Grabenkrieg um die Erinnerung (JF)
Seite 1 von 3 Neuester Beitrag: 14.11.05 23:56 | ||||
Eröffnet am: | 29.06.04 01:04 | von: proxicomi | Anzahl Beiträge: | 63 |
Neuester Beitrag: | 14.11.05 23:56 | von: DARWINISM. | Leser gesamt: | 8.102 |
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Grabenkrieg um die Erinnerung
Dieter Stein
Am 17. Juni, dem 51. Jahrestag des mitteldeutschen Volksaufstandes von 1953, brachten mehrere Abgeordnete von CDU und CSU einen bemerkenswerten Antrag in den Deutschen Bundestag ein. Die unter Leitung von Günter Nooke, einem der wenigen im Bundestag noch vertretenen DDR-Bürgerrechtler, erarbeitete Beschlußvorlage („Förderung von Gedenkstätten zur Diktaturgeschichte in Deutschland - Gesamtkonzept für ein würdiges Gedenken aller Opfer der beiden deutschen Diktaturen“) berührt einen zentralen deutschen Nerv: Wer hat die Deutungshoheit über die „Erinnerungskultur“?
Nicht erst seit dem legendären „Historikerstreit“ von 1986 entbrennt in regelmäßigen Abständen ein von Historikern, aber auch von Publizisten und Politikern geführter Kampf auf dem Feld Geschichtspolitik. Immer wieder neue Brückenköpfe sind umkämpft: Sei es der Begriff der „Singularität“, der „Befreiung“, der des „Totalitarismus“. Dabei wird die über weite Strecken seriöse Zeitgeschichtsforschung, die literarische Beschäftigung mit der Historie immer wieder in eine Bürgerkriegskonstellation hineingezogen, bei der es - mit dem vordergründigen Ziel der Schwächung des politischen Gegners - um eine „Rangfolge“ der Opfer geht. Wessen Verbrechen waren „ursprünglicher“, welcher Tat ging eine andere voraus, welche Vernichtungstechnik war „fabrikmäßiger“ (Vergasen, Erschießen, Verhungernlassen)? Waren die Verbrechen „rechter“ Diktaturen (Nationalsozialismus, Faschismus) schwerwiegender als die „linker“ Diktaturen (Kommunismus/Sozialismus)? Warum soll verglichen werden und warum nicht?
Beschämender Ausfluß dieses immer noch in unwürdiger Weise fortgeführten Grabenkrieges ist in Deutschland die stiefmütterliche Behandlung der Opfer der SED-Diktatur und des Kommunismus. Gedenkstätten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR müssen um jeden Euro feilschen. In einem erbitterten Kampf müssen sich Historiker in Sachsenhausen, Bautzen, Berlin-Hohenschönhausen, Buchenwald dagegen wehren, daß Stück für Stück die Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Diktatur marginalisiert und verdrängt wird. Überlebende der Gulags und der kommunistischen Vernichtungslager spielen in der öffentlichen Gedenkkultur kaum eine Rolle, während der zeitlich früher abgeschlossene Nationalsozialismus eine erdrückende Präsenz hat.
Im Bundestag wurde der Antrag der Unionsabgeordneten von den Vertretern der rot-grünen Regierungsparteien haßerfüllt zerrissen. Der Vorschlag, Opfern des NS, des Kommunismus, aber auch von Vertreibung und Bombenkrieg würdig nebeneinander zu gedenken, wurde als „Relativierung“ (Kulturstaatsministerin Christina Weiss), „Revisionismus“ (Claudia Roth von den Grünen) verunglimpft. Die Debatte, von der Fraktionsführung kaum unterstützt, fand am Abend des 17. Juni in einer auf eine halbe Stunde begrenzten Redezeit statt. Angela Merkel war nicht mehr anwesend. Nookes Antrag wurde an den Kulturausschuß verwiesen. Die meisten Medien haben zu diesem Vorgang geschwiegen - wir werden weiter berichten.
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gruß
proxi
"Gibt es irgendeine Möglichkeit zu unterbinden, dass proxicomi ARIVA als Plattform für die "Junge Freiheit" missbraucht?
:-( "
ist es nicht schlimm, das solche "gruppierungen" im bundestag sitzen, die linke geschichtsklitterung betreiben.
Im Bundestag wurde der Antrag der Unionsabgeordneten von den Vertretern der rot-grünen Regierungsparteien haßerfüllt zerrissen. Der Vorschlag, Opfern des NS, des Kommunismus, aber auch von Vertreibung und Bombenkrieg würdig nebeneinander zu gedenken, wurde als „Relativierung“ (Kulturstaatsministerin Christina Weiss), „Revisionismus“ (Claudia Roth von den Grünen) verunglimpft. Die Debatte, von der Fraktionsführung kaum unterstützt, fand am Abend des 17. Juni in einer auf eine halbe Stunde begrenzten Redezeit statt. Angela Merkel war nicht mehr anwesend. Nookes Antrag wurde an den Kulturausschuß verwiesen. Die meisten Medien haben zu diesem Vorgang geschwiegen - wir werden weiter berichten.
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gruß
proxi
überhaupt nicht interessiert !
Oder hat sie doch erkannt, dass wir wichtigeres zu tun haben, als uns damit zu befassen ?
es geht um ein linkes unrechtsregime und dessen taten. sowie um manche "deutsche" und deren schizophrener umgang mit zeitlich verschiedenen geschichtsereignissen.
"grüne" bundestagsabgeordnete hätten wahrscheinlich eine glänzende karriere in der ddr gemacht.
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gruß
proxi
Der Geist der Freiheit
Die Erinnerung an den 20. Juli 1944 zeigt die Verzwergung des Politischen heute
Doris Neujahr
Der 20. Juli ist im Kalender der Bundesrepublik ein fester Termin, doch in Wahrheit steckt er ihr wie eine Karpfengräte im Hals. Würde dieses Land, in dem schon das Ladenschlußgesetz als politischer Ernstfall gilt, sich an der Courage dieser Männer, die ihr Leben an die Rettung ethischer Werte gesetzt haben, ehrlich messen, müßte es zuerst die Verzwergung des Politischen und des geschichtlichen Denkens realisieren, die sich in ihm vollzogen hat.
