die Menschheit zerstört sich gerade selbst...
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Eröffnet am: | 09.12.05 09:01 | von: börsenfüxlein | Anzahl Beiträge: | 210 |
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Klimawandel wirbelt Jahreszeiten im Meer durcheinander
Von Stefan Schmitt
Knapp anderthalb Grad ist das Meer in der Deutschen Bucht wärmer geworden. Schon das, so konnten Forscher messen, genügt, um das Plankton zu verwirren, den Kabeljau zu vertreiben und fremde Warmwasser-Schwimmer anzulocken.
"Die globale Klimaveränderung findet statt, und wir können die Folgen auch in der Nordsee feststellen", sagte Wulf Greve vom Hamburger Forschungsinstitut Senckenberg. In den letzten 40 Jahren sei die Temperatur des Meerwassers in der Deutschen Bucht um knapp anderthalb Grad Celsius angestiegen.
Nur 1,4 Grad - was in den Ohren von Laien nach wenig klingt, hat große Auswirkungen auf das Ökosystem vor der deutschen Küste: Es habe bereits genügt, den Kabeljau aus der südlichen Nordsee zu vertreiben, berichtete der Biologe beim diesjährigen Meeresumwelt-Symposium in Hamburg.
Frühere Saison durch Erwärmung
Der Grund: Besonders in den Wintermonaten führt die Erwärmung zu einem spürbaren Unterschied. Schon der Anstieg um 1,4 Grad bedeute eine Veränderung der mittleren Jahrestemperatur um zehn Prozent.
"Im Winter ist die relative Varianz wesentlich höher als im Sommer", sagte Greve. Das wirkt sich auf das Zooplankton aus, jenes tierische Leben im Meer, das sich nicht aus eigener Kraft fortbewegt, sondern mit der Strömung schwebt - etwa kleine Krebse, Einzeller, aber auch die Larven der meisten Fischarten. Sie reagieren unmittelbar auf die Temperatur des Wassers.
Über 30 Jahre lang haben die Wissenschaftler dreimal in der Woche die Zooplankton-Konzentration vor der Insel Helgoland gemessen.
Schwankungen sind normal: Sie hängen von der Jahreszeit, individuellen Wettereinflüssen und von den einzelnen Arten ab. Um dennoch einen Zusammenhang mit der Klimaerwärmung belegen zu können, analysierten die Forscher die Veränderung der Artendichte je nach Tier und Jahr: Wann gibt es von wem wie viel? So entstand ein Bild der sogenannten Phänophasen, des Zeitraums der Vorkommens einer Art an einem Standort.
Laut Greve treten einzelne Plankton-Arten inzwischen merklich früher im Jahr auf: "Der Temperaturanstieg binnen der letzten 30 Jahre bedingte eine Vorverlagerung der Saison um 3,7 Wochen." Die Larven des Dorschs etwa seien "so früh unterwegs, dass sie im Meer noch nichts zu fressen kriegen". Das Zooplankton reagiere direkt auf Temperaturschwankungen, wie die Untersuchung einer Vielzahl von Organismen gezeigt habe.
"Das ist die einzige Zeitreihe, aus der wir etwas über die Folgen des Klimawandels in unserem Teil der Nordsee lernen können", sagte Hartmut Heinrich vom des Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie, gemeinsam mit dem Umweltbundesamt Veranstalter der Meereskonferenz, zu SPIEGEL ONLINE.
Erst extrem lange, dichte Erhebungen ermöglichten es, aus der Dynamik des rauen Nordsee-Klimas belastbare Hinweise auf menschliches Einwirken herauszulesen. "Um menschgemachte Signale in so einem Wust von Daten zu erkennen, muss man schon sehr lange hinschauen", sagte der Geologe Heinrich.
Veränderungen im Ökosystem
Als Beispiel für die ökonomischen Folgen der Erwärmung in den deutschen Gewässern nannte Greve den Kabeljau, der in nördlichere Breiten abwandere. Zugleich konnten die Helgoländer Forscher neue Arten in der Deutschen Bucht beobachten, die dort früher nicht heimisch waren, wie etwa wärmeliebende Quallen aus dem Ärmelkanal. Solche Staatsquallen könnten Aquakulturen behindern und auch lokale Arten verdrängen.
Die Nordsee, so Greve, sei mitten in einer Veränderung, deren ökologische Bedeutung man noch nicht kenne.
Im Norden Chinas gibt es eine neue Umweltkatastrophe: 60 Tonnen giftiger Steinkohlenteer gelangten dort in den Fluss Dasha und bedrohen das Wasserreservoir einer Millionenstadt.
Wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua heute meldete, bemühten sich zahlreiche Helfer, die Giftwelle einzudämmen. Laut Xinhua war am Montag ein mit dem Steinkohlenteer beladener Lastwagen in den Fluss gekippt. Der Fahrer habe zunächst nichts von seiner Fracht erzählt. Wann mit den Säuberungsarbeiten begonnen wurde, war zunächst nicht klar.
Trinkwasservorräte bedroht
Der Steinkohlenteer, ein Stoff, der möglicherweise Krebs auslöst, wird dem Bericht zufolge mit rund einem Kilometer pro Stunde flussabwärts getragen. Am Dienstag erreichte die Welle den Bezirk Fuping in der Provinz Hebei, wo rund 50.000 Einwohner ihr Trinkwasser aus dem Dasha beziehen. Die Menschen seien angewiesen worden, sich an anderer Stelle mit Wasser einzudecken, berichtete Xinhua.
Die Zehnmillionenstadt Boading liegt etwa 70 Kilometer von der Unglücksstelle in der Provinz Shanxi entfernt. Das Reservoir der Metropole sei jedoch nur zur Bewässerung und für industrielle Nutzung vorgesehen, nicht zur Trinkwasserversorgung, teilte die dortige Umweltschutzbehörde mit. Mit Stroh, Schwämmen und Aktivkohle versuchten Helfer, die Giftstoffe aufzusaugen. Entlang des Dasha wurden 24 Dämme errichtet, um die Wassermassen zu verlangsamen.
Erinnerungen an Benzol-Katastrophe
Im November vergangenen Jahres hatte eine Explosion in einem Chemiewerk im Nordosten Chinas eine Umweltkatastrophe ausgelöst. Damals gelangten rund 100 Tonnen Benzol und andere Giftstoffe in den Songhua. In der Millionenstadt Harbin wurde daraufhin vorübergehend die Wasserversorgung eingestellt. Die Giftwelle erreichte über den Amur auch Russland.
Der Fang von Speisefischen hat im vergangenen Jahrhundert 90 Prozent ihrer Vorkommen getilgt. Immer mehr Arten sind vom Aussterben bedroht.
Die verantwortungslose Ausbeutung der Meere hat fatale Folgen für das ökologische Gleichgewicht.
Die Weltbevölkerung bedient sich immer mehr an dem Reichtum der Meere und holt derzeit 84,5 Millionen Tonnen Fisch im Jahr auf den Tisch. Das ist mehr als das Vierfache des Konsums von Speisefischen Anfang der sechziger Jahre, warnen das UN-Umweltprogramm (UNEP) und die Weltnaturschutzunion (IUCN) in einem alarmierenden Bericht. Er sollte der UN-Vollversammlung in New York am Freitag zur Diskussion vorgelegt werden.
Ausbeutung
Demnach hat der Fang besonders beliebter Arten wie dem Tunfisch, Kabeljau sowie dem Schwert- und dem Speerfisch im vergangenen Jahrhundert 90 Prozent ihrer Vorkommen in den Weltmeeren getilgt. Mehr als die Hälfte, genau 52 Prozent, aller Fischbestände weltweit werden "voll abgeschöpft", heißt es in dem Bericht weiter. Der Anteil jener Arten, die verantwortungslos ausgebeutet wurden und nun um ihren Erhalt kämpfen müssen, stieg von der Mitte der 1970er Jahre bis 2002 von 10 auf 24 Prozent.
20 Millionen Tonnen "Beifang"
Die Experten schätzen, dass außer dem Fang von 84,5 Millionen Tonnen jedes Jahr weitere 20 Millionen Tonnen Fisch als Beifang in die Netze gehen, der für den Verkauf nicht geeignet ist und deshalb meist vernichtet wird. Vom Aussterben bedroht sind auch Tiefseearten, die nur langsam wachsen, sich zu ihrem Unglück aber wachsender Beliebtheit bei Gourmets erfreuen. So der Atlantische Sägebauch, der erst nach 32 Jahren geschlechtsreif wird. Ein kürzlich gefangenes Exemplar dieser Art wurde auf ein Alter von 240 Jahren geschätzt. Das heißt, der Fisch schwamm in etwa seit Napoleons Geburt in der Tiefe des Atlantiks, heißt es in dem Bericht.
Vögel im Netz
Opfer neuer Fangmethoden sind auch gefiederte Meeresanrainer: Etwa 300 000 Seevögel im Jahr werden Opfer der Langleinen-Fischerei. Die Seile sind über eine Länge von bis zu 100 Kilometern mit Ködern und Haken besetzt. Jeder dritte dieser Vögel ist ein Albatros. Folge: 19 der 21 Albatros-Arten kämpfen um ihre Existenz. Zu schaffen macht der Tierwelt auch der Plastikabfall von den Küsten sowie der Schifffahrt: Jede Quadratmeile Meeresoberfläche ist heute mit durchschnittlich 46.000 Plastikteilchen besät.
Tiefseeboden kaum erforscht
Dabei bergen die Weltmeere nach Meinung der Autoren noch ungeahntes Potenzial. Bisher seien erst 90 Prozent der Ozeane erforscht, heißt es in dem Bericht. Vom Tiefseeboden seien es bisher sogar nur 0,0001 Prozent. Von den Arten, die aus 3.000 und mehr Meter Tiefe gefischt würden, sei jede zweite unbekannt. Zu den neueren Erkenntnissen gehört auch, dass Korallenriffe in den tiefen Kaltwasserregionen der Meere bis zu 8.500 Jahre alt, 40 Kilometer lang, 35 Meter hoch und drei Kilometer breit werden können.
Artikel vom 16.06.2006, 09:39 | apa,dpa | dk
Q: http://kurier.at/nachrichten/chronik/13605.php
Gr.
