Rot-Grüne Chaoschronik 2002-2006:
Seite 91 von 137 Neuester Beitrag: 18.09.05 23:03 | ||||
Eröffnet am: | 22.09.02 22:29 | von: SchwarzerLo. | Anzahl Beiträge: | 4.404 |
Neuester Beitrag: | 18.09.05 23:03 | von: Karlchen_I | Leser gesamt: | 166.714 |
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PS: Bürgerverunsicherung, Schlechtschreibdeform, Ökorentenlügensteuer etc. - bei Deinem Vokabular überkommt mich ein ungutes Gefühl.
Die Europäische Kommission verlangt für jedes Gebäude einen Ausweis / Effizienzklasse und Qualität von Isolierung und Heizung
hmk. BRÜSSEL, 26. August. Noch liegt nicht einmal der Referentenentwurf der rot-grünen Bundesregierung vor. Dennoch ist schon jetzt ein heftiger Streit zwischen Wohnungseignern und Umweltschützern entbrannt. Er dreht sich um die Umsetzung der EU-Richtlinie "Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden" in deutsches Recht.
Mit diesem bereits Ende 2002 vom Parlament in Straßburg verabschiedeten Gesetzeswerk will die Europäische Kommission den Energieverbrauch von Wohnungen und Häusern transparenter machen - und die Eigentümer zu sparsamem Verbrauch animieren. Jeder Käufer und jeder Mieter soll von Anfang 2006 an durch einen Blick in einen Energiepaß erkennen können, ob er in ein Gebäude der höchsten Sparstufe "A" oder der niedrigsten "I" einzieht. Als Vorbild dienen die Energietabellen auf Waschmaschinen oder Kühlschränken.
Nun ist ein Haus kein Gerät, und genau darin liegt der Kern des Streits. Denn wie der Energiepaß auszusehen hat, ist in der EU-Richtlinie nicht präzise vorgegeben. Zwar schlägt die Europäische Kommission vor, daß der Paß konkrete Vorschläge für Energiesparschritte enthalten soll, betont allerdings ebenso die Unabhängigkeit der einzelnen Mitgliedsländer bei der Ausgestaltung. Klar ist somit nur, daß der Ausweis bei Verkauf oder Vermietung einer Immobilie nicht älter als zehn Jahre sein darf.
Der Spielraum ist entsprechend groß - und so planen die einen und warnen die anderen. Seit einigen Monaten testet die Deutsche Energieagentur (Dena) in einem Feldversuch in 33 Städten eine Version des umstrittenen Passes. So können Hausbesitzer in Frankfurt, Duisburg oder Gütersloh Ingenieure, Architekten oder Handwerksmeister damit beauftragen, ein entsprechendes Zeugnis auszustellen. In diesen Ausweisen werden nicht nur die Energieeffizienzklasse, sondern auch die Qualität der Isolierung und der Heizung angegeben. Außerdem erhält der Hausbesitzer Ratschläge, wie sich Energie sparen läßt, ob etwa ein neuer Heizkessel oder der Einbau neuer Fenster sinnvoll ist.
Die Kosten für diese detailgenauen Pässe liegen nach Angaben der Dena zwischen 125 und 350 Euro für Kurzanalysen. Eine intensive Prüfung des Hauses veranschlagt die Energieagentur mit bis zu 800 Euro. Diese sei allerdings nur dann sinnvoll, wenn eine umfangreiche Renovierung anstehe, heißt es.
Genau diese Summen sind es, die die deutsche Immobilienbranche in Rage bringen. Ein derart gestalteter Energiepaß erzeuge ein Monster an Bürokratie und immense Kosten für die Wirtschaft, sagt Ludger Knaup vom Ring Deutscher Makler. Rund 1,5 Millionen Wohnungen oder Häuser werden in Deutschland nach Angaben des Verbandes im Jahr neu vermietet oder verkauft. Bei einem durchschnittlichen Preis von 650 Euro je Paß kassierten allein die Sachverständigen von 2006 an rund eine Milliarde Euro im Jahr für die Erstellung der Zertifikate, ohne daß dadurch auch nur ein Prozent Energie eingespart werde. Etwas niedriger setzt der GdW Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen die Kosten an. Er geht von zunächst 500 Millionen Euro für das Jahr 2006 aus. Ein finanzieller Aufwand, der nach Ansicht von Verbandspräsident Lutz Freitag dennoch in keinem Verhältnis zum Ziel steht, mehr Transparenz zu schaffen.
Befürworter des Passes halten dagegen, daß der Aufwand durch die Energiekosten, die gespart werden könnten, ausgeglichen werde. Die nordrhein-westfälische Umweltminister Bärbel Höhn (Grüne) spricht gar von Einsparungen von bis zu 80 Prozent. Ein niedrigerer Energieverbrauch bei Häusern würde im übrigen dazu beitragen, das Kyoto-Klimaschutzprotokoll einzuhalten.
