Heiner Geissler und die Kapitalismuskritik
Von Heiner Geissler
„Das Kapital hat die Bevölkerung agglomeriert, die Produktionsmittel zentralisiert und das Eigentum in wenigen Händen konzentriert.“
„Die Arbeiter, die sich stückweise verkaufen müssen, sind eine Ware wie jeder andere Handelsartikel und daher gleichmäßig allen Wechselfällen der Konkurrenz, allen Schwankungen des Marktes ausgesetzt.“
(Karl Marx / Friedrich Engels, 1848, „Manifest der Kommunistischen Partei“)
In Deutschland warten 156 Jahre später – als ob es nie eine Zivilisierung des Klassenkampfes gegeben hätte – Zehntausende von Arbeitern auf den nächsten Schlag aus den Konzernetagen von General Motors, Aventis, Volkswagen und Continental, der sie in die Arbeitslosigkeit und anschließend mit Hilfe der Politik auf die unterste Sprosse der sozialen Stufenleiter befördert.
Nicht das Gespenst des Kommunismus, vielmehr die Angst geht um in Europa – gepaart mit Wut, Abscheu und tiefem Misstrauen gegenüber den politischen, ökonomischen und wissenschaftlichen Eliten, die ähnlich den Verantwortlichen in der Zeit des Übergangs vom Feudalismus in die Industriegesellschaft offensichtlich unfähig sind, die unausweichliche Globalisierung human zu gestalten.
Unter Berufung auf angebliche Gesetze des Marktes reden sie vielmehr einer anarchischen Wirtschaftsordnung, die über Leichen geht, das Wort. 100 Millionen von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen in Europa und den USA und drei Milliarden Arme, die zusammen ein geringeres Einkommen haben als die 400 reichsten Familien der Erde, klagen an: die Adepten einer Shareholder-Value-Ökonomie, die keine Werte kennt jenseits von Angebot und Nachfrage, Spekulanten begünstigt und langfristige Investoren behindert. Sie klagen an: die Staatsmänner des Westens, die sich von multinationalen Konzernen erpressen und gegeneinander ausspielen lassen. Sie klagen an: ein Meinungskartell von Ökonomieprofessoren und Publizisten, die meinen, die menschliche Gesellschaft müsse funktionieren wie Daimler Chrysler, und die sich beharrlich weigern, anzuerkennen, dass der Markt geordnet werden muss, auch global Regeln einzuhalten sind und Lohndumping die Qualität der Arbeit und der Produkte zerstört.
Arbeiter in den Industriestaaten und ihre Gewerkschaften, die angesichts der Massenarbeitslosigkeit mit dem Rücken zur Wand stehen, fühlen sich anonymen Mächten ausgeliefert, die von Menschen beherrscht werden, deren Gier nach Geld ihre Hirne zerfrisst. Die Menschen leben und arbeiten in einer globalisierten Ökonomie, die eine Welt der Anarchie ist – ohne Regeln, ohne soziale Übereinkünfte, eine Welt, in der Unternehmen, Großbanken und der ganze „private Sektor“ unreguliert agieren können. Die globalisierte Ökonomie ist auch eine Welt, in der Kriminelle und Drogendealer ungebunden arbeiten und Terroristen Teilhaber an einer gigantischen Finanzindustrie sind und so ihre mörderischen Anschläge finanzieren.
Wo bleibt der Aufschrei der SPD, der CDU, der Kirchen gegen ein Wirtschaftssystem, in dem große Konzerne gesunde kleinere Firmen wie Kadus im Südschwarzwald mit Inventar und Menschen aufkaufen, als wären es Sklavenschiffe aus dem 18. Jahrhundert, sie dann zum Zwecke der Marktbereinigung oder zur Steigerung der Kapitalrendite und des Börsenwertes dichtmachen und damit die wirtschaftliche Existenz von Tausenden mitsamt ihren Familien vernichten? Den Menschen zeigt sich die hässliche Fratze eines unsittlichen und auch ökonomisch falschen Kapitalismus, wenn der Börsenwert und die Managergehälter umso höher steigen, je mehr Menschen wegrationalisiert werden. Der gerechte, aber hilflose Zorn der Lohnempfänger richtet sich gegen die schamlose Bereicherung von Managern, deren „Verdienst“, wie sogar die FAZ schreibt, darin besteht, dass sie durch schwere Fehler Milliarden von Anlagevermögen vernichtet und Arbeitsplätze zerstört haben.
