Die Guido-Chronik 2009-2013
Dass der künftige Außenminister Guido Westerwelle in der ersten Pressekonferenz nach der Wahl die auf Englisch gestellte Frage eines BBC-Reporters mit dem muffigen Hinweis bescheidet, „wir sind hier in Deutschland" – diese Szene machte nicht viel Lust auf mehr. Woher sein Kleinmut kommt, ist leicht ausgemacht.
Der Gedanke an vier Jahre mit Guido Westerwelle freut nicht jeden. Dass der künftige Außenminister in der ersten Pressekonferenz nach seinem Sieg die auf Englisch gestellte Frage eines BBC-Reporters mit dem muffigen Hinweis bescheidet, „wir sind hier in Deutschland“ und in "Ihrem Land" sei es ja auch üblich, die Fragen in der Landessprache zu stellen – diese kleine Szene machte nicht viel Lust auf mehr.
Ein You-Tube-Video zeigt, wie Westerwelle in seiner Lieblingsrolle als Regierungs-Zurechtweiser auf Englisch zu erklären versucht, man sei nicht ambitioniert genug vorgegangen beim dem Ziel, vom letzten Platz beim Wirtschaftswachstum zum vorletzten zu gelangen: „to come from the last place to the second last or the third last“.
Mangelnde Englischkenntnisse sind an sich kein Problem, auch wenn man sich vom künftigen Außenminister da vielleicht ein bisschen mehr Ambition vorstellen könnte. Was da zutage tritt, ist etwas anderes: Man möchte in Ruhe gelassen werden, erst recht von Briten, die in „ihrer Heimat“ ja auch gern ihre Sprache sprechen.
Dieses auftrumpfende „Man wird ja wohl noch verlangen dürfen, auch als Deutscher“ verrät ein recht klägliches Verständnis von der Rolle der Bundesrepublik in der Welt. Westerwelle sieht offenbar nur zwei Möglichkeiten: Entweder man geht in Sack und Asche, oder man beharrt beleidigt darauf, dass es nun doch mal gut sei und man sich gefälligst das recht erworben habe, auf Deutsch angesprochen zu werden.
Woher dieser Kleinmut kommt, ist leicht ausgemacht. Westerwelle gehört zu den deutschen Politikern, die immer noch am Koordinatenkreuz der alten Bundesrepublik tragen: Du warst entweder für 1968, oder dagegen. Mit 1968 assoziiert der FDP-Vorsitzende eine devote, schuldbewusste Haltung gegenüber dem Ausland. Westerwelle war von frühesten „Juli“-Tagen an gegen 1968. Eine Ampel mit den Grünen ist ihm schon deshalb physisch unmöglich, weil er einen echten Hass auf Leute wie Fischer oder Trittin hegt, einen irrationalen Hass, der seiner Partei so manche Möglichkeiten verbaut.
Dass es für einen Liberalen nicht möglich sein soll, Koalitionsverhandlungen zu führen mit der SPD von Frank-Walter Steinmeier – die immerhin die Arbeitsmarktreformen angepackt hat, an die die frühere schwarz-gelbe Bundesregierung sechzehn Jahre lang im Traum nicht dachte – ist schwer plausibel zu machen, wenn nicht mit irrationalen Motiven.
Ohne 1968 aber hätte die "Bild"-Zeitung heute wohl kaum so liebevoll getitelt „Sein Mann macht ihn so stark“. Da wäre wohl eher vom Untergang des Abendlandes die Rede gewesen. Wahrscheinlich können wir von Glück sagen, dass Angela Merkel die Ressentiments ihres Koalitionspartners völlig fremd
http://www.welt.de/politik/bundestagswahl/...nisters-Westerwelle.html
Berlin — Nach der harschen Kritik gibt sich der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle jetzt weltgewandt: Zum Auftakt der FDP-Präsidiumssitzung in Berlin begrüßte der FDP-Chef die wartenden Journalisten demonstrativ auf Englisch und Französisch mit den Worten "Welcome" und "Bienvenue" (jeweils für "Willkommen").
http://www.google.com/hostednews/afp/article/...BTrgHKuaQNuZMFwyy4pWA
(AFP) – Vor 2 Stunden
Berlin — Nach der harschen Kritik gibt sich der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle jetzt weltgewandt: Zum Auftakt der FDP-Präsidiumssitzung in Berlin begrüßte der FDP-Chef die wartenden Journalisten demonstrativ auf Englisch und Französisch mit den Worten "Welcome" und "Bienvenue" (jeweils für "Willkommen").
http://www.google.com/hostednews/afp/article/...BTrgHKuaQNuZMFwyy4pWA
Wörtlich erklärte Derguido: „Die deutsche Sprache ist wunderschön, und ich sehe keinen Grund, warum wir uns für die eigene Sprache genieren sollten.“
Natürlich seien ihm die Reaktionen auf seine jüngste Weigerung, öffentlich Englisch zu parlieren, nicht verborgen geblieben: „Das hat mir Kritik von einigen Intellektuellen eingetragen. Aber Hunderte Bürger haben mir geschrieben: Endlich sagt es mal einer.“
Nicht schlecht.
Wenn er die FDP schon zur gesellschaftlichen Mitte hin öffnen will, kann er sie auch gleich zur Partei des linguistischen Prekariats machen.
Davon aber mal abgesehen, können sich Westerwelles Englischkenntnisse durchaus sehen lassen, betonte der Ober-Liberale: „Meine Englischkenntnisse reichen – übrigens leider im Gegensatz zu meinem Französisch – für gute Gespräche aus.“
Wie tut man liberal seriös - und wirkt doch irgendwie ganz anders? Das sind die entscheidenden Fragen, die sich der FDP-Vorsitzende Westerwelle in seinem geheimen Tagebuch stellt. Es zeigt: Auf-dem-Teppich-bleiben macht auch dem Fast-Kanzler keinen Spaß.