Dreckige Luft, schmutziges Wasser, Moskitos - 13 Millionen Menschen im Jahr müssen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sterben, weil sie in einer verschmutzten Umwelt leben. Am stärksten betroffen sind wie so oft die Kinder.
Die Jahresbilanz klingt erschreckend: 2,6 Millionen Tote durch Herz- und Gefäßkrankheiten, 1,7 Millionen aufgrund von Durchfallerkrankungen, 1,5 Millionen durch Erkrankungen der unteren Atemwege, 1,4 Millionen durch Krebs und 1,3 Millionen durch chronische Lungenkrankheiten. Weitere 470.000 Menschen sterben jährlich bei Verkehrsunfällen und 400.000 durch andere unbeabsichtigte Verletzungen. Diese traurige Liste stellte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor.
AP
Kinder in der Dritten Welt: Überproportional durch dreckige Umwelt gefährdet
Viele der Menschen könnten gerettet werden - durch einen schonenderen Umgang mit der Umwelt. Vermeidbare, gefährliche Umwelteinflüsse kosten laut einer WHO-Studie jährlich rund 13 Millionen Menschen pro Jahr das Leben. Dabei wirken sich Luftverschmutzung, belastetes Trinkwasser und Moskitostiche am gravierendsten aus.
Besonders gefährdet seien Kinder, heißt es in dem WHO- Bericht "Preventing disease through healthy environments" (Krankheitsvermeidung durch gesunde Umwelt): Während von den Risiken allgemein 24 Prozent der Bevölkerung betroffen seien, liege die Quote bei Kindern bei mehr als 33 Prozent.
Hauptleidtragende sind Kinder und Arme
Der Bericht der in Genf ansässigen Uno-Organisation basiert auf wissenschaftlichen Veröffentlichungen, den Studien, Schätzungen und Hochrechnungen von mehr als 100 Experten. Das Ergebnis ist der Versuch einer Gesamteinschätzung der Belastung von Menschen durch Umweltschäden.
"Wir haben schon immer gewusst, dass Umwelteinflüsse die Gesundheit grundlegend beeinflussen, und diese Schätzungen sind bislang die besten", sagte der geschäftsführende WHO-Generaldirektor Anders Nordström, der derzeit den Posten des kürzlich verstorbenen WHO- Direktors Jong Wok Lee bekleidet. "Sie werden uns dabei helfen zu zeigen, dass kluge Investitionen in eine tragfähige Umwelt eine Erfolgsstrategie für bessere Gesundheit und Entwicklung sind."
In vielen Weltgegenden muss sich diese Erkenntnis aber erst noch durchsetzen: In den am wenigsten entwickelten Regionen entfällt fast ein Drittel aller Todes- und Krankheitsfälle auf widrige Umweltbedingungen. 40 Prozent der Malariafälle und geschätzte 94 Prozent der Durchfallerkrankungen - zwei der maßgeblichen Gründe für die Kindersterblichkeit in der Welt - könnten durch besseres Umweltmanagement vermieden werden.
Schlechte Umweltbedingungen lösten in erster Linie Durchfall- und Atemwegserkrankungen, Verletzungen und Malaria aus, heißt es in der Studie weiter. Allein solche Risiken zu vermeiden, könne weltweit jährlich vier Millionen Menschen das Leben retten, vor allem in Entwicklungsländern.
Forscher warnen: "Zeitbombe" liegt unter Sibirien.Die Permafrostgebiete in Sibirien könnten zu einer regelrechten Klimafalle werden. Uralte Mammut-Knochen und Grasflächen, die bisher im Permafrost eingeschlossen waren, beginnen zu schmelzen.
Sie könnten Milliarden Tonnen an CO2 in die Atmosphäre freisetzen und dadurch die Erderwärmung noch weiter vorantreiben, warnt nun eine russisch-amerikanische Forschungsgruppe.
"Wie wenn man Essen verrotten lässt"
Das betroffene Gebiet ist riesig - rund 400.000 Quadratmeilen sind betroffen.
Wenn der Permafrost weiterhin so schnell schmilzt und die Treibhausgase freilässt, könnte sich der bisher auf rund 730 Milliarden Metertonnen CO2-Anteil in der Atmosphäre dramatisch erhöhen, so die Forscher in der jüngsten Ausgabe von "Science".
"Es ist, wie wenn man Essen aus dem Kühlschrank nimmt, und tagelang auf dem Tisch stehen lässt, bis es zu verrotten beginnt", erklärt das Mitglied der Forschergruppe Ted Schuur von der Universität von Florida in der LA Times.
Noch nicht mit einbezogen
In Sibirien sei es jetzt ähnlich. Verfallenes organisches Material von Tieren und Pflanzen in der Erde wird von Bakterien in CO2, Methan und andere Treibhausgase zerlegt.
Das US-russische Forscherteam kommt in seiner Studie auch zu dem Schluss, dass frühere Studien zur globalen Erwärmung die im Permafrost eingeschlossenen Reste an organischem Material in Sibirien und Zentralkanada nicht einbezogen haben.
Bis zu 240 Meter in die Tiefe
Falsch eingeschätzt wurde bisher auch die Menge des Materials und die Größe des betroffenen Gebietes. Es mache rund zwei Drittel der Ausdehnung Kanadas aus, so die Forscher.
Die organischen Reste würden bis zu 240 Meter in die Tiefe reichen - insgesamt rund 500 Milliarden Metertonnen, so der Bericht.
"Kontinent unter der Erde"
"Es ist so, wie wenn man einen neuen Kontinent unter der Erde findet", so der Hauptverantwortliche der Studie Sergei Zimov. Das riesige Gebiet habe sich über Jahrtausende gebildet.
Zuerst der Löss und dann das Eis
Die Mammut-, Bison- Säbelzahntiger-Skelette sowie die Vegetation sei dann von einer einzigartigen Schicht von Löss, den der Wind mitgebracht hat, überdeckt worden. Vor rund 10.000 Jahren wurde dann alles vom Permafrost abgeschlossen.
Bis zu 30 Mal so hoch
Bodenproben zeigten nun, dass der Anteil von Kohlenstoff in den betroffenen Gebieten rund zehn bis 30 Mal so hoch ist als anderswo. Schuur und seine Kollegen arbeiten nun an einer Prognose, die zeigen soll, wie schnell der Permafrost schmilzt.
Drei Meter in hundert Jahren
Eine Studie aus dem Jahre 2005 des "U.S. Center for Athmospheric Research" kam zu dem Schluss, dass rund drei Meter des Permafrostes im 21. Jahrhundert auftauen würden.
Das würde bedeuten, dass Milliarden Tonnen an Treibhausgasen frei werden, wenn die globale Erwärmung sich nicht verlangsamt oder gar gestoppt wird.
"Am Anfang des Teufelskreises"
Die Autoren der Studie hoffen, dass ihre Ergebnisse auch zu einem Umdenken bei Politikern und Entscheidungsträgern in der Wirtschaft führt. "Es ist nicht hoffnungslos", so Schuur. "Wir befinden uns erst am Anfang des Teufelskreises."
Über ein Eindämmen der Emissionen weltweit würde die globale Erwärmung zurückgehen und auch das Schmelzen des Permafrostes verlangsamt.
Umweltbelastungen lösen nach einer Studie der WHO etwa ein Viertel aller Krankheiten aus. Rund 13 Millionen Menschen sterben demnach pro Jahr an eigentlich vermeidbaren Umwelteinflüssen.
Zu den Krankheiten zählt die Organisation Durchfall, Infektionen der Atemwege und Malaria, aber auch die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) mit Husten und Atemnot.
Entwicklungsländer besonders betroffen
Vier Millionen Leben zumeist in Entwicklungsländern könnten bei der Vermeidung von Umweltrisiken im Jahr gerettet werden, schreibt die WHO in der Studie, die am Freitag in Genf veröffentlicht wurde.
Fast ein Drittel der Todesfälle und Krankheiten träten in den am wenigsten entwickelten Ländern auf. Dazu gehörten etwa 40 Prozent der Todesfälle durch Malaria oder sogar geschätzte 94 Prozent von Durchfallerkrankungen, etwa durch verunreinigtes Wasser.
Gegenmaßnahmen könnten neben einer besseren Wasserwirtschaft auch mehr Hygiene, entsprechende Baumaßnahmen und ein vorsichtigerer Umgang mit Brennstoffen und giftigen Stoffen im Haushalt sein.
Herzleiden, Durchfall, Infektionen
Rein statistisch zusammengefasst, zählt die WHO folgende Zahlen und Todesursachen durch Umwelteinflüsse auf: 2,6 Millionen Tote jährlich durch Herz- und Gefäßkrankheiten, 1,7 Millionen durch Durchfallerkrankungen, 1,5 Millionen durch Infektionen der Atemwege, 1,4 Millionen durch Krebs, 1,3 Millionen durch Lungenkrankheiten, 470.000 durch Verkehrsunfälle und 400.000 durch unbeabsichtigte Verletzungen, etwa auf dem Arbeitsplatz.
Forscher finden Hitzezentrum der Arktis
Von Volker Mrasek
Der Klimawandel hat einen neuen Brennpunkt: Auf Spitzbergen und seinen Nachbarinseln ist das Frühjahr bis zu 13 Grad wärmer als normal. Im Zusammenwirken von natürlichen Wetterschwankungen und Erderwärmung sind sogar noch größere Temperaturextreme möglich.
Für gewöhnlich äußere er sich ja nüchtern und sachlich, sagt Oyvind Nordli. So, wie es sich eben gehört für einen Wissenschaftler, der am Norwegischen Meteorologischen Institut in Oslo seinen Dienst tut. Doch dann entfährt es dem Klimaforscher: "Die Temperaturen scheinen völlig verrückt zu spielen!"
Wie viele seiner Kollegen blickt Nordli seit Wochen und Monaten mit immer größerem Erstaunen ins europäische Polarmeer. Dort, auf 77 bis 80 Grad nördlicher Breite, liegt Svalbard: eine Gruppe unwirtlicher, stark vergletscherter Inseln. Die bekannteste und größte von ihnen ist Spitzbergen. Dort, etwa 1200 Kilometer vom Nordpol entfernt, spielen sich in diesem Frühjahr Dinge ab, die selbst Experten nicht so recht fassen können.
http://www.spiegel.de/fotostrecke/...4-SUQ9MTQ0NjEmbnI9MQ_3_3,00.html
Seit Dezember liegen die Monatsmitteltemperaturen auf Svalbard um bis zu 12,6 Grad Celsius über den Normalwerten. Der arktische Archipel avanciert damit zum unangefochtenen Hot Spot der Klimaerwärmung. Nirgendwo sonst auf dem ganzen Globus sind in den letzten Jahrzehnten derart krasse Temperaturabweichungen registriert worden.
