Wieviel % bekommt das Linksbündnis
Glaubst du tatsächlich, dass eine neue Partei einen solchen Zulauf hätte, wenn es eine ernst zu nehmende Oppositionspartei gäbe ?
Natürlich steht rotgrün unter Beschuss ! Sie haben ja auch was gemacht in einer schwierigen Zeit ! Das ist doch wohl entschuldbar.
So merke: wer viel macht, macht viele Fehler. Wer wenig macht, macht wenige Fehler. Wer gar nichts macht, macht keine Fehler ! Das hatte sich die Union so gedacht ! Aber wird es auch funktionieren ?
Ich glaube kaum. Müssen sie wieder in die Opposition, dann hat es nicht funktioniert. Kommen sie in die regierung, dann wird es nicht funktionieren. Was meinst du wohl, warum Frau Merkel so ratlos und Herr Koch so zurückhaltend ist ?
Schröder: Koalition mit Linksbündnis ausgeschlossen
Drohung: Verfassungsschutz gegen Lafontaine?
Linkspartei: "Tatort"-Kommissar kandidiert für PDS
Chronologie: Der Weg zum Linksbündnis
Bundesweit legt das Linksbündnis gegenüber der Vorwoche um zwei Prozentpunkte auf 11 Prozent zu. CDU und CSU bleiben zwar weiterhin stärkste Kraft, setzen aber den leicht rückläufigen Trend der vergangenen Wochen fort und verlieren zwei Prozentpunkte auf nun 43 Prozent. Die FDP liegt unverändert bei 7 Prozent. Für die SPD würden sich wie in der Vorwoche 27 Prozent der Wähler entscheiden, für die Grünen unverändert 8 Prozent. TNS Emnid befragte vom 27. Juni bis 4. Juli bundesweit 2555 Wahlberechtigte.
Schröder: "Merkwürdige Gruppierung"
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) schließt eine Koalition mit dem neuen Linksbündnis aus. "Ich werde nie etwas mit dieser merkwürdigen Gruppierung am linken Rand machen. Das können Sie als völlig ausgeschlossen annehmen", sagte Schröder am Dienstag bei der Vorstellung des SPD-Wahlprogramms in Berlin.
Schönbohm droht
Unterdessen droht Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) dem früheren SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine offen damit, ihn vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. "Der Sozialist Lafontaine sucht offenbar bei den Neo-Nazis seine Wähler", sagte Schönbohm der "Bild"-Zeitung. Wenn Lafontaine weitermache, "könnte das ein Fall für den Verfassungsschutz werden". Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, warf Lafontaine vor, am "rechten Rand Stimmen fischen" zu wollen. (fw/ddp/dpa)
Erstmal danke für die Bestätigung. Nur mit dem nachfolgenden Einschub deinerseits kann ich dann herzlich wenig anfangen.
Halten wir noch mal kurz die Geschehnisse der letzten Jahre unter Rotgrün fest. Da starten Schröder und Fischer mit vollmundigen Aussagen, erhalten dafür die politische Mehrheit in unserem Land und können letztendlich keines dieser Wahlversprechen auch nur im Ansatz erfüllen. Stattdessen wird die Sozialdemokratie und die Soziale Marktwirtschaft aufgekündigt. Im Lager der SPD kommt es auf Grund dieses Handels zu massiven Parteiaustritten und im Lager der Grünen wird jede diese Aktivitäten stumpf abgenickt. Ein Lafontaine verwirft sich mit dem Kanzler, aber anstatt innerpartlichen Widerstand zu leisten, zieht er sich lieber zurück. Ein wahrlich großartiges Demokratieverständnis, was ausgetretenen Mitglieder der SPD und Herr Oskar da an den Tag gelegt haben (von den Grünen durfte mal wohl eh nicht mehr erwarten). Und nun sollen Herr Oskar und die WASG die Rettung für Deutschlands Zukunft sein, wobei ein Teil der Wendehälse auch noch bis zum bitteren Ende die Politik Schröders mitgetragen hat? Ne ne, da hatten ja sogar ein Herr Merz oder ein Herr Seehofer innerhalb der Opposition mehr Arsch in der Hose.
Lassen wir die PDS mal aussen vor, denn immerhin ist sie zumindest ihren Aussagen treu geblieben, so muß man doch feststellen, daß auch gerade hier bei Ariva die Rotgrün-Fans ihren Vorbetern in Treue fest zu Seite standen. Obwohl schon recht frühzeitig fest stand, daß diese Politik wesentlich mehr Probleme bringt als sie löst, kamen als Verteidungselemente nur die Kohlschen Altlasten oder die Drohung unter Merkel wird es noch schlimmer. Wie geistreich und jetzt kann man sich ans neue Linksbündnis klammern, weil es doch so einfach ist, da man sich nicht mit dem eigenen Versagen (Totalvesagen) auseinandersetzen muß.
Und wenn das Linksbündnis dann auch zu den Totalversagern zählt, und davon kann man ausgehen, was kommt dann? Die KPD oder die KPDML, weil grundsätzlich Schuld hat ja doch eh Schwarzgelb.
Diesen Bericht habe ich von @montana geklaut.
http://www.ariva.de/board/225312
Alle schimpfen über PDS und WASG. Zeit für einen Grundkurs in linker Politik
http://www.zeit.de/2005/29/Linkssein
DIE ZEIT
29/2005
Was heißt links?