Das Triumphgeheul des Bundesverbandes der Deutschen Industrie über die Billiglohnkonkurrenz aus dem Osten noch in den Ohren, müssen marginalisierte und von der Marginalisierung bedrohte Menschen sich vom Establishment als Neonazis und Kommunisten beschimpfen lassen, wenn sie radikale Parteien wählen, weil es keine Opposition mehr gibt und sie sich mit einer großen Koalition konfrontiert sehen, die die Republik mit einem Metzgerladen verwechselt, in dem so tief ins soziale Fleisch geschnitten wird, dass das Blut nur so spritzt, anstatt durch Bürgerversicherung und Steuerfinanzierung die Löhne endlich von den Nebenkosten zu befreien. Nur Dummköpfe und Besserwisser können den Menschen weismachen wollen, man könne auf die Dauer Solidarität und Partnerschaft aufs Spiel setzen, ohne dafür irgendwann einen politischen Preis bezahlen zu müssen. Warum wird totgeschwiegen, dass es eine Alternative gibt zum jetzigen Wirtschaftssystem: eine internationale sozial-ökologische Marktwirtschaft mit geordnetem Wettbewerb?
Auch in einer globalen Wirtschaft sind Produktion und Service ohne Menschen nicht möglich. Neue Produktionsfaktoren wie Kreativität und Wissen sind hinzugekommen. Aber das Spannungsverhältnis zwischen Mensch und Kapital ist geblieben. Die Kommunisten wollten den Konflikt lösen, indem sie das Kapital eliminierten und die Kapitaleigner liquidierten. Bekanntlich sind sie daran gescheitert. Heute eliminiert das Kapital die Arbeit. Der Kapitalismus liegt derzeit genauso falsch wie einst der Kommunismus.
Der Tanz um das Goldene Kalb ist schon einmal schief gegangen.
Der Autor war von 1977-89 Generalsekretär der CDU. Diesen Beitrag hat Heiner Geißler für „Die Zeit“ geschrieben, in der heute der ungekürzte Artikel erscheint.
Das sicherste Zeichen wird es sein, wenn die ersten Leute heimlich hre Nadelstreifenanzüge verbrennen, die Ratten haben schon immer als erste erkannt, wann es Eng wird.
Wirtschaftspolitik betrieben hätten,
gäbe es bedeutend weniger Arbeitslose.
Die Problematik liegt nicht im System, sondern
bei den unfähigen politischen Entscheidungsträgern.
Gib alles Junge, die Internetwelt braucht dich, Du bist wichtig!!!
Möchtest Du noch etwas wissen, Fake?
Ich bin sicherlich nicht mit allem einer Meinung was Geißler so sagt, aber er ist wenigstens ein Querdenker, und manch einem hier im Board würde es gut tun, wenn er diese Meinung wenigstens mal kritisch hinterfragt, anstatt sie sofort als Gefühlsduselei abzutun!
Das der derzeitige Kapitalismus in eine Sackgasse führt, haben nicht nur solche Christdemokraten wie Geißler erkannt! Diese Meinung müsste man eigentlich auch hier im Board spüren, wenns um volkswirtschaftliche Betrachtungen zur finanzpolitischen Konjunkturdiskussion geht. Oder wenns um Mehrheitsverhältnisse in großen Finanzinstituten geht, die ja letztlich unbestritten eine große Macht auf die Konjunkturentwicklung haben. Ich finds jedenfalls bedenklich, wenn BlueChips nur noch dem Aktionär verpflichtet sind, und vornehmlich durch Übernahmen oder Kosteneinsparungen wachsen! Die Investmentbanker als eigentliche Vorstände großer globalisierter Unternehmen biegen es schon so hin, das sie kurzfristig ihr Schäfchen ins Trockene bringen. Und die Zentralbanken drucken weiter Geld.
Irgendwann muss sich das ganze System mal von selbst reformieren, sonst frisst es sich von innen auf.