Montag, 28. September: Kaum habe ich die Wahl gewonnen, heißt es, mir gehe es nur um Posten. Dabei sind mir Macht und gutes Aussehen mindestens genauso wichtig.
Mittags Pressekonferenz: Ein Engländer will was auf Englisch wissen. Yes, yes, my Hemd is bätschnäss. Vielleicht ist Außenminister doch nicht das richtige für mich? Dauernd muss man irgendwo hin fliegen und ist abends nicht zu Hause.
Nachmittags Treffen mit Merkel. Nur wir fünf: ich, sie, zwei Tässchen Tee und die Lage der Nation. Fühlte mich sehr erhaben, auch wenn es nicht gut aussieht mit den Staatsfinanzen. Kann man eigentlich gleich wieder aufhören bei so viel Schulden. Angela und ich duzen uns schon lange. Sie ist mir sehr ähnlich: bescheiden, bodenständig, klug, verschwiegen. Wir blieben beide auf dem Teppich.
Dienstag, 29. September: Boah, sind wir viele in der Fraktion. 88 Leute sind da. Aber nur 87 wählen mich zum Vorsitzenden. Ich wollte gerade anfangen laut zu werden, als mir auffiel, dass ausgerechnet ich falsch abgestimmt habe. Jetzt erkläre ich das natürlich damit, dass ich so bescheiden bin. Aber welcher Vollhorst hat der Presse gesagt, dass ich "auf Augenhöhe" mit der Kanzlerin verhandeln will? Dann muss ich mich doch dauernd zu ihr runterbeugen.
Mittwoch, 30. September: Abends Verleihung des ostdeutschen Medienpreises "Goldene Henne". Ich krieg nicht mal eine Tigerente. (Genscher fragen, ob man den Soli nicht abschaffen sollte!). Angela ist auch da. Muss ich als Vizekanzler eigentlich ins Kanzleramt ziehen? Und wieso machen sich jetzt alle über mein schlechtes Englisch lustig? Mein schlechtes Französisch ist viel besser.
Donnerstag, 1. Oktober: Präsidiumssitzung. Jeder will was werden, und wo bleib ich? Auf dem Teppich, sagt Genscher. Silvana ist so beleidigt, dass sie Magenschmerzen kriegt. Vielleicht kann ich Silvana zur Bundesweinkönigin machen. Aber was soll ich dann mit Brüderle machen, dem rollenden Trollinger? Brauche dringend mehr gelb-schwarze Krawatten, aber seriös.
Freitag, 2. Oktober: Überall heißt es jetzt, ich stehe für soziale Eiszeit. Dabei möchte ich sogar die kalte Progression abschaffen, haha! Eben, ich hab nämlich auch Humor. Wird oft unterschätzt. Noch einer? Zum Bleistift den: Dr. Westerwelle will die Erderwärmung beenden - mit nichts als seiner sozialen Kälte. Für sowas kriegt Harald Schmidt einen Haufen Geld. Aber mir vorwerfen, ich sei der böse Onkel Jobabbau. Klar, und morgens esse ich zum Frühstück immer zwei Arbeiterkinder, oder was? Ich kann auch menschlich.
Samstag, 3. Oktober: Erster "Tag der Deutschen Einheit" als Fast-Kanzler. Es regnet. Eine Einladung von "Wetten, dass..?" hätte ich gern abgelehnt, aber Gottschalk hat nicht angerufen. Seine Michelle ist meine Angela. Dann zieht's mir fast die Stoppersocken aus: Auf der Couch sitzt Guttenberg und hat nicht mal eine Wette mitgebracht. Ich dagegen hätte alle FDP-Präsidiumsmitglieder am Geruch erkennen können. Blöde Auf-dem-Teppich-Bleiberei!
Sonntag, 4. Oktober: Immer noch Regen. Liege lange im Bett und schmiede Regierungspläne. Eine Agenda wäre gut. Irgendwie liberal, aber auch anders. Und seriös.
Montag, 5. Oktober: Die werde ich schön erschrecken bei den Koalitionsverhandlungen. Als erstes fordere ich ein neues Superministerium für Sozialabbau. Die Steuern müssen runter, Mindestlöhne weg. Mehr Netto als brutto oder so. Dann sage ich zu Angela, dass ich mindestens ein Dutzend neue Atomkraftwerke verlange, die überall dorthin gebaut werden, wo SPD oder Linke noch Direktmandate haben. Donau- und La-Ola-Wellen sind künftig nur noch als Wester-Wellen erlaubt. Dann merken Sie, dass ich nur Spaß mache. Hoffentlich.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,653325,00.html
Ich frag mich immer wieder was in den Köpfen von solchen Politiker, die auf der internationalen Bühne eine Nation repräsentieren, vorgeht: Überschätzung ihrer Person und Wichtigkeit oder einfach nur der Wunsch, dass man in die Schlagzeilen gerät oder wie in diesem Fall vielleicht Populismus. Allerdings falls das letzte zutrifft hätte er es vor dem Wahltag machen müssen um eine gewisse Klientel zu fangen.
Als Bundeskanzlerin, die übrigens im Ausland einen guten Ruf hat, würde ich mir überlegen ob Herr Westerwelle als Aussenminister die richtige Wahl ist, besonders in einem Moment wo Europa sich neu aufstellen muss.
Dies ist meine persönliche Meinung als unbetroffener Nicht-Deutscher.