Alle schimpfen über PDS und WASG. Zeit für einen Grundkurs in linker Politik
Von Mathias Greffrath
Das Gespenst einer Links-Partei nimmt zweistellige Gestalt an, und Panik breitet sich aus – nicht nur bei Mandatsverteidigern, sondern auch bei der mittelständischen Intelligentzija. Monika Maron und Klaus Harpprecht schießen in der Welt Sperrfeuer mit Großkalibern: Nationalismus, Demagogie, Charakterfehler. Im FAZ-Feuilleton lesen wir Populistisches über »Lafontaines klotzige Villa in Saarlouis«. Und in der taz hält ein staatsalimentierter Kreativer das bloße Wort »Gewerkschafter« für ein Argument. Allenthalben argumentfreie Ausgrenzungsrhetorik. Vulgärmarxisten könnten jauchzen: Die Sinnlieferanten der »Neuen Mitte« vertreten wie auf Knopfdruck ihr Klasseninteresse – die Überflüssigen so billig wie möglich zu ernähren und den Lohn deutscher Putzfrauen von der Steuer abzusetzen, wie Peter Hartz es vorgeschlagen hat. »Die märchenhafte Gier der Mittelschichten« hat Peter Glotz das genannt.
Die Stigmatisierung der »Linkspartei« als extremismusverdächtige, unhippe Loser-Bewegung wird ihren Einzug ins Parlament nicht verhindern. Zu realistisch das Unsicherheitsgefühl in den unteren Rängen; zu tief bei allen Gewerkschaften die Überzeugung, den »strategischen Bündnispartner verloren« zu haben (DGB-Chef Sommer); zu populär die Großparole, mit der die neue sozialdemokratische Partei das ungenutzte Label »links« requiriert hat: Gerechtigkeit.
Angesichts derart heftiger Emotionen müssen wir wohl die alte Frage, was denn nun »links« im globalen Kapitalismus sei, noch einmal durchnehmen – zusammen mit der neuen, ob die frisch geschmiedete Formation mittelfristig eine Alternative zur SPD werden kann.
Was also ist »links«? Zunächst das Grundsätzliche: Die Emanzipation der unteren Schichten zum Bürger ist erst vollendet, wenn neben der Freiheit von politischer Willkür und der Gleichheit vor dem Gesetz auch die Solidarität zum Grundgesetz der Gesellschaft wird. In der Industriemoderne heißt das »organische Solidarität« (Émile Durkheim): An die Stelle von moralisch motiviertem »Eintreten für die Schwachen«, Almosen und Familienbanden tritt das reale Band der Arbeitsteilung, das die Gesellschaftsgenossen einander verpflichtet. Die Kämpfe der Arbeiterbewegung hatten deshalb das Recht auf Arbeit zum Ziel, ersatzweise die Vollbeschäftigung – weil nur diese die Macht des Kapitals balancieren und damit »bürgerliche Würde« schaffen kann. Das ist der Kern des linken »Egalitarismus« – und nicht Einkommenspunkte. Solidarität herrscht unter Gleichen. Arbeitslosigkeit oder verordnete »Beschäftigung« in einem öffentlichen Dienst zweiter Klasse schließt Millionen von Menschen aus der Gesellschaft selbstverantwortlicher Bürger aus – genauso wie ein Grundeinkommen für Arbeitslose.
Links ist – zweitens – ein Sozialstaat, der »einheitliche« Lebensverhältnisse garantiert (siehe Grundgesetz-Artikel 20, 72 und 106), nicht als »Wohltaten«, sondern als Voraussetzung der Demokratie. Nur, wenn Menschen frei von existenzieller Unsicherheit sind und frei, sich zu bilden, können sie politisch frei urteilen und handeln (das war der rationale Sinn des Dreiklassenwahlrechts). Aufgeklärte Bürger wie Walter Rathenau plädierten deshalb für eine strikte Verpflichtung der Großunternehmen auf das Gemeinwohl und die konfiskatorische Besteuerung von Einkommen, die nicht aus Erwerbsarbeit resultieren und »verdienstlosen Massenerben« – zugunsten der »munizipalsozialistischen« Einrichtungen und des öffentlichen Wohlstands. Solange die Lebenschancen des Einzelnen noch auf Erbe und Familie beruhen, haben wir das »menschliche Tierreich« des Marktes (Hegel) nicht verlassen, bleibt Demokratie also immer noch Aufgabe.
Und drittens hat die »linke« Idee von Fortschritt einen qualitativen Kern – auch darin nicht anders als die »bürgerliche«. Nach ihr dient Technik dazu, unnötige Arbeit abzuschaffen und die Arbeitszeit aller zu verkürzen, damit Zeitwohlstand entsteht: für kulturelle Betätigung, Dienst am Nächsten und die Heilung der Wunden, die Industrie und Kapital geschlagen haben. Diese Fortschrittsidee reicht von Campanella über Marx und Keynes bis ins Berliner Programm der SPD.
So weit die Basics. Für Linke gelten sie auch im Zeitalter der Globalisierung. Allerdings unter erschwerten Bedingungen: Die Exterritorialität der großen Unternehmen und Vermögen nimmt den Staaten die Steuersouveränität; die Nationalökonomien zerfallen in einen prosperierenden internationalen Sektor, einen schrumpfenden der lokalen Produzenten und einen wachsenden der Überflüssigen. Der globale Wettbewerb des Kapitals zieht die schrankenlose Konkurrenz der Arbeiter nach sich. Die Produktivitätsrevolutionen machen die technologische Arbeitslosigkeit chronisch. Die implizite Vision des neuen Vulgärliberalismus ist die naturwüchsige Entwicklung zum weltweiten Marktstaat, in dem die Politik nur noch die Funktion hat, die Sicherheit der Finanz- und Warenströme zu garantieren, die Kriminalität zu dämpfen, Basisqualifikationen zu vermitteln, ein Staat, in dem die Demokratie auf Akklamation schrumpft.
