Juristen legen Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen unterlassener Ermittlungen gegen die Deutsche Bahn wegen Betrugs ein
Mehrere Rechtsanwälte und Richter aus dem Arbeitskreis „Juristen zu Stuttgart 21“ haben gestern Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart eingelegt, weil sie gegen die Deutsche Bahn keine Ermittlungen einleitet. Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler ist der Auffassung, die Deutsche Bahn habe dem Land vor Abschluss des Finanzierungsvertrages zu Stuttgart 21 nicht mitteilen müssen, dass mit Kostensteigerungen von über einer Milliarde Euro zu rechnen sei – auch nicht dem Landtag, der dem Vertrag zustimmen musste. Die Mehrkosten kannte die Bahn, weil sie bereits für zwei Planfeststellungsabschnitte die Kostenberechnung abgeschlossen hatte.
Der Arbeitskreis „Juristen zu Stuttgart 21“ hält diese Bewertung für abenteuerlich und grob rechtswidrig. „Sie ist ein Freibrief für jeden Architekten und Ingenieur, durch Vorspiegeln zu geringer Kosten einen Geldgeber zum Abschluss eines Finanzierungsvertrags zu verleiten,“ sagt Rechtsanwalt Bernhard Ludwig. „Die Staatsanwaltschaft lädt die Bahn ein, sich mit diesem Trick aus der Staatskasse zu bedienen.“
Prof. Löffelmann, Stuttgarter Rechtsanwalt, Herausgeber des Standardwerks Architektenrecht in 6. Aufl. und anerkannter Fachmann im Bereich des Bau- und Architektenrechts stellt in krassem Gegensatz zur Staatsanwaltschaft fest: „Die in der Qualität einer (Teil-)Kostenberechnung ermittelten Kosten der PFA 1.2 und 1.6b waren wichtige Informationen für das Land und die weiteren Finanzierungspartner. Sie hätten unbedingt vor Vertragsschluss mitgeteilt werden müssen, was üblicherweise auch geschieht.“
Zweifel an der Neutralität des ermittelnden Staatsanwalts OStA Häußler weckt eine weitere abwegige Begründung, mit der dieser kategorisch Ermittlungen abgelehnt hat. Die Bahn habe sich ja „nicht selbst schädigen wollen“ mit einem unterfinanzierten Projekt. „Der durch Täuschung herbeigeführte Vertragsschluss war für die Bahn wichtig und vorteilhaft, weil sie erst dadurch einen Anspruch auf Erstattung ihrer bisherigen Planungskosten erwarb. Zudem verschaffte sie sich so ein Druckmittel, das Land unter Zugzwang zur Nachfinanzierung unvermeidlicher Mehrkosten zu setzen, um einen politisch kaum vermittelbaren Projektabbruch unter Inkaufnahme verlorener Investitionen in Höhe hunderter Millionen Euro zu vermeiden“, hält Dieter Reicherter, Vorsitzender Richter am Landgericht Stuttgart a.D, entgegen.
„Die Täuschung der Bahn ist auch ein Grund für eine außerordentliche Kündigung, weil es niemandem zuzumuten ist, mit einem derart unseriösen Partner zusammenzuarbeiten. Schadenersatzansprüche entstehen dann allenfalls gegen die Bahn. Sie selbst hat keine derartigen Ansprüche gegen das Land, sollte es aus dem Projekt aussteigen, ebenso wenig wie ein „Rosstäuscher“ irgendwelche Ansprüche aus seinem Betrug herleiten kann“, ergänzt Axel Tschorn, Strafrichter a.D.
Beschwerde vom 07.11.2011 und die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 10.10.2011 können angefordert werden.