Die Dänen zumindest haben seit der Einführung eines Energiepasses für Immobilien im Jahr 1997 durchaus positive Erfahrungen gemacht. So führen Untersuchungen 5 bis 7 Prozent der gesunkenen Energiekosten allein auf die klare Kennzeichnung zurück. Daß es dazu eines detaillierten Passes, wie ihn die Dena testet, bedarf, bezweifeln indes die Vertreter der deutschen Wohnungswirtschaft. Angesichts der stetig steigenden Energiepreise achteten ohnehin immer mehr Deutsche beim Bau eines Hauses und bei der Wohnungsmiete genau auf die Energiekosten. Dazu bedürfe es keiner neuer Sparausweise.
Die deutsche Wirtschaft drängt deshalb darauf, die Zertifikate möglichst schlicht zu gestalten. Dabei könnte man sich etwa an den jährlichen Abrechnungen der Strom- und Gasversorger orientieren. Auf diese Weise könnten die Energiepässe ohne zusätzliche Millionensummen erstellt werden, sagt Knaup. Den Vorgaben der Europäischen Kommission zumindest entsprächen diese "schlanken" Pässe wohl genauso wie die Dena-Zertifikate.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.08.2004, Nr. 199 / Seite 11
Ihr erinnert euch u.a. an diesen Artikel?
Teurer Leer-Flug
Berlin - Der Bundesrechnungshof hat die hohen Flugkosten der Grünen-Minister Jürgen Trittin und Renate Künast für eine Südamerika-Reise beanstandet. Beide hatten für getrennte Brasilien-Reisen im Oktober den Kurzstrecken-Jet der Bundeswehr für Flüge innerhalb des Landes geordert, dann aber abbestellt. Dies hat 96 000 Euro gekostet, da die Challenger bereits in der Luft war und leer nach Köln zurückfliegen musste. dpa
Quelle: http://www.abendblatt.de/daten/2004/05/06/291855.html
Was solche Flugskandale angeht bin ich allerdings genauso empört wie Du.
Von Carsten Volkery und Wolfgang Büchner
Am Montag wird Volkstribun Oskar Lafontaine zu den unzufriedenen Massen in Ostdeutschland sprechen und die Arbeitsmarktreformen geißeln. Dabei verdrängt er ein großes Stück seiner politischen Vergangenheit: Er war selbst mal der Mann mit der Axt.
Oskar Lafontaine: Flip oder Flop?
Man stelle sich vor: Der deutsche Finanzminister macht den Vorschlag, die bankrotte Arbeitslosenversicherung der Bundesrepublik zu reformieren. Er fordert eine radikale Prüfung, wer tatsächlich bedürftig sei. Arbeitslosen, die Privatvermögen haben oder über einen einkommensstarken Partner verfügen, soll die Stütze gekürzt werden. Sofort wird ihm vorgeworfen, "marktradikal" zu sein. Die Gewerkschaften empören sich, Sozialpolitiker distanzieren sich von dem "Reform-Luftballon". In mehreren deutschen Städten gehen Demonstranten auf die Straße. Klingt bekannt?
Der Finanzminister hieß Oskar Lafontaine. Man schrieb den 25. Oktober 1998. In einer dreiminütigen Redepassage auf dem SPD-Parteitag blies der designierte Minister zur Attacke auf die Sozialversicherungssysteme. "Ich habe gesagt, dass es viele Fälle gibt, in denen jemand hohes Arbeitslosengeld bezieht, obwohl Familieneinkommen und Vermögen da sind", präzisierte er hinterher im SPIEGEL. "Und ich frage nun, ob der Sozialstaat nicht besser so konstruiert sein sollte, dass nur die Bedürftigen Nutznießer des Sozialstaats sind."
Die Genossen waren geschockt. "Ich bin fast vom Stuhl gekippt", sagte IG-Bau-Chef Dieter Wiesehügel. Die Arbeitgeber applaudierten.
"Oskar greift zur Axt", titelte die Zeitung "Die Woche" kurz darauf. Dazu kam es dann nicht mehr: Nach nur sechs Monaten verließ Lafontaine das Kabinett Schröder im Streit. Hätte er länger ausgehalten, hieße die große Arbeitsmarktform heute vielleicht nicht Hartz IV, sondern Lafontaine I.
Sicher, er hat damals nicht die Zusammenlegung von Arbeits- und Sozialhilfe vorgeschlagen, wie es jetzt bei Hartz IV geschieht. Aber sein Vorstoß ging in dieselbe Richtung: Die Kürzungen hätten rund 50 Prozent aller Arbeitslosen betroffen, wurde damals geschätzt.
Und es war nicht das erste Mal, dass Lafontaine im Namen der ökonomischen Notwendigkeit Erwartungen zurückstutzte.
Oskar anno 1988: Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich
1988 trat Lafontaine vehement für eine Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich ein. Außerdem forderte er von der SPD eine flexiblere und pragmatischere Haltung zu den Maschinenlaufzeiten sowie zur Samstags- und Sonntagsarbeit. Auch die Gewerkschaften, so Lafontaine damals, trügen Mitverantwortung für "die Höhe der Arbeitslosigkeit".