Links ist also zuoberst eine politische Re-Regulierung der Weltmärkte. Das ist inzwischen Allgemeingut: von Wolfensohn bis Attac, von Ratzinger bis Schröder. In der Praxis haben die Steuerleute des ökonomisch-ideologischen »Imperiums« Ansätze zur Behauptung der Bürgergesellschaft gegen den Markt erfolgreich verhindert. Wie man an Lafontaine sieht, kann schon die Absichtserklärung politisch tödlich sein. An einem Neuaufbau politischer Souveränitäten aber hängen auch die anderen Jahrhundertaufgaben: der Übergang zu erneuerbaren Energien, die Linderung des Bevölkerungsdrucks, die globale Bewirtschaftung von Natur, Wasser und Rohstoffen.
Nationale Rückzüge sind angesichts dessen reaktionär. Linke sind Universalisten, sie werden also dem gewaltigen Kapitaltransfer in die armen Länder nichts entgegensetzen, ihn im Gegenteil für höchst wünschbar halten – allerdings nur, wenn er den »globalen Süden« entwickelt und nicht zu einem weltweiten Verfall der Löhne und einem Abriss der Sozialstaaten bis auf die Grundfesten führt – und damit zum Substanzschwund der Demokratien. Nach Lage der Dinge wäre allenfalls ein sozialdemokratisches Europa fähig, den Aufbau transnationaler politischer Körperschaften voranzutreiben – aufgrund seines politischen Erbes, seiner entwickelten Staatlichkeiten, seiner guten Erfahrung mit der Delegierung von Souveränität. Und weil seine Bürger ihre historisch erarbeitete Lebensweise nicht aufgeben wollen.
»Europäisch links« wäre also eine Trippelstrategie: erstens kraftvolle Initiativen für eine neue internationale Finanz- und Handelsordnung, die es den Staaten wieder ermöglicht, Steuern einzunehmen – ein langfristiges Unternehmen, das wohl nur im Gefolge schwerster Wirtschaftskrisen angegangen werden wird. Zweitens: die nur mit westeuropäischem »Wohlstandsverzicht« zu erkaufende sozialpolitische Komplettierung Europas durch transnationale Sozial- und Versicherungssysteme, ohne welche die freie Mobilität von Arbeit und Kapital die Gesellschaften immer weiter spalten wird; dazu Großprojekte, die Arbeitsplätze und nachhaltige Zukunftssicherung schaffen (etwa ein Crash-Programm für erneuerbare Energien oder Verkehrsnetze, wie Jacques Delors sie 1991 vorgeschlagen hat). Beides setzte den Mut zu industriepolitischen Inititiativen und eine Rücknahme der überzogenen Deregulierung voraus. Hier läge die große Aufgabe für eine wiedergeborene europäische Sozialdemokratie. Sie könnte auch als einzige der Neuen Mitte die Opfer interpretieren, die dazu von ihr gebracht werden müssen: ein Tausch von Konsumerweiterung gegen Zukunftssicherung, eine dynamisch-konservative Bewahrung des »European Way of Life« und die Entfaltung wissenschaftlich-technischer Kreativität. Technik, mit der sechs Milliarden Menschen leben können, und Zeitwohlstand für die frühindustrialisierten Gesellschaften – das wäre die europäische Vision. Sie könnte sogar skeptische Jugendliche beleben.
Diese beiden grand left designs sind derzeit höchst unwahrscheinlich, denn sie rechnen nicht in Legislaturperioden, sondern mit Notwendigkeiten. Deshalb also der dritte Schritt: den gesellschaftlichen Spaltungstendenzen im nationalen Rahmen zu begegnen und dabei die Tür für ein modernisiertes Europa nicht zu schließen. Wo wäre also ein wahlkampftaugliches »linkes« Regierungsprogramm, das Wegmarken zu diesem Ziel setzen könnte? Seine Konturen liegen auf der Linie von Peter Bofingers Zehn-Punkte-Programm »Wohlstand für alle«, das eine Anleitung zum Bohren nahe liegender, gleichwohl dicker Bretter enthält: Koordinierung von Steuerpolitik und Sozialstandards in der EU; Senkung der Lohnnebenkosten und neue Steuern auf Körperschaften, Einkommen, Vermögen; Einbeziehung von Selbstständigen und Beamten in die Sicherungssysteme; vor allem: forcierte (notfalls kreditfinanzierte) staatliche Investitionen in Bildung und zukunftsfähige Infrastrukturen statt verpuffender Steuersenkungen; Subventionierung sozialversicherter Arbeitsplätze anstelle der Begünstigung von Tagelöhner-Jobs. Und schließlich: Lohnzuwächse nach der alten Formel »Produktivitätsentwicklung plus Inflationsrate«, damit der Binnenmarkt nicht weiterschrumpft. Die meisten dieser Punkte finden sich übrigens auch verstreut in den – noch nicht ganz homogenisierten – Überlegungen, die im Umkreis der WASG/PDS-Fusion angestellt werden.
Die nächste Stufe wäre dann eine allgemeine, sehr langfristig angelegte Arbeitszeitverkürzung, die dauerhaft mehr anspruchsvolle decent jobs schüfe anstelle von Dienstboten für High-Performer und unwürdiger Billigstarbeit. Die Voraussetzung dafür wäre ein Bildungssystem, das nicht nur besser qualifiziert, sondern die Menschen auch geistig befähigt, in der »freien« Zeit Tätigkeiten nachzugehen, die im humanistischen Menschenbild ohnehin weder dem Markt noch einer Staatsbürokratie unterworfen sein sollten: Kindererziehung, Altenpflege, kulturelle Eigentätigkeit. »Dreizeitgesellschaft« nannten die Grünen das einmal, und in den achtziger Jahren hielt selbst die CDU Kongresse ab, auf denen solches gedacht wurde.
