PISA - Die Skandalfrage!
Seite 1 von 1 Neuester Beitrag: 26.07.02 20:16 | ||||
Eröffnet am: | 24.07.02 18:06 | von: Thomastrada. | Anzahl Beiträge: | 3 |
Neuester Beitrag: | 26.07.02 20:16 | von: Schnorrer | Leser gesamt: | 2.727 |
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http://www.stern.de/campus-karriere/spezial/001/artikel/?id=256863
kann man mit den Fragen gewinnen - allerdings ist nun klar, wieso wir so schlecht abgeschnitten haben:
Frage:
b. Wie hoch wäre die Konzentration von FCKW in der Atmosphäre im Jahr 2002, wenn der Ausstoß von FCKW in die Atmosphäre dauernd so hoch bliebe wie jetzt?
Antwortmöglichkeiten:
ja nein
;-)
Gruß,
T.
Quelle: konkret, 08/2002
Joachim Rohloff
Vor ein paar Jahren erwiesen sich viele Erwachsene als unfähig zu errechnen, wie lange es dauern werde, bis die Telekom, die einen jährlichen Gewinn von einer Milliarde Mark verzeichnete, ihren Börsenwert von 600 Milliarden tatsächlich würde erwirtschaftet haben.
Heute sitzen sie noch immer auf ihren Aktien, aber von den Kindern verlangen sie Arithmetik. Sie beherrschen weder den Konjunktiv noch die Zeitenfolge und klagen über die geringen sprachlichen Fähigkeiten unserer Schüler. Seit langem stecken auch die führenden Köpfe der Wirtschaft lieber hinter der "Bildzeitung" als hinter der "FAZ", und der Bundeskanzler gibt gerne zu, das gute Buch von Grass oder Dahrendorf lese er nicht mehr, lieber lade er den Autor ein und lasse sich von ihm erzählen, was drinsteht. Trotzdem kritisiert er die sich ausbreitende Abneigung gegen alle schriftlichen Botschaften, die sich nicht auch als SMS versenden lassen, weil sie angeblich dem Standort schadet.
Aus dem Gerede über die sogenannte Pisa-Studie und die deutsche Bildungskatastrophe ist immer wieder der entschuldigende Hinweis zu vernehmen, die Schule könne nicht nachholen, was das Elternhaus versäumt habe. Aber noch weniger kann sie die Zerstörungen reparieren, die tagtäglich von den öffentlichen Medien angerichtet werden. Die ARD entledigte sich ihres Bildungsauftrags, der nicht zuletzt die Erhebung von Rundfunkgebühren rechtfertigen soll, jahrelang so: "Dieser Spielfilm wurde Ihnen präsentiert von das Erste und ›TV-Spielfilm‹, Ihre Programmzeitschrift." Denn die Corporate Identity, hatte der Texter auf der Fachhochschule gelernt, läßt sich nicht deklinieren, im Dativ wird sie nur von knapp einem Viertel aller Befragten wiedererkannt. Der Vorschlag eines Referenten, man solle doch, damit auch die sensibleren Zuschauer ihr Abendessen noch bei sich haben, wenn Wickert kommt, aus dem passivischen Satz einen aktivischen machen, wurde von der Intendantenkonferenz abgelehnt. "Diesen Spielfilm, diesen Spielfilm ... det vasteh ick nich", sagte der Vertreter des SFB, ein Ehrenprofessor mehrerer philosophischer Fakultäten.
Wer mit das Erste sechs Jahre alt geworden ist, dem erscheinen der Lehrer, der ihm nun plötzlich mit dem Dativ kommt, als ein weltfremder Spinner und die Grammatik als eine esoterische Wissenschaft. Wieso soll es denn plötzlich "der König von Belgien" heißen, obwohl es doch "das König der Biere" heißt? Man dreht den Deutschlandfunk auf, hört vom "Bodensee-Absturz" und vom, nein: von "Noch-Telekom-Chef Sommer" und muß es deshalb für ein Zeichen höherer Bildung halten, nicht zu wissen, wann und warum Römerchef Cäsar dem Brutus-Mord zum Opfer fiel. Wenig später ist von irgendwelchen "Rolf-Dieter-Brinkmann-Gedichten" die Rede, es wird aber nicht verraten, wer sie geschrieben hat.
