Irak Krieg
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Eröffnet am: | 28.01.03 18:13 | von: Slater | Anzahl Beiträge: | 1 |
Neuester Beitrag: | 28.01.03 18:13 | von: Slater | Leser gesamt: | 700 |
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Von Markus Becker
Sollte es zum Krieg im Irak und zum Häuserkampf in Bagdad kommen, werden amerikanische Soldaten auf eine Bedrohung stoßen, die sie in einen grausamen Gewissenskonflikt bringen kann: Kindersoldaten, die zu Tausenden in Saddam Husseins Heer kämpfen und auf Töten programmiert sind - wie etwa der "Löwenclub Saddams".
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Plötzlich ging scheinbar aus dem Nichts ein Geschossregen auf Chapman und seine Begleiter nieder. Mehrere Kugeln durchschlugen Chapmans Beine und durchtrennten eine Arterie. Der Elitekämpfer verblutete. Er war der erste US-Soldat, der bei der Operation "Enduring Freedom" starb. Hätte Chapman seinen Angreifer gesehen, vielleicht hätte er sich dennoch nicht gewehrt: Der zweifache Vater hätte vor der Wahl gestanden, entweder selbst zu sterben oder einen 14-jährigen Jungen zu erschießen.
Die Episode war Thema bei einer Tagung des Center For Emerging Threats and Opportunities, einer vom US-Marinekorps und dem Potomac-Institut für Politische Studien gegründeten Organisation zur Analyse neuer Bedrohungen der Nationalen Sicherheit. Sie könnte ein Vorgeschmack auf eine der grausamsten Seiten sein, die eine Invasion im Irak annehmen könnte: Saddam Hussein könnte Tausende Kinder in die Schlacht schicken, um die Moral der angreifenden Alliierten zu schwächen. Beispiele dafür gibt es: schon im ersten Golfkrieg schickten Iran und der Irak Brigaden von Kindersoldaten in die Schlacht.
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Noch im Jahr 2001 zeigte sich, wie ratlos westliche Streitkräfte in solchen Situationen reagieren können: Im westafrikanischen Sierra Leone geriet eine komplette britische Patrouille in Gefangenschaft, als sie auf Kindersoldaten stieß und vor einem Feuergefecht zurückschreckte. Die rund 150 britischen Kommandosoldaten, die ihre Kameraden anschließend befreiten, hatten diese Wahl nicht: Sie lieferten sich eine heftige Schießerei mit den jungen Geiselnehmern. Das Ergebnis waren mehrere Dutzend Tote. Manche der Briten, berichtete das renommierte Brookings Institute in Washington, litten später unter Depressionen und dem Posttraumatischen Stress-Syndrom.
"Kinder verstehen nichts von Taktik und bilden keine zusammenhängenden Einheiten", erklärt Major Jim Gray, Attaché der britischen Royal Marines in den USA. "Sie sind nur Kinder, aber Kinder auf Drogen und mit Waffen. Wenn sie angegriffen werden, kämpfen sie wie wild." Westliche Soldaten, fordert Gray, müssten deshalb unbedingt auf den "Schock" vorbereitet werden, gegen Kinder kämpfen zu müssen.
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Seit 1998 existieren auch militärische Übungsprogramme für die gesamte Bevölkerung. Einmal im Jahr werden alle Iraker ab 15 Jahren 40 Tage lang zwei Stunden täglich gedrillt und an Handfeuerwaffen ausgebildet. Darüber hinaus existieren paramilitärische Kindersoldaten-Einheiten innerhalb der "Futuwah"-Jugendbewegung, einer Organisation der Baath-Partei, die bereits in den siebziger Jahren gegründet wurde und Kinder ab zwölf Jahren militärisch ausbildet.
Für das irakische Regime bietet der Zugriff auf die Jugend gleich zwei Vorteile. Anders als in westlichen Ländern bildet diese Altersgruppe im Irak einen enormen Anteil an der Gesamtbevölkerung: Etwa die Hälfte der 22 Millionen Einwohner des Landes ist jünger als 18 Jahre. Ihre Militarisierung ergibt ein gewaltiges Nachwuchspotenzial für Saddams Truppen, ihre Indoktrinierung trägt darüber hinaus zur Stabilisierung des Regimes bei.
Die wichtigste Kindersoldaten-Organisation, so das renommierte Brookings Institute in einer Mitte des Monats vorgelegten Untersuchung, sind die "Ashbal Saddam", die "Löwenclubs Saddams", die nach der Niederlage im Golfkrieg von 1991 gebildet wurden. Zehn- bis 15-Jährige werden bis zu 14 Stunden täglich in Camps gedrillt, politisch auf Linie gebracht und gegen Gewalt abgestumpft, unter anderem durch regelmäßiges Verprügeln und Tierquälereien. Allein in Bagdad sollen rund 8000 Kindersoldaten der "Ashbal Saddam" stationiert sein. Sie würden, so die Befürchtung von Experten, in kleinen Gruppen als leichte Infanterie und Scharfschützen eingesetzt, um irakische Städte, vor allem aber Bagdad zu verteidigen. Ob Saddam wirklich in einem möglichen Krieg gegen die USA solche Pläne hat, ist allerdings völlig unklar.
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Zwar könnten Kindersoldaten, auch wenn das irakische Regime sie zu Tausenden in den Kampf schicken sollte, kein ernsthaftes Gegengewicht zur Überlegenheit westlicher Militärs darstellen. An der Propagandafront aber, warnten die Fachleute auf der Tagung des Center For Emerging Threats and Opportunities (Ceto), könnten Bilder von toten Kindern, erschossen von US-Soldaten, eine verheerende Wirkung entfalten. Im Nahen Osten wäre ihnen die Verehrung als Märtyrer sicher.
Was die Experten an Gegenmaßnahmen vorschlagen, dokumentiert die ganze Hilflosigkeit westlicher Militärs gegenüber Kindern, die über Jahre hinweg brutalisiert und fanatisiert wurden. Das Ausschalten der erwachsenen Führungsperson etwa sei ein probates Mittel, Kindersoldaten zur Aufgabe zu bewegen. Oder aber die halbwüchsigen Gegner auf Distanz zu halten, Warnschüsse abzugeben oder nicht-tödliche Waffen einzusetzen. Alternativen, die während eines Kampfs um jede Straße und jedes Haus nur schwer zu realisieren sein dürften - zumal dann, wenn die feindlichen Einheiten nicht ausschließlich aus Kindern bestehen.
So beziehen sich die praktikabelsten Ideen der Experten auf die Zeit nach dem Kindstod auf dem Schlachtfeld: Sprecher der US-Regierung, empfiehlt Brookings-Mitarbeiter Singer, sollten unbedingt erreichen, dass "die Schuld dem Regime gegeben wird, das die Kinder illegal ins Militär zwingt und sie die Drecksarbeit tun lässt - im vollen Bewusstsein, dass sie sterben werden".