Globalisierung ist nichts persè schlechtes, das sagt niemand! Wenn sie im gleichen Maße sozial verstanden wird, ohne dabei Gleichmacherei zu fordern, ist es eine gute Sache! Aber was derzeit abläuft, ist Gewinnmaximierung zum Wohlwollen der Finanzmärkte. Letztere haben einfach eine zu große Auswirkung auf das Weltwirtschaftssystem, und ich weiß nicht, ob da nicht langsam mal wieder ein wenig Maßhaltung angesagt ist. Da nehme ich mich gerne auch als Aktionär in die Pflicht. Unternehmen die innovativ neue Produkte voranbringen, und durch Einstellen qualifizierten Personals (am besten Ausbildung des eigenen Personals) Umsatzzuwächse verbuchen, sind mir als Aktionär immer lieber als irgendwelche BlueChips, die mit ihren Bilanztricks und Blick auf Kosten ihre Zuwächse erreichen. Mal abgesehen davon das Innovation für viele bedeutet, Ideen bei anderen zu klauen. Heißt heute wohl feindliche Übernahme!
Na ja, ich drifte ab! Selbst wenn ichs nicht beurteilen kann, so bin ich dennoch froh das es Leute wie geißler gibt, die nicht dem Trott folgen, und sich nicht mit einem Gesellschaftssystem als das allein Gültige, allein Mögliche zufriedengeben. Wobei ja Geißler das System nicht abschaffen will, sondern nur zu seinen ursprünglichen Konzepten zurückkommen will, vor allem zur sozialen Marktwirtschaft der Bundesdeutschen Vergangenheit. Heute haben wir ja einen schlimmeren Kapitalismus wie zur Zeit von Bismarck.
"The suppliers of labour as a factor of production have been the big
winners in recent decades. People are working fewer and fewer hours,
labour has been provided with more and more capital and workers
have received steadily higher wages per hour worked – with which,
however, they must also finance the social security system. Ahead of
pay negotiations in particular, trade unions often spread the myth that
the owners of capital have reaped the highest gains in recent decades.
Germany, they claim, is just as attractive to investors as in earlier years.
Capital has indeed become increasingly important in Germany as a
factor of production, as more and more of it has been employed. It
therefore comes as no surprise that the share of capital in national
income has risen over the decades. But the return per unit has fallen.
So it is hardly surprising that capitals contribution to growth has declined
in Germany in recent years, with capital formation tending to take place
abroad instead. Germany is no longer such an attractive investment
location as in the past."
Ich versuch's mal ganz naiv. Die Marktwirtschaft und all seine Teilnehmer bilden ein geschlossenes System. Früher war das geschlossene System weitestgehend auf das eigene Land beschränkt. D.h. die Interpretation der Marktwirtschaft konnte einem nationalen Konsens unterworfen werden. Der nationale Konsens war damals, dass man einen Teil der erwirtschafteten Gewinne sozial verteilt. Das war auch halbwegs o.k., da die Mehrheit der Marktteilnehmer dieselben Wettbewerbsbedingungen hatte. Mit der Globalisierung ist die Gleichheit zur Ungleichheit geworden. Es hilft dir nichts, die Firmen dazu zu verdonnern, mehr Steuern oder höhere Löhne und Abgaben zu bezahlen, wenn deren Wettbewerber im Ausland dies nicht müssen. Sie werden zwangsläufig pleite gehen oder auswandern. Und die Wettbewerber, die es noch billiger können, wird es immer geben, das ist das Gesetz der Marktwirtschaft. Das ist einer der Gründe, wieso die soziale Marktwirtschaft nicht mehr funktioniert. Ich behaupte aber, dass sie noch nie funktioniert hat. Denn quasi mit deren Einführung begann auch die Verschuldung des Staates. D.h. letzten Endes haben wir nur Schulden gemacht, um diese dann unterm Volk zu verteilen. Ich behaupte sogar, das ist zutiefst unsozial, da die Schulden von einer an den Ausgaben vollkommen unbeteiligten Generation beglichen werden müssen. Diejenigen, die dieses Geld ausgegeben haben, werden natürlich sagen, ach was war es schön, damals hat alles noch funktioniert und jeder war zufrieden. Klar, jeder war zufrieden, weil sich keiner über die Schulden Gedanken machte, es betraf ja nicht direkt den eigenen Geldbeutel.