Gewiß, als eine der Lehren aus dem 20. Juli wird die „Zivilcourage“ beschworen, doch diese bezeichnet nur die Fähigkeit, eine offiziell favorisierte Meinung beziehungsweise Haltung als Widerstand gegen Staat und Gesellschaft zu inszenieren und neben selbstgefälliger moralischer Überlegenheit auch noch in den Genuß staatlicher Subventionen zu kommen. Dieser Tag liegt quer zum Selbstverständnis dieser Republik, vor allem, weil die ethischen Überzeugungen, für die er steht, rückgebunden waren an einen deutschen Patriotismus.
Man wird den Männern des 20. Juli nur gerecht, wenn man sie in ihrer Widersprüchlichkeit und Entwicklung begreift. Viele entstammten den alten Führungsschichten, die sich nach 1933 nur zu gern im Opportunismus geübt hatten. Der Diplomat Ulrich von Hassell, einer der Mitverschwörer, vermerkte in seinem Tagebuch mit zunehmender Verbitterung, wie Militärs und Beamte sich durch Erfolge Hitlers oder durch Zuwendungen korrumpieren ließen. Die moderne Massengesellschaft war vielen innerlich fremd, die Mahnung Ernst Jüngers, um Erfolg zu haben, müsse man auch am Mikrofon stärker sein als Hitler, konnten sie kaum begreifen. Diesen schwachen Punkt hat Goebbels genau erfaßt, als er in seinem Tagebuch sinnierte, er selber hätte eine vergleichbare Aktion gewiß zum Erfolg geführt.
Politischen Strategen wie Moltke war deshalb klar, daß ein erfolgreicher Staatsstreich nur der Anfang von tiefgreifenden Umwälzungen sein konnte. Der 20. Juli und seine Vorgeschichte zeigen, daß Deutschland und seine Eliten zur Selbsterneuerung fähig waren. Ein breitgefächertes Bündnis aus Gewerkschaftern, Sozialdemokraten, Bildungsbürgern, Beamten, Geistlichen, preußischen Konservativen und Militärs hatte sich dazu zusammengefunden. In diesem Bündnis lag die Chance auf eine politische Umgründung Deutschlands bei gleichzeitiger Wahrung seiner inneren Kontinuität.
Über die Möglichkeiten, die ein erfolgreiches Attentat eröffnet hätte, kann man nur spekulieren. Bestimmt wären die Judendeportationen umgehend gestoppt, die KZs geöffnet, Prozesse gegen führende NS-Leute sowie Friedensbemühungen eingeleitet worden. Die bedingungslose Kapitulation wäre Deutschland kaum erspart geblieben, trotzdem hätte es sich in einer ungleich besseren Position befunden als im Mai 1945.
Dem „Wüstenfuchs“ Erwin Rommel wird von seinen Kriegsgegnern bis heute Respekt gezollt - hätten sie ihm den Posten als neuer Armeechef dauerhaft verweigert? Die beiden langjährigen KZ-Insassen Kurt Schumacher und Martin Niemöller sowie Bischof Clemens Graf von Galen, der „Löwe von Münster“, der todesmutige Brandreden gegen das Regime geschleudert hatte, wären sie als Vertreter eines neuen Deutschland ins Ausland gereist, um mit ihrer Person gegen die Kollektivschuldthese zu bürgen - hätten sie in der Öffentlichkeit nicht wenigstens ein Nachdenken ausgelöst? Vielleicht wären Teile Hinterpommerns und Niederschlesiens für Deutschland gerettet worden. Vielleicht.
Auf jeden Fall wäre der geistig-moralische Zusammenbruch nicht so total gewesen. Die Traditionen und Institutionen, die für das staatliche Leben ein notwendiges Korsett bilden, wären weniger stark zerstört und kompromittiert worden. Es hätte kein Gefühl der totalen Niederlage gegeben, das sich in einen nationalen Masochismus verwandelt hat, damit es überhaupt ertragen werden kann. Die selbstherrliche „anglo-amerikanische Geschichtserzählung über den Zweiten Weltkrieg“, die „den Triumph der freiheitlichen Zivilisation des Westens über seine totalitären Herausforderer ins Zentrum der historischen Erinnerung“ stellt (Richard Herzinger), wäre nicht so dominant geworden und hätte nicht das - vorläufige? - Ende des geschichtlichen Bewußtseins in Deutschland und den Anfang seiner kulturellen und geistigen Verödung markiert.
Das gescheiterte Attentat vom 20. Juli hat zu einer Verschiebung der innerdeutschen Machtverhältnisse geführt: Weg von den preußischen Eliten, die einst Stil und Geist des Staates bestimmt hatten, die nun teils ermordet und teils ihrer ökonomischen und lokalen Basis beraubt wurden, hin zum rheinischen und süddeutschen Bürgertum. Es war ein Grundfehler des Deutschen Reiches gewesen, diese Schichten nicht sofort nach 1871 in die politische Führung einbezogen zu haben. Die Korrektur fand nun als gewaltsamer Kontinuitätsbruch in einem immer noch jungen, seiner nie sehr sicher gewesenen Nationalstaat statt. Selbst Konrad Adenauer war zuletzt voller Sorge, ob die Bundesrepublik, deren wirtschaftliche Prosperität beispiellos war, für schwierige Zeiten nicht über zu wenig politische Substanz und Prägnanz verfüge. Tatsächlich droht die deutsche Wiedervereinigung sich zu einer Staatskrise auszuwachsen.
Wenigstens für die symbolpolitische Vakanz hat Gerhard Schröder wieder einmal Gespür bewiesen. Die Regierungsklausuren zur Reformierung des gen Oder ausgedehnten Rheinbundstaates finden im brandenburgischen Schloß Neuhardenberg statt, das nicht nur der Sitz des preußischen Staatskanzlers und Reformers war, sondern auch ein wichtiger Treffpunkt der Männer des 20. Juli. Noch bleiben solche medialen Inszenierungen ohne Konsequenzen. Vielen tonangebenden Kräften im Land scheint das Scheitern des 20. Juli und seine Spätfolgen insgeheim ganz recht zu sein. Man kann das unter anderem an der ausgebliebenen Restitution der enteigneten „Junker“ ablesen, darunter auch solcher, die wegen ihrer NS-Gegnerschaft enteignet und ermordet wurden. Dabei spricht ökonomisch und - angesicht der anhaltenden Landflucht aus der Ex-DDR - auch psychologisch nichts mehr dagegen. Offenbar soll verhindert werden, daß ein Traditionsbestand, der über den Horizont dieser umerzogenen Bundesrepublik hinausreicht, wieder einen regionalen Bezugs- und Ausgangspunkt erhält.