Der April auf Svalbard war zuletzt im Mittel exakt null Grad warm - und damit wärmer als jeder vorhergehende Mai. Noch extremer ging es im Januar 2006 zu: Mit einem Durchschnittswert von minus 2,7 Grad war er wärmer als jeder April in den Aufzeichnungen des Wetterdienstes. Normalerweise liegen die Temperaturen in dieser Jahreszeit zwischen minus 12 und minus 16 Grad. "Einen so milden Winter hat Svalbard seit Beginn der Temperaturmessungen 1912 noch nicht erlebt", resümiert Meteorologe Nordli, der in seinem Institut für die hohe Arktis zuständig ist. Schon im Mai war der Ozean um die Inseln herum praktisch eisfrei. "Auch das", sagt Nordli, "haben wir so früh im Jahr noch nie beobachtet."
Starke Schmelzwasser-Abflüsse
Auch deutsche Forscher sind Zeugen des Geschehens. Das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) betreibt eine Station in Ny-Ålesund an der Westküste Spitzbergens, der nördlichsten Siedlung der Welt. Von dort meldeten AWI-Forscher unlängst starke Schmelzwasser-Abflüsse zwischen dem Dauerfrostboden und der noch verbliebenen Schneedecke. Da sie folglich im Verborgenen verlaufen, bringen sie die Forscher vor Ort in Gefahr. "Wir können den Ort praktisch nicht mehr verlassen, um an unseren Messgeräten außerhalb zu arbeiten", meldete Stationsingenieur Kai Marholdt am Jahresanfang in die Heimat.
Phil Jones gehört zu den Ersten, denen die extreme Wärme in der entlegenen Region aufgefallen ist. Der Hydrologe ist Direktor der Klimaforschungsabteilung an der University of East Anglia in England. Dort werden schon seit 25 Jahren globale Temperaturdaten routinemäßig erfasst und Ausreißer auf einer Weltklimakarte mit Fähnchen versehen. Svalbard ist in diesem Frühjahr ständig beflaggt. "Es gab bisher nur einen einzigen Monat, in dem Ähnliches beobachtet wurde", sagt Jones. "Im März 1990 lag die Temperatur in der früheren Sowjetunion um 10 bis 12 Grad über dem Mittelwert, aber das nur für einen Monat."
Auf Spitzbergen und seinen Nachbarinseln kann man derzeit erleben, was passiert, wenn der Klimawandel und natürliche Wetterschwankungen sich gegenseitig verstärken. Der norwegische Vorposten erlebt in diesem Frühjahr eine ausgesprochene Warmwetterlage. Hinzu kommt, dass sich die Klimaerwärmung in hohen nördlichen Breiten in den vergangenen Jahren immer stärker bemerkbar macht. Aus 1978 begonnenen Satellitenmessungen geht hervor, dass die Meereisbedeckung in der Arktis um knapp drei Prozent pro Jahrzehnt zurückgeht. Das Eis auf dem Polarmeer aber wirkt wie ein großer Strahlungsreflektor. Schwindet er, heizt sich die Hocharktis noch stärker auf.
Warmes Wasser aus dem Süden
Eine weitere starke Wärmequelle ist offenbar der Westspitzbergenstrom. Er transportiert Atlantikwasser aus dem Süden in das europäische Nordmeer und fließt im Westen an Svalbard vorbei. Forscher der polnischen Akademie für Wissenschaften haben diese Meeresströmung jetzt genauer untersucht. Gestützt auf Messdaten seit dem Jahr 2000 stellen Waldemar Walczowski und Jan Piechura fest, dass der Westspitzbergenstrom an Kraft gewonnen hat und zusehends wärmer geworden ist. "Wir gehen davon aus, dass der starke Wärmeeintrag anhalten und sogar größer werden wird als in den vergangenen sechs Jahren", schreiben die polnischen Meeresforscher jetzt in der Fachzeitschrift "Geophysical Research Letters".
Dem derzeitigen Hot Spot des Klimawandels steht also möglicherweise eine noch heißere Zukunft bevor. "Bei Warmwetterlagen werden wir immer wieder mit neuen Höchsttemperaturen rechnen müssen", prophezeit Peter Lemke, Leiter des Fachbereichs Klimawissenschaften im AWI. Genauso werde es im Rahmen der normalen Wetterschwankungen aber auch wieder zu kalten Wintern in Ny-Ålesund und Umgebung kommen.
Anders als in Alaska, Kanada und Nordostsibirien leben auf Svalbard keine Eskimos, die noch traditionell jagen und dafür auf eine intakte Meereseisdecke angewiesen sind. Doch es gibt Eisbären, und die, sagt Klimaforscher Jones, hätten dieselben Ansprüche: "Auch sie müssen zur Robbenjagd aufs Eis hinaus." Wenn es sich immer weiter Richtung Nordpol zurückziehe, könnten ihm die Tiere nicht mehr folgen, da sie sich nicht zu weit vom Land entfernen dürften. "Das heißt, es gibt für sie praktisch keinen Platz mehr, wo sie noch hinkönnen", erläutert Jones.
Aus der kanadischen Arktis wurden kürzlich erste Fälle von Kannibalismus unter Eisbären gemeldet. Biologen war dieses Verhalten vorher fremd. Womöglich ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis solche Berichte auch von Spitzbergen und seinen Nachbarinseln kommen.
Q: http://www.spiegel.de/wissenschaft/erde/0,1518,422135,00.html
Gr.
Südeuropa könnte bald auf dem Trockenen sitzen.Während die Touristen auch in diesem Sommer wieder an der Mittelmeerküste in der Sonne braten, gemütlich ihre Bahnen im Swimmingpool ziehen oder auf gepflegten Rasenanlagen Golf spielen, dürften die Bauern im Süden Europas wenig Spaß an der sengenden Sonne finden.
Nicht nur die Arbeit bei hohen Temperaturen treibt den Landwirten Schweißperlen auf die Stirn: Es ist vor allem der ausbleibende Regen, der ihre Erträge wieder dramatisch schrumpfen lässt.
Ernste Wasserknappheit droht
Das dritte Jahr in Folge sind weite Teile Europas einer Hitze- und dadurch hervorgerufenen Dürreperiode ausgesetzt. Einem halben Dutzend Ländern droht nach Angaben von Experten eine ernste Wasserknappheit.
"Ideale Bedingungen für Dürre"
Mehrere Jahre überdurchschnittlich hohe Temperaturen, unterdurchschnittliche Niederschlagsmengen und der hohe Wasserbedarf für Landwirtschaft, Ferienhäuser und dicht besiedelte Gebiete bildeten die "idealen Bedingungen für eine Dürre", sagt Carlo Lavalle, Experte für Risikoanalysen an der gemeinsamen Forschungsstelle der EU in der italienischen Stadt Ispra.
Von Spanien bis Griechenland
Betroffen sei ein Gebiet, das sich von der Iberischen Halbinsel über Südfrankreich und Italien bis zu den griechischen Inseln erstrecke.
Noch nicht von Dürre 2003 erholt
Viele der betroffenen Länder haben sich noch nicht einmal von der Hitze- und Dürreperiode erholt, die im Juli und August 2003 einen Großteil Zentral- und Westeuropas lähmte.
Tausende vor allem alte und kranke Menschen erlagen dem heißen, trockenen Wetter; die Wirtschaft erlitt nach Angaben der EU-Kommission Einbußen in Höhe von mehr als zwölf Milliarden Euro.
Katastrophen häufen sich
Seitdem verging kein Sommer ohne Katastrophenmeldungen über Dürre, Hitze und Waldbrände. Experten lesen anhand der Daten aus den vergangenen zehn Jahren einen Trend.
"Die Sommer werden heißer, die Nachfrage nach Wasser wird größer und gleichzeitig gehen die Regenmengen zurück", sagt Ronan Uhel von der Europäischen Umweltagentur (EAA) in Kopenhagen.
Auch England droht Wasserengpass
"Besonders besorgniserregend ist die Lage in Ländern wie Spanien und Griechenland, in denen es immer weniger regnet, während die Temperaturen immer weiter steigen", so Uhel. Sogar im knochentrockenen Südosten Englands drohen Wasserengpässe.
Geringe Reserven in Spanien
In Südspanien, das sich seit den 80er Jahren zu einem riesigen Obst- und Gemüseanbaugebiet entwickelt hatte und zugleich immer mehr Touristen anzieht, sind die Wasserreserven in diesem Sommer so gering wie seit zehn Jahren nicht mehr.
Rekorddürre in Portugal
Nach der Dürre des vergangenen Jahres konnten sich die Reservoirs und das Grundwasser noch nicht erholen - 2005 herrschte in der Region die schwerste Dürre seit dem Beginn von verlässlichen Klimaaufzeichnungen 1947. Auch in Portugal gilt die Rekorddürre 2005 als die schlimmste seit 60 Jahren.
Zu viel Verbrauch in Italien
Italien leidet noch immer unter der Trockenperiode von 2003; der Norden muss sich außerdem von der Dürre des Jahres 2005 erholen.
Auf der Apenninenhalbinsel wird derzeit ein Fünftel mehr Wasser verbraucht, als die Reservoirs nachliefern.
Frankreich will Wasser überwachen
In Frankreich versuchen die Behörden seit Monaten, die Menschen für drohende Wasserengpässe am Atlantik und am Mittelmeer zu sensibilisieren.
Anfang Juni ließ Landwirtschaftsminister Dominique Busserau das nationale Dürrekomitee wieder aufleben, das die Wasserverfügbarkeit für Bauern überwachen soll.
In den ländlichen Gegenden der westlichen Departements Charente-Maritime und Deux-Sevres gelten bereits jetzt Nutzungsbeschränkungen.