IG-Metall-Chef Franz Steinkühler war empört. Bei Lafontaines Forderungen handele es sich "fast um einen Dolch" in den Rücken der Arbeitnehmer, schimpfte der mächtige Gewerkschaftsführer. Die Wirtschaft hingegen applaudierte dem damaligen Ministerpräsidenten des Saarlandes - fast so wie später seinem ärgsten Rivalen, dem Genossen der Bosse, Gerhard Schröder.
Ebenso unvergessen: Als führender Kritiker der Wiedervereinigung wetterte Lafontaine dagegen, die D-Mark im Osten einzuführen und die Gehälter schnell auf Westniveau zu bringen. "Was ökonomisch falsch ist, kann politisch nicht richtig sein", sagte er noch im Wahlkampf 1990. Seine harte Haltung in dieser Frage war ein wesentlicher Grund für die Niederlage der SPD bei der Bundestagswahl 1990. Mit 33,5 Prozent der Stimmen fuhr Kanzlerkandidat Lafontaine für die Sozialdemokraten das schlechteste Ergebnis seit 1957 ein.
Im November 1989 - unmittelbar nach dem Fall der Mauer - hatte sich Lafontaine auf Grund der finanziellen Folgen sogar noch gegen eine gemeinsame Staatsbürgerschaft der Deutschen in Ost und West ausgesprochen.
Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass der Mann, der einst den Ostdeutschen Wasser predigte, sein politisches Comeback nun ausgerechnet im Osten feiert. Fünf Jahre nachdem er fluchtartig alle seine Ämter hingeschmissen hatte, scheint der hauptberufliche "Kanzler-Beißer" (Bunte) in der Anti-Hartz-Bewegung endlich seine neue Bestimmung gefunden zu haben. Der von der SPD-Spitze Geschmähte macht sich zum Sprecher aller, die sich benachteiligt fühlen. Es ist ein Zweckbündnis: Die Bewegung braucht einen Redner, einen Promi, ein Gesicht. Und der Napoleon von der Saar braucht Fußtruppen, um endlich wieder politische Macht ausüben zu können.
Frühere Parteifreunde wenden sich empört von Lafontaine ab. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sagte kürzlich, er vermute, dass Lafontaine sich nach seinem Abgang 1999 eine "Scheinwelt" gebildet habe, aus der er nicht mehr herauskomme. Der frühere SPD-Chef sei "kein seriöser Gesprächspartner mehr." Und der Sprecher des rechten Seeheimer Kreises innerhalb der SPD, Karl Hermann Haack, befand trocken, Lafontaine mutiere "allmählich zum politischen Depp".
Doch je mehr die Sozialdemokraten ihn ausgrenzen und abwerten, desto schriller werden die Forderungen Lafontaines. Erst fordert er im SPIEGEL-Interview ultimativ den Rücktritt des Kanzlers und einen radikalen Politikwechsel und drohte zugleich mit seinem Engagement in einer neuen Linkspartei.
Nun druckte die Zeitschrift "Cicero" einen Zehn-Punkte-Plan Lafontaines unter der Überschrift: "Wie ich Deutschland retten will".
Unter dem Punkt "VWL für Schulen" fordert Lafontaine allen Ernstes, die Lehrstühle der Universitäten von neoliberalen Angebotstheoretikern zu reinigen, damit in Zukunft die Wahrheit gelehrt werde.
"Im Grunde eine Steuererhöhung"
Von Michael Kröger
Am Sonntag muss der SPD-Vorstand über das Konzept der parteiinternen Arbeitsgruppe zur Einführung der Bürgerversicherung entscheiden. Strittig ist, inwieweit Kapitalerträge in die Versicherung einbezogen werden.
Kritiker, wie der Regierungsberater Bert Rürup, bemängeln eine ganze Reihe von Systembrüchen und Ungereimtheiten.
Sozialexperte Rürup: "Willkürliche" Festlegung von Einkommensarten
Berlin - Die Eintracht ist nur vorgetäuscht.
Gestern Abend hatte die von SPD-Vorstandsmitglied Andrea Nahles angeführte SPD-Arbeitsgruppe einstimmig ein Konzept zur Bürgerversicherung beschlossen, doch die Frage, wie das Projekt finanziert werden soll, ließ die Kommission außen vor. Schnell nämlich war klar, dass die Formel der Parteilinken, einfach die Bemessungsgrenzen aufzuheben und Kapitaleinkünfte in die Rechnung nicht einzubeziehen, nicht durchsetzbar sein würde. Schon in der Arbeitsgruppe fand sich dafür keine Mehrheit, von den Aussichten auf eine Zustimmung von Seiten der SPD-Spitze ganz zu schweigen.
Also wurde das Problem kurzerhand vertagt - am Sonntag muss der Parteivorstand darüber entscheiden, welche Kapitaleinkünfte in welchem Umfang zusätzlich mit einem Kassenbeitrag belastet werden sollen. Der Umfang wird begrenzt sein, wie SPIEGEL ONLINE aus dem Umfeld der Arbeitsgruppe erfuhr. Um nicht die kleinen Vermögen anzugreifen, soll der Freibetrag zur Kapitalertragsteuer von rund 1600 Euro bestehen bleiben. Darüber hinaus sollen den Informationen zufolge Erträge in Höhe von maximal 1000 Euro mit dem jeweiligen Krankenkassenbeitrag - im Durchschnitt 14 Prozent - belastet werden. Miet- und Pachteinnahmen sollen außen vor bleiben.