"Schröder sagte, er hätte die Currywurst gern gegessen." Kennte man unsere Journalisten nicht, könnte man diesem Satz die Information abgewinnen, daß Schröder die Wurst nicht gegessen hat. Wenn man aber in der Redaktion der "Taz" anriefe, um sich zu vergewissern, stieße man auf Unverständnis. Gewiß habe Schröder die Wurst gegessen, würde man vermutlich beschieden, er habe doch sogar ausdrücklich gesagt, daß er sie gern gegessen habe. Denn wer nicht lesen und nicht schreiben kann, kann ja immer noch Journalist oder Schriftsteller werden. Und wenn er sagen möchte, eine Unterhaltung auf Englisch falle schwer, dann sagt er nicht etwa, es falle schwer, sich auf Englisch zu unterhalten, sondern: "Das Sich-auf-Englisch-Unterhalten fällt schwer." Diesen Satz schreibt er in seinen Poproman und wird vom Goethe-Institut auf eine Welttournee geschickt.
Was schlagen nun die Politiker zur Lösung des Problems vor, dessen Teil sie sind? Die FDP biedert sich ihren Wählern an, und obwohl sie vor Jahren die drei Punkte aus ihrem Namen entfernt hat, will sie demnächst noch einmal einen ähnlichen Versuch unternehmen und sich "FDP *grins*" nennen. Im übrigen gilt, was der zuständige Sprecher ihrer Bundestagsfraktion herausgefunden hat: "Nach der in der Wirtschaft längst üblichen best-practice Methode müssen sich alle Länder bei den ermittelten Ergebnissen am besten Land, insbesondere aber an den besten OECD-Ländern, orientieren." Aha, nicht den Schlechten sollen wir also nacheifern, sondern den Guten. Drückt man diese Banalität mit den imposanten Vokabeln der New Economy aus, schreibt sich das bildungspolitische Programm ganz von alleine. Und bald werden wir wohl das Schüler-Profiling haben, und "Focus" veröffentlicht das Rating der tausend besten Grundschulen.
Über die Bildungspolitik der SPD möchte man lieber nichts mehr erfahren, wenn man einmal die Reden des neuen brandenburgischen Ministerpräsidenten Platzeck gelesen hat. In fast jedem zweiten Satz stimmt der Numerus des Subjekts tatsächlich mit dem Prädikat überein; dieselbe Trefferquote hätte aber auch ein Schimpanse erreicht.
In Stoibers "Kompetenzteam" ist die baden-württembergische Kultusministerin Schavan für die Forschung und die Bildung zuständig. Ihre offizielle Biographie auf der offiziellen Homepage der CDU teilt mit: "Sie war danach (bis 1995) sieben Jahre Leiterin des Cusanuswerks, einem bundesweit tätigen Institut der Begabtenförderung." Trotzdem findet sie weder in ihrem Ministerium noch in ihrer Partei auch nur einen einzigen Begabten, der ihr die Texte richtet. Von den Schülern erwartet sie Leistungsbereitschaft, also einen bedingungslosen Willen, den Wünschen heutiger und künftiger Personalchefs zu entsprechen, und von den Eltern und den Lehrern den "Mut zur Erziehung". Mit dem humanistischen Bildungsideal kommt uns zum Glück nun selbst die CDU nicht mehr, zu gründlich ist die Ideologie von der klassischen Bildung, die den besseren Menschen mache, inzwischen diskreditiert. Daß sie aber den Methoden, mit denen es seinerzeit einem Heinrich Himmler eingetrichtert wurde, immer noch hinterhertrauert, beweist das Gerede von den Kopfnoten und den Schuluniformen. Denn Erziehung muß sein, wenn auch keiner mehr weiß, wozu.
Auf einer Feier des "evangelischen Arbeitskreises" seiner Partei stellte Roman Herzog neulich die Frage: "Was muß der Mensch eigentlich wissen? Muß er wirklich, um es zu übertreiben, Karl IV. und Karl V. noch unterscheiden können?" Nein, möchte man antworten; es sei denn, er machte aus diesem Vermögen einen Beruf und würde Historiker. Oder er bewürbe sich bei Günther Jauch. Dann allerdings müßte er auch noch in der Lage sein, zwischen Verona und Naddel zu unterscheiden.
Ja, in der Tat, es wird alles immer schlimmer. Der Merkwürdigkeit, die obigen schrulligen Anschauungen ausgerechnet einer Leserschaft vorzutragen, deren Mehrheit die Orthographie für den Beginn des Faschismus hält und deshalb einen emanzipatorischen oder doch zumindest perspektivisch emanzipatorischen Gebrauch von der Grammatik macht, bin ich mir wohl bewußt. Aber ich weiß auch, daß ich nicht ganz allein bin. Einige hervorragende Studienräte aus dem Schwäbischen stehen an meiner Seite.