Das Ende des Strichcodes
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Eröffnet am: | 16.11.02 11:49 | von: das Zentrum. | Anzahl Beiträge: | 5 |
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Von Marcus Dankert
16. November 2002 Durch ein Einkaufszentrum schlendern und gleich wissen wo welches Produkt steht, wie viel es kostet und von welchem Hersteller es produziert wurde und das alles ohne sich erst auf die meist vergebliche Suche nach einem auskunftsfreudigen Verkäufer zu machen? Noch ist das Zukunftsmusik, aber geht es nach den Plänen deutscher Hightechkonzerne wie Infineon, SAP oder Siemens könnte diese Vision bald Realität werden.
Mit der Entwicklung von integrierten elektronischen Schaltkreisen aus Plastik (integrated Plastic Circuits - IPC) auf eine handelsübliche Verpackungsfolie ist dem Münchener Technologiekonzern Infineon quasi ein Quantensprung in die Zukunft gelungen. Denn das Unternehmen hat somit die technologischen Voraussetzungen geschaffen, um kostengünstigen „Plastik-Chips“ im Rolle-zu-Rolle Verfahren in Masse produzieren zu können.
Die Technologie
Das von Infineon angewandte Rolle-zu-Rolle-Verfahren entspricht im Groben dem Zeitungsdruck. Eine entsprechende Folie läuft bei diesem Verfahren in Hochgeschwindigkeit durch mehrere Beschichtungs- und Strukturvorgänge bis hin zum fertigen Chip. Anders als zum Beispiel herkömmliche Silizium-Chips benötigen die polymerbasierten Chips weder giftige chlorierte Lösungsmittel zur Prozessierung, noch ist zur Reinigung der Moleküle von Fremdstoffen die kostenintensive Chromatographie nötig.
Zudem können gängige Verpackungsfolien, wie zum Beispiel die aluminisierte Folie von Chipstüten, durch eine entsprechende Bearbeitung als Leiterbahnebene für die elektronischen Schaltung verwandt werden.
Schier unerschöüfliche Anwendungen
Die Existenz von Kunststoffen, die je nach Molekurstruktur auch halbleitende Eigenschaften aufweisen, ist bereits seit 1977 bekannt. Seither ist in diesem Forschungsfeld ein Wettbewerb entbrannt, um der so genannten Polymerelektronik zum praktischen Einsatz zu verhelfen. Denn die Anwendungsgebiete in denen jene kostengünstige Chips zum Einsatz kommen könnten sind beinah unendlich.
Von zum Beispiel Funk-Etiketten für elektrische Preisschilder für die Erfassung der eingekauften Waren im Supermarkt, als Marker zur Materialerkennung von Kleidungsstücken in der Waschmaschine, als elektronische Anhänger zur Verfolgung von Gepäckstücken auf Flughäfen und Bahnhöfen bis hin in den privaten Haushalt, um den bis dahin voll computerisierten Kühlschrank mit einer elektronischen Einkaufsliste ausstatten zu können.
Smart Tags
Diese Funk-Etiketten werden im allgemeinen „Ident-Tags“ bzw. RFID-Tags (Radio Frequency Indentification) genannt. Das Hauptaugenmerk der Industrie liegt derzeit jedoch auf der Entwicklung der Funk-Etiketten für den Handel - denn der Billigchip soll in wenigen Jahren den noch gar nicht so alten Strichcode aus den Regalen der Kaufhäuser und Händler verbannen. In rund sieben Jahren, so ein Sprecher von Infineon, soll die neue Technologie den Strichcode ablösen.
Gegenüber dem herkömmlichen Strichcode hat der RFID-Tag einen entscheidenden Vorteil: Die Tags können Daten über Herkunft, Lieferdatum und Haltbarkeit über Funk selbstständig vermitteln, ohne dass für die Erfassung dieser Daten ein entsprechendes Lesegerät in direkter Sichtweite vorhanden sein muss. Kosten- und Zeitintensive Vorgänge wie zum Beispiel die Inventur oder das Auspreisen von Regalen könnten somit voll automatisiert werden. Aber auch der Kunde spart Zeit - denn das "Schlangestehen" an der Kasse hätte endlich ein Ende. Durch eine entsprechende Kassenvorrichtung wäre auf Knopfdruck der Einkaufspreis erfasst, ohne jeden Artikel einzelnen einscannen zu müssen.
Umrüstungen in Milliardenhöhe
Doch bis der Plastikchip die Ladenräume erobert, muss die gesamte Industrie noch riesige Hürden bewältigen. Denn eines ist klar, „die Umstellung von Strichcodes auf die Funk-Etiketten, kann nur von einen auf den anderen Tag vollzogen werden", erläutert ein Sprecher von Infineon. „Die Existenz von zwei Arten, also Strichcode und Ident-Tag, ist auf einen längeren Zeitraum nicht vorstellbar". Und dies kann nur in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten, also vom Technologieentwickler über den Verpackungshersteller bis hin zum Einzelhändler über die Bühne gebracht werden.