Doch bereits diese Eckdaten bringen die Gegner der Bürgerversicherung auf die Barrikaden. "Im Grunde ist das nur ein Umverteilungsprogramm, das mit dem Etikett Bürgerversicherung versehen ist", sagt der Wirtschaftsweise Bert Rürup gegenüber SPIEGEL ONLINE - "eine Steuererhöhung, um damit einen höheren Bundeszuschuss an die Kassen zu finanzieren".
Das eigentliche Ziel wird verfehlt
In scharfer Form wendet sich Rürup auch gegen die "willkürliche" Festlegung der Einkommensarten, die mit Kassenbeiträgen belastet würden. Das eigentliche Ziel der Bürgerversicherung, nämlich die Gleichbehandlung aller Einkommensarten, werde in eklatanter Weise verfehlt. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass Miet- und Pachteinkünfte nicht in die Rechnung einbezogen würden, nur weil die Erhebung komplizierter sei.
Als Hintergrund für diese Einschränkung vermutet Rürup, dass Miet- und Pachteinkünfte überwiegend als Verlustposten in der Steuererklärung auftauchen, also wenig einbringen. "Nach reiner Rechtslehre kann das aber kein Grund sein, sie einfach auszuklammern".
Ohnehin sei gleich ein weiterer Systembruch notwendig, um das Ziel zu erreichen, dem Fiskus insgesamt mehr Geld in die Kassen zu spülen: Der Zuschlag müsste als nicht verrechenbar festgelegt werden. Der Hintergrund: Von den Zinserträgen führen die Banken und Sparkassen die Kapitalertragssteuer direkt ans Finanzamt ab, das den Betrag später mit der Einkommenssteuer verrechnet, die der Betreffende nach seinem persönlichen Steuersatz auf seine Kapitalerträge bezahlen muss. Ein Aufschlag auf die Kapitalertragssteuer würde also nach dem bestehenden System keinen Euro zusätzlich einbringen.
Mehreinnahmen fraglich
Nach Überzeugung Rürups sind Mehreinnahmen ohnehin mehr als fraglich, denn die Zusatzsteuer würde nur die Kapitalflucht ins Ausland verstärken, wie dies bereits in der Vergangenheit zu beobachten gewesen sei. "Dazu gehören dann auch all die negativen Begleiterscheinungen wie geringere Investitionen, weniger Arbeitsplätze und wieder eine höhere Belastung der Sozialkassen." Das Modell sei deshalb keinesfalls dazu geeignet, Beitragssenkungen zu erreichen.
Rürups Modell einer einkommensunabhängigen Kopfprämie, das sich die Union für die Reform des Gesundheitswesens zu Eigen gemacht hat, verwerfen dagegen die Genossen.
Das Modell sieht vor, einen Pauschalbetrag in Höhe von 169 Euro pro Erwachsenem und 78 Euro pro Kind zu erheben. Bei geringen Einkommen soll der Staat einen Teil oder die gesamten Kosten übernehmen. Die Leistungsstarken leisten ihren Solidarbeitrag so über die Steuer. Insgesamt, so die Kalkulation, würden so knapp 19 Milliarden Euro umverteilt.
Doch der "finanzielle Sozialausgleich nach Kassenlage" ist mit den SPD-Linken nicht zu machen. Letztlich würden die Leistungen im Wesentlichen von denen erbracht, die sie selbst in Anspruch nehmen müssten, lautet ihr Argument. Rürup sieht dagegen gar nicht so große Gegensätze. "Es ist ja nicht so, dass sich beide Konzepte völlig diametral gegenüberstehen. Beide verfolgen das Prinzip, die Finanzierung des Gesundheitssystems vom Faktor Arbeit abzukoppeln."
Trotzdem: Die Positionen sind noch viel zu weit auseinander, um Hoffnungen auf eine schnelle Einigung zu wecken. Aber in Zeitnot sieht sich die SPD ohnehin nicht. Nach Auskunft von Regierungssprecher Thomas Steg will sich die Partei genügend Zeit für eine ausreichende Beratung nehmen. "Die Debatten über die Bürgerversicherung stehen erst am Anfang."
Aber hier schon: Es ist schlicht eine Umverteilung der Gelder. Grotesk, daß man es den Menschen erst über Hartz IV nimmt und ihnen dann wieder über die Bürgerverunsicherung gibt. Das ist SPD pur!
Ich denke jedoch, daß auch hier wieder die bekannten Ariva-Stimmen tönen: Ach die Union, ach der Kohl, ach der Kaiser Karl ... ist doch ganz prima ... usw.
Das Thema ist für mich und wahrscheinlich die meisten inhaltlich noch nicht ausgereift - außer natürlich bei SL, der da schon absolut sichere Ekenntnisse hat, die er uns aber leider immer vorenthält, so dass der Rest der Welt sie sich erst mühsam erarbeiten muss.