Da kommt natürlich der Einwand: retro, politischer Gestaltungsgrößenwahn, kulturrevolutionäre Allmachtsfantasie. Vor allem: von den Verhältnissen, von Kulturindustrie, Sat.1 und anderen Individualisierungsmaschinen längst historisch überrollt. Da ist was dran. Aber »links« ist ein Langzeitprojekt. Und Fortschritt heißt, wie Diderot sagte: falsche Ideen vom Sockel stoßen und zu Unrecht gestürzte wieder draufstellen; oder, mit den aktuellen Worten von Michel Rocard: »Wir müssen uns wieder daran gewöhnen, Dinge zu sagen, die wir uns verboten haben – aus Angst, ausgelacht zu werden.«
In Erwartung einer Koalition also, die – in welcher Zusammensetzung auch immer – auf der Linie Agenda 2010/Hartz IV weitermachen wird (nebst einer Mehrwertsteuererhöhung – bekanntlich neben Staatsschulden der zweitstärkste Hebel indirekter Umverteilung), geht es nicht nur um das demokratische Minimalgebot, der steigenden Zahl von »Modernisierungs«-Verlierern eine parlamentarische Repräsentanz zu geben. Wichtiger wäre, darüber zu streiten, wie Gerechtigkeit organisiert werden soll, da wir sie offenbar nicht mehr durch Wachstum ersetzen können, und die sozialen Zukunftskonzepte – die außerhalb der Parlamente längst vorgedacht sind – in den öffentlichen Raum zu heben. Sagen wir ruhig: Nötig wäre ein parlamentarischer Arm von Attac und all den konzeptuellen Intellektuellen, die noch nicht abgeschnallt haben.
Nach Zusammensetzung und Perfomance der Newcomer, angesichts der gebrochenen innerparteilichen SPD-Dissidenten, des postmodernen Unernstes der Kulturlinken und ihrer Ferne zu den Ausdrucksformen und Sicherheitsbedürfnissen der kleinen Leute, ist die Erwartung, die neue Formation werde das leisten, nicht sehr hoch. Nur, auf Dauer ist ein Parlamentarismus unerträglich, der nicht auf der Höhe der realen Gegensätze ist – wie Niklas Luhmann es schon zur Wahl von 1998 anmerkte. In einem Parlament des 21. Jahrhunderts müsste eine Partei der nationalkapitalistischen Stärkung für den Weltkmarktkrieg mit einer Fraktion konkurrieren, die, auch gegen die kurzfristigen Wünsche und Beharrungen der Bürger, deren Zukunftsinteressen vertritt und die globalen großen Aufgaben angeht. Ob die neue »Linkspartei« bei einer solchen, politisch wünschenswerten und historisch notwendigen Spaltung (aller) Parteien und ihrer Neuordnung – sagen wir grob, zu einer Merz/Clement-Formation und einer Geißler/Nahles-Linie – eine Katalysatoren-Rolle spielen oder ob sie die gegenwärtige Erstarrung eher verstärken wird? Das wäre doch eine wirklich interessante Frage fürs politische Feuilleton.
Zurück an die »Basis«, denn da entscheidet es sich: Wer ist heute noch links? Nun, der sechzigjährige Attac-Aktivist, der auf die Frage, wie langfristig das gedacht sei, mit der »anderen Welt, die möglich« sein soll, antwortet: »Ach, Jahrhunderte.« Die junge Verkäuferin bei Karstadt, die sagt: »Ja klar, ich würde auch zehn Prozent weniger arbeiten für zehn Prozent weniger Lohn, wenn dafür zehn Prozent mehr eingestellt würden.« Der konservative Präsident des Sparkassen-Verbandes, der die Liberalisierungspolitik von IWF und EU kritisiert, weil er kleine Selbstständige und Staat in Gefahr sieht. Der Solar-Ingenieur, der im Übrigen meint, dass die Steuern da anfallen müssen, wo die Wertschöpfung am höchsten ist – also beim maschinenfixierten Kapital. Der mittelständische Unternehmer, der seine Steuerpflicht nicht exportieren kann. Die Eltern, die sich keine privaten Lehranstalten leisten können und wollen. Der promovierte, minijobbende Neo-Keynesianer ohne Sozialversicherung. Sie alle haben zurzeit keine parlamentarische Vertretung, sie alle haben einen Blick fürs Ganze. Und der ist nicht auf »links« beschränkt, sondern wahrscheinlich der kostbare säkulare Rest der alten Religion.
Linksbündnis überflügelt CDU im Osten
Rund zwei Monate vor dem geplanten Neuwahltermin ist der Vorsprung der bürgerlichen Oppositionsparteien auf ihre politischen Wettbewerbern erneut geschrumpft. Das ergibt der von Infratest dimap für die Tagesthemen ermittelte ARD-DeutschlandTrend. Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, würde die CDU/CSU demnach mit einem Wähleranteil von 42 Prozent klar stärkste Kraft. Allerdings muss sie erneut einen Verlust von einem Prozentpunkt im Vergleich zur Vorwoche hinnehmen. Die SPD käme wie in der Vorwoche auf 27 Prozent.
[Bildunterschrift: Wie würden Sie wählen, wenn am kommenden Sonntag der Bundestag gewählt werden würde?]
Die FDP hingegen gewinnt einen Punkt hinzu und käme damit auf acht Prozent. Im gleichen Umfang können die Grünen zulegen und erreichten damit neun Prozent der Wählerstimmen. Das so genannte "Linksbündnis" aus PDS und WASG bleibt ebenfalls konstant bei einem Stimmenanteil von elf Prozent. Alle anderen Parteien zusammen genommen würden drei Prozent erreichen.