Andererseits sind heftige Suchbewegungen im Gange, weil jeder spürt, daß die Dinge so nicht weiterlaufen können. Es ist durchaus denkbar, daß sie schon bald bei dem Patriotismus, dem Opfersinn und dem Mut fündig werden, die am 20. Juli 1944 durch das Blut der Besten besiegelt wurden.
Sonderteil zum 60. Jahrestag des 20. Juli 1944 auf den Seiten 13-18
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gruß
proxi
„Patriot bis in den Tod“
Marianne Meyer-Krahmer, Tochter des Widerstandskämpfers Carl Goerdeler, über ihren Vater und den 20. Juli 1944
Moritz Schwarz
Frau Dr. Meyer-Krahmer, Ihr Vater, der als Leipziger Oberbürgermeister und Präsident des deutschen Städtetages in den dreißiger Jahren in ganz Deutschland bekannte deutschnationale Politiker Carl Goerdeler, gilt als der wichtigste Zivilist im Kreise des militärischen Widerstandes vom 20. Juli 1944. Doch während Graf Stauffenberg ebenso wie zum Beispiel die Geschwister Scholl zunächst noch an den Nationalsozialismus glaubten, führte der Konservatismus Ihres Vaters diesen schon in den dreißiger Jahren in die Gegnerschaft zu den Nationalsozialisten.
Meyer-Krahmer: Als Konservativer beharrte mein Vater unbedingt auf den Traditionen der Rechtsstaatlichkeit, ebenso wie auf dem Prinzip von Sitte und Anstand gegenüber jedermann. Als zum Beispiel die SA in Leipzig auf offener Straße Juden verprügelte, erschien mein Vater mit Polizei und ging dazwischen. Es war seine Stadt, das waren seine Bürger, und er fühlte sich für alle verantwortlich.
Heute wird ihrem Vater - im Zuge der immer wieder versuchten Diskreditierung des nationalkonservativen Widerstandes - gern seine autoritäre politische Haltung vorgeworfen.
Meyer-Krahmer: Mein Vater kam aus der Verwaltungslaufbahn und dachte als Kommunalpolitiker in den Kategorien einer effizienten Verwaltung. Im Chaos der Weimarer Republik setzte er auf eine autoritäre Lösung durch das Präsidialkabinett des Zentrum-Politikers Heinrich Brüning, für dessen Unterstützung er sogar mit seiner Partei, der DNVP, brach. Aus heutiger Sicht führte die Praxis der Präsidialkabinette scheinbar direkt zu Hitler - aus damaliger Sicht hätte sie auch ein Weg sein können, ihn zu verhindern. Seinen autoritären Ansatz verstand mein Vater nicht als Privilegierung, sondern als Form der Verantwortung gegenüber anderen.
Wie haben Sie Ihren Vater privat erlebt?
Meyer-Krahmer: Meine Geschwister und ich hatten einen liebevollen, zärtlichen Vater, einen, der uns in den Arm nahm, und zur Guten-Nacht küßte. Er war alles andere als kalt, weder war er ein familiärer Autokrat noch ein unnahbarer Märtyrer-Vater. Ich würde sagen, er hatte ein unmittelbares Gefühl für Gerechtigkeit. Über die Deportation der Leipziger Juden sagte er beispielsweise: „Wie kann ein deutscher Mann dem nur zuschauen, ohne zu weinen?“ Und die Behandlung der Polen im besetzten Generalgouvernement nannte er in einem Memorandum an damalige Generäle „teuflisch“. Das ist für mich das Entscheidende: Die Leute des 20. Juli sind dem Glanz des Nationalsozialismus nicht erlegen, sondern fragten, um welchen Preis dieser erkauft worden war, während sich das Volk - wenn ich es böswillig formuliere - fast „besoffen“ von den NS-Erfolgen zeigte.
Andererseits setzte auch Ihr Vater schließlich darauf, die revolutionäre Dynamik der Nationalsozialisten mit ihrer Fähigkeit zur Massenmobilisierung für die konservativ-autoritäre Stabilisierung des Staates nutzen zu können. So hat er als Oberbürgermeister und schließlich als Reichspreiskommissar nach eigenem Bekunden zunächst „vertrauensvoll“ mit der NSDAP zusammengearbeitet.
Meyer-Krahmer: Mein Vater war ein ganz praktischer Mensch. Sein Herkommen aus der Kommunalpolitik ließ ihn die Dinge weniger unter ideologischen als unter praktischen Gesichtspunkten betrachten. Unter diesem pragmatischen Aspekt sah er auch die Kooperation mit der NSDAP. Und in den ersten zwei Jahren nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten bestätigten erste Erfolge seine Annahme, er könne auch unter den neuen Machthabern etwas bewirken. Die tiefgreifenden Absichten der Nazis hat er damals noch nicht durchschaut.
Ihr Urteil über die Deutschen unter Hitler ist streng, gegenüber Ihrem Vater zeigen Sie jedoch viel Verständnis. Muß, was für den Bildungsbürger und gewandten Politiker Carl Goerdeler gültig ist, nicht erst recht für die einfachen Deutschen gelten?
Meyer-Krahmer: Das ist richtig. Aber es gab schließlich bei meinem Vater und den anderen Männern des 20. Juli einen stringenten Weg in den Widerstand. Heute wissen wir, daß jeder, der mit den Nationalsozialisten kooperierte, ihnen letztlich diente, auch wenn das nicht seine Absicht war. Damals aber war das ganz und gar nicht so klar. Quellen belegen zum Beispiel, daß sogar in den Reihen der SPD im Untergrund große Hoffnungen in die Regierungstätigkeit meines Vaters gesetzt wurden und auch die große Enttäuschung, als er schließlich resigniert aufgab. Oder denken sie an Carlo Schmid, der schrieb, man hätte im Prager Exil auf gepackten Koffern gesessen, weil man davon ausgegangen sei, Hitler halte sich sowieso nicht lange. Also nicht einmal bei der damals verfolgten SPD war man sich über die wahren Zustände im klaren. Wir Nachgeborenen haben heute leicht reden.
Einerseits hat Ihr Vater immer wieder gegen ungesetzliche Willkürmaßnahmen der Nationalsozialisten gekämpft, Juden, Sozialdemokraten und anderen geholfen, andererseits erklärte er sich grundsätzlich mit einer Segregation der Juden, also einer Art „Apartheid“, einverstanden, wenn diese nur nach rechtsstaatlichen Grundsätzen vor sich ginge.