Für mich ist z.B. völlig unklar, wie bürokratisch aufwendig die Datenerhebung und Verwaltung des Sozialausgleiches sich darstellt. Ansonsten finde ich Rürüps Argumente zugunsten der Kopfpauschale sehr stichhaltig. Damit wäre das Thema Krankenversicherung endlich mal von den Arbeitskosten abgekoppelt. Aber da wäre auch noch die Finanzierungsfrage - wo kommt das geld für den Ausgleich her. Und dann wäre da noch die Frage: Wie ist das Verhältnis zwischen sogenannten gesetzlichen und den privaten Kassen geregelt. Und außerdem bleibt die sehr wichtige Frage - unabhängig vom System der Geldbeschaffung: Wie sieht es auf der Ausgabenseite aus.
Die Bürgerversicherung ist für mich völlig unlogisch: Warum sollte es besser sein, wenn mehr Einzahler da sind, wenn auf der andren Seite die gleiche Anzahl an Leistungsempfängern hinzukommt. Das einzige, was da doch hinzukommt, ist die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, das heißt mehr Einkommensarten werden - unter großem bürokratischem Ermittlungsaufwand - einbezogen und damit mehr Geld beschafft. Wofür?
Ich finde: Zunächst muss einmal festgelegt werden, wievile Geld für ein vernünftiges Gesundheitswesen gebraucht wird - unter Einbeziehung sämtlicher Effektivitäts- und Sparsamkeitskriterien.Und das sollte sehr streng bemessen sein. Und dann überlegt man sich, wie das Geld dafür zusammenkommt. Das Gesundheitswesen muss dann mit diesem geld auskommen und die klar definierten Leistungen erbringen - das medizinisch notwendige. Wer mehr will, muss das dann auf andere Art versichern oder selbst bezahlen.
Das nennt man die "top-down"-Methode. Diese haben die Schweden sehr erfolgreich eingeführt. Das hat das Gesundheitswesen besser und billiger gemacht.
Nur meine Meinung natürlich.
Gruß BarCode
Meiner Ansicht nach ist die Lösung folgende: Auflösung der Kassenärztlichen Vereinigung, was enorme Kosten einspart, entbürokratisiert und dem Patienten mittels direkter Abrechnung einen Überblick über die Behandlung und deren Kosten gibt. Dann einen Mindeststandard für alle Kassen vorschreiben, den diese leisten müssen, wie dies ja auch bei anderen Versicherungsformen der Fall ist. Die gesetzlichen Kassen werden privatisert und müssen dann gegebenenfalls fusionieren um zu bestehen. Dann beginnt der Wettbewerb. Eine Gesundheitsprüfung halte ich für legitim weiterhin, allerdings dürfen die Kassen keine Patienten ablehnen, diese aber zu einem höheren Tarif versichern. Ich finde da die Prozentabstufung wie bei der KfZ-Haftpflicht zwischen 20/30% bis hin zu 250% generell gut. Wer also jahrelang nicht zum Arzt geht/Leistungen nicht in Anspruch nimmt der verbessert sich in Richtung meinetwegen 20%, wer halt chronisch krank ist, der muß eben bereit sein auch für seine Gesundheit mehr finanziell zu tragen als gesunde Menschen, beispielsweise 160 oder 170%. Somit leisten Gesunde immer noch einen Solidarbeitrag und entziehen sich nicht dem System, andererseits werden Kranke etwas mehr belastet. Man könnte dann die %-Einstufung beim Kassenwechsel mitnehmen. Selbstbeteiligung etc. oder Boni für Sportabzeichen etc. wären dann nicht mehr die Ausnahme sondern die Regel.
Eier auf Platzeck
Nicht nur Pfeifkonzerte und „Buh“-Rufe erwarteten Matthias Platzeck am 25.08.2004 bei seiner Rede auf dem
Spremberger Marktplatz, sondern auch Eier, wie einst bei Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl und kürzlich bei Bundeskanzler Schröder.
Nach mehreren missglückten Versuchen, Platzeck zu treffen, schritten Polizei und Sicherheitskräfte ein.
Nach Polizeiangaben war der wurffreudige Bürger stark alkoholisiert.
sicherlich war der werfer(volksheld) stark "alkoholisiert", wie in jeder diktatur werden solche leute für verrückt erklärt o.ä.
ein guter beweis für ebend diese.
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gruß
proxi
Diskussion mit den Ministerpräsidenten Platzeck und Milbradt
"Es ging alles unter die Haut", sagte der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) in der ZDF-Sendung "halb 12 - Bettina Schausten und Gäste" zu den Feierlichkeiten um die EU-Osterweiterung. Dennoch dürfe nicht vergessen werden: Die europäische Einigung sei weiter "harte Arbeit".
Als "Gefahr für Ostdeutschland" wollte Matthias Platzeck die Osterweiterung der EU nicht sehen. Für Unternehmen gebe es schon seit vielen Jahren die Möglichkeit, etwa in Polen oder Tschechien zu investieren. Mit den neuen EU-Nachbarn werde Ostdeutschland aber nicht in einen Wettlauf um die niedrigsten Löhne eintreten. Das sei der falsche Weg. "Da werden wir nicht mithalten können. Wir müssen schneller und innovativer sein", sagte Platzeck.