Linksbündnis stärkste Kraft im OstenIn den neuen Bundesländern ist dagegen das Linksbündnis derzeit stärkste politische Kraft: 31 Prozent der Ostdeutschen würden sich für die PDS/WASG entscheiden, ein Punkt mehr als in der Vorwoche. Die CDU büßt drei Punkte ein und genießt nur noch bei 29 Prozent Rückhalt. Die SPD läge bei 25 Prozent, die Liberalen bei sechs Prozent und die Grünen bei vier Prozent. Alle drei Parteien können jeweils einen Punkt hinzu gewinnen.
[Bildunterschrift: Sonntagsfrage:Ergebnisse des Linksbündnisses PDS/WASG]
Anders das Bild in Westdeutschland. Dort ist die Union trotz eines Minus von einem Punkt mit 45 Prozent mit großem Abstand stärkste Kraft. SPD (27 Prozent), Grüne (10 Prozent) und PDS/WASG (7 Prozent) halten ihren Wähleranteil stabil. Die FDP verbessert sich um einen Punkt und würde jetzt acht Prozent der westdeutschen Wähler hinter sich bringen.
Unions-Steuerpläne gehen in die falsche RichtungAm letzten Montag stellte die Union ihr Wahlprogramm vor. Kernstück ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent bei gleichzeitiger Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4,5 Prozent. Diese Senkung der Lohnnebenkosten soll für mehr Beschäftigung sorgen.
Die Bevölkerung beurteilt dieses Vorhaben der Union skeptisch: Zwei Drittel (66 Prozent) sagen, diese Pläne gehen in die falsche Richtung. Lediglich ein knappes Drittel (30 Prozent) sieht die Union damit auf dem richtigen Weg.
[Bildunterschrift: Angenommen, die Union und die FDP gewinnen die vorgezogene Bundestagswahl und Angela Merkel wird Kanzlerin...]
Geringe Erwartungen an eine bürgerliche RegierungDie Erwartungen an eine Bundesregierung aus Union und FDP mit einer Kanzlerin Angela Merkel an der Spitze sind relativ gering: Nur ein Drittel (31 Prozent) glaubt, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt nach einem Regierungswechsel verbessern würde. Mit einer Entlastung bei Steuern und Sozialabgaben nach einem Regierungswechsel rechnet nur ein Fünftel (22 Prozent). Keine Bevölkerungsgruppe traut einer Merkel-Regierung mehrheitlich zu, dass sie in den abgefragten Bereichen eher Erfolge erzielen kann als Rot-Grün.
Große Koalition besser als Schwarz-Gelb oder Rot-GrünAuch wenn die Wahlberechtigten eine bürgerliche Koalition für die wahrscheinlichste zukünftige Regierungszusammensetzung halten, ist eine relative Mehrheit von 43 Prozent der Ansicht, dass eine große Koalition aus SPD und CDU/CSU am besten für die Republik wäre. Lediglich 29 Prozent glauben, dass ein Bündnis aus Union und FDP das Land am ehesten nach vorne bringen könnte. Einer Neuauflage der amtierenden Regierungskonstellation trauen dies nur 16 Prozent zu.
[Bildunterschrift: Welche Zusammensetzung der künftigen Bundesregierung wäre Ihrer Meinung nach am besten für Deutschland?]
Auch die SPD- und Grünen-Anhänger sind nicht von einer Fortsetzung von Rot-Grün überzeugt: 54 Prozent der SPD-Anhängerschaft favorisieren ein Zusammengehen mit der Union, lediglich 38 Prozent die amtierende Koalition. In den Reihen der Grünen sprechen sich insgesamt mehr Anhänger für einen Wechsel zu Gunsten einer großen (40 Prozent) bzw. einer schwarz-gelben Koalition (9 Prozent) aus, als für die Fortführung von Rot-Grün (42 Prozent).
Fast alle Politiker mit AnsehensverlustenIn dieser Woche musten fast alle Politiker Ansehensverluste hinnehmen. Beliebtester Politiker bleibt trotz eines Minus von drei Prozentpunkten gegenüber der Vorwoche Bundespräsident Horst Köhler mit 69 Prozent. Populärster Parteipolitiker ist trotz starker Verluste weiterhin Außenminister Joschka Fischer mit 59 Prozent Zustimmung (-4). Erst mit großem Abstand folgt CDU-Chefin Angela Merkel mit 40 Prozent (-3), knapp vor Gerhard Schröder mit 39 Prozent (-3). Hinter dem Kanzler liegt der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber mit 37 Prozent (-2).
Am unteren Ende der Rangliste liegt der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle (23 Prozent, -2) nahezu gleichauf mit den beiden Spitzenkandidaten des so genannten Linksbündnisses Gregor Gysi (24 Prozent, -1) und Oskar Lafontaine (22 Prozent, +4).
In den neuen Bundesländern sieht das Bild wie auch bei der Sonntagsfrage ganz anders aus. Dort rangiert Gysi auf Platz drei. Er konnte seinen Rückhalt binnen Wochenfrist deutlich steigern, so dass im Ergebnis mehr als die Hälfte der Ostdeutschen seine Arbeit positiv beurteilt (54 Prozent). Der zweite PDS/WASG-Spitzenkandidat, Lafontaine, hat deutlich weniger Rückhalt (30 Prozent).
Grafik: Politikernoten in den neuen Ländern]
Ergebnisse vom 14. Juli 2005
.Deutschlandtrend: Union verliert [Jörg Schönenborn, Köln]
.Stand: 15.07.2005 10:04 Uhr
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Was bringt die neue Linkspartei?
Lafontaine und Gysi sorgen mit der neuen Linken für Aufsehen - steht Deutschland ein Linksruck bevor?
Der ehemalige SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine will mit der Linkspartei in den Bundestag einziehen. Diskutieren: Linkspartei, frischer Wind oder Populismus?