Dauerregen im Osten
Einige Regionen Nord-, Zentral- und Osteuropas waren bis April ebenfalls eine nahezu regenfreie Zone - bis dann vier Wochen lang vor allem in Polen und in den Baltenrepubliken Estland, Lettland und Litauen Dauerregen einsetzte. Im Norden Großbritanniens gab es in diesem Jahr ebenfalls besonders ergiebige Niederschläge.
Schwere Dürre in Norditalien bedroht Ernte.Drei Jahre nach der verheerenden Trockenheit in Norditalien bedroht wieder eine schwere Dürre die Landwirtschaft in der Po-Ebene.
Bereits am Montag kamen Behördenvertreter der Region zu einer Krisensitzung zusammen. Nach Gewerkschaftsangaben könnte es schwere Folgen für die Ernte geben, wenn nicht binnen weniger Tage Regen einsetzen sollte.
Drittel der Ernte gefährdet
Der italienische Bauernverband CIA befürchtet, dass ein Drittel der Reis-, Getreide- und Maisernte gefährdet sei. Auch bei Paradeisern werden Einbußen erwartet.
Betroffen sind die Regionen Piemont, Lombardei, Emilia Romagna und Venetien, die ihre Fruchtbarkeit dem Po verdanken. Derzeit fließt allerdings nur ein Sechstel der durchschnittlichen Wassermenge durch den Fluss.
Geringer Wasserstand in Seen
Verschlimmert wird die Situation durch die großen norditalienischen Seen. Im Garda-, Comer und Iseosee ist der Wasserstand so niedrig, dass die Seen nur noch 70 Prozent der normalen Menge an den Fluss weitergeben. Diese könnte noch auf 50 Prozent sinken.
Schneeschmelze ließ auf sich warten
Grund waren neben dem mangelnden Niederschlag auch die ungewöhnlich kalten Frühlingstemperaturen, durch die die Schneeschmelze verlangsamt wurde.
Suche nach langfristiger Lösung
Kurzfristig könnte eine Öffnung der Staudämme die Lösung bringen. Doch die Agrarlobby drängt darauf, das Problem der Trockenheit in Norditalien auf lange Sicht zu lösen.
Fünf Mrd. Verluste 2003
2003 hatte die extreme Dürre in der Region den Landwirten nach Angaben des Bauernverbandes fünf Milliarden Euro Einnahmeverluste beschert. Auch auf der Insel Sardinien herrscht in diesem Jahr Dürre.
Die Erde war nach einer Studie der amerikanischen Akademie der Wissenschaften in den letzten 400 Jahren noch nie so heiß wie heute.
Laut der Untersuchung stieg die Temperatur allein innerhalb des 20. Jahrhunderts um mindestens 0,6 Grad Celsius an. Demnach waren die 1990er Jahre das wärmste Jahrzehnt und 1998 das wärmste messbare Jahr in der Geschichte. Als Hauptursache für die globale Erwärmung machen die Wissenschaftler "menschliche Aktivitäten" seit der industriellen Revolution verantwortlich.
Klimaforscher könnten durch die Untersuchung von Korallen, Baumringen, Gletschern und Ablagerungen im Ozean Schwankungen in der Erdtemperatur zurückverfolgen, heißt es in der Studie. Danach soll es um das Jahr 1000 in der nördlichen Hemisphäre relativ warme Klimabedingungen gegeben haben, während zwischen 1500 und 1850 eine eine "kleine Eiszeit" herrschte. Aber in den vergangenen 2.000 Jahren sei es zu keinem Zeitpunkt wärmer gewesen als Ende des 20. Jahrhunderts.
Die Erwärmung ist so stark wie seit 400, wahrscheinlich seit 1000 Jahren nicht mehr. Hauptursache sind "menschliche Aktivitäten". Das berichten hochkarätige Forscher nun auch dem US-Kongress in einer Studie, die ein Parteifreund von George W. Bush bestellt hatte.
"Menschliche Aktivitäten sind verantwortlich für den Großteil der Erwärmung in jüngster Zeit" - diese Schlussfolgerung mag Bürgern europäischer Länder banal vorkommen. In den USA ist sie immer noch ein Politikum. Daher birgt der Expertenbericht der National Academy of Sciences (NAS) an den US-Kongress durchaus Sprengstoff. "Die jüngste Erwärmung ist beispiellos für die letzten 400 Jahre und möglicherweise gar für die letzten Jahrtausende", schreiben die Forscher nach Angaben der Nachrichtenagentur AP.
Arktis: Im September 2005 nahm die Nasa ein Allzeit-Minimum der Eisfläche auf. Viele US-Politiker bestreiten den Klimawandel bis heute
Bei dem Report " Surface Temperature Reconstructions for the Last 2,000 Years" um eine Zusammenfassung der jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse und damit auch der Fachdebatte zum Klimawandel. Mehrere Forscher haben im Auftrag der NAS dieses Überblickswerk verfasst. Der Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses des US-Repräsentatenhauses, Sherwood Boehlert, hatte die NAS im November um die Studie gebeten.
Damit reagierte Boehlert, ein republikanischer Abgeordneter aus New York, auf eine Schikane seines Parteifreundes Joe Barton. Der Texaner hatte im vergangenen Jahre Ermittlungen gegen drei Klimaforscher einleiten lassen. Barton sitzt dem Ausschuss für Energie und Handel vor, der die Folgen des Klimawandels mehrfach heruntergespielt hatte. Mehrfach waren kritische Wissenschaftler in der Klimadebatte von Behörden- oder Regierungsvertretern in den USA mundtot gemacht worden. Ein Bush-Berater soll gar Studien manipuliert haben.
Regierung bestreitet Ausmaß des Klimawandels
Die US-Regierung unter dem Präsidenten und vormaligen Ölmanager George W. Bush hatte wiederholt argumentiert, der Klimawandel sei nicht so stark, dass er Gegenmaßnahmen rechtfertige, die fünf Millionen Arbeitsplätze kosten würden. Besonders gegen den Beitritt zum Kyoto-Protkoll, mit dem international der Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid eingedämmt werden soll, hatte die Regierung so argumentiert.
Obwohl das von der Uno eingesetzte Intergovernemental Panel on Climate Change (IPCC) bereits im Jahr 2001 in einer Studie, die auf breitem wissenschaftlichem Konsens fußte, vor den drastischen Folgen des Klimawandels gewarnt hatte, zweifelte die US-Regierung weiterhin an, dass die Erwärmung der letzten Jahrzehnte überhaupt auf den Menschen zurückzuführen sei.
Der Dokumentarfilm "An Inconvenient Truth" des ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore, der seit kurzem in den US-Kinos zu sehen ist, versucht genau diesen Zusammenhang einer breiten Bevölkerung nahezubringen. Kurz vor dem Kinostart reagierte die Öllobby mit einem Werbefeldzug, in dem die Treibhauswirkung von Kohlendioxid in Abrede gestellt wurde.
Im Februar 2007 will die Uno den nächsten IPCC-Bericht veröffentlichen. In einem Entwurf zu diesem Berichts vom Mai dieses Jahres, der SPIEGEL ONLINE vorlag, zeichneten die Experten noch ein drastischeres Bild: Das Abschmelzen des arktischen Eispanzers sei so gut wie nicht mehr zu verhindern. Dass der Mensch in großen Teilen die Erwärmung verursacht, bestreitet niemand.
"Aktivitäten des Menschen"
Nun bescheinigen auch die Autoren der NAS-Metastudie dem US-Kongress: Die Erderwärmung sei gegenwärtig auf dem höchsten Stand seit 400 Jahren. Für diesen Zeitraum seien die Klimadaten verlässlich genug für diesen Schluss. Aber auch im Rahmen der letzten 1000 Jahre sei die jüngste Erwärmung möglicherweise beispiellos, urteilte das Gremium. Hier seien die Daten aber nicht mehr so eindeutig.
Noch weniger zuversichtlich zeigten sich die Autoren bezüglich des Temperaturverlaufs der letzten 2000 Jahren - wegen der dünneren Datenlage für einen Vergleich mit der Gegenwart.
Andererseits sei besonders der Ausstoß der den Treibhauseffekt fördernden Gase Kohlendioxid und Methan sei über die letzten 12.000 Jahre ziemlich konstant gewesen, habe aber ab der Industrialisierung rasant zugenommen. "Aktivitäten des Menschen" seien der Grund für die massive Erwärmung, so der Bericht.
Die berühmte "hockey stick"-Grafik der Klimaforscher Mann, Bradley und Hughes aus den neunziger Jahren, zeigte diese Entwicklung als steil nach oben schnellende Kurve ähnlich dem unteren, gebogenen Ende eines Hockeyschlägers. Skeptiker des Klimawandels hatten besonders diesen drei Autoren immer wieder selektive Auswertung von Daten und tendenziöse Darstellung vorgeworfen - willkommenes Futter für die Argumentation von US-Politikern, die keine Regulierung des CO2-Ausstoßes akzeptieren wollten.
Doch die Schlussfolgerungen von Mann, Bradley und Hughes seien "ziemlich nah an der Wahrheit", sagte John Wallace von der University of Washington, ein Mitglied des NAS-Gremiums. Neuere Erkenntnisse stützten diese Schlussfolgerung ebenfalls. Lediglich die Schlussfolgerung Manns, Bradleys und Huges', dass die neunziger Jahre das wärmste Jahrzehnt und 1998 das wärmste Jahr binnen eines Jahrtausends gewesen seien, wollten die NAS-Autoren nicht unterstützen - "weil die Unsicherheiten bei der Temperaturrekonstruktion für einzelne Jahre und Jahrzehnte viel größer sind als für langere Zeiträume".
Jüngste Forschungsergebnisse hatten gezeigt, dass der Klimawandel unter anderem Einfluss auf die Tierwelt in der Deutschen Bucht hat. Auf Spitzbergen berichteten Forscher, das vergangene Frühjahr sei 13 Grad wärmer gewesen als normal. Ein kürzlich geborgener Nordpol-Bohrkern deutet gar darauf hin, dass Kohlendioxid die Atmosphäre noch stärker aufheizt als bisher angenommen.
Der NAS gehören rund 2000 US-Wissenschaftler und etwa 350 ausländische Mitglieder an, 200 von ihnen sind Nobelpreisträger.