Meyer-Krahmer: Ich gebe zu, daß mein Vater leider zu sehr einer rechtspositivistischen Einstellung verhaftet war, aber ich möchte die Kritiker fragen, welches andere Mittel, als das reine, formale Beharren auf Rechtsnormen mein Vater denn hatte, um sich gegenüber den Nazis für verfolgte Menschen einzusetzen? Seine rechtspositivistische Position hat wahrscheinlich weit mehr Menschen geholfen, als es mit einem moralischen Standpunkt, vor dem die Nationalsozialisten gewiß gar keinen Respekt gehabt hätten, möglich gewesen wäre. Man sollte zudem nicht vergessen, daß mein Vater ohne Not alles riskiert und schließlich sogar seinen Tod in Kauf genommen hat, obwohl er über lange Zeit, als alles danach aussah, als ob die Nazis wirklich tausend Jahre regieren würden, mit nur einer kleinen Geste Frieden mit den Machthabern schließen und Karriere hätte machen können.
In der Tat hätte es Ihr Vater mit gutem Gewissen bei seinem Engagement für die Verfolgten des Regimes bis zu seiner Amtsenthebung 1936 belassen können. Warum tat er den Schritt aus der Resistenz in den lebensgefährlichen aktiven Widerstand?
Meyer-Krahmer: Mein Vater war im Grunde - anders als ich - ein guter Patriot, so wie alle Beteiligten des 20. Juli 1944. Und zwar ein Patriot, bereit dazu für seines eigenes Volk zu leiden. Eine Bereitschaft, die wir heutzutage gar nicht mehr kennen. Ich glaube, meine Enkel würden in einer Situation wie damals eher sagen: „Laß uns nach London auswandern“, als hierzubleiben und unter Einsatz des eigenen Lebens etwas für Deutschland zu tun.
Das klingt wie ein Vorwurf - gleichzeitig betonen Sie selbst keine Patriotin zu sein?
Meyer-Krahmer: Nein, ich hänge nicht so an dem Land, in dem ich lebe, und erst recht verehre ich es nicht, wie das mein Vater tat.
Was meinen Sie mit verehren?
Meyer-Krahmer: Er glaubte daran, daß das deutsche Volk eine ihm eigene Würde besaß, die in den Werten zum Ausdruck käme, die er als typisch deutsche Tugenden bezeichnet hätte, wie zum Beispiel Ritterlichkeit oder Aufrichtigkeit. Er war furchtbar enttäuscht, als sich herausstellte, daß viel zu wenige bereit waren, für diese deutschen Tugenden einzustehen. Statt dessen richteten die Deutschen ihn und seinen Bruder Fritz hin und steckten seine Familie ins KZ.
Hätte Ihr Vater auch „die Deutschen“ formuliert, oder hätte er „die Nationalsozialisten“ gesagt?
Meyer-Krahmer: Ja, mein Vater wäre nicht so streng gewesen. Bis zum Schluß sagte er sich nicht von den Deutschen los, sondern fühlte sich ihnen - obgleich viele ihn für einen Verräter hielten - verbunden. Er war Patriot bis in den Tod.
Spüren Sie Verbitterung über die Deutschen wegen der Hinrichtung Ihres Vaters und Ihres Onkels sowie Ihrer KZ-Haft?
Meyer-Krahmer: Nein, aber es ist nun einmal Tatsache, daß uns die Amerikaner und nicht die Deutschen daraus befreit haben.
Heute wird in der offiziellen Erinnerung an den 20. Juli der Patriotismus der Widerständler nur allzu gern hinter der Formel „Aufstand des Gewissens“ versteckt.
Meyer-Krahmer: Es trifft zu, daß heute bei weitem unterschätzt wird, welche Rolle der Patriotismus für das Zustandekommen des Widerstandes spielte. Aber dieser Patriotismus existiert nun einmal heute nicht mehr. Schauen Sie sich doch nur die jungen Leute von heute an! Einer meiner Enkel arbeitet zum Beispiel in London, der andere würde gerne nach New York ziehen. Und diese Ungebundenheit ist doch auch schön! Warum sollen sie da noch eine besondere Bindung an ihr Land verspüren? Das kann man den jungen Leuten von heute nicht mehr abverlangen.
Also sollen die Männer des 20. Juli lieber nicht Helden der Deutschen sein?
Meyer-Krahmer: Ich halte es da mit Bertolt Brecht, der im „Galilei“ gesagt hat: „Unglücklich das Land, das Helden nötig hat.“
Und wer soll uns vor solchem Unglück bewahren?
Meyer-Krahmer: Wir müssen unsere Demokratie hüten, alle müssen mitarbeiten, alle passen auf! Schließlich haben wir heute eine freie Presse.
Die gab es vor 1933 auch.
Meyer-Krahmer: Und diesmal muß sie erhalten bleiben.
Wenn Sie keine Helden wollen, bedeutet das, daß Sie gegen überschwengliche Gedenkfeiern zum 60. Jahrestag des 20. Juli sind?
Meyer-Krahmer: Überschwenglich sollten die Feiern in der Tat nicht sein, aber ich bedauere, daß eigentlich nur zu runden Jahrestagen ein wirkliches öffentliches Interesse vorhanden ist und nicht in jedem Jahr. Das zeigt, daß den Deutschen der 20. Juli nicht wirklich wichtig ist, auch wenn heutzutage laut Umfrage die große Mehrzahl das Datum positiv bewertet, anders als in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik, wo die Feiern ohne innere Überzeugung zur politischen Imageaufbesserung instrumentalisiert wurden.
Könnte der Grund für dieses Desinteresse der Deutschen nicht sein, daß die Widerstandskämpfer eben eher als kühle unnahbare Moralphilosophen - erneut Stichwort „Aufstand des Gewissens“ -, denn als warmblütige deutsche Patrioten dargestellt werden. Da mag Bewunderung, wie aber soll Zuneigung und Begeisterung entstehen?
Meyer-Krahmer: In der Tat zeigt die Formel „Aufstand des Gewissens“ in mancher Hinsicht Abnutzungserscheinungen. Ich habe als Lehrerin meinen Schülern immer beizubringen versucht, sich auch um ihre Mitschüler zu kümmern - nicht als abstraktes moralisches Prinzip, sondern aus gefühlter und gelebter Solidarität heraus.