Spitzensteuersatz rauf, weg mit Hartz IV, her mit Lohnerhöhungen und besserem Kündigungsschutz. Oskar Lafontaine und Gregor Gysi greifen als Spitzenkandidaten der "Linkspartei", also des Wahlbündnisses aus Ex-PDS und “Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ (WASG), tief in die sozialpolitische Trickkiste und fordern mehr staatliche Fürsorge. Das Wahlprogramm kommt bei vielen gut an – aktuelle Umfragen sehen das Bündnis sogar als stärkste politische Kraft in Ostdeutschland. Geht demnächst ein Linksruck durch die gesamte Gesellschaft?
Für Kritiker der neuen Linkspartei, wie z.B. den SPD-Abgeordneten Stephan Hilsberg, stehen die Spitzenkandidaten von WASG und PDS hingegen für das “alte Prinzip der DDR: Soziale Wohltaten versprechen und in der Gosse enden“. Zudem setzt sich Lafontaine durch seine fragwürdigen Äußerungen über “Fremdarbeiter“ der Kritik aus, mit rechtspopulistischen Tönen Wahlkampf zu betreiben.
Was ist dran an der neuen Linkspartei? Ist das echte Aufbruchsstimmung, die sie antreibt, oder gehen Lafontaine und Gysi nur mit ebenso großen wie leeren Versprechungen auf Stimmenfang? Müssen die etablierten Parteien vor der neuen Linken zittern? Die Frage spaltet die AOL-Mitglieder am Pinboard in zwei Lager. Beide sollen hier zu Wort kommen.
Dafür: Die etablierten Parteien schaffen es nicht
"Gockl" will die neue Partei wählen:
"Eine neue Partei mit zwei Spitzenkandidaten. Vielleicht gelingt ihnen das, was den etablierten Parteien nicht gelang. Nämlich Arbeitsplätze schaffen. Und damit endlich den Leuten, die ohne Arbeit sind, wieder eine Chance zu geben. Mit den Kapitalisten ist das nicht zu schaffen, wie jeder ja bisher feststellen musste. Ich werde diese Partei wählen, damit die Umverteilung wieder gerecht wird ...“
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Dagegen: Reine Bauernfängerei
"HartmutFraeder" hält die Spitzenkandidaten nicht für regierungswürdig:
"Da glauben doch tatsächlich welche, dass die neue Linkspartei die große Hoffnung ist! Nur weil sich zwei Populisten zusammengetan haben. Der eine (Oskar L.) fischt im rechten Teich und der andere (Gregor G.) fischt im linken Teich. Beide sind schon einmal vor ihren Aufgaben davon gelaufen und wissen, dass sie sowieso nicht an die Regierung kommen."
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Diskutieren: Linkspartei, frischer Wind oder Populismus?
AbstimmungMüssen die etablierten Parteien vor der Linkspartei zittern? Ja. Die Linkspartei wird in den Bundestag einziehen und für frischen Wind in der deutschen Politik sorgen.
Nein. Lafontaine und Gysi klopfen zwar große Sprüche, werden sich im politischen Alltag aber schnell aufreiben.
Ich bin nicht sicher.
DDR-Mief in Dosen
So schlecht wie ihr Ruf seien Ostprodukte nicht gewesen, wirbt Internet-Händler Jahn auf seiner Webseite. Doch kaum etwas riecht schlechter als sein neustes Produkt: konservierte Trabi-Abgase.
Eisenhüttenstadt - Zu DDR-Zeiten war der Mief des tuckernden Zweitaktmotors allgegenwärtig, heute weht nur noch selten der Duft des Zwickauer Trabanten durch die Straßen der Republik. Die letzten Exemplare des Ost-Autos erregen heute Aufsehen, werden sorgfältig gepflegt und auf kultigen, internationalen Treffen vorgeführt.
Die Ostalgie-Bewegung kommt dem Unternehmer Thorsten Jahn im brandenburgischen Eisenhüttenstadt gerade recht. Der 33-Jährige macht den DDR-Mief zu Geld: Seit etwa einer Woche verkauft er Abgase des Kultmobils in Blechdosen. Die Produktion der exklusiven Ware ist einfach. Jahn und seine Mitarbeiter halten einen Wattebausch vor das Abgasrohr ihres Trabanten, treten kräftig aufs Gas und verpacken die mit Rußpartikeln und Gestank gesättigten Bällchen in Blechbüchsen.
"Die Luft des Ostens" erläutert das Etikett den Inhalt der Dose, über einem Trabanten prangt die Knutschszene von Leonid Breschnew und Erich Honecker. Das Arrangement kostet 3,98 Euro, plus Portokosten in fast derselben Höhe, denn die Ostluft vertreibt Jahn über seinen Internethandel "osthits.de". Bislang hat er immerhin mehr als hundert Dosen verkauft, im Lager warten weitere 1800 auf zahlungsfreudige Liebhaber schlechter Luft oder unverbesserliche Ostalgiker.
Bis nach Italien hat der gelernte Stuckateur bereits Dosen mit stinkendem Inhalt geschickt. "Auch Anfragen aus Kanada liegen vor", sagt er. Mit der kuriosen Geschäftsidee will Jahn den einst zu DDR-Zeiten ständig präsenten Geruch vor dem Vergessen bewahren.
danach beurteilen ob es sich um frischen Wind handelt
gruß Maxp.
was wir nicht brauchen, sind neunmalkluge privatiers im saarschlösschen,
die die kreativen und tüchtigen ins ausland treiben und die restliche kohle
solange im kreis rumverteilen, bis sie wirklich wieder eine mauer bauen und zölle einführen müssen.
so wie zur Zeit ist,nützt sie nur Wenigen.
Der Staat kann nicht unbegrenzt weiter Wohltaten verteilen.