Tja, jetzt stecken wir wirklich in der Klemme. Die Leute, die derzeit das Brot verdienen, kennen zwar den Segen des vergangenen Systems, aber jetzt blicken sie erstmals den erschreckenden Konsequenzen in Form von Zinszahlungen, zu teuren Sozialsystemen und steigender Arbeitslosigkeit ins Gesicht. Das führt natürlich zu menschlichen Schicksalen und fast zwangsläufig tauchen dann Leute wie Geißler auf und behaupten: Leute, der Raubtierkapitalsimus ist grausam und ungerecht, das seht ihr tagtäglich, laßt uns zu den alten wunderbaren Zeiten der automatischen Brotvermehrung zurückkehren, und alle werden sich wieder gerne haben. Das is nich. Die Brücke zurück existiert leider nicht mehr. Auch wenn's noch so schmerzhaft ist, das sollte man akzeptieren. Konkrete und realistische Vorschläge zur Problemlösung bleiben die Geißlers sowieso schuldig.
Die Auswüchse des Kapitalismus, extreme Niedriglöhne und genauso extreme Riesengehälter, sind häßlich aber als Begleiterscheinung leider hinzunehmen. Sie gehören zum System und sind sein Treibstoff. Ohne Moos nix los. Wer das nicht kann, sollte sich für den Sozialismus entscheiden. Daran ist nichts auszusetzen, nur sollte man dann auch keine Wunderdinge erwarten. Der Wohlstand wäre vielleicht gerechter verteilt, aber auf welchem Niveau? Aber bitte nicht immer vom Zwitter der sozialen Marktwirtschaft reden, den gibt es nicht (mehr)!
Kondequent weitergedacht heißt das, dass wir uns an den Löhnen in Vietnam + Bangladesh orientieren sollen? Oder wie hab ich das zu verstehen. Und womit soll bitteschön bei weiter sinkenden Masseneinkommen eine Binnennachfrage herkommen oder brauchen wir den Absatzmarkt Mitteleuropa mit ca.250 Mill. Konsumenten nicht mehr. In spätestens 5 Jahren sind nach Deiner Logik auch die Löhne in China + Indien auch zu hoch und dann. Wenn selbst etablierten Volkswirtschaftlern wie dem Walter von der DB nix mehr einfällt ausser der Erklärung des momentanen Zustandes, dann sind in der Tat auch andere evtl. auch veraltete Denkansätze gefragt, zählt alles unter think-tank..
Es hilft weder Dir noch mir wenn alle immer nur noch auf die herrschenden Zustände reagieren, es muss auch Menschen geben die Visionen entwickeln + entsprechend agieren. Das einzige was mich stört, ist das z.Zt. nur schon mehr oder weniger ausrangierte Poltiker Manager sich ein paar Gedanken machen und ich wirklich neue Ansätze schon seit Jahren nicht mehr höre..aber vielleicht bin ich ja auch im falschen Film.
In diesem Sinne
Guten Morgen
NT
Es gibt keine Preissteigerungen durch den Euro.
Die Krankenkassenbeiträger werden nicht erhöht, sie werden nur steigen!
Ja, wo er recht hat, hat er recht. Fragt sich nur welche Kulturqualität.
nicht darin, daß man die Kräfte der freien Markt-
wirtschaft walten läßt und - da effizient - nutzt,
während man von staatlicher Seite die schwachen
Marktteilnehmer in diesem Prozeß schützt
und dann interveniert,
wenn die gesamtwirtschaftlichen Ziele der Gesell-
schaft verletzt werden?
Natürlich ist das eine stark vereinfachte Darstellung.
Warum soll dieses Erfolgsmodell Deutschland auf
einmal nicht mehr funktionieren?
Können sich unsere deutschen Exportunternehmen etwa
nicht mehr international behaupten?
Werden die verbleibenden innerdeutschen Unternehmen
etwa von der ausländischen Konkurrenz vom Markt gefegt?
Hat es einen internationalen Strukturwandel nicht
schon immer gegeben, d.h. z.B. Textilunternehmen
wanderten in der Vergangenheit ins Ausland ab?
Hat dieser Strukturwandel nicht auch positive Effekte?
Wird das Schreckgespenst "Globalisierung" nicht nur
als Alibi-Argument für unfähige Politiker und Manager
mißbraucht?
