Bernecker
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 07.10.02 10:39 | ||||
Eröffnet am: | 07.10.02 10:17 | von: börsenfüxlein | Anzahl Beiträge: | 7 |
Neuester Beitrag: | 07.10.02 10:39 | von: RudiP | Leser gesamt: | 1.082 |
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Mails/Nachrichten vom 07.10.2002, Bernecker & Cie.
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Guten Morgen, meine Damen und Herren,
die Baisse läuft aus dem Ruder und die deutsche Börse ist dabei die schwächste. Liest man die internationalen Kommentare dazu, wird man zwangsläufig sehr, sehr nachdenklich. Das ist natürlich ein Spiegelbild von Meinungen, aber dennoch gravierend in der Wirkung. Insbesondere gilt dies für die Sicht der Amerikaner/Engländer. Andererseits:
Das ganze Stimmungsbild gleicht demjenigen von 1974/75. Also den unmittelbaren Wirkungen nach dem ersten Ölembargo im Oktober 1973 und der sich daran anschließenden allgemeinen Konjunkturschwäche. Wenige werden sich daran noch erinnern. CSFB und Merrill Lynch versuchen sogar, mit einer Art Kriegserklärung an den Pessimismus an Regierungen zu appellieren, um „Koordination von Maßnahmen“ zu erwägen, wozu u. a. auch noch gehört, daß die FED amerikanische Firmenanleihen auf das eigene Konto kaufen sollte. Andere plädieren für eine breitangelegte Attacke (so wörtlich) gegen die Deflation. Es ließe sich beliebig viel zitieren. Damals war es nicht anders. Sie werden erstaunt sein:
Diese Art von Kommentare lese und höre ich gern. Sie zeigen mit hinreichender Sicherheit das Ende dieser Baisse, die im übrigen auch diejenige von 1929 übertroffen hat, Ausnahme ist der Dow Jones. Die extreme Schwäche des DAX hängt wiederum mit seiner Zusammensetzung ab, wie ich es schon früher kritisiert habe. Er ist ein Performance-Index. Das ist ein wunderbares Instrument in der Hausse, aber ein schauerliches in der Baisse.
In den kommenden drei Wochen geht es um die Gewinnschätzungen. Hier wird wild spekuliert. Im Juli galt noch ein Plus von 16,6 % für das Gewinnwachstum der amerikanischen Unternehmen. Für das 4. Quartal damals + 27 %. Jetzt liegen die entsprechenden Raten bei + 6,3 % bzw. + 20,6 %. Besonders stark legt das Segment Konsumgüter zu. Massiv zurückgestuft werden dagegen alle Schätzungen für die Technologiefirmen. Wie dieser Rhythmus insgesamt läuft, zeige ich Ihnen in der nächsten AB.
Die amerikanische Wirtschaft gibt sich Mühe und bleibt auf Kurs. So wiederhole ich, was durch die jüngsten Daten wieder bestätigt ist: Der Bestelleingang im Industriesektor stieg im August um 0,5 %. Erwartet waren minus 0,6 %. Der Dienstleistungssektor verbesserte sich um 3 Punkte auf 53,9, wobei ein Wert über 50 als Wachstum interpretiert wird. Dazu paßt der Arbeitsmarkt mit einer nur sehr schwachen Pluszahl, aber einer in sich gewandelten Struktur. Dienstleistung legt zu, aber Verarbeitung stellt noch Kräfte frei, worin sich die Entlassungen der Technikunternehmen widerspiegeln. Das wird sich erst ändern, wenn diese ganzen Entlassungen „aufgearbeitet“ sind. Erwartet wird dies erst im Januar/Februar.
Die Berichte aus den Firmen werden immer skurriler. Martha Stewart, inzwischen berühmt, steht an der Wand. Und zwar in einer Weise, als ob sie eine Schwerverbrecherin sei. Unterstellt wird ein Insiderverkauf im Wert von rd. 280.000 $. Bei VERITAS SOFTWARE muß der Finanzchef gehen, weil er in seinem Lebenslauf einen MBA-Abschluß genannt hat, den es nicht gibt. Darauf stürzte die Aktie um 22,4 % ohne weitere Gründe. Der neue Chef von GAP (PC-Hersteller) erhält als Einstellungsprämie Optionen, die unter dem Marktpreis das Kaufrecht begründen. Antwort des Marktes: Minus 20,7 %. Das Ganze sind Ausverkaufskurse, die sich einer realistischen Bewertung entziehen. Schlußpunkt ist natürlich der Fall PHILIP MORRIS, der schon eine Delikatesse darstellt. Ein amerikanisches Gericht verdonnerte PHILIP MORRIS zu einer Strafzahlung von 28 Mrd $, obwohl der eigentliche Kläger nur 850.000 $ erhält. Solche Klagen sind Strafklagen nach amerikanischem Recht und bezahlt wird gar nichts, wie selbst der Gegenanwalt feststellt. Der Kurs war gleichwohl nicht zu halten. 37 $ sind aber eine neue Basis, was ich vorerst nur anmerke, aber bei dem bleibe, was in der letzten AB steht. Auch hier gilt: Lassen wir die Tassen im Schrank.
Es lohnt in dieser Woche nicht, über einzelne Werte zu diskutieren. Märkte in der Schlußphase einer Baisse sind als globale Ereignisse zu werten. Dafür gibt es für den deutschen Markt zwei Aktien:
Die ALLIANZ hat sich erstmals zu Wort gemeldet. Schulte-Noelle in einem Interview mit „Finanz & Wirtschaft“ und Herr Rupprecht für ALLIANZ LEBEN. Das ist erfreulich. Das Interview in „Finanz & Wirtschaft“ sollten Sie lesen. Die Zeitung gibt es am Kiosk. Aktienquote übrigens 20 %, und das setzen Sie in Relation zu den gesamten Kapitalanlagen, und hier gilt wiederum das, was ich schon mehrfach vorgerechnet habe. Mag sein, daß in einem Umfeld wie eingangs bemerkt ein solcher Titel auch für zwei oder vier Wochen „unter Wasser“ fällt. Aber er bleibt nicht darunter. Schwieriger ist für mich die Frage, die ich mehrfach diskutiert habe:
Es fällt mir sehr schwer zu glauben, daß diese Baisse ohne ein Opfer zu Ende geht. Das wäre die extreme Schieflage einer Finanzadresse. Keine Baisse der vergangenen 100 Jahre lief ohne ein solches Ereignis. Damit ist keine Insolvenz gemeint, aber eine „Hilfskonstruktion“ im Großumfang, um dies zu vermeiden. Zürich ist ebenso nahe daran. Das wäre ein Befreiungsschlag.
Meine Meinung für diese Woche: Es gibt keinen Grund, neues Geld zu binden. Meine geschätzten Indexziele bleiben erhalten. Sie sind eine grobe Schätzung, die in den nächsten Tagen zu präzisieren sein werden. Denken Sie aber daran: Einer solcher Baisse folgt nie eine Seitwärtsbewegung, sondern stets eine massive Erholung. Machen Sie sich den Spaß und rechnen Sie dies sowohl am DAX als auch am S&P 500 seit 1960/61 nach. Die Zahlen nenne ich Ihnen in der AB.
Ich verbleibe bis morgen,
herzlichst Ihr
Hans A. Bernecker
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ICH erkläre die Baisse für beendet !