Sie vermuten, dass schierer Hunger die Bären zu einem Verhalten treibt, das bis vor kurzem noch undenkbar schien. „Wir waren völlig überrascht“, berichtete Teamleiter Steven Armstrup. Er und seine Kollegen hätten Fälle gesehen, in denen Eisbären „ganz bewusst ihre Artgenossen belauert, gejagt, getötet und gefressen haben“. Dies sei während der 40-jährigen Erforschung der weißen Pelztiere in Nordalaska und Kanada noch nie vorgekommen.
Bär verspeist Jungtier
Auf die Kannibalen stießen die Forscher eher zufällig, und auch dann brauchten sie einige Zeit, um das Verhalten zu verstehen: Das erste Mal entdeckten sie im Winter 2004 nahe der Grenze zwischen Alaska und Kanada den Kadaver einer frisch gerissenen Bärenmutter, die von einem männlichen Artgenossen aus ihrem Bau gezerrt worden war; ihre beiden Jungen waren unter den Schneemassen des zerstörten Baus erstickt. Drei Monate später fanden sie die Überreste eines weiteren Muttertiers, dessen Junges offenbar entkommen konnte. Kurz darauf sahen sie einen männlichen Bären, der genüsslich ein Jungtier fraß, das er ganz offenkundig aus seiner Höhle verschleppt hatte.
Hohe Dunkelziffer
Alle Fälle ereigneten sich in Gebieten, in denen das Polareis mehr und mehr wegschmilzt. Die Tiere in den Rückzugregionen seien auffallend dünn, berichtet Forscher Armstrup. Er vermutet, dass die Zahl der Kannibalen unter der Bärenpopulation noch viel größer ist als die bisher entdeckten Einzelfälle. Ihre These veröffentlichen Armstrup und sein Team in der nächsten Ausgabe der Fachzeitschrift „Polar Biology“.
Die Zukunft ist das, was wir heute daraus machen
In a separate study, climate experts blamed global warming for much of the hurricane-fueling rise in temperatures in the North Atlantic last year, when there were a number of devastating hurricanes, including Katrina.
In a new report by the National Research Council, researchers said they were highly confident the mean global surface temperature was higher in the past 25 years than any comparable period during the previous four centuries.
They had less confidence the past quarter-century was hotter than any comparable period in the years from 900 to 1600, but found that plausible. For the years before 900, the scientists said they had very little confidence about what the Earth's mean surface temperatures were.
They did not dispute multiple measurements that showed the world warmed up by about 1 degree F (0.6 C) over the course of the 20th century, a quick rise compared with previous centuries.
The scientists also noted that temperature reconstructions for periods before the Industrial Revolution -- when levels of climate-warming greenhouse gases were much lower -- supported the notion the current global climate change was caused by human activities, rather than natural variations in climate.
CLIMATE VARIABILITY
"Natural climate variability is something that we'd like to know about," said Kurt Cuffey of the University of California-Berkeley, who served on the council's committee and spoke at a Webcast about the report.
The human causes of global warming have been under dispute, especially by a skeptical Bush administration, but are generally accepted by scientists as a key factor in climate change.
Figuring out global temperatures over the past 150 years is relatively simple, since reliable records exist. But for the years and centuries before that, researchers must read clues left by the growth rings on trees, the retreat of glaciers and even old paintings and diaries that document climate.
Such clues are called proxies, and scientists began using them in sophisticated ways in the 1990s to estimate Earth's surface temperature in past eras.
The council's report was prompted by a request from the U.S. Congress, spurred by a controversial 1998 report in the journal Nature that used a number of sources, including proxies, to estimate temperatures in the Northern Hemisphere over the last 1,000 years.
That report concluded the hemisphere was warmer during the late 20th century than at any other time in the past millennium, and that the 1990s were the warmest decade and 1998 was the warmest year during that whole period.
In another report on climate change, a new analysis blamed global warming for about half of the extra hurricane-fueling warmth in the waters of the tropical North Atlantic in 2005. Natural cycles were only a minor factor, according to research by Kevin Trenberth and Dennis Shea of the National Center for Atmospheric Research.
Eine neue Studie belegt, dass die Erde heute aufgrund menschlicher Aktivitäten eine wärmere Temperatur hat als in den vergangenen 400 Jahren – ein Widerspruch zur Haltung der US-Regierung.
Die Studie des unabhängigen US-Forschungsrats (National Research Council/NRC) wurde vom US-Kongress in Auftrag gegeben. Das Ergebnis steht im Widerspruch zur Haltung der Regierung von Präsident George W. Bush: Sie hat bisher darauf beharrt, dass der Klimawandel nicht ernst genug sei, um den Schadstoffausstoß auf Kosten von Arbeitsplätzen stärker zu reduzieren. Solche verschärften Kontrollen, so argumentierte das Weiße Haus stets, könnten den Verlust von Millionen Jobs bedeuten.
Unabhängige Experten einschalten
Vom Vorsitzenden des Wissenschaftsausschusses des US-Abgeordnetenhauses, Sherwood Boehlert, wurde die Studie in Auftrag gegeben. Er ist Republikaner und damit auch ein Parteifreund von Bush. Nach den jüngsten Ergebnissen könne es keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit und Korrektheit der Schlussfolgerungen über die Erderwärmung geben, zitierten Medien Boehlert. Es habe sich zudem gezeigt, dass es am besten sei, wissenschaftliche Dispute durch die Einschaltung unabhängiger Experten klären zu lassen.
Der Forschungsrat, der die Studie erstellte, gehört zur National Academy of Sciences (NAS). Dieser ist ein Bund von 2000 US- und 350 nicht amerikanischen Wissenschaftlern – unter ihnen 200 Nobelpreisträger. Nach den Untersuchungen des Gremiums unter Federführung des Meteorologen und Ozeanographen Gerald North von der Texas A&M Universität war es in den vergangenen 25 Jahren vielerorts wärmer als in irgendeiner anderen 25-Jahresperiode der vergangenen 900 Jahre. Aus einem Vergleich mit rekonstruierten Temperaturen aus der vorindustriellen Zeit schließt die Expertengruppe, dass die globale Erwärmung auf den Einfluss des Menschen zurückzuführen sei.
1990er-Jahre das wärmste Jahrzehnt
Demnach stieg die Temperatur der Erdoberfläche im vergangenen Jahrhundert um mindestens 0,6 Grad Celsius an. Weiterhin stellte das Gremium fest, dass die Erwärmung der nördlichen Hemisphäre in den vergangenen Jahrzehnten ihresgleichen sucht innerhalb der vergangenen 1000 Jahre. Dass sich die 1990er-Jahre im Rückblick auf das vergangene Jahrtausend als das wärmste Jahrzehnt darstellen, ist ein weiteres Ergebnis. Erstmals vor fast zehn Jahren war der Klimatologe Michael Mann von der Staatsuniversität Pennsylvania darauf gekommen, dass sich die Erde nach langer Stabilität plötzlich abrupt auf die höchste Temperatur seit 1000 Jahren erwärmt hat.
Studie dient der Überprüfung
Die jüngste Studie für den Kongress dient in erster Linie dazu, die Erkenntnisse Manns und zwei weiterer klimatologischer Untersuchungen zur Erderwärmung zu überprüfen, deren Resultate von politisch konservativen Kreisen angezweifelt werden. Sie sahen in den Forschungsergebnissen das Werk voreingenommener übereifriger Wissenschaftler, die die Regierung mit fragwürdigen Methoden zu verstärkten Maßnahmen gegen die Treibhausgase zwingen wollten. Die nach der Form als „Hockeyschlägerkurve“ bezeichnete Grafik von Mann war kritisiert worden, weil die darin gezeigten Ausschläge in früheren Jahrhunderten zu flach seien.
Der Republikaner Boehlert hatte die Studie in Auftrag gegeben, nachdem Joe Barton eine Untersuchung gegen Mann und zwei weitere Klimaforscher in die Wege geleitet hatte. Barton leitet den Energieausschuss der Kongresskammer, ist ebenfalls Republikaner und stellt das Ausmaß des Klimawandels in Frage. Unter anderem waren zu diesem Zweck auch Manns Computerprogramme und andere seiner Unterlagen beschlagnahmt worden.
Klimaforscher widersprechen Bush
Die Erwärmung ist so stark wie seit 400, wahrscheinlich seit 1000 Jahren nicht mehr. Hauptursache sind "menschliche Aktivitäten". Das berichten hochkarätige Forscher nun auch dem US-Kongress in einer Studie, die ein Parteifreund von George W. Bush bestellt hatte.
"Menschliche Aktivitäten sind verantwortlich für den Großteil der Erwärmung in jüngster Zeit" - diese Schlussfolgerung mag Bürgern europäischer Länder banal vorkommen. In den USA ist sie immer noch ein Politikum. Daher birgt der Expertenbericht der National Academy of Sciences (NAS) an den US-Kongress durchaus Sprengstoff. "Die jüngste Erwärmung ist beispiellos für die letzten 400 Jahre und möglicherweise gar für die letzten Jahrtausende", schreiben die Forscher nach Angaben der Nachrichtenagentur AP.
AFP
Arktis: Im September 2005 nahm die Nasa ein Allzeit-Minimum der Eisfläche auf. Viele US-Politiker bestreiten den Klimawandel bis heute
Bei dem Report " Surface Temperature Reconstructions for the Last 2,000 Years" um eine Zusammenfassung der jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse und damit auch der Fachdebatte zum Klimawandel. Mehrere Forscher haben im Auftrag der NAS dieses Überblickswerk verfasst. Der Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses des US-Repräsentatenhauses, Sherwood Boehlert, hatte die NAS im November um die Studie gebeten.
Damit reagierte Boehlert, ein republikanischer Abgeordneter aus New York, auf eine Schikane seines Parteifreundes Joe Barton. Der Texaner hatte im vergangenen Jahre Ermittlungen gegen drei Klimaforscher einleiten lassen. Barton sitzt dem Ausschuss für Energie und Handel vor, der die Folgen des Klimawandels mehrfach heruntergespielt hatte. Mehrfach waren kritische Wissenschaftler in der Klimadebatte von Behörden- oder Regierungsvertretern in den USA mundtot gemacht worden. Ein Bush-Berater soll gar Studien manipuliert haben.
