeben.


Und so landet der Ball wieder beim magentafarbenen Konzern. Der Telekom-Pressesprecher versucht es jetzt mit dem Argument, ein Kunde könne ja über verschiedene Banken einzahlen und das würde der Telekom Kosten verursachen. Doch laut Postbank landet jede Überweisung - egal woher - auf dem Eingangskonto der Telekom als "beleglose elektronische Buchung" - genauso wie eine Lastschrift. Damit konfrontiert verweist Kespohl auf die Möglichkeit der Bareinzahlung, die der Überweisungskunde ja im Gegensatz zum Lastschriftzahler in Anspruch nehmen könne. Allerdings werden dem Kunden bei diesem Verfahren schon jetzt stolze 2,5 - 5 € berechnet - was den Kreis der Bareinzahler durchaus niedriger erscheinen lässt als von Kespohl suggeriert.

Solcherart beim Märchenerzählen ertappt, verfällt der Telekom-Sprecher in eine Art  Verbaljaktation und gibt nur mehr Variationen eines einzigen Satzes von sich: "Die Überweisungen verursachen höhere interne Abrechnungskosten." Auf Nachfragen wie: Aber wie entstehen diese höheren Abrechnungskosten" antwortet er allenfalls mit leichten Modifikationen wie: "Das hab' ich ihnen schon beantwortet - durch höhere Abrechnungskosten." Der Telekom-Pressesprecher beweist bemerkenswerte bürokratische Freude und Ausdauer an diesem absurden Spielchen, das noch ein paar Runden geht und der Telekom ein paar Einheiten Fernsprechgebühren einbringt. Auf die Höhe des Kostenunterschiedes angesprochen antwortet er: "diese Zahlen kommunizieren wir nicht". Und gefragt, aus welchen Gründen die Telekom denn diese Zahlen nicht "kommuniziere" meint er lapidar "Gründe dafür gibt's nicht."

Vielleicht weiß ja die Regulierungsbehörde mehr? Immerhin muss sie bis Ende Februar über die Gebührenerhöhung entscheiden. Doch auch dort erklärt der Pressesprecher, dass über laufende Verfahren keine Auskünfte gegeben werden könnten und dass auch nach Abschluss des Verfahrens alles geschwärzt werden müsse, was die Telekom als "Betriebs- und Geschäftsgeheimnis" ansieht. Mit der Stellungnahme des Telekom-Pressesprechers konfrontiert, zeigt er sich offen erheitert und meint: "Schreiben Sie das doch so - was besseres kann Ihnen ja gar nicht passieren."

Tatsächlich lässt die geschilderte beharrliche und nicht ohne weiteres erklärbare Auskunftsverweigerung der Telekom nur zwei Schlüsse zu: Entweder verursacht die Telekom die höheren Kosten trotz der von der Postbank gelieferten einheitlichen Eingänge selbst (sei es durch kreative Buchführung oder durch schlechte Organisation) oder die höheren Kosten entstehen dadurch, dass Überweisungszahler kritischer sind, ihre Rechnung öfter monieren - und Recht bekommen. In diesem Lichte betrachtet wären die 1,20 € weniger ein Ausgleich für höheren Aufwand als eine Strafgebühr für kritische Kunden. Die Frage: "Großmutter Telekom, warum hast du so hohe Abrechnungskosten bei Überweisungszahlern?" müsste dann ehrlicherweise mit "Damit ich besser falsche Rechnungen stellen kann" beantwortet werden.

Falsche sind Rechnungen ein ständiges und gravierendes Problem bei der Telekom (vgl.  Zahlreiche Beschwerden über Telekom-Rechnungen). Noch wesentlich problematischer ist der Umgang der Firma mit Kunden, die von falschen Rechnungen betroffen sind. Beim T-Punkt-Laden in der Münchner Sonnenstraße konnte man beispielsweise beobachten, wie ein Kunde mit einer Telefonrechnung von über 1.500,- € der Telekom-Mitarbeiterin erst persönlich vorrechnen mussten, dass die addierte Gesprächsdauer auf ihrer Rechnung 30-Stunden-Tage ergibt, bevor diese ihr Mantra, dass die Rechnung "schon richtig" wäre, aufgab und dem Kunden gönnerisch einen "Kulanznachlass" gewährte. Im Zuge der Argumentation der Telekom für die Strafgebühr stellten deshalb auch zahlreiche Kunden fest, dass sie mit den magentafarbenen  "Fantasie-Rechnungen" einen im Vergleich zu Vermietern oder Energieversorgern erheblichen "Mehraufwand" an Zeit und Porto haben - den sie der Telekom ebenfalls gerne in Rechnung stellen würden.

Auch die Buchhaltungskapriolen der Telekom sind nicht unbedingt dazu geeignet, den Eindruck eines auch nur halbwegs vertrauenswürdigen Geschäftsablaufs zu erwecken. So wurden Kunden tatsächlich aufgefordert aus "abrechnungstechnischen Gründen" ihre gekündigten Flatrates und Anschlüsse noch mehrere Monate weiter zu zahlen. Und seit dem Überhandnehmen der Dialer-Plage fragen sich mehr und mehr Kunden, ob man einem Unternehmen, das ohne Überprüfung Geld für 0190-Nummern einzieht und gegen das gerade wegen Geldwäsche ermittelt wird, freien Zugriff auf das Konto gewähren sollte (Vgl.  Ermittlungen gegen Telekom wegen Dialer-Geldwäsche).

Das Überweisungsverfahren - das immer seltener mit Papierformular, sondern stattdessen ebenso vollelektronisch wie das Lastschriftverfahren betrieben wird - ist kein Relikt aus analogen Zeiten, sondern hat vor allem bei Telekommunikationsanbietern mehrere entscheidende Vorteile: So lässt sich bei Überweisungen die Rechnungssumme von unberechtigten Forderungen bereinigen und die Zahlung im Verwendungszweck genau zuweisen - auf diese Weise kann eine Sperrung des Telefonanschlusses vermieden werden. Wenn der Kunde dagegen zurückgehaltenen Teilbeträge nicht genau kennzeichnet, darf die Telekom nach § 15 Abs. 2 der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (  TKV) davon ausgehen, dass die Zahlung auf die Forderungen der einzelnen Anbieter entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtforderung erfolgt ist - und hat damit schnellen Zugriff auf das Druckmittel der Anschlusssperrung. Dieser Schutz durch das Überweisungsverfahren nutzt nicht nur bei 0190-Dialern, sondern auch bei falsch berechneten Ortsgesprächen: Wenn der Kunde die Rechnung begründet anficht und statt der zu hohen Rechnungssumme den durchschnittlichen Rechnungsbetrag aus den unbeanstandet gebliebenen sechs zurückliegenden Monaten überweist, darf die Telekom nach § 19 Abs. 4 TKV den Anschluss nicht sperren.


Beim Lastschriftverfahren dagegen laufen diese Schutzvorschriften aus der TKV ins Leere: Rückbuchungen von Teilbeträgen sind nämlich ebenso wenig möglich wie die Angabe eines Verwendungszwecks auf der Rückbuchung.


 

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