Culture Club
Seite 68 von 2446 Neuester Beitrag: 02.12.24 13:13 | ||||
Eröffnet am: | 22.09.12 21:13 | von: Fillorkill | Anzahl Beiträge: | 62.149 |
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Gruss.
Der Roman Die Haut war, als er 1949 erschien, ein echter Skandal. Er machte Malaparte endgültig weltberühmt und endgültig zum Verstoßenen. Neapel verhängte ein Einreiseverbot, der Vatikan setzte das Buch auf den Index. Und nicht etwa deshalb, weil der Autor einst dem Faschismus anhing (damit war er beileibe kein Einzelfall), sondern offenkundig, weil man die Erinnerung an die allerjüngste Vergangenheit nicht zu ertragen vermochte. Wir lesen vom Jahr 1943, als die Amerikaner Italien, das mit den Deutschen als Achsenmacht verbunden war, befreiten. Italienische Soldaten, die noch Tage zuvor gegen die Alliierten gekämpft haben, kämpfen nunmehr mit den Alliierten gegen die Deutschen. Neapel, von Bombenangriffen gezeichnet, zeigt sich in den Tagen seiner Befreiung von der verkommensten Seite: Der Verbindungsoffizier Malaparte spaziert mit amerikanischen Offizieren durch eine Hölle auf Erden, durch eine Stätte des Menschenhandels, in der Jungen und Mädchen von ihren Eltern prostituiert werden, in der es nur darum geht, die eigene Haut zu retten, Nahrung auf dem Schwarzmarkt zu ergattern. Wo es in zivilisierteren Zeiten darum gegangen sei, die Seele zu retten, habe die nackte Haut nunmehr eine obszön gewichtige Bedeutung erlangt, sagt Malaparte. Das sei die Pest – auch für die Amerikaner, die als Befreier sogleich zu Freiern werden. Und an dieser Stelle verfehlt der metaphernreiche, regelrecht barocke Roman noch heute nicht seine zum Widerspruch reizende Wirkung. Dem heroischen Erzähler nämlich ist der Krieg lieber als die Befreiung. Wer kämpfe, um nicht zu sterben, sei würdiger als jener, der knechtisch und geschlagen ums Überleben ringe: »Mir war der Krieg lieber als die Pest.«
Es ist aus heutiger Sicht beinahe irritierend, mit welcher Selbstverständlichkeit Malaparte von Europa als kultureller Einheit spricht: Neapel sei ein Europa en miniature und Amerika in Gefahr, sich mit dem Glanz und Elend der Alten Welt anzustecken. Malaparte nämlich lässt offen, ob die Amerikaner einen würdigen Sieg über Europa erringen – und meint damit auch die voranschreitende kulturelle Hegemonie. Die Sieger, sagt Malaparte, indem er Aischylos zitiert, könnten sich nur retten, wenn sie die Tempel und Götter der Besiegten achten
http://www.zeit.de/2012/29/L-Kanon-Malaparte
http://www.architecturaldigest.com/blogs/daily/...laparte-capri-italy