Ciao
Bernd Mi
für mehr wohlstand gibt es ein uraltes rezept: größere märkte und mehr handel.
zur gewichtung gibt es keinen absoluten maßstab. es ist aufgabe der politik (bei uns im wesentlichen die eu) für funktionierende bedingungen zu sorgen.
betrachten wir unsere situation, kann man feststellen, dass wir nachweislich von den größeren märkten profitieren. der nettoausfuhrüberschuss steigt laufend. er erreicht schon ungesunde größenordnungen. die einführ steigt nicht. die eu erledigt ihre aufgabe gut. der wohlstand in europa steigt und die arbeitslosigkeit in der eu sinkt.
nur in einer kleinen ecke in europa gibt es einen riesigen haufen jammerlappen, die sich dauernd selbst belügen und glauben mit staatswirtschaft ihre probleme beheben zu können. unsere probleme liegen im wesentlichen in der wiedervereinigung. wir hatten zu plötzlich zu viele menschen, denen arbeit und märkte fehlten. dazu kamen aufgehäufte strukturprobleme iwm esten während der wohlstandsphase. die schuld tragen nicht nur die ossies. die wessies sind die größten verursacher bei der problemvergrößerung. und jetzt fehlt uns die geduld, die fehler und strukrurprobleme sukzessive zu beheben. auch wenn wir alles richtig machen, wird es dauern bis es wieder aufwärts geht. wir erleben jedoch zwischenzeitlich einen riesigen lobbyismuschor. die arbeitgeber glauben, sie könnten die geschichte um 100 jahren zurückdrehen. die marxisten, ob christlich oder ungläubig, kriechen wieder mit ihren idiotischen rezepten aus den löchern. hier einige verbesserungsvorschläge, die mittelfristig die lage bessern könnten:
- die sozialen sicherungssysteme gehören voll von der arbeit entkoppelt. sie gehören steuerfinanziert. nur so können z.b. im dienstleistungsbereich eine sich selbst tragende inländische wirtschaft entstehen. es wäre auch eine entkopplung von demografie und schlechter konjunktur. das system wäre ehrlich. die leistungen in kv und rente würde davon abhängen was erwirtschaftet wird. die rentenhöhe sollte trotzdem leistungsorientiert bleiben.
- ein einfaches "ungerechtes" steuersystem, das die steuerberater arbeislos macht und bei dem steuerbetrug weitgehend ausgeschlossen werden kann (totale aufhebung des bankgeheimnisses).
- ein starkes zurückschneiden der sozialtranfers unter dem motto "leistung muß sich wieder lohnen". sozialhilfe sollte nur dem überleben dienen und nicht der finanzierung von handys und bier.
- ein radikales zurückschneiden der familien- und kindersubventionen. mit dem gewonnenen geld eine qualitativ hochstehende ganztagsschule und ausbildung organisieren. nicht masse fördern - respektive papis bierflasche - sondern qualität erzeugen.
würden wir die 4 punkte mit einer passablen qualität durchführen, wären wir in 20 jahren über den berg.
salute 54rean
@BeMi
Es ist ein Irrglaube, wenn der deutsche Export als Beweis für die Wettbewerbsfähigkeit der ganzen Industrie herangezogen wird. Der deutsche Exportüberschuß besteht im wesentlichen aus Wechselkurseffekten und dem Erfolg von Mainstreamtechnologie, wie Automobilbau und Maschinenbau. In beiden Branchen gehört Deutschland mit zu den Marktführern, vor allem im Maschinenbau haben wir immer noch eine Spitzenstellung. Die kommt aber nicht von den günstigen Preisen, sondern sie rührt daher, dass diese Produkte meist besser als die der ausländischen Konkurrenz sind. Und das ist Deutschlands einzige Chance. Solange der technologische Vorsprung sichergestellt ist, können höhere Preise erzielt und höhere Löhne gezahlt werden. Aber vor allem im Automobilbau ist dieser Vorsprung praktisch nicht mehr vorhanden. Das Know How ist mittlerweile weltweit verteilt. Die Qualitätsniveaus egalisieren sich langsam und es wird zunehmend schwieriger, für deutsche Autos - vom Premiumsegment vorerst mal abgesehen- höhere Preise zu verlangen. Und das ist ja das Traurigste an der ganzen Geschichte. Der Technologievorsprung, der vor allem aus der besseren Bildung und auch aus der mittelständischen Struktur entwachsen ist, schmilzt zusehends, weil das Bildungswesen sukzessive verkommt. Ohne es zu merken, sägen die Deutschen an dem dünnen Zweig, auf dem sie noch sitzen.