Kein Niedriglohngebiet Ostdeutschland
Der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) betonte gegenüber Bettina Schausten, es müssten neue Wege beschritten werden, um die hohe Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland abzubauen. Milbradt plädierte dafür, Geringqualifizierten statt Sozialhilfe Lohnzuschüsse zu zahlen und so die Arbeitskosten zu senken. Auch könnte der Staat den Arbeitnehmeranteil an der Sozialversicherung übernehmen.
»Ein Niedriglohngebiet halte ich für die völlig falsche Strategie. Damit gehen wir unter.«
Matthias Platzeck
Zur Diskussion um ein Niedriglohngebiet Ostdeutschland sagte Matthias Platzeck: "Ein Niedriglohngebiet halte ich für die völlig falsche Strategie. Damit gehen wir unter." Wenn man zunächst mit Polen oder Tschechien um die niedrigsten Löhne konkurriere, dann sei der nächste Schritt der Wettbewerb mit Weißrussland oder gar China. Damit drehten sich die Löhne in einer Spirale nach unten. Auch sein Amtskollege Milbradt wandte sich gegen ein Niedriglohngebiet Ost, plädierte aber für ein flexibleres Planungsrecht.
»Wir brauchen im Osten ein größeres Wirtschaftswachstum als im Westen, um zu einer Anpassung zu kommen.«
Georg Milbradt
Eigenverantwortung der Länder
Georg Milbradt unterstrich in der Sendung, alle Anstrengungen in Ostdeutschland müssten auf das Wachstum der Wirtschaft ausgerichtet werden. "Wir brauchen im Osten ein größeres Wirtschaftswachstum als im Westen, um zu einer Anpassung zu kommen." Dies sei in den letzten sieben Jahren nicht gelungen. Matthias Platzeck warnte, dies über eine weitere Auflösung der Arbeitnehmerrechte zu erreichen. In Brandenburg sei schon jetzt nicht einmal mehr jeder vierte Betrieb tarifgebunden.
Um verstärkt wirtschaftliche Dynamik in Sachsen entfalten zu können, wünschte sich Georg Milbradt eine stärkere Eigenverantwortlichkeit seines Bundeslandes, etwa bezüglich des Planungsrechtes oder des Sozial- und Arbeitsrechtes. Matthias Platzeck sagte, die einzige Chance seien weitere Investitionen in Bildung, Wissenschaft, Forschung und Infrastruktur. Er halte es auch für richtig, dafür die Goldreserven der Bundesbank zu nutzen.
»Ich halte nichts davon, Forschung auf Pump zu finanzieren.«
Georg Milbradt
Platzeck: Diskussion spaltet Deutschland
Dagegen konterte Georg Milbradt: "Ich halte nichts davon, Forschung auf Pump zu finanzieren." In Ostdeutschland mangele es auch nicht an Ideen. Wichtig dagegen sei, die Ideen der Wissenschaft in Sachsen in Wertschöpfung im eigenen Land zu verwandeln und so zu verhindern, dass sächsische Innovationen am Ende in Baden-Württemberg verwirklicht würden.
»Bei Flexibilität und Engagement muss sich ein Ostdeutscher heute nichts mehr sagen lassen.«
Matthias Platzeck
Die Art und Weise, wie in den letzten Wochen über das vermeintliche Scheitern des Aufbaus Ost diskutiert worden sei, kritisierte Ministerpräsident Platzeck: Dies spalte die Bundesrepublik, die Menschen in Ostdeutschland fühlten sich pauschal abgewertet. Heute gebe es neue Industrien, in Brandenburg etwa in der Luftverkehrs- oder der Biotechnologie, die es früher nicht gegeben habe. Und Platzeck ergänzte: "BeiFlexibilität und Engagement muss sich ein Ostdeutscher heute nichts mehr sagen lassen."
Wahlkampf mit Schröder
Bezüglich der Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen am 19. September zeigten sich beide Politiker optimistisch. Trotz der schlechten Umfragewerte für die Bundes-SPD sagte der SPD-Politiker Matthias Platzeck: "Wir werden Wahlkampf mit Gerhard Schröder zusammen machen."
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gruß
proxi
"Nach mehreren missglückten Versuchen, Platzeck zu treffen, schritten Polizei und Sicherheitskräfte ein."
Hätte er sofort getroffen: wären sie dann nicht eingeschritten?
Inwiefern schritten sie ein: Haben sie ihn angehalten, nur noch Treffer zu landen, da Missglückte Versuche verboten sind?
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Gruß BarCode
Sehr genau beobachtet die SPD die Versuche ihres früheren Vorsitzenden Oskar Lafontaine, in die Politik zurückzukehren. Lafontaine attackiert die Sozialdemokratie scharf, ist aber noch nicht aus der Partei ausgetreten.