Regierung bestreitet Ausmaß des Klimawandels
Die US-Regierung unter dem Präsidenten und vormaligen Ölmanager George W. Bush hatte wiederholt argumentiert, der Klimawandel sei nicht so stark, dass er Gegenmaßnahmen rechtfertige, die fünf Millionen Arbeitsplätze kosten würden. Besonders gegen den Beitritt zum Kyoto-Protkoll, mit dem international der Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid eingedämmt werden soll, hatte die Regierung so argumentiert.
Obwohl das von der Uno eingesetzte Intergovernemental Panel on Climate Change (IPCC) bereits im Jahr 2001 in einer Studie, die auf breitem wissenschaftlichem Konsens fußte, vor den drastischen Folgen des Klimawandels gewarnt hatte, zweifelte die US-Regierung weiterhin an, dass die Erwärmung der letzten Jahrzehnte überhaupt auf den Menschen zurückzuführen sei.
Der Dokumentarfilm "An Inconvenient Truth" des ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore, der seit kurzem in den US-Kinos zu sehen ist, versucht genau diesen Zusammenhang einer breiten Bevölkerung nahezubringen. Kurz vor dem Kinostart reagierte die Öllobby mit einem Werbefeldzug, in dem die Treibhauswirkung von Kohlendioxid in Abrede gestellt wurde.
Im Februar 2007 will die Uno den nächsten IPCC-Bericht veröffentlichen. In einem Entwurf zu diesem Berichts vom Mai dieses Jahres, der SPIEGEL ONLINE vorlag, zeichneten die Experten noch ein drastischeres Bild: Das Abschmelzen des arktischen Eispanzers sei so gut wie nicht mehr zu verhindern. Dass der Mensch in großen Teilen die Erwärmung verursacht, bestreitet niemand.
"Aktivitäten des Menschen"
Nun bescheinigen auch die Autoren der NAS-Metastudie dem US-Kongress: Die Erderwärmung sei gegenwärtig auf dem höchsten Stand seit 400 Jahren. Für diesen Zeitraum seien die Klimadaten verlässlich genug für diesen Schluss. Aber auch im Rahmen der letzten 1000 Jahre sei die jüngste Erwärmung möglicherweise beispiellos, urteilte das Gremium. Hier seien die Daten aber nicht mehr so eindeutig.
Noch weniger zuversichtlich zeigten sich die Autoren bezüglich des Temperaturverlaufs der letzten 2000 Jahren - wegen der dünneren Datenlage für einen Vergleich mit der Gegenwart.
Andererseits sei besonders der Ausstoß der den Treibhauseffekt fördernden Gase Kohlendioxid und Methan sei über die letzten 12.000 Jahre ziemlich konstant gewesen, habe aber ab der Industrialisierung rasant zugenommen. "Aktivitäten des Menschen" seien der Grund für die massive Erwärmung, so der Bericht.
Die berühmte "hockey stick"-Grafik der Klimaforscher Mann, Bradley und Hughes aus den neunziger Jahren, zeigte diese Entwicklung als steil nach oben schnellende Kurve ähnlich dem unteren, gebogenen Ende eines Hockeyschlägers. Skeptiker des Klimawandels hatten besonders diesen drei Autoren immer wieder selektive Auswertung von Daten und tendenziöse Darstellung vorgeworfen - willkommenes Futter für die Argumentation von US-Politikern, die keine Regulierung des CO2-Ausstoßes akzeptieren wollten.
Doch die Schlussfolgerungen von Mann, Bradley und Hughes seien "ziemlich nah an der Wahrheit", sagte John Wallace von der University of Washington, ein Mitglied des NAS-Gremiums. Neuere Erkenntnisse stützten diese Schlussfolgerung ebenfalls. Lediglich die Schlussfolgerung Manns, Bradleys und Huges', dass die neunziger Jahre das wärmste Jahrzehnt und 1998 das wärmste Jahr binnen eines Jahrtausends gewesen seien, wollten die NAS-Autoren nicht unterstützen - "weil die Unsicherheiten bei der Temperaturrekonstruktion für einzelne Jahre und Jahrzehnte viel größer sind als für langere Zeiträume".
Jüngste Forschungsergebnisse hatten gezeigt, dass der Klimawandel unter anderem Einfluss auf die Tierwelt in der Deutschen Bucht hat. Auf Spitzbergen berichteten Forscher, das vergangene Frühjahr sei 13 Grad wärmer gewesen als normal. Ein kürzlich geborgener Nordpol-Bohrkern deutet gar darauf hin, dass Kohlendioxid die Atmosphäre noch stärker aufheizt als bisher angenommen.
Der NAS gehören rund 2000 US-Wissenschaftler und etwa 350 ausländische Mitglieder an, 200 von ihnen sind Nobelpreisträger.
Bush bezeichnet Klimawandel als "Problem"
Bisher hat die US-Regierung das Treibhausgas Kohlendioxid nicht einmal als Luftschadstoff anerkannt. Jetzt hat George W. Bush die globale Erwärmung als "ernsthaftes Problem" bezeichnet - ein bedeutender Schritt für den US-Präsidenten.
Möglicherweise hat er es bislang stets im Stillen gesprochen. "Ich habe immer wieder gesagt, dass die globale Erwärmung ein ernstes Problem ist", behauptete US-Präsident George W. Bush jetzt vor Journalisten in Washington. Er reagierte damit auf die Veröffentlichung einer Studie der renommierten National Academy of Sciences aus der Vorwoche. Auf Anfrage des Umweltausschusses im US-Kongress hatten die Klimaforscher darin den aktuellen Stand der Klimaforschung zusammengefasst.
CEI
TV-Spot mit Blümchen: CO2 ein Schadstoff? "Wir nennen es leben", sagt die Lobby
Die Rekonstruktion von Oberflächentemperaturen für die vergangenen 400 Jahre sei sehr zuverlässig und für die davor liegenden 600 Jahre nicht mehr ganz so sicher, hieß es in dem Papier. Dennoch könne man sagen, dass das Ende des 20. Jahrhunderts die wärmste Zeit im vergangenen Jahrtausend gewesen sei - wahrscheinlich gar in den letzten zwei Jahrtausenden. Nicht die Temperaturen allein seien aber ein Indikator für einen - von Menschen verursachten - Klimawandel. Auch die außergewöhnlich hohen Konzentrationen von Methan und Kohlendioxid in der Erdatmosphäre stützten die Theorie vom Treibhauseffekt.
Offenbar fühlte sich Bush nunmehr gezwungen, nach Jahren des Abwiegelns den weltweiten Temperaturanstieg als "Problem" zu bezeichnen - und damit anzuerkennen. Lange hatten er selbst und seine Regierung einen Zusammenhang mit menschlicher Aktivität bestritten, viele Vertreter des konservativen Lagers tun das bis heute. Immer wieder gab es auch Berichte darüber, dass die US-Regierung direkt Einfluss auf die Arbeit von Wissenschaftlern genommen habe.
Nun ist es laut Bush an der Zeit, die Diskussion um die Frage zu überwinden, ob die Klimaerwärmung vom Menschen oder von natürlichen Vorgängen verursacht werde. Stattdessen müsse man über mögliche Gegenmaßnahmen sprechen. Der US-Präsident erwähnte Technologien für saubere Kohleenergie, wasserstoffbetriebene Autos und modernere Atomkraftwerke. Bislang hatte Bush solche Pläne vor allem damit begründet, dass sie die USA unabhängig von Ölimporten aus Arabien machen und damit die nationale Sicherheit erhöhen könnten.
Supreme Court könnte schärfere Gesetze erzwingen
Bevor aber mit Hybriden, Atomkraftwerken und dem "freedom fuel" Wasserstoff eine neue Energiewirtschaft in den USA anbricht, droht der US-Regierung noch Ungemach wegen der Folgen der Nutzung fossiler Brennstoffe.
Das höchste Gericht der USA, der Supreme Court, hat sich zu Anhörungen in einem Rechtsstreit bereit erklärt, der die US-Klimapolitik seit Ende der neunziger Jahre betrifft. Es geht um die Frage, ob Kohlendioxid ein Luftschadstoff ist.
1999 hatte die US-Umweltschutzbehörde Environmental Protection Agency (EPA) das Gas schon entsprechend eingestuft, damals war noch Bill Clinton US-Präsident. Als 2003 die Bush-Regierung die Entscheidung revidierte, verklagten 13 US-Bundesstaaten die EPA - bislang ohne greifbaren Erfolg. Im vergangenen Jahr wies ein Bundesberufungsgericht die Forderung des Bundesstaats Massachusetts zurück, die EPA müsse zum Vorgehen gegen den Kohlendioxid-Ausstoß gezwungen werden.
Schon im Clean Air Act des Jahres 1970 habe der Congress das Klima als schützenswerten Bestandteil der Umwelt benannt, argumentierten die Kläger. Der klimaschädliche Ausstoß von CO2 durch Industrie und Verkehr müsse daher vom Staat eingeschränkt werden.
Im Herbst wird sich der Supreme Court mit der Frage auseinandersetzen, wie dieses Gesetz ausgelegt werden kann, bestätigte das Gericht nun in Washington. Eine Entscheidung wird für 2007 erwartet.
Kohlendioxid vor Gericht
Die EPA hatte sich bislang darauf berufen, dass die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels nur unvollständig geklärt seien. Im vergangenen Monat jedoch hatten renommierte Klimaforscher gegenüber dem Gericht betont, es sei "wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich", dass industrielle Kohlendioxid-Emissionen den globalen Klimawandel verursachten. Unter ihnen waren der Nobelpreisträger Sherwood Rowland - der Entdecker des Ozonlochs - und James Hansen vom Goddard Institute for Space Studies der Nasa.
Präsident Bush hatte sich immer wieder für freiwillige Maßnahmen der Wirtschaft ausgesprochen, da gesetzliche Vorgaben nur Geld und Arbeitsplätze kosten würden. Das Competitive Enterprise Institute, eine Lobby-Organisation der Energiewirtschaft, hatte kurz vor dem Start der Klimawandel-Dokumentation "An Inconvenient Truth" in den US-Kinos gar eine Imagekampagne gestartet. Über Kohlendioxid wurde da gesagt: " Manche wollen einen Schadstoff daraus machen. Für uns ist es Leben."