Den Schaffenden hierzulande wird jetzt schon bis zu 50% am Monatsende abgenommen und Oskar will noch einen drauflegen...
ich sag' dir mal, wie ich das sehe: meinem nachbarn mit ms möchte ich gern jeden steuergroschen von mir persönlich in die hand drücken, und dicke was dazu - weil ich da weiss wer es bekommt und dass der echt nicht mehr kann - meine "geschwister" im osten kenne ich mittlerweile "zu" gut - was mich betrifft: keine müde mark mehr.
sollen sie doch meckpomm zur neuen ddr machen - ich zahl' ihnen als anschub gern ein jahreseinkommen, wenn ich danach aber bitte nie wieder von ihnen höre.
was ich definitiv ablehne, ist das prinzip kohle anonym -am besten von irgendwelchen amtsheinis- an jedermann zu verteilen.
Umverteilung heisst für dich,Geld für Faulenzer ?
Geht es dir sonst gut?
Wenn zb Die Daxunternehmen-das Wachstum dazu benutzen keine
Arbeitsplätze zu schaffen sondern höhere Dividenden zahlen,
stimmt was nicht mit der Umverteilung.
Mein Rat Brockerboy weniger Bildzeitung und Stammtisch und du
kommst auch noch dahinter.
Gesamt 11%
Ohne Zusammenschluß
WSAG ca 2%
PDS ca 4-5%
Beide Parteien wahrscheinlich nicht im Bundestag.
Jetzt werden 60 - 70 Abgeordnete der Linkspartei den Bundestag munter machen.
ein undurchdachter murks eben - das kompliment mit dem stammtisch gebe ich gern zurück.
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit
Von Claus Christian Malzahn
Der Populismus der Linkspartei könnte zum entscheidenden Faktor bei den Bundestagswahlen werden. Die übrigen Parteien sind ratlos, wie sie mit Lafontaine und Gysi fertig werden sollen. Wie wäre es mit einer alten Parole?
Berlin - Dass die Union in diesem Jahr mit einer gelernten DDR-Bürgerin als Kanzlerkandidatin antritt, könnte man als Erfolg des deutschen Einheitsprozesses werten. Doch während Angela Merkel sich aufs Regieren vorbereitet, findet im Osten eine Abstimmung mit den Füßen statt, Wähler im Westen folgen im gemessenen Abstand. Die Linkspartei - also die PDS plus Lafontaine plus linke westdeutsche Gewerkschafter - steht in den Umfragen im Osten inzwischen auf Platz eins.
Wenn es Oskar Lafontaine und Gregor Gysi, den selbsternannten Apologeten der sozialen Gerechtigkeit, gelingen sollte, den Zuspruch stabil zu halten und als drittstärkste Partei in den Bundestag einzuziehen, hätte das erhebliche Folgen. Die Zersplitterung der deutschen Linken wäre zementiert, eine große Koalition zwischen SPD und Union im Herbst wahrscheinlich.
Von den Grünen bis zur CDU wird deshalb intern besprochen, was man diesem sozialpopulistisch befeuerten Aufwärtstrend entgegensetzen soll. Kaum ein Generalsekretär in Berlin denkt im Moment nicht über diese Dampfplauderer des Postsozialismus nach. Auf der Allee der Deutschen Einheit (die weder Lafontaine noch Gysi begehen wollten) springen die beiden nun abwechselnd aus dem Anzug - mal ganz links, mal rechtsaußen.
Es gibt kaum etwas, das im Wahlprogramm der PDS nicht versprochen wird. Grundrente und Mindestlohn, Weltfrieden und flächendeckende Förderung des Arbeitsmarkts. Wer die Linkspartei wählt, dem winkt offenbar ein soziales All-inclusive-Absicherungspaket zum Nulltarif. Doch ihr Angebot ist so seriös wie die Gewinnversprechen von Traumreisen, die man auf bunten Werbezetteln täglich im Briefkasten findet. Am Ende steht man wie nach einer Busreise ins Sauerland mit einer teuren Heizdecke da.
Der nebenbei bemerkt bereits 30 Jahre alte Vorschlag einer Steuer auf internationale Devisentransaktionen ist national gar nicht durchsetzbar - was erklärt, warum diese Forderung das Stadium einer unausgegorenen Idee nie verlassen hat.
Ebenso realitätsfern ist das Verbot von Aktienoptionen für Manager. Dafür stimmt das Feindbild: Die PDS will eine "Umverteilung von oben nach unten", wer mehr als 60.000 Euro im Jahr verdient, gehört zum Klassenfeind und soll kräftig löhnen. Der Spitzensteuersatz in Gysi-Land liegt bei 50 Prozent.
Finanzierungsprobleme für das gesundheits-, arbeitsmarkt- und bildungspolitische Paradies gibt es natürlich nicht. "Nach unserem Steuermodell sind Mehreinnahmen von 60 Milliarden Euro möglich", heißt es auf Seite 23 des gültigen Wahlprogramms allen Ernstes - Hallelujah.
Merkwürdig nur, dass die PDS ihre Vorstellungen auch dann nicht umsetzt, wenn sie an der Macht ist. In Berlin propagiert sie als Regierungspartei im Senat einen strikten Sparkurs. Auch in Mecklenburg-Vorpommern ist das Paradies bisher nicht ausgebrochen. Kein Wunder: Bei Gysi und Lafontaine handelt es sich um politische Fahnenflüchtige. Lafontaine nahm im März 1999 nicht etwa wegen des aufziehenden Krieges im Kosovo Reißaus. Er schmiss die Ämter hin - Parteivorsitz und Bundesfinanzminister -, als er begriff, dass sein linker Keynesianismus in Zeiten der Globalisierung so tauglich war wie eine Kneifzange bei der Reparatur einer defekten Computerfestplatte.