Sie sprachen von einer Instrumentalisierung des 20. Juli zur Imageaufbesserung der jungen Bundesrepublik. Gibt es auch heute eine Instrumentalisierung?
Meyer-Krahmer: Sehen Sie denn eine?
Sie haben selbst festgestellt, daß der historische Patriotismus der Männer des 20. Juli heute gerne unterschlagen wird - offensichtlich stört er einen Zweck.
Meyer-Krahmer: Der historische Widerstand muß eben für die heutigen Menschen auch verständlich formuliert werden.
Außer wegen seiner innenpolitischen Vorstellungen wird Ihr Vater auch wegen seiner außenpolitischen Konzepte heute gern kritisiert.
Meyer-Krahmer: Mein Vater wollte Krieg in Europa für alle Zeit verhindern und trat für die Europäische Union ein.
Allerdings unter deutscher Hegemonie.
Meyer-Krahmer: Eine Ansicht, die ich nicht teile. Allerdings meinte mein Vater diese Dominanz nicht imperialistisch, sondern sah in Deutschland ein europäisches Kraftzentrum, das sein natürliches Gewicht als Ordnungsmacht zum Wohle Europas in die Waagschale werfen sollte.
Seine außenpolitischen Gedanken werden heute gerne als dem Denken der Nationalsozialisten wesensverwandt dargestellt.
Meyer-Krahmer: Solche Kurzschlüsse sind leider nur allzu beliebt. Mein Vater dachte in den Kategorien historischer Tradition und politischer Verantwortung, das hat nicht das Geringste mit dem Blut- und Rassedenken der Nazis zu tun! Konservatismus und Deutschnationalismus waren etwas völlig anderes als der Nationalsozialismus. Heute werden wir von seiten des Auslands immer wieder gefragt: „Wo steht Deutschland?“ Da sehen Sie das andere Extrem. Deutschland kann eben seine Bedeutung nicht verleugnen, wie das heutzutage manchmal leisetreterisch versucht wird.
Am 12. August 1944 wurde Ihr Vater auf der Flucht gefaßt und verhaftet, am 2. Februar 1945 hingerichtet. Der Historiker Hans-Adolf Jacobsen behauptete 1961, er habe sich in Haft von seinen Kameraden mit den Worten „Wir haben den 20. Juli als Gottesurteil zu achten ... (und nunmehr die Pflicht) ... hinter den von Gott geretteten Führer zu treten“ losgesagt.
Meyer-Krahmer: Bitte? Diese Äußerung ist mir völlig unbekannt. In Hans Mommsens Edition „Politische Schriften und Briefe Carl Goerdelers“ (Saur-Verlag, 2003), kommt dieser Satz, geschweige denn solch ein Denkansatz, nicht vor. Angesichts der Gotteszweifel, die meinen Vater im Gefängnis plagten, halte ich zudem eine Formulierung wie „Gottesurteil“ und „von Gott gerettet“ für nicht plausibel. Für Diskussionen sorgte vielmehr die Kritik meines Vaters am Attentat auf Hitler, weil er die neue Zeit nicht mit einem Mord beginnen wollte. Er setzte auf einen Staatsstreich durch Verhaftung des Diktators. Allerdings stellte er sich trotz der Vorbehalte immer unbedingt vor Oberst Graf Stauffenberg und dessen Kameraden: „Sie sind alle keine Verräter! Sie wollten ihr Vaterland retten!“
Foto: Carl-Friedrich Goerdeler vor dem Volksgerichtshof: Der populäre deutschnationale Politiker der Weimarer Republik gilt als Kopf des konservativ-bürgerlichen Widerstandes und wichtigster Zivilist in den Reihen der Männer des 20. Juli. Geboren 1884 im Westpreußen, wuchs er in konservativem Beamtenmilieu auf. 1920 wurde der Jurist zweiter Bürgermeister in Königsberg, 1930 Oberbürgermeister von Leipzig, 1931 und 1934 zudem Reichspreiskommissar. Er saß im Vorstand der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) und war 1932 als Reichskanzler im Gespräch - ein Ministeramt in der Regierung von Papen schlug er aus -, ebenso wie später für die Zeit nach dem Sturz Hitlers. 1936 trat er aus Protest gegen die Judendiskriminierung zurück, ab etwa 1940 plante er den Staatsstreich. Am 12. August 1944 wurde er verhaftet, am 2. Februar 1945 in Berlin hingerichtet.
Dr. Marianne Meyer-Krahmer: Die Tochter des Widerstandskämpfers und Leipziger Oberbürgermeisters Carl Goerdeler wurde 1919 in Königsberg geboren. Auf Abitur und Arbeitsdienst folgte ein Studium der Geschichte. Nach dem 20. Juli 1944 kam die Familie in Sippenhaft und saß - zeitweilig zusammen mit dem überlebenden Stauffenberg-Bruder Alexander - in den KZ Stutthof, Buchenwald und Dachau. Nach 1945 wurde sie Lehrerin in Baden-Württemberg, schließlich Schulleiterin. Heute lebt sie in Heidelberg. 1989 veröffentlichte sie ihre Erinnerungen an ihren Vater: „Carl Goerdeler und sein Weg in den Widerstand. Eine Reise in die Welt meines Vaters“ (Herder-Verlag)
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gruß
proxi
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gruß
proxi
Wollte dich nicht erschrecken.....
Komm, wir chatten noch ein bischen?! Ja?
Würdest mir einen großen Gefallen tun!
Gruß
http://www.ariva.de/board/199625/..._talk&search_id=&search_full=&282
Den Rest können sich schon alle denken! ;-)
Gruß
Darf ich dir folgen, meine Held?
Übrigens habe ich den Text acuh noch in original-Verion...also nicht maulen! *gg*
Ich warte immer noch auf deine Freunde, die mich besuchen wollten! Wo sind sie denn nur? Hab auch noch andere Kleinigkeiten zu erledigen! ;-)
Gruß
Wenn chrimitz im Posting 14 behauptet "...keine [weitere ID] mehr, denn ich hab nur chrismitz!"
Dann ist das vielleicht sogar nicht gelogen. Doppel-IDs braucht er doch gar nicht! Schließlich kann er per ID-sharing jederzeit unter einer von hunderten Gemeinschafts-IDs des Ariva-Klans wählen.
Und das ist keine üble Lüge sondern ganz kosher, nicht wahr Ariel End?
Ganz im Gegensatz dazu die "schlimmen" Doppel-IDs der von Grund auf verdorbenen Normal-Arivaner! ( Oder soll ich sie gleich als Gojim bezeichnen? )
Wenn denen die Threads von der vermeintlich "auserwählten Ariva-Elite" zugemüllt werden, IDs und Threads grundlos gesperrt werden, dann sollen sie sich gefälligst wie brave Gaza-Bewohner einfach in ihr gottgegebenes Los fügen.
Da gibt es natürlich einige Verstockte, die sich nicht fügen wollen. Sie haben natürlich mitbekommen, was mit IDs passiert, die es wagen an der auserwählten Elite Kritik üben.
Sie meinen deshalb, daß da nur ein Weg möglich ist: Mit Wegwerf-IDs als Selbstmord-Poster möglich viel im Forum zu zerstören.
Und siehe da. In den Ariva-Foren läuft es genauso wie in Israel:
# Erst kommen Soldaten, die die Bevolkerung aus xyz-Gründen mit Maßnahmen schikanieren und demütigen müssen.
# Hilft es nicht, so die F17-Bomber mit Abwürfen der Schwarze Sterne. # Knicken die Aufmüpfigen nicht sofort ein, dann läßt PM Sharon seine Truppen mit Räumpanzern einmarschieren und Postings, Threads oder IDs platt machen.
Wer meint ihm sein Unrecht geschehen, der kann sich bei den Ariva-MetaMods beschweren. Die Erfolgsaussichten sind ungefähr genau so groß wie eine Klage gegen Israel in Den Haag.
Auf weitere trübe Zeiten in dem Ariva-Land mit den immer weiter eskalierenden Konflikten.
Und ja nicht auf die Gojim hören, sonst könnten die Konflikte abebben
ID: "Id für Alle" Passwort: "ohne"
Nach dem Motto: "Don't feed the trolls!" habe ich eigentl. schon zu viel geschrieben, aber keine Regel ohne Ausnahme und außerdem ist heute Sonntag, da kann man auch einmal ein bisschen Futter verteilen. ;-)
*hf!*
sofort gesperrt und
wer macht das am Sonntag?
fragt ein Berliner Müllmann, der jetzt
Txe fährt (Ich-AG).
Die Widerstandslüge
Von Dr. Fritz Stenzel
Es gibt kaum etwas Befremdlicheres als die Traditionspflege der Bundesrepublik Deutschland. Positive Geschichtsdaten - wie etwa die Reichsgründung - werden gar nicht oder nur am Rande vermerkt. Statt dessen konzentriert man sich geradezu manisch auf alles, was irgendwie für nationalmasochistische Bußübungen taugt. Für fast jedes NS-KZ hält der Kalender mittlerweile einen speziellen Gedenktag parat. Man betrauert Jahr für Jahr die NS-Bücherverbrennung ebenso pünktlich und umfassend wie die "Reichskristallnacht". Und neuerdings muß jeder 27. Januar zur Feier jenes Tages herhalten, an dem Stalins Truppen 1945 in Auschwitz einrückten.
Um gleich jedem Mißverständnis vorzubeugen: Nicht die Tatsache, daß regelmäßig der NS-Opfer gedacht wird, stört empfindsame Gemüter. Anstößig und peinlich wirkt die Schlagseite bundesdeutscher Gedenkkultur. Den Bürgern dieses Landes wird ein Geschichtsbild zugemutet, das von nationaler Identifizierung regelrecht abschreckt: Erhebende, freudige Ereignisse deutscher Vergangenheit bleiben zumeist ausgeblendet, während das Dritte Reich mit einer Ausdauer und Totalität "bewältigt" wird, als sei Hitler der wichtigste und überragendste Deutsche aller Zeiten. Sozialwissenschaftler sprechen von "negativer Identitätsstiftung". Was früher Volksgemeinschaft war, kommt heute als Schuldgemeinschaft daher.
Patrioten als Vorbilder für Nichtpatrioten?
Selbst der 20. Juli 1944, dessen 60. Jahrestag mit pompösen Feierlichkeiten ansteht, bringt kein Licht in die historische Dunkelhaft der Deutschen. Im Gegenteil. Der Rückblick auf das Stauffenbergsche Hitler-Attentat ist von Heuchelei, Verdrängung und Fehlinterpretation geprägt, so daß ihm keinerlei Trost innewohnt. Auf ihrer Suche nach wenigstens einem "guten" Gedenktag hat die deutsche Nachkriegspolitik den 20. Juli okkupiert, deformiert und ideologisch mißbraucht. Man vereinnahmte den toten Stauffenberg und seine Mitverschwörer zur geistig-moralischen Legitimierung der Bundesrepublik. Genau hingeschaut hat man dabei nicht.
Die Verschwörer um den Grafen von Stauffenberg verstanden sich als Patrioten. In ihrer Mehrzahl waren sie enttäuschte Nationalsozialisten. Sie hatten Hitlers Aufstieg begrüßt und sich selber am Aufbau des Dritten Reiches aktiv beteiligt. Erst nach und nach, bei den einen früher, bei den anderen später, stellte sich Enttäuschung ein. Vor allem die Kriegswende zuungunsten Deutschlands löste Zweifel an Hitlers Führungsqualitäten aus und ließ am Ende selbst "alte Kämpfer" nach Alternativen suchen.
Der SS-Gruppenführer und Leiter der Reichskriminalpolizei Arthur Nebe zählte schließlich ebenso zum Widerstand wie der SA-Obergruppenführer und Berliner Polizeipräsident Graf von Helldorf. Letzterer hatte die Judendeportationen aus der Reichshauptstadt organisiert; und Nebe wird vorgeworfen, 1941 als Führer der Einsatzgruppe B im Hinterland der Ostfront rund 45 000 Personen, meist Juden, getötet zu haben. Beide, Nebe und Helldorf, wurden nach dem Hitler-Attentat als Mitverschwörer hingerichtet. Bei den bundesdeutschen 20.-Juli-Feierlichkeiten werden sie regelmäßig ignoriert, weil sie nicht ins Klischee passen.