Über den Klageweg hoffen die EPA-Gegner, nun doch noch eine schärfere Umweltgesetzgebung zu erzwingen. Neben Massachusetts haben auch die US-Bundesstaaten Kalifornien, Connecticut, Illinois, Maine, New Jersey, New Mexico, New York, Oregon, Rhode Island, Vermont und Washington geklagt. Eine Reihe von Städten hat sich der Klage gegen die Umweltschutzbehörde EPA angeschlossen, darunter Baltimore, New York und Washington.
"Ich habe immer wieder gesagt, dass die globale Erwärmung ein ernstes Problem ist"
tsts
füx
Den kleinen Seitenhieb konnte er sich nicht verkneifen, der
Talisker
aber zum Glück tschecken es mittlerweile auch bereits ein Großteil der Amerikaner und bei einer möglichen Schlappe bei den Kongresswahlen im Herbst dürfte der Einfluss von George erheblich schrumpfen....und das wäre auch gut so...
füx
Winterweiße Landschaften, schneebedeckte Hänge und ewiges Eis soweit das Auge reicht. Die meisten denken bei „Gletscher“ in dieser Jahreszeit an zurückliegende Winter, Skisport und Hüttenzauber. Nicht so die Klimaforscher: Für sie gehören Gletscher zu den besten natürlichen Klimaindikatoren. Ihre Veränderung ist ein Hinweis auf den bevorstehenden Klimawandel.
Michael Kemp vom Geographischen Institut der Universität Zürich hat untersucht, wie sich die aktuellen Klimaszenarien für das Ende des 21. Jahrhunderts auf die europäischen Alpen auswirken könnten. Schon ein Anstieg der Sommertemperaturen um drei Grad Celsius führt zu einem Verlust von 80 Prozent der Eisfläche in den europäischen Alpen, schreibt er in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Geophysical Research Letters“.
Bei einer Erwärmung um fünf Grad wären die Alpen praktisch eisfrei. Nur die größten Gletscher, wie der „Große Aletschgletscher“ oder jene in den höchsten Alpenregionen würden bis ins 22. Jahrhundert bestehen. „Gerade in den dicht besiedelten Gebirgsregionen wie den Europäischen Alpen müsste man sich deshalb Gedanken machen zu den Folgen eines extremen Gletscherschwundes“, warnt der Gletscherforscher.
Und die Erfahrungen der letzten Jahre unterstreichen seine These. Der gesamte Verlust alpinen Eises seit 1850 beläuft sich auf über 50 Prozent.
Ohne Naturkatastrophen dieses Ausmaßes reflektiert die Erde rund 30 Prozent des Sonnenlichts, das auf sie trifft, der Rest wird absorbiert. Eine moderate Steigerung der Reflexionen – etwa um ein Prozent – könnte nach Meinung von Paul Crutzen vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz „der globalen Erwärmung deutlich einen Riegel vorschieben“.
Mit Ballons gegen die Klimakatastrophe
Um dies zu erreichen, propagiert der Chemie-Nobelpreisträger von 1995 derzeit eine außergewöhnliche Idee: Mit Tausenden Ballons will er von den Tropen aus Schwefel in die Stratosphäre bringen. In zehn bis 50 Kilometern Höhe soll das Gas freigesetzt und zu Schwefeldioxid (SO2) verbrannt werden, einer ätzenden Substanz, die unter anderem für sauren Regen verantwortlich ist. In der Atmosphäre wird SO2 in Sulfat-Partikel (SO4) umgewandelt, wie sie auch bei Vulkanausbrüchen entstehen. Mit derselben kühlenden Wirkung.
Rund eine Million Tonnen Schwefel jährlich würden seiner Meinung nach reichen, um die Erwärmung durch Treibhausgase zu kompensieren. „Das sind etwa ein Zehntel der Fracht, die der Pinatubo in die Atmosphäre schleuderte, und lediglich ein Prozent dessen, was jährlich durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe entsteht“, so der Wissenschaftler.
Hohe Kosten, große Gefahren
Der große Nachteil: Da die Wirkung der Schwefelpartikel nicht unbegrenzt bestehen bleibt, könnten immense Kosten entstehen. Der Sulfat-Schleier verschlingt ersten Hochrechnungen zufolge über 25 Milliarden Dollar pro Saison. Auch die Gefahren für die Umwelt sind nicht ohne: „Wir müssen dringend bedenken, wie sehr die Ozonschicht unter der Partikelfracht leiden könnte“, meint der Forscher.
Zudem fürchten Umweltschützer und Klimaforscher, dass saurer Regen zunehmen und so zur Versauerung der Meere beitragen könnte. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass Staaten und Unternehmen den Ausstoß von Treibhausgasen nicht reduzieren, wenn sich das Klima anders kühlen ließe.
Nur ein Notfallprogramm
Auch für Paul Crutzen sind seine Ideen nur ein Notfallprogramm: „Natürlich wäre es das Beste, es gelänge uns, die Treibhausgase so stark zu reduzieren, dass die Schwefelfreisetzung überflüssig wird“, betont er. „Aber diesbezüglich bin ich nicht sehr optimistisch“.
Klimaexperten schätzen, dass der weltweite Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid um 60 bis 80 Prozent gedrosselt werden müsste, um die Erderwärmung zu stoppen. Doch schon das Etappenziel des Kyoto-Protokolls, die Emissionen bis 2012 um fünf Prozent zu senken, werden die Vertragsstaaten mit hoher Wahrscheinlichkeit weit verfehlen. Zudem weigern sich Staaten wie die USA und Australien erfolgreich, den Vertrag zu unterschreiben.
Debatte über Klimaschutz
Der Provokateur Crutzen hat unter Klimaforschern einen heftigen Streit ausgelöst. Distanziert steht im auch sein Kollege vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, Hartmut Graßl, gegenüber. „Die Auswirkung solcher Forschung, vor allem aber die Wechselwirkungen des Schwefeldioxids mit dem Ozon, sind nicht absehbar“, sagt der Meteorologe.
Doch Crutzen erhält auch Unterstützung: „Wir sollten diese Ideen ernst nehmen“, sagte kürzlich Ralph J. Cicerone, der Präsident der „National Academy of Science“ in Washington, D.C. gegenüber der „New York Times“. In Erwartung dramatischer Klimaveränderungen müsse man auch über Methoden der Klimabeeinflussung diskutieren, so Cicerone.
Zur Person
Der Niederländer Paul Josef Crutzen, Jahrgang 1933, untersuchte als einer der ersten Forscher den Abbau der Ozonschicht und die Rolle, die Stickoxide dabei spielen. 1995 erhielt er dafür zusammen mit Mario J. Molina und Frank Sherwood Rowland (bei USA) den Nobelpreis für Chemie. 1980 wurde er an das Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz berufen und leitete dort die Abteilung für Atmosphärenchemie. Derzeit arbeitet er in der Abteilung für Luftchemie.
Klimawandel könnte Bäume in der Antarktis wachsen lassen.Durch die globale Erwärmung könnten in der Antarktis nach Einschätzung von Forschern in 100 bis 200 Jahren wieder Bäume wachsen.
Wenn sich der Anteil des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre wie befürchtet verdopple, könne der Südpol dann wieder so aussehen wie zuletzt vor 40 Millionen Jahren, warnt Robert Dunbar von der Universität Stanford (USA).
"Es gab dort damals Bäume, Büsche und Wiesen", erläuterte Dunbar am Mittwoch vor 850 Mitgliedern des Wissenschaftlichen Komitees für Antarktisforschung (SCAR) in Hobart (Australien).
An Dunkelheit angepasst
"Die Funde von Blütenstaub in Fossilien zeigen, dass es in großen Teilen der Antarktis Vegetation gab. Diese Pflanzen waren in der Lage, sich an Perioden der Dunkelheit anzupassen", sagte Dunbar.
"Aber das Entscheidende ist, dass es nicht kalt genug war, damit Wasser zu Eis werden konnte."
Riesiger Süßwasserspeicher
Nach Ansicht vieler Wissenschaftler hat die Antarktis große Bedeutung für das weltweite Klima. Im Südpoleis ist der überwiegende Teil des Süßwassers der gesamten Erde gespeichert.
Rasche Reaktion auf Erwärmung
Es handelt sich um eine sehr sensible Region. Schon eine leichte Erhöhung der Temperatur habe dramatische Auswirkungen auf das Eis.
Experten gehen davon aus, dass die Arktis und die Antarktis schneller als alle anderen Regionen der Welt auf globale Umweltveränderungen reagieren.
Strengstes Klima der Erde
Das Klima der Antarktis ist das strengste der Erde: Auf dem Kontinent bleiben die Mitteltemperaturen ganzjährig unter null Grad.
Invasion droht
Der Antarktis droht Umweltschützern zufolge auch eine Invasion von Lebewesen aus anderen Erdteilen.
Nicht einheimische Mikroben, Pflanzen und Tiere gefährdeten den Bestand eines der letzten großen Naturgebiete der Welt, warnten Wissenschaftler auf einer Tagung zum Antarktisvertrag (Antarctic Treaty Consultative Meeting, ATCM) kürzlich in Edinburgh.
Ballastwasser als Übeltäter
Die Vertreter von 45 Nationen einigten sich darauf, dass Touristenschiffe künftig kein Ballastwasser aus anderen Meeren mehr ablassen dürften, so das britische Wissenschaftsmagazin "New Scientist" (Nr. 2.558, S. 16).
Rund 200 Arten eingeschleppt
Auch solle mehr Forschung zu dem Thema stattfinden. Menschen hätten bereits mehr als 200 nicht einheimische Arten auf Inseln rund um die Antarktis eingeschleppt - zum Teil mit desaströsen Folgen, hieß es.
Ganze Vogelkolonien ausgerottet
Danach haben eingewanderte Ratten und Katzen auf den Inseln bereits ganze Seevögelkolonien ausgerottet, Kaninchen und Rentiere die Vegetation stellenweise dauerhaft zerstört.
Diese Entwicklung werde sich mit den durch den Klimawandel steigenden Temperaturen noch beschleunigen, befürchten die Wissenschaftler.
Tourismus soll eingeschränkt werden
Auch der wachsende Tourismus bedrohe die Lebenswelt der Antarktis, denn über Kleidung und Schuhe der Reisenden würden fremde Sporen und Mikroorganismen importiert.