Auch Gregor Gysi ging der Wirklichkeit aus dem Weg, als es ernst wurde. Offiziell begründete er seinen Rücktritt im Sommer 2002 als Berliner Wirtschaftssenator im Nachgang der Bonusmeilenaffäre. Tatsächlich kapierte er, dass der rot-rote Senat in der Hauptstadt keine Segnungen mehr unters Volk bringen konnte. Gysi und Lafontaine eint nicht ähnlicher politischer Gestaltungswille - sondern die Feigheit vor der wirtschaftspolitischen Realität. Warum so eine politikferne Haltung vom Wähler belohnt wird, ist die eigentlich spannende Frage.
Sehnsucht nach alten Zeiten und einfachen Rezepten
In der Geschichte der Bundesrepublik gingen Demokratisierung, Staatsquote und soziale Segnungen immer Hand in Hand. Schon Kanzler Konrad Adenauer erkaufte sich die Zustimmung zur Westbindung beim Volk mit der Einführung der dynamischen Rente. So erscheint es logisch, dass in wirtschaftlichen Krisenzeiten auch die Vernunft ins Stolpern kommt. Hinter dem Zuspruch zur Linkspartei steckt - paradoxerweise in Ost und West - eine weitverbreitete Sehnsucht nach alten Zeiten, einfachen Antworten. Doch das erklärt noch nicht alles. Der Erfolg der Linkspartei ist - wie zuvor der Erfolg der PDS - auch ein Versagen der übrigen Parteien.
Die rot-grüne Regierung hat zwar die Notwendigkeit der übrigens von Helmut Kohl verschlafenen Reformen deutlich gemacht und erste Schritte zur Umsetzung in die Wege geleitet. Sie wird dafür vermutlich mit dem Machtverlust bezahlen. Hinter der Agenda 2010 steckte aber auch eine unausgesprochene, dennoch deutliche Botschaft an die Arbeitslosen, die Unterbezahlten, die Sozialhilfeempfänger - die man eben in wachsender Zahl im Osten trifft. Sie lautete: Kümmert Euch um Euch selbst, wir werden es nicht mehr tun.
Eine solche - versteckte - Agenda ist weder sozial noch besonders demokratisch. Die Botschaft hätte sein müssen: Es wird Einschnitte geben, der Staat muss sich zurückziehen, aber wir lassen Euch nicht im Stich! Denn wenn der Staat die Suppenküche nicht mehr bezahlen kann, ist die Suppe noch lange nicht überflüssig. Es geht nicht um Sozialabbau, es geht auch nicht um die Herstellung einer Zwei-Drittel-Gesellschaft zugunsten der "Reichen", die inzwischen übrigens fast alle Parteien als plakatives Neidobjekt entdeckt haben.
Es geht in dieser Republik vielmehr um Gerechtigkeit zwischen den Generationen - und um die Frage, wie viel staatliche Alimentierung in den Zeiten knapper Kassen noch möglich und den Einzahlern zuzumuten ist.
Dennoch: Florida-Rolf kann keine Ausrede für Besserverdiener sein, sich nur noch um sich selbst zu kümmern. Es gibt in diesem Land, gerade im Osten, inzwischen wieder echte Armut, auf jeden Fall viele Menschen, die Hilfe zur Selbsthilfe benötigen. Dieses Prinzip der Eigenverantwortung ist in der SPD leider im Laufe der Jahrzehnte verschüttet worden. Höchste Zeit, es wieder hervorzuholen.
Denn die Bundesrepublik braucht heute keine Sozialisierung von Produktionsmitteln, wie sie die alte Linke noch immer blindwütig zur Lösung der Probleme vorschlägt, sondern eine Vergesellschaftung sozialer Verantwortung. Im wirklichen Leben gibt es das bereits: Jugendzentren, die sich über Sponsoren finanzieren, private Vereine, die sich um Kinder kümmern, die sonst auf der Straße säßen. In den USA nennt man das Charity, bei uns war das lange als Wohlfahrt verpönt: Soll sich doch der Staat drum kümmern.
Doch die überschwängliche Hilfe nach der Tsunami-Katastrophe hat bewiesen, dass Solidarität für die Deutschen keine Haltung ist, die sie nur delegieren wollen. Diese Bereitschaft zur Hilfe gibt es auch nach innen. Man muss den Leuten nur sagen, wo sie helfen sollen. Das wäre eigentlich Aufgabe der Bundesregierung oder der Parteien gewesen. Aber die haben sich nicht getraut, weil sie Angst davor hatten, "staatlichen Rückzug mit einer Wohlfahrtsoffensive zu verbinden", wie eine Führungsfigur aus dem Regierungslager es kürzlich formulierte.
Gysi und Lafontaine greifen das politische Gefüge dieser Republik an. Weil Populismus nicht verboten ist, ist das ihr gutes Recht. Gefallen lassen muss man sich die Attacke freilich nicht. Auf die gefühlte Politik der Linkspartei sollte man laut und deutlich mit den Idealen der Aufklärung antworten: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Sozialistische Gleichmacherei war damit ebenso wenig gemeint wie die Freiheit, möglichst rücksichtslos drauflos zu wirtschaften. Im Gegenteil. Wenn die Gleichheit in Gefahr ist, haben wir die Freiheit zur Brüderlichkeit. Was aber Gysi und Lafontaine anstreben, ist nicht Gerechtigkeit, sondern einfach mehr Staat - und der billige Triumph der Talkshow.
gruß Maxp.
Bisherige Ergebnisse
69% Ja. Die Linkspartei wird in den Bundestag einziehen und für frischen Wind in der deutschen Politik sorgen.
25% Nein. Lafontaine und Gysi klopfen zwar große Sprüche, werden sich im politischen Alltag aber schnell aufreiben.
4% Ich bin nicht sicher.
Gezählte Stimmen: 13995
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