Noch stärker im Zentrum des Widerstandes bewegte sich Generaloberst Erich Hoepner. Er unterzeichnete am 20. Juli 1944 im Berliner Bendlerblock als selbsternannter "Oberbefehlshaber im Heimatkriegsgebiet" mehrere martialische Standrechtsverordnungen, mit denen die Verschwörer dem befürchteten Widerstand gegen den Widerstand vorzubeugen versuchten. Zur Begründung des Rußlandfeldzuges hatte Hoepner 1941 als Befehlshaber der Panzergruppe 4 seine Soldaten eingeschworen: "Es ist der alte Kampf der Germanen gegen das Slawentum, die Verteidigung europäischer Kultur gegen moskowitisch-asiatische Überschwemmung, die Abwehr des jüdischen Bolschewismus."
Zum Hitler-Hasser entwickelte sich Hoepner 1942, als er wegen militärischer Eigenmächtigkeiten seines Postens enthoben wurde. Nach gelungenem Attentat hätte er der neuen Regierung als Reichskriegsminister angehören sollen. Das wäre mehr als eine Rehabilitierung gewesen. Statt dessen erwartete ihn am 8. August 1944 der Henker.
Dem wäre er zwei Jahre später in Nürnberg möglicherweise auch zum Opfer gefallen, weil dort ein Dokument präsentiert wurde, in dem der Chef der Einsatzgruppe A, SS-Brigadeführer Stahlecker, die Zusammenarbeit mit Hoepner als "sehr gut, fast herzlich" lobte. Es ging um die Erschießung von 135 000 Personen ("partisanenverdächtige Elemente") im besetzten Teil der UdSSR. Vielen Wehrmachts-Generälen waren die Hinterlandaktivitäten der Einsatzgruppen suspekt; sie wollten möglichst wenig, am liebsten gar nichts damit zu tun haben. Hoepner war von solchen Berührungsängsten offenbar nicht geplagt.
In Verbrechen verstrickt?
Über Generalmajor Henning von Tresckow, eine der Zentralfiguren des Widerstands, berichtet der Historiker Professor Christian Gerlach, er habe Ende Juni 1944 eigenhändig befohlen, russische Kinder zur Zwangsarbeit zu rekrutieren ("Die Welt", 3.3.2004). Sein Mitverschwörer Oberst Rudolph-Christoph Freiherr von Gersdorff verteidigte laut Gerlach "noch 1959 die Tötung Hunderter sowjetischer Juden, da unter ihnen viele Agenten und Kriminelle gewesen seien". Letzteres deckt sich zwar mit den Aussagen anderer Zeitzeugen, paßt aber heute nicht mehr ins undifferenzierte Horrorbild von der "verbrecherischen Wehrmacht". Militäraktionen gegen Partisanen werden längst dem "Holocaust" zugeschlagen.
Eduard Wagner, ein anderer Kopf des Widerstandes, war als Generalquartiermeister des Heeres nicht nur für die Versorgung der Soldaten, sondern auch für die kriegsgefangenen Russen zuständig. In der Zeitgeschichtsliteratur wird er mit dem Satz zitiert: "Nichtarbeitende Kriegsgefangene in den Gefangenenlagern haben zu verhungern." Ähnlich soll sich Wagner hinsichtlich der Bevölkerung im eingekesselten Leningrad geäußert haben. "Es gibt kaum ein Großverbrechen im Osten, an dem Wagner nicht beteiligt war", urteilt Historiker Gerlach. Drei Tage nach dem gescheiterten Hitler-Attentat verübte General Wagner Selbstmord.
Und der Attentäter selber? In dem ARD-Fernsehfilm "Stauffenberg", im Februar dieses Jahres ausgestrahlt, wurde aus einem Brief Stauffenbergs an seine Ehefrau zitiert. Darin heißt es über die Bevölkerung Polens: "Ein unglaublicher Pöbel, sehr viele Juden und sehr viel Mischvolk. Ein Volk, welches sich sicher nur unter der Knute wohlfühlt."
Man kann über den Aussagewert solcher Zitate lang und breit streiten; Tatsache ist, daß in anderen Fällen harmlosere Äußerungen genügten, um Straßen, Schulen und Kasernen umzubenennen. 1995 wurde beispielsweise aus der Generaloberst-Dietl-Kaserne in Füssen die Allgäu-Kaserne, weil man an dem alten Namensgeber plötzlich eine NS-Gesinnung entdeckt hatte. Fraglos war Eduard Dietl kein Widerständler; aber Verbrechen finden sich in seiner Biographie nicht. Offenkundig wird auf die Teilnehmer des 20. Juli 1944 ein anderer Maßstab angelegt als an deutsche Soldaten und Offiziere, die bis zum bitteren Ende ihrer Eidespflicht nachkamen. Das mag auch einer der Gründe dafür sein, weshalb sich deutsche Kriegsveteranen mit der selektiven bundesdeutschen Gedenkkultur nie so recht anzufreunden vermochten.
Und noch etwas macht die alljährlichen Widerstandsfeiern unwahrhaftig: daß nämlich verschwiegen wird, welche politischen Ziele die Verschwörer durchsetzen wollten. An die Einführung einer parlamentarischen Demokratie war nicht gedacht. Das Reich sollte in eine Art Ständestaat übergehen, "eine Mischform zwischen der konstitutionellen Monarchie und der autoritären Diktatur" (Professor Hans Mommsen). Darin waren sich alle Verschwörer einig - von dem National-Konservativen Carl Goerdeler bis zum Sozialdemokraten Julius Leber. Man verachtete die "Gleichheitslüge" und forderte von der Nach-NS-Gesellschaft, sich vor den "naturgegebenen Rängen" zu beugen.
Heute Fall für den Verfassungsschutz
Eine Direktwahl von Abgeordneten sollte es nur auf unterster Ebene geben, dort, wo einigermaßen gewährleistet sei, daß "man weder einen Lumpen noch einen Phantasten wählt", wie es in den Papieren des Widerstands wörtlich heißt. SA und SS sollten als unerwünschte Wehrmachtskonkurrenz verboten werden, nicht aber die NSDAP. Deren wie überhaupt der Parteien Bedeutung wollten die Verschwörer allerdings deutlich verringern. Die Interessen des Volkes seien in besserer Hand bei den Repräsentanten der Berufsgruppen, bei Unternehmern, Gewerkschaften und Hochschullehrern. Kein "Parteiengezänk" mehr. Damit kämen Stauffenberg und seine Umsturzplaner heute schnurstracks in den Verfassungsschutzbericht - als Extremisten.