Für mich ist Globalisierung kein Schreckgespenst und ich sehe auch den Strukturwandel als konstanten Prozeß der Geschichte an. Nur leider behindert eben die soziale Marktwirtschaft mit all ihren Subventionen diesen notwendigen Strukturwandel. Wir befassen uns immer noch mit dem Kohleabbau oder künstlich hochgezüchteten Industrien wie der Windkraft anstatt uns mit wirklich Neuem zu beschäftigen. Das ist zwar für die dort Beschäftigten eine Zeitlang ganz angenehm aber langfristig schädigt es unsere ganze Gesellschaft, da wir den Anschluß verlieren. Und aus dem schmerzhaften Eingriff, der angfangs erforderlich gewesen wäre, wird eine Totalamputation.
@reab
Deine Vorschläge zur Verbesserung teile ich zu 100%. Aber selbst die werden langfristig nicht ausreichen, da wir damit bestenfalls effizienter werden und andere Länder entweder in diesen Punkten schon einen Schritt weiter sind oder nachziehen werden. Langfristig kann für das rohstoffarme Deutschland nur eines zählen und das sind neue Märkte. Es hilft mir aber nichts, wenn ich mit den höchsten Preisen und nur der marktüblichen Leistung neue Märkte erobern kann. Das wird nicht sehr erfolgreich sein. Die Preise dürfen/müssen höher sein, aber die Produkte müssen top sein. Made in Germany muß restauriert werden, und da hilft nur Bildung, Bildung, Bildung und massive Investitionen in Forschung und Entwicklung. Die Minischritte der Regierung in dieser Richtung sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind.
Deine Forderungen nach größeren Märkten und Zöllen sowie anderen Schutzmechanismen widersprechen sich aber. Protektionismus bedeutet automtisch kleinere Märkte, da der Markt keine Einbahnstraße ist. Welches Land er Erde ist auf Dauer bereit, aus Deutschland massenweise Waren zu importieren und selbst für den Export nach Deutschland Riesenzölle zu zahlen? Das haut nicht hin. Nachhaltiges Wachstum gibt es nur über freie Märkte und bessere Produkte.
Die Konsequenzen, die ich persönlich daraus ziehen würde, sind: Kurzfristig Eier zusammenquetschen und durch die Scheiße waten. Heißt: Einschnitte bei Lohn/Kündigungsschutz etc. kurzfristig dort mitmachen, wo es sein muß, um wenigstens vorübergehend nicht weitere Arbeistplätze zu verlieren. Gleichzeitig den Strukturwandel vorantreiben, Subventionen radikal streichen, Sozialsysteme den wirtschaftlichen Verhältnissen anpassen (das ist wohl der schwerste und schmerzhafteste Brocken), Steuern vereinfachen und nominal senken, Neuverschuldung sukzessive senken bis zum positiven Beitrag, Bildung, Forschung und Entwicklung massiv ausbauen. Daran wird eine Generation über einige Jahr(zehnt)e hinweg zu knabbern haben, aber dann dürfte es wieder bergauf gehen. Andernfalls wird wohl der schleichende Abstieg nicht zu stoppen sein.
Aber wahrscheinlich kommt sowieso alles anders, als man denkt und irgendein externes Ereignis (revolutionäre Neuerfindung, Naturkatastrophe, Krieg) bringt eine unerwartete Wende.
wir sehen doch täglich, wie schwierig der freie welthandel ist und welche konflikte dort entstehen. dass die eu deshalb alles unbesehen impotieren sollte und bei ihrer ausfuhr laufend behindert wird, wäre eine sehr naive sicht der dinge. zölle und einfuhrbeschränkungen können einem auch zeit geben, einen strukturwandel zu schaffen . sie sollten jedoch nie genutzt werden, strukturen zu zementieren.
eine kleine notiz am rande. wir haben in der eu riesige argrarsubventionen. in den usa sind sie höher! eine heile welt - aus sicht des handels - wird es nie geben.
- Subventionen haben nichts mit der Idee der
sozialen Marktwirtschaft zu tun, wenn sie keine
kurzfristigen Anschubsubv. sind. Die meisten
sind aber unsinnige Erhaltungssubv.
- Exp. minus Imp. = Außenbeitrag und der schlägt
sich statistisch nieder in der Handelsbilanz und
hat wenig mit Wechselkurseffekten zu tun, denn
ca. 57 % unserer Exporte gehen in andere EU-Länder.