Die deutsche Sozialdemokratie versucht sich in der Kunst, den Auftritt ihres früheren Vorsitzenden Lafontaine an der Leipziger Montagsdemonstration mit ostentativer Nichtbeachtung zu strafen, während sie zugleich doch jeden Schritt des Saarländers mit Argusaugen beobachtet. Führende Sozialdemokraten äusserten sich am Dienstag nicht zu Lafontaines Brandreden gegen die Arbeitsmarktreformen der Regierung. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Müller, nannte Lafontaines Äusserungen populistisch, während der niedersächsische SPD-Vorsitzende Jüttner meinte, man solle den Auftritt ignorieren. Diesen Ratschlag zu beherzigen, fällt allerdings der SPD selbst am schwersten.
Schröder als Zielscheibe
Natürlich verfolgte die Partei sehr genau, wie Lafontaine am Montagabend vor angeblich 25 000 Kundgebungsteilnehmern das Reformprogramm «Agenda 2010» in Bausch und Bogen verwarf. Er hielt Bundeskanzler Schröder Wahlbetrug vor und verlangte, die bereits vollzogenen oder noch geplanten Kürzungen von Sozialleistungen rückgängig zu machen. Mehrfach griff Lafontaine in Leipzig, dem Ort der ersten Massendemonstrationen gegen das SED-Regime im Herbst 1989, die aus jener Zeit stammende Parole «Wir sind das Volk» auf. Er erklärte, «wir, das Volk, wollen diesen Sozialstaat, weil er uns ein menschenwürdiges Leben ermöglicht». Ferner sagte er, es gebe in Deutschland keine Trennung zwischen Ost und West, sondern zwischen Arm und Reich. Im Jahr der Wiedervereinigung hatte Lafontaine als Kanzlerkandidat noch den Ost- West-Gegensatz betont und den Beitritt der DDR vor allem als Kostenfaktor dargestellt. Lafontaines Auftritt fand in Leipzig ein zwiespältiges Echo; einige Repräsentanten der früheren Bürgerbewegung sprachen sich gegen die Teilnahme des Politikers an der Demonstration aus.
Die Reise nach Sachsen ist Lafontaines dezidiertester Versuch, ins Rampenlicht zurückzukehren, das er im Frühjahr 1999 mit dem Rücktritt von allen Ämtern fluchtartig verlassen hatte. Damals hatte der SPD-Vorsitzende und Finanzminister begriffen, dass sein Kalkül gescheitert war, Schröder werde unter ihm Kanzler sein. Schröder emanzipierte sich hingegen nach der gewonnenen Wahl recht schnell und begann, den Finanzminister ins politische Abseits zu drängen. An dieser narzisstischen Kränkung laboriert Lafontaine bis heute, und jedes seiner Worte ist getränkt vom Ressentiment gegen Schröder. Gegenüber Parteifreunden, die in diesen Tagen Lafontaine anrufen, um ihm ins Gewissen zu reden, stellt er die wirklichkeitsfremde Forderung auf, der Kanzler müsse zurücktreten. Schröders Sturz scheint inzwischen zu Lafontaines eigentlichem politischem Programm geworden zu sein, und sein Protest gegen die «Hartz IV»-Reform ist nur ein Mittel zum Zweck.
Abwartende Haltung der PDS
Bisher hat Lafontaine allerdings den letzten, konsequenten Schritt gescheut, aus der Partei auszutreten, die an Schröder als Kanzler festhält. Er kokettiert zwar mit der Idee, sich der unter dem vorläufigen Namen «Wahlalternative» entstehenden Linkspartei anzuschliessen, und hält sich alle Optionen offen. Den offenen Bruch mit der SPD vermeidet er, wohl wissend, dass ihm seine augenblickliche Rolle als sozialpolitische Nemesis einer zur Reformpartei gewandelten Sozialdemokratie viel Medienaufmerksamkeit beschert. Ausserdem ist noch ungewiss, ob sich die als Verein unzufriedener bayrischer Gewerkschafter gegründete «Wahlalternative» wirklich zu einer überregionalen Partei mit Erfolgsaussichten entwickelt. Dies hängt nicht zuletzt davon ab, ob die Gruppen links von der SPD ihre Kräfte bündeln oder ob es zum dauerhaften Schisma zwischen den Linkspopulisten im Westen und denen im Osten kommt.
Die PDS reagiert zögerlich auf Vorschläge einer Kooperation oder gar Fusion. Die SED- Nachfolgerin wird in den neuen Ländern als Stimme des Ostens akzeptiert, und eine Mutation zu einer halb westlichen Partei könnte diesen einzigartigen Status zwischen Elbe und Oder gefährden. Daher plädiert derzeit nur der frühere PDS-Vorsitzende Gysi, der unerwartet wie Lafontaine von seinem Posten als Berliner Landesminister desertierte und nun offenkundig ein Comeback versucht, für ein Zusammengehen mit der «Wahlalternative». Ganz auf sich allein gestellt, ohne Unterstützung durch die PDS, dürfte es einer westdeutschen Linkspartei allerdings schwer fallen, Parlamentsmandate zu erringen. Zum zweiten Mal nach 1990, als die Wiedervereinigung Lafontaine den bereits sicher geglaubten Einzug ins Kanzleramt verbaute, könnten die politischen Ambitionen des Saarländers an Ostdeutschland scheitern.
NZZ 1.09.2004
Zielgruppe Rentner
Da ist sie wieder, die Politik nach Rentenbescheid. Wer vor 1940 geboren wurde, braucht keinen Zuschlag zur Pflegeversicherung zu zahlen. Begründung: Die Jahrgänge bis 1940 hätten genug Kinder bekommen. Da könne man sie pauschal vom Kinderlosen-Malus aus Karlsruhe ausnehmen. Dieses Argument ist so schlecht wie durchsichtig. Es zeigt aber deutlich, dass der Begriff "Generationengerechtigkeit" der Bundesregierung als Joker dient, der immer gezogen wird, wenn ihr nichts anderes einfällt, um ihre Sozialpolitik zu rechtfertigen.
Als man den Pflegeversicherungsbeitrag für Rentner Anfang des Jahres verdoppelte, hieß es "Generationengerechtigkeit". Das hatte was für sich: Die gesamte Rentnergeneration profitiere von der Pflegeversicherung. Denn alle haben Anspruch auf Leistungen, nur die wenigsten haben jedoch eingezahlt. Nun muss man den Pflegebeitrag wieder erhöhen, und wieder heißt es "Generationengerechtigkeit". Nur umgekehrt - denn jetzt dient die insgesamt größere Kinderzahl der Senioren dazu, sie vor Zumutungen zu bewahren. Tatsächlich geht es darum, dass von den Sozialstaatsumbauten nun einmal auch 20 Millionen Rentner betroffen sind - und damit die dreißig treueren Prozent des Wahlvolks. Rentner sind leicht reizbar und lesen ihren Rentenbescheid genau. Mit dem ganzen Trara um Arbeitsplätze haben sie nichts mehr zu tun, nehmen jedoch jedes Zerren an den Sozialsystemen als Minusposten wahr. Multipliziert mit dem Faktor Medikamentenkosten, ergibt sich daraus Wut auf die SPD.
Wenn die heutigen Rentner vom Kinderlosenzuschlag pauschal befreit werden, ist das bestenfalls ein Zugeständnis daran, dass sie erstens dieses Jahr schon draufgezahlt haben und zweitens Mitte nächsten Jahres auch den Zahnersatz- und Krankengeldzuschlag zahlen werden.
Mit Generationengerechtigkeit und Kinderproduktion aber hat das nicht das Geringste zu tun. Der gesamte demografische Diskurs wird im politischen Geschäft zur Luftblase. Mögen sich die Experten redlich mühen, die Generation als neue politische Kategorie zu ergründen - wer regiert, kennt nur drei Kategorien: Zielgruppe, Belastungsfähigkeit, Wahltermin. "ULRIKE WINKELMANN
taz Nr. 7451 vom 2.9.2004, Seite 11, 48 Zeilen (Kommentar), ULRIKE WINKELMANN
von Konrad Adam
Der Berg kreißt, und er gebiert eine Maus nach der anderen. Die jüngste hat den CSU-Sozialpolitiker Horst Seehofer zum Vater, und sie ist danach. Seehofer hat bei Norbert Blüm gelernt und weiß um dessen gloriose Einsicht, dass die große Konfusion das Paradefeld der Manipulierer ist. Und weil er so leidenschaftlich gern manipuliert, will er die Konfusion vergrößern.
Zu diesem Zweck schlägt er vor, die Forderung des Bundesverfassungsgerichts, Familien in der Pflegeversicherung besser zu stellen als Kinderlose, dadurch zu erfüllen, dass er zunächst einmal den Beitrag für alle prozentual anhebt, um aus dem solcherart gefüllten Topf den aktiv Erziehenden, wie er die Eltern nennt, fünf Euro im Monat zu erstatten.
Das ist ein dreifacher Betrug. Zum einen, weil eine prozentuale, also jährlich wachsende Belastung mit einem Festbetrag auf der Gegenseite verrechnet wird. Was das bedeutet, ist klar: Während der Beitrag steigt, muss man nur lange genug warten, bis der Bonus nichts mehr wert ist. Zweitens will Seehofer die Zahlung auf jene Zeit begrenzen, in der die Kinder zu Hause leben - als ob sie nicht erst dann so richtig teuer würden, wenn sie das Haus zum Studium verlassen haben! Drittens und letztens: Das ohnehin schon undurchsichtige System würde noch einmal komplizierter.
Der Wahnsinn der deutschen Sozialpolitik hat Methode. Die Leute sollen über den Tisch gezogen werden, aber nicht merken, wie. Ulla Schmidts Einfall, nicht etwa den Familien weniger, sondern allen anderen mehr abzuverlangen, läuft auf denselben Trick hinaus. Sozialpolitik scheint den Verstand zu trüben oder den Charakter zu verderben, manchmal auch beides. Blüm sind wir glücklich losgeworden, Rudolf Dressler, sein Widerpart von der SPD, konnte als Botschafter entsorgt werden. Wann wird die nächste Botschaft frei, in Pjöngjang oder Timbuktu, diesmal für Horst Seehofer?
Artikel erschienen am Do, 2. September 2004