Die zu bewältigen Hürden sind hoch. Allein die Masse der pro Jahr zu produzierenden Etiketten ist eine Herausforderung. Sollte jeder neu produzierte Artikel mit einem Funk-Etikett ausgerüstet werden, wäre nach Angaben von Branchenkennern eine jährliche Produktion von 500 Milliarden Chips notwendig. Ganz zu schweigen von den Kosten, die die Umstellung mit sich bringen würde. Der Aufbau neuer Chip-Produktionsstätten, die Umrüstungen bei den Verpackungsherstellern sowie die Umstellungen der Kaufhäuser und Einzelhändler könnte Milliarden verschlingen.
Einem Erlanger Forscher-Team von Infineon soll es gelungen sein, elektronische Schaltkreise aus Plastik auf eine handelsübliche Verpackungsfolie zu integrieren. Bislang war dies nur unter dem Einsatz sehr hochwertiger Kunststoffe möglich. Damit könnte eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen worden sein, billige Chips von der Rolle in der Massenproduktion zu fertigen. Die Wissenschaftler brachten die aktive und empfindlichste Schicht des Dünnfilm-Transistors nicht als erste der einzelnen Chip-Schichten auf das Plastik-Substrat auf, sondern zuletzt.
In der Liste denkbarer Anwendungen stehen flexible RFID-Tags (Radio Frequency Identification) ganz oben. Die Funk-Etiketten aus Kunststoff sollen in wenigen Jahren verfügbar sein und könnten so die bekannten Strichcodes vom Markt verdrängen. Sollte jeder neu produzierte Artikel damit ausgestattet werden, müssten laut Branchenkennern pro Jahr mehr als 500 Milliarden solcher Chips produziert werden. Letztendlich sollen die Plastik-Chips zusammen mit der normalen Produktinformation auf die Verpackung gedruckt werden. RFID-Tags haben gegenüber den Strichcodes unter anderem den Vorteil, dass sie keine Sichtverbindung zum Lesegerät haben müssen. Der Lesevorgang kann sozusagen im Vorbeigehen erledigt werden.
Bei vielen gängigen Folienverpackungen wie Chipstüten handelt es sich um aluminisierte Folien. Diese Aluminiumschicht dient normalerweise als Sauerstoffbarriere zur Frischhaltung der Lebensmittel und kann, durch Flexodruck entsprechend strukturiert, zugleich für die elektronischen Schaltungen als Leiterbahnebene verwendet werden. Derzeit sind die gedruckten Aluminiumstrukturen mit fünf Mikrometern Größe etwa zehnmal kleiner als die Dicke eines durchschnittlichen menschlichen Haares. Herkömmliche Strukturen Silizium-basierter Chips haben eine Größe von 130 Nanometern, 400 mal kleiner als die Dicke eines menschlichen Haares. (as)
[ Dienstag, 12.11.2002, 09:40 ]
Infineon druckt organische Transistoren auf fast alles
RFID dürfte zu einem Buzzword der nächsten Jahre werden: Winzig kleine Chips, die auch ohne eigene Stromversorgung in einem niederfrequenten Feld eine Kennung aussenden, um Gegenstände zu identifizieren. Mit den von Infineon auf der electronica vorgestellen organischen Polymer-Chips kann man Radio-Frequency-Identification-"Tags" auf viele Materialien einfach aufdrucken. Mehr noch, etwa auf den Alufolien von Verpackungen (wie Chips-Tüten) lässt sich das Aluminium als Basismaterial und Leiter gleich mit einbinden.
Solche Ultra-Low-Cost-Bauteile in der angepeilten Preisregion von einem Cent pro Stück arbeiten dann zwar nur mit einigen Hundert Hertz, das reicht aber für viele Zwecke aus -- etwa um Lebensmittel zu markieren, sodass der Kunde einfach einen vollen Einkaufswagen durch das Tag-Lesegerät an der Kasse schieben kann. Markenprodukte lassen sich taggen und so von Fälschungen unterscheiden. Auch in der industriellen Produktion oder bei der Markierung von Fluggepäck sollen RFID-Etiketten künftig Verbesserungen bringen.
Selbst Socken könnten dank Tags in der Waschmaschine bei falscher Temperaturwahl um Hilfe rufen -- und vor allem kann man Sockenpaare damit wieder zusammensuchen. Wenn die fehlende Socke allerdings wirklich, wie in "Das sockenfressende Monster in der Waschmaschine" vermutet, durch ein in der Mitte der Trommel entstehendes Wurmloch auf einen fernen Planeten geschleudert wurde, dürfte die Leistung der Lesegeräte nicht ausreichen ...
Allerdings wird es noch ein paar Jahre dauern, bis die von Infineons Forschungslabor in Erlangen entwickelten Polymer-Tag-Techniken marktreif sein werden. Infineon sieht vor allem die Verpackungsindustrie gefordert, sich geeignete Verfahren zur Einbindung der Plastik-RFID-Chips in den Herstellungsprozess einfallen zu lassen. Nur wenn die neue Technik tatsächlich in riesigen Stückzahlen zum Einsatz kommt, wird der angestrebte Einzelpreis möglich.