- Wenn wir im internationalen Wettbewerb eine Chance
haben wollen, müssen wir als Lohnhochland den
Strukturwandel zur Hochtechnologie fördern.
(z.B. Gentechnologie und Internet?)
Was tun aber die Regierenden? Sie erhalten lieber
alte Strukturen.
Auch das hat nichts mit sozialer Marktwirtschaft,
sondern mit der Unfähigkeit und Behäbigkeit der
Regierenden zu tun.
Nur ein sozialer Ausgleich sichert auf Dauer
auch die gesellschaftliche Stabilität.
Das sind die Lehren aus der Zeit nach 1918.
Ciao
Bernd Mi
bemi: Wenn 57% in EU-Länder gehen, dann gehen 43% demzufolge in non EU Länder. Somit hat ein Eurokursanstieg von ca. 50% in den letzten Jahren sehr wohl einen sehr deutlichen Beitrag geleistet. Was genau ist denn die soziale Marktwirtschaft dann, wenn nicht die Staatseingriffe vai vordergründig sozialer Subventionen wie in Kohle, Eigenheim etc. Wenn sie sich nur auf den progressiven Steuersatz beschränkt, dann kann sie meinetwegen bleiben. Ich will mich da nicht auf Begriffe versteifen. Zu neuen Technologien zähle ich weder Internet noch IT an sich, das ist kalter Kaffe und muß nicht mehr gefördert werden. Gentechnik und vor allem die Energie- und Antriebstechnik sehr wohl. Letzteres klingt zwar nicht so sexy aber hier steht schon lange eine Zeitenwende ins Haus. Den Zug sollte man lenken statt zu spät auf den letzten Wagon aufzuspringen.
WER ist das Kapital? Und warum soll diese SACHE die Welt beherrschen?
Ist es der neue Sachzwang? Solange - auch wir - nicht erkennen wollen, daß hinter allen Bewegungen der Mensch steht, kommt die Welt nicht zu Lösungen.
Früher schimpfte man auf die Heiden, dann auf den Glauben, dann auf die Feudalen, heute auf die "Großkopferten", "die da oben" - Hauptsache: die Schuldigen können persönlich nicht ausgemacht werden und man kann sich darunter verstecken.
Wir Deutsche haben noch nie soviel geheuchelt und da macht auch Geißler keine Ausnahme.
Zuerst irgendwie davon profitieren und dann das "Ganze" verdammen.
"Der Markt" wird es schon richten = Quatsch!! Auch nicht der soziale.
Nur Menschen können etwas verändern, ob gut oder schlecht; und solange wir DAS nicht erkennen wollen, wird sich nichts bessern!
Die meisten der "arivaner" sind noch jung, dann fangt doch damit an.
Ihr werdet nicht nur Schulden erben, sondern auch eine intakte Infrastruktur, ein funktionierendes Deutschland und all das ist wohl mehr wert als ca. € 50ooo,-.
Nicht nur über die Staatsverschuldung jammern, sondern auch dem Erbe gerecht werden.
Viele Kinder auf der Welt wären froh eine solche Zukunft zu erwarten und die dazugehörenden Schulden wären unerheblich.
Meine Zeit ist leider zu begrenzt. Pardon - Kritiker.
Auf welcher Basis kontraktieren die deutschen
Exportunternehmen außerhalb der EU?
Nach meiner Kenntnis überwiegend auf Euro-Basis,
nur die Öl-Importe auf Dollarbasis, die also billiger
wurden.
Zur Ordungspolitik:
Die Politiker (Juristen, Lehrer, Beamte) verstehen
davon sehr wenig. Wenn die zu unfähig sind, kannst
Du das nicht einem System anlasten. Das wäre unfair.
Zur Strukturpolitik:
Ich sehe auch im Rahmen des Internets Förderungs-
notwendigkeiten und -möglichkeiten mit Skalenerträgen.