Außenpolitisch schwebte den Widerständlern eine deutsche Großmacht zur Führung Europas vor. Die Grenzen Deutschlands sollten die des Kaiserreichs von 1914 sein, dazu Österreich und das Sudetenland. Auch Kolonien wollte man von den Alliierten verlangen - und von Italien die Rückgabe Südtirols. Das waren Forderungen, die selbst Hitler nicht alle aufzustellen gewagt hatte. Eine Rückkehr zur Unrechtsordnung von Versailles - da waren sich Führer und Widerstand einig - sollte es unter keinen Umständen geben.
Naive Hoffnung auf alliierte Großmut
Im Unterschied zu Hitler hofften die Verschwörer jedoch, daß die Alliierten an einer Ausgleichslösung interessiert sein könnten. Sie ignorierten die schon im Januar 1943 ergangenen Beschlüsse von Casablanca: Dort hatte US-Präsident Roosevelt seine Verbündeten Churchill und Stalin darauf eingeschworen, daß es mit den Achsenmächten keine Friedens- oder Waffenstillstandsverhandlungen geben dürfe. Deutschland und seine Partner wurden zur bedingungslosen Kapitulation ("unconditional surrender") aufgefordert. Erst das veranlaßte Goebbels in seiner berühmten Sportpalastrede zur Propagierung des "totalen Kriegs".
Politisch waren die Verschwörer von frappierender Naivität. Für sie war Hitler der Dreh- und Angelpunkt allen Geschehens. Die alliierten Kriegsziele nahm man kaum zur Kenntnis. Dabei hatte Churchills außenpolitischer Chefberater Robert Lord Vansittart schon 1940 geschrieben: "Der Feind ist das Deutsche Reich und nicht etwa der Nazismus, und diejenigen, die das bislang noch nicht begriffen haben, haben überhaupt nichts begriffen." Deutschland sollte als machtpolitischer Faktor ausgeschaltet werden. Die Frage, wer in Berlin regiert, war zweitrangig. London ging es um die seit Jahrhunderten angestrebte "Balance of power": Keine europäische Kontinentalmacht sollte stärker sein als Großbritannien. Deshalb waren die deutschen Friedensangebote allesamt ausgeschlagen worden.
Als man 1944 in London von dem Attentat auf Hitler hörte, machte man sich über die Verschwörer lustig. Sie wurden als eine Clique verknöcherter Militaristen karikiert, die sich kurz vor der deutschen Niederlage ans rettende Ufer zu flüchten versuchten, um den nächsten Krieg vorzubereiten. Schon die ersten Versuche der Widerständler, mit der britischen Regierung in Kontakt zu kommen, hatte Vansittart mit einem hohntriefenden Fünfzeiler beantwortet:
"Litte Hans, in a tight corner, / Wondered what next he could try / So to look even littler / He bumped off his Hitler / And said 'What a good boy am I'." Auf deutsch in etwa: "Klein Hans, in enger Ecke, / überlegte, was er als nächstes versuchen könnte. / Um noch harmloser auszusehen, / brachte er seinen Hitler um / und sagte: ‚Welch guter Junge bin ich doch!'"
"Sie verteidigten ihr Grundeigentum"
An jener Einschätzung hat sich bis heute wenig geändert. Während die deutsche Politik die Verschwörer des 20. Juli 1944 als leuchtendes Vorbild hinstellt, schrieb beispielsweise die "New York Post" am 14.11.2003:
"Der deutsche Widerstand? Eine fast so große Lüge wie die Holocaustleugnung. Graf Stauffenberg und seine Aristokratenkollegen, deren ungenügender Versuch, Hitler 1944 mit einer Bombe zu töten, immer wieder als ein Beispiel deutschen Mutes zitiert wird, erhoben nie einen Finger gegen das Naziregime, bevor die Rote Armee sich ihrem ererbten Land in Ostpreußen näherte. Sie kämpften nicht für hohe Ideale. Sie verteidigten ihr Grundeigentum."
Offiziell werden solche Töne natürlich gemieden. Man will den deutschen NATO-Partner nicht brüskieren. Deshalb sind bei den 20.-Juli-Feiern in Berlin immer auch die Botschafter jener Staaten vertreten, die 1944/45 keine Sekunde gezögert hätten, eine Goerdeler/Stauffenberg-Regierung zu verhaften und auf die Anklagebank zu setzen. "Dafür spricht auch", meint der Historiker Eberhard Jäckel, "daß sich diese Regierung weithin aus Angehörigen der besonders verhaßten preußischen Offizierskaste zusammensetzte".
Mit anderen Worten: Man geniert sich nicht, posthume Loblieder auf Männer anzustimmen, die man zu ihren Lebzeiten verachtet und als Wurzel allen Übels betrachtet hatte. Ausgerechnet Churchill heuchelte nach dem Krieg, der Stauffenbergsche Putschversuch zähle "zum Edelsten und Größten, was in der politischen Geschichte aller Völker hervorgebracht wurde". Dagegen heißt es in einem US-Dossier vom 30. Juli 1944, Hitlers Überleben sei ein Glücksfall für die Alliierten gewesen ("lucky für the Allies"). Sonst wäre es den Verschwörer-Generälen ("conspiring generals") ermöglicht worden, die Kriegsniederlage allein Hitler anzulasten.
Sinnentleertes Gedenken
Die Unwahrhaftigkeit des Widerstandsgedenkens erübrigt heute rechtsphilosophische Debatten über den Sinn des Eides und das Für und Wider des "Tyrannenmords". Vom 20. Juli 1944 ist nur eine leere Hülle übriggeblieben. Sie wird Jahr für Jahr mit Inhalten gefüllt, die der jeweilige Zeitgeist für opportun hält. Als Gedenkredner marschieren deutsche Politiker auf, die militärstrategisch bereits den Hindukusch überschritten haben, 1999 Jugoslawien bombardieren ließen und eine Beschränkung deutscher Soldaten auf die Landesverteidigung für rückwärtsgewandten Humbug halten. Man hat nichts gelernt, und man will nichts lernen.
Stauffenberg soll vor seiner Hinrichtung gerufen haben: "Es lebe das heilige Deutschland!" Als kürzlich der neugewählte Bundespräsident Horst Köhler in seiner Antrittsrede den schlichten Satz sprach: "Ich liebe unser Land", befand eine meinungsführende deutsche Tageszeitung, das klinge provinziell und "krähwinklerisch". Nein, diese Republik kann sich auf viel berufen - zuletzt auf Claus Schenk Graf von Stauffenberg.
servus
proxy
100 proxi-Threads wiederbelebt...
Lang lebe das Windrad...
Gruß BarCode