"Wir sind noch weit davon entfernt, einen ganzheitlichen Ansatz durchzusetzen", sagte der Delegierte Jim Barnes. "Es ist entscheidend, dass die Regierungen mehr dazu beitragen, den Reiseverkehr, die Schifffahrt und Forschungsmöglichkeiten zu kontrollieren."
Der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore über seinen Kampf gegen die Klimakatastrophe, seinen neuen Dokumentarfilm "Eine unbequeme Wahrheit" und ein mögliches Comeback beim Kampf ums Weiße Haus 2008
Gore-Thema Luftverschmutzung: "Das Überleben der menschlichen Zivilisation steht auf dem Spiel"
SPIEGEL: Mr Gore, was für ein Auto fahren Sie?
Gore: Wir haben seit ungefähr einem Jahr ein Hybrid-Fahrzeug, aber ich fahre nicht viel. Wir haben unser ganzes Leben umgestellt und uns für einen CO2-armen Lebensstil entschieden. Sogar der Dokumentarfilm "Eine unbequeme Wahrheit" wurde teilweise mit alternativen Energien produziert. Das Studio Paramount will dafür sorgen, dass auch die Werbung und die PR-Tournee für den Film auf CO2-sparende Art und Weise gemacht werden.
SPIEGEL: Ihr ehrenwerter Einsatz wirkt wie ein Tropfen auf einen sehr heißen Stein. Immerhin stellen Sie selbst in Ihrem Film die These auf, dass wir nur noch zehn Jahre Zeit haben, bis die Klimakatastrophe die Menschheit zu zerstören beginnt.
Gore: Ja, schon. Ich denke aber, dass wir die Krise bewältigen werden. Aber dazu sind viele Veränderungen in sehr kurzer Zeit notwendig.
SPIEGEL: "Eine unbequeme Wahrheit" wird präsentiert als "der bei weitem furchterregendste Film, den Sie je sehen werden". Als Europäer findet man es eher erschreckend, wie wenig sich offenbar Ihre Landsleute der Gefahren der globalen Erderwärmung bewusst sind. Wie erklären Sie sich diese Ignoranz?
Gore: Das Ziel meines Films ist es ja, genau das zu ändern. Es liegt daran, dass die Ölgesellschaften und die Kohleindustrie zu viel Einfluss haben.
SPIEGEL: Hat das wiederum damit zu tun, dass diese Konzerne eng mit der US-Regierung verbunden sind? Ihr Amtsnachfolger, Vizepräsident Richard Cheney, war schließlich Chef der Ölfirma Halliburton.
Gore: Ja, der Führungsstil einer Regierung hat viel Einfluss auf die Art und Weise, wie die Leute denken. Bush und Cheney haben uns in die falsche Richtung geführt. Wahr ist aber auch, dass viele meiner Parteifreunde sich weigern, etwas an den Verhältnissen zu ändern. Das hat mit unserer politischen Geschichte und Kultur zu tun, mit der Eroberermentalität, zu der es gehört, immer wieder zu neuen Horizonten aufzubrechen, lange Strecken mit dem Auto zu fahren.
SPIEGEL: Das ist genau jener Lebensstil, der als typisch amerikanisch gilt: spritfressende Geländewagen, riesige Häuser, Klimaanlagen. Wollen Sie den ganzen American Way of Life ändern?
Gore: Wenn sich die Vereinigten Staaten dazu entschließen, das Kyoto-Protokoll oder ein anderes, strengeres Abkommen zu ratifizieren, dann werden andere Völker, die sich jetzt ganz wohl fühlen mit ihrer Klimapolitik, weil sie bei weitem nicht so schlimm ist wie das, was Amerika macht, ihren Standpunkt überprüfen müssen. Und dann müssen sich alle wieder neu überlegen, ob sie genug tun. Das ist der andere Grund, warum es so wichtig ist, dass gerade die USA sich der Weltgemeinschaft anschließen, denn dann kann die Welt einen Schritt weitergehen und die nächsten, größeren Veränderungen einleiten.
SPIEGEL: Ihr Optimismus in Ehren, aber wird nicht gerade im Irak Krieg geführt, um den Ölnachschub der USA zu sichern?
Gore: Das System funktioniert eher so, dass sich die USA in China Geld leihen, um Öl am Persischen Golf zu kaufen und es dann daheim zu verbrennen - mit dem Ergebnis, dass unser Planet zerstört wird. Wir müssen alle diese Dinge ändern.
SPIEGEL: Öl und Gas werden als Druckmittel im globalen Machtpoker eingesetzt. Gerade hat Cheney Russland beschuldigt, die von russischen Erdgaslieferungen abhängige Ukraine zu erpressen.
Gore: Damit hat er recht, aber ich glaube nicht, dass er wirklich besorgt war, bis einige amerikanische Ölfirmen anfingen, ihre Verträge in Russland zu verlieren.
SPIEGEL: Handelt Cheney noch immer wie ein Ölmanager?
Gore: Ich muss Sie warnen: Ich fürchte, ich habe angefangen, bei Bush und Cheney meine Objektivität zu verlieren.
SPIEGEL: Wären die Probleme nicht viel einfacher zu lösen, wenn der Mann an der Spitze der US-Regierung ein Umweltaktivist wie Sie wäre?
Gore: Worauf wollen Sie hinaus?
SPIEGEL: Sie ahnen es: Ob Sie 2008 erneut für das Weiße Haus kandidieren?
UIP
Mahner Gore in "Eine unbequeme Wahrheit"
Gore: Ich bin Politiker auf Entwöhnung. Ich habe vier nationale Wahlkampagnen geführt. Ich habe das alles erlebt und muss es nicht mehr haben. Ich habe herausgefunden, dass es andere Wege gibt, meinem Land zu dienen, und diese Aufgaben machen mir auch noch Spaß. Wenn ich meine Diashow zur Klimakrise vorführe, sehe ich verständnisvolle Blicke im Publikum und höre hinterher, dass sich Leute dazu entschieden haben, ihr Leben zu ändern, nachdem sie die Show oder den Film gesehen haben. Das erfüllt mich mit Befriedigung. Und ich fühle mich noch besser, wenn ich merke, dass ich Fortschritte mache.
SPIEGEL: Wo sehen Sie diese Fortschritte?
Gore: Ich glaube, die Veränderung kommt. 85 konservative evangelische Pfarrer, die lange Bush unterstützten, haben gerade angekündigt, dass sie seine Politik zur Klimakrise nicht mehr mittragen werden. Sie haben ihre Gemeinden dazu aufgerufen, mitzuhelfen, die Krise zu lösen. Viele Konzernchefs, die in der Vergangenheit für Bush waren, darunter der Boss von General Electric, haben jetzt mit Bush und seiner Politik gebrochen. 230 Städte in den USA, viele davon mit republikanischen Bürgermeistern, haben unabhängig von der Regierung das Kyoto-Protokoll ratifiziert. In jedem Bundesstaat gibt es mittlerweile Bürgerinitiativen, die Unterschriften sammeln. All diese Dinge zusammengenommen bringen mich zu der Überzeugung, dass unsere Botschaft eine Wirkung hat. Und nicht zuletzt gibt es jetzt noch eine weitere Stimme in der Debatte: Mutter Natur hat gesprochen.
SPIEGEL: Sie spielen auf Naturkatastrophen wie den Hurrikan "Katrina" an?
Gore: Das war ein Weckruf für Millionen US-Bürger.
SPIEGEL: Hätten Sie nicht schon während Ihrer Zeit im Weißen Haus mehr für den Klimaschutz tun können?
Gore: Ich habe es sehr genossen, gemeinsam mit Bill Clinton an der Regierung zu sein. Ich bin stolz auf die Arbeit, die ich geleistet habe. Ich habe dazu beigetragen, dem Kyoto-Protokoll zum Durchbruch zu verhelfen, und habe hart daran gearbeitet, die amerikanische Umweltpolitik zu verändern. Aber letztlich war es nicht meine Präsidentschaft. Ich war ein Teil von ihr. Ich habe dabei gelernt, dass es das dringlichste Problem ist, das Denken der amerikanischen Bürger zu verändern. Denn die Politiker, egal welcher Partei, werden nur so viel oder so wenig tun, wie die Menschen von ihnen verlangen.
SPIEGEL: Wollen Sie das Klimaproblem von der politischen auf die moralische Ebene hieven?
Gore: Ja, genau! Die Bürgerrechtsbewegung in den USA begann erst dann Fortschritte zu machen, als sie in ein moralisches Anliegen umdefiniert wurde. Die Klimakrise sollte als moralische Aufgabe und ethische Verantwortung betrachtet werden, weil das Überleben der menschlichen Zivilisation auf dem Spiel steht. Wir haben nur diesen einen Planeten, wir haben nur eine Zukunft, und die ist weder republikanisch noch demokratisch oder liberal.
SPIEGEL: Politische Gegner könnten Sie trotzdem als abgehobenen Öko-Freak diffamieren, dem die Probleme der amerikanischen Mittelklasse fremd sind.
ZUR PERSON
Albert ("Al") Arnold Gore, 58, war von 1993 bis Januar 2001 Vizepräsident Bill Clintons. Im November 2000 trat Gore selbst als Spitzenkandidat der Demokraten an - und verlor unter umstrittenen Umständen gegen den Republikaner George W. Bush. Danach gründete Gore einen TV- Sender, er arbeitet als Universitätsdozent und Finanzmanager. Vor allem aber wirbt er für den Klimaschutz, neuerdings sogar im Kino: Der Dokumentarfilm "Eine unbequeme Wahrheit", der Gore als unermüdlichen, überraschend charismatischen Mahner zeigt, begeistert derzeit in den USA Kritiker und Publikum. Die Deutschland- Premiere findet diese Woche beim Filmfest München statt.
Gore: Zunächst mal ist es ein Mythos, wenn gesagt wird, dass man sich zwischen der Ökologie und der Ökonomie entscheiden müsse. Es werden Milliarden Dollar von Unternehmen verdient, die Lösungen für die Klimakrise entwickeln. Die alten Muster sind doch ohnehin nicht mehr attraktiv: Man steckt im Stau, atmet Smog. Ich hätte gern ein Stadtbahnsystem und komfortable öffentliche Verkehrsmittel. Wir können die Lebