Olympia 2008
Der Frosch ist ins Milchglas gefallen. Jetzt kann er sich entscheiden, ob er ertrinken will oder so lange strampelt, bis aus der Milch Butter geworden ist und er raussteigen kann. Wir werden strampeln." (Handball-Bundestrainer Armin Emrich nach der 20:30-Pleite der deutschen Frauen gegen Südkorea)
Dreiste Betrüger
Nicht jeder Medaillengewinner kam in den Genuss einer echten Siegerehrung, weil die Konkurrenz zu verbotenen Mitteln griff. Ein Beispiel: Der Russin Tatjana Tschernowa wurde Bronze im stillen Kämmerlein anstatt im Vogelnest vor 91.000 Zuschauern überreicht. Zuvor war die Ukrainerin und vermeintliche Silbermedaillengewinnerin im Siebenkampf Ludmilla Blonska wegen Dopings disqualifiziert worden. Auch Silber und Bronze von Doping-Schütze Kim Jong-Su mit der freien Pistole und der Luftpistole mussten nachträglich vergeben werden.
Den Gipfel der Dreistigkeit leistet sich der irische Reiter Denis Lynch, dessen Pferd positiv getestet worden war. Auf einer Pressekonferenz präsentierte er ein Einreibemittel namens "Equiblock", welches er angeblich vergessen hatte, bei seinem Tierarzt zu melden. Auf dem Label habe gestanden: "Enthält Capsaicin. Wird nicht positiv getestet."
Stab-Träger der USA
Beide favorisierten Sprint-Staffeln der USA verlieren im National Stadium ihre Stäbe. Ähnlich erging es den Girls aus Jamaika, die Gold im Finale wegwarfen. In Zukunft also: Nicht nur Laufen trainieren, sondern auch Übergaben!
Die Öffentlich-Rechtlichen
Olympia auf allen Kanälen und bis zum Abwinken wurde dem Gebührenzahler versprochen. Auf den ersten Blick hielten ARD und ZDF ihr Versprechen – allerdings mit fragwürdiger Gewichtung. Beispielsweise zeigte man anstelle des Dramas um die deutschen Handballer in ihrem letzten Spiel gegen Dänemark live lieber einen Boxkampf ohne deutsche Beteiligung. Das Aus der Weltmeister folgte zeitversetzt. Bei aller Ehrfurcht vor dem globalen Gedanken der olympischen Bewegung: Zu erklären ist das nicht. Wer wirklich alles sehen wollte, war auf Live-Streams im Internet angewiesen.
Deutsche Ballsportler
Handball-Männer und -Frauen traten als Medaillenkandidaten an und verabschiedeten sich noch vor den Viertelfinals. Die Basketballer streckten gegen schlagbare Chinesen die Waffen. Deutschlands Fußball-Frauen, ansonsten eine sichere Bank, kamen im Halbfinale gegen Brasilien mit 1:4 unter die Räder. Fast schon die Ehrenrettung: Den Volleyballern gelang der erste Sieg bei Olympia seit 36 Jahren – 1972 in München hatten sich die DVV-Herren letztmals für die Spiele qualifiziert.
Ausverkauft?
Offiziell wurden 6,8 Millionen und damit alle verfügbaren Tickets abgesetzt. Dennoch herrschte auf den Rängen teilweise gähnende Leere. "Der Grund dafür sind vor allem die Wetterbedingungen. Nach der Hitze haben die Regenfälle viele Zuschauer verschreckt", meinte BOCOG-Vizepräsident Wang Wie.
Land unter bei den Schwimmern
Einzig die beiden Goldmedaillen von "Rettungsschwimmerin" Britta Steffen verhinderten ein totales Debakel. "Das hatte mit Leistungssport nichts zu tun", jammerte Thomas Rupprath stellvertretend nach seinem sang- und klanglosen Ausscheiden im Vorlauf. Immerhin reagierte der Verband: Unmittelbar nach den Wettkämpfen präsentierte der DSV wie erwartet Wassersprung-Bundestrainer Lutz Buschkow als neuen Sportdirektor und Nachfolger von Örjan Madsen.
Springreit-Debakel
Die einst so stolzen deutschen Springreiter kehren erstmals seit 1928 ohne Edelmetall von Olympischen Spielen zurück. Doch damit nicht genug: Christian Ahlmann wurde wegen einer positiven A-Probe bei seinem Pferd Cöster von den Spielen ausgeschlossen. "So etwas ist der Super-Gau für unseren Sport. Da muss man sich sicherlich auch Gedanken darüber machen, ob unser Sport weiter eine Chance hat, zur olympischen Familie zu gehören", sagte Peter Hofmann, Vorsitzender des Springausschusses bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung.
Ruderer abgesoffen
Erstmals seit 52 Jahren gewann der DRV bei Olympischen Sommerspielen keine Goldmedaille. Insgesamt gab es in 14 Klassen nur zwei Medaillen. Absoluter Tiefpunkt: Die beiden Achter-Flaggschiffe schieden beide jeweils als Letzte des Hoffnungslaufes aus.
Aufarbeitung bei den Leichtathleten
Eine Medaille - Bronze durch Speerwerferin Christina Obergföll - stand unter dem Strich bei den DLV-Startern. Das Echo ließ nicht lange auf sich warten: Cheftrainer Jürgen Mallow holte zum Rundumschlag gegen das Innenministerium und den DOSB aus. "Arrogant, entwürdigend, hochnäsig und verantortungslos", nannte Mallow deren Verhaltensweisen, zu wenig Geld habe man in die Leichtathletik investiert. Zudem bezeichnete er den Ehren-Präsidenten Helmut Digel als "Dummschwätzer". Dieser hatte Kritik an den Trainern geübt.
Klima-Chaos
Den Zuschauern bot sich gleich zu Beginn der Spiele ein ungewohntes Bild: Profi-Radrennfahrer, die am Streckenrand rund um die Smog-Hochburg Peking mit hochrotem Kopf nach Atem ringen. Über 30 Grad Celsius und über 90 Prozent Luftfeuchtigkeit machten selbst den hartgesottenen Pedaleuren zu schaffen. "Ein mörderisches Klima", ächzte der deutsche Zeitfahrmeister Bert Grabsch nach seinem Ausstieg. Im Fußball-Finale sah sich der Schiedsrichter genötigt, die Partie für Trinkpausen zu unterbrechen. Ruderwettbewerbe mussten wegen Sturms vertagt werden, in Hongkong ging gar eine Taifun-Warnung ein. Strömendem Regen sahen sich beispielsweise Geher und Beachvolleyballer ausgesetzt.
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Die Rekord-Männer
Sprinter Usain Bolt und Schwimmer Michael Phelps: Beide wurden ihrer Favoritenrolle absolut gerecht und holten Gold am Fließband - natürlich mit Weltrekorden. Wer an Olympia 2008 denkt, muss sich zwangsläufig an Bolt und Phelps erinnern. Ob alles mit rechten Dingen zuging? Trotz Unschuldsvermutung lässt sich das Fragezeichen angesichts der Rekordflut nicht wegwischen.
Olympiasieger der Herzen
Wohl kein Goldmedaillengewinn ging den Deutschen so ans Herz wie der des Matthias Steiner im Gewichtheben: Nach einem dramatischen Finale flippte das Schwergewicht vor den Augen der Welt völlig aus - emotional und körperlich. Der gebürtige Österreicher hatte nach dem Tod seiner Frau 2007 und Streitigkeiten mit dem Verband der Alpenrepublik erst im Frühjahr die deutsche Nationalität angenommen.
Sensibelchen ganz locker
Britta Steffen nahm die gesammelten Hoffnungen der desolaten Schwimmer mit ins Finale über 100 Meter, holte Gold und gewann mit neuer Lockerheit dann auch die 50 Meter Freistil. Danach erklärte sie, alles sei eine Kopfsache. Genau an diesem Punkt waren ihre DSV-Kollegen vorher gescheitert. Doch schnell schwimmen muss man eben auch können.
Sieg auf Platz 16
Die Südafrikanerin Natalie du Toit bestritt als erste Beinamputierte einen Olympia-Wettkampf. Über die 10-km-Langstrecke erreichte die Schwimmerin sensationell den 16. Platz. "Jetzt wird erstmal mit Fast Food und Eiscreme gefeiert", erklärte die 24-Jährige, die ihr Bein vor sieben Jahren bei einem Verkehrsunfall verloren hatte. Bei den Paralympics geht sie in sechs Disziplinen an den Start.
Reife Medaillen
Die Edelmetall-Gewinnerinnen Oksana Chusovitina (33) für Deutschland im Turnen, Dara Torres (41) für die USA im Schwimmen und Josefa Idem (43) für Italien im Kanu bewiesen: Alter schützt vor Leistung nicht.
Deutsche Prominenz in China
Während sich Timo Boll in Deutschland weitgehend frei bewegen kann, löste seine Ankunft in China ein mittelschweres Chaos am Flughafen aus. Und Dirk Nowitzki war im olympischen Dorf wohl mit der gefragteste Partner für ein Erinnerungsfoto unter Athleten. Die angolanischen Handballerinnen standen sogar Schlange.
Weise zum Zweiten
2004 in Athen führte der heutige Hockey-Herren-Bundestrainer Markus Weise die Damen-Nationalmannschaft auf den Olymp. In Peking schaffte er es nun mit den Männern nach ganz oben. Prädikat: Goldschmied.
Shootingstars
Keiner hatte sie auf der Rechnung, am Ende standen sie ganz oben: Lena Schöneborn (Moderner Fünfkampf), Jan Frodeno (Triathlon), Ole Bischof (Judo) und Alexander Grimm (Kanu) holten als Außenseiter Gold für Deutschland.
Argentiniens "Junge Wilde"
Lionel Messi (21), Sergio Agüero (20) und Co. verteidigten Argentiniens Titel von Athen 2004 und schalteten auf dem Weg zu Gold im Halbfinale Erzrivalen Brasilien aus. Altersschnitt der "Gauchos": knapp 22 Jahre. Dabei hebt Routinier Juan Roman Riquelme, der am Sonntag seinen 30. Geburtstag feierte, den Wert noch deutlich.
Die Tennis-Giganten
Zum einen: Rafael Nadal. Der Spanier gewann Gold im Einzel krönte sich in Peking als neue Nummer eins der Welt auch zum König Olympias. Zum anderen: Roger Federer. Der zuletzt leidgeprüfte Schweizer tröstete sich nach dem Viertelfinal-Aus im Einzel gegen James Blake im Doppel. An der Seite Stanislas Wawrinkas holte er sich seine erste olympische Goldmedaille und freute sich danach unbändig.
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Und der war, wie man seit der pompös-gruseligen Eröffnungsfeier der XXIX. Sommerspiele weiß, äußerst hell. Für den Auftakt zu den Paralympischen Spielen wurde dieselbe Bühne gewählt: Das architektonisch eindrucksvolle "Vogelnest" im Herzen Pekings.
Wie schon am 8. August wird der genaue Ablauf der Veranstaltung wie ein Staatsgeheimnis gehütet, nur spärliche Informationen drangen im Vorfeld nach außen. Das Motto des Fests lautet "Fliege mit dem Traum". In drei Teilen werden die 91 000 Zuschauer im Nationalstadion mit auf Reisen durch den Weltraum, die Zeit und ein ganzes Leben genommen. Und, wie es sich für China gehört, soll es auch ein großes Feuerwerk geben.
Anders als bei der Eröffnung der Olympischen Spiele 2008, als hoher Besuch aus Deutschland ausblieb, hat sich am Samstag auch Bundespräsident Horst Köhler angesagt. Im chinesischen Osten wird er unter anderem auf Irans Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad treffen, der ebenso dabei sein wird. Die Beiden werden in Peking auch jene reine Luft atmen können, die die Dunstglocke über Peking seit 8. August vorläufig ersetzt hat.
Denn im Gegensatz zu früheren Gastgebern wird in Chinas Hauptstadt für die Paralympics genauso viel Aufwand betrieben wie für die Sommerspiele: Die massiven Fahrverbote für die Hälfte aller Autos, die je nach Nummernschild nur an geraden oder ungeraden Tagen fahren dürfen, bleiben aufrecht. Statt der sonst chronisch verstopften Straßen und der schlimmen Luftverschmutzung in Peking erleben die rund 4000 Athleten weiter saubere Luft und fließenden Verkehr.
DBS will einen Sprung nach vorne machen
Unter den 4000 Athleten befinden sich auch 170 Aktive aus Deutschland – das sind knapp 40 weniger als bei den Paralympics in Athen vor vier Jahren. Dort belegte der Deutsche Behinderten-Sport-Verband (DBS) im Medaillenspiegel den achten Platz. "An dieses Ergebnis wollen wir anknüpfen und noch einmal einen Sprung nach vorne machen", betonte Chef de Mission Karl Quade. Favorit auf den ersten Platz sind, wie schon bei Olympia, die Chinesen, die mit 332 Athleten die größte Mannschaft stellen.
Von einer Medaille träumt auch die deutsche Spitzen-Schwimmerin Kirsten Bruhn – sie ist seit ihrem 20. Lebensjahr querschnittsgelähmt. Bei den Paralympics vor vier Jahren hatte sie einmal Gold, zweimal Silber und einmal Bronze geholt – in China will sie ihr Gold-Konto um mindestens eine Medaille aufstocken. Am Samstag wird auch sie dabei sein, wenn Goalballerin Conny Dietz die deutsche paralympische Mannschaft am Samstag als Fahnenträgerin ins Pekinger "Vogelnest" führen wird.
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