Ciao
Bernd Mi
Bundesregierung will Diskriminierung verbieten
Arbeitgebern, Geschäften und Gastwirten droht abschreckender Schadensersatz
jja. FRANKFURT, 11. November. Im Arbeitsleben und beim Kauf von Waren und Dienstleistungen sollen künftig strenge Regeln gegen die Benachteiligung etlicher Bevölkerungsgruppen gelten. Die rot-grüne Regierungskoalition hat sich auf Eckpunkte eines entsprechenden Antidiskriminierungs-Gesetzes geeinigt. Das sagte Hans-Joachim Hacker, Vizefraktionschef der SPD im Bundestag, dieser Zeitung am Donnerstag. Das neue Gesetz soll Schlechterstellungen wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung sowie wegen einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung verbieten. Bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Gleichbehandlung droht nach EU-Bestimmungen ein "abschreckender Schadensersatz".
Die neuen Regeln gelten sowohl im Berufsleben wie bei Massengeschäften des Alltags. Hacker zählt dazu neben dem Einzelhandel auch die Gastronomie sowie Großvermieter. Bei einer besonderen persönlichen Nähe zwischen den beiden Geschäftspartnern sollen differenziertere Regelungen gelten.
"Wir gehen deutlich über die EU-Richtlinie gegen Benachteiligungen im Zivilrecht hinaus", sagte Hacker. Diese Erweiterung sei ein "riesiger Fortschritt". Die Restpunkte sollten möglichst noch an diesem Freitag entschieden werden. Die Einigung sei von den Grünen verzögert worden, erklärte der Fraktionsvize, indem sie im letzten Moment noch einen Forderungskatalog für die Stelle eines Antidiskriminierungs-Beauftragten vorgelegt hätten. Diese soll bei der Bundesregierung eingerichtet werden, um die Öffentlichkeit aufzuklären und in Konfliktfällen zu schlichten.
Die Bundesregierung ist mit der Umsetzung von drei EU-Richtlinien, denen sie in Brüssel selbst zugestimmt hatte, teilweise längst in Verzug. Diese sind für das Arbeitsrecht deutlich strenger gefaßt als für das allgemeine Zivilrecht, wo die Regierung nun die europäischen Vorgaben übertreffen will. Vor eineinhalb Jahren war die damalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) mit diesem Versuch an den Protesten unter anderem der Kirchen gescheitert. Die Versicherungen, für die jetzt Ausnahmen vorgesehen sind, hatten vor Einheitstarifen gewarnt, Vermieterverbände vor "Zwangsverträgen" mit unerwünschten Mietern.
Den Beweis für eine angebliche Benachteiligung muß ein Betroffener nur teilweise erbringen: Bestehen gewisse Anhaltspunkte für eine Diskriminierung, müssen der Verkäufer, Vermieter oder Gastwirt sowie der Arbeitgeber belegen, daß sie ihre Kunden oder Beschäftigten gleich behandeln. Auch "mittelbare" Benachteiligungen, die sich aus Statistiken herleiten lassen, sind verboten. Dazu gehört, wenn etwa Arbeitnehmerinnen in einem Betrieb durchschnittlich weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Belästigungen beispielsweise sexueller Natur sollen ebenfalls erfaßt werden.
Nach Hackers Angaben sollen allerdings einige der acht Verbotsmerkmale nur etwas eingeschränkt gelten. "Eine gesellschaftlich gewollte Privilegierung etwa von Älteren wollen wir nicht verhindern", sagte er. Verbände sollten zwar eine Möglichkeit erhalten, ebenfalls Klagen einzureichen. Dies soll aber nicht gegen den Willen von Betroffenen zulässig sein. Hierfür werde ebenso noch eine Gesetzesformulierung gesucht wie für die Höhe des Schadensersatzes.
Das geplante Gesetz
Gilt bei Abschluß und Kündigung von Verträgen, im Arbeitsrecht außerdem bei Maßnahmen wie Beförderung oder Kündigung.
Betroffen sind Anbieter von Waren oder Dienstleistungen sowie Arbeitgeber. Ausnahmen sollen gelten zum Beispiel für kleine Wohnungsvermieter.
Vor Gericht gilt eine Umkehr der Beweislast zu Lasten des Anbieters, wenn der Betroffene Anhaltspunkte für eine ungerechtfertigte Benachteiligung hat.
Bei einer Diskriminierung droht eine Verurteilung zum Abschluß eines Vertrages oder - wenn nicht mehr möglich - zu Schadensersatz. Dieser muß "abschreckend" sein, damit Unternehmen von Verstößen abgehalten werden.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.11.2004, Nr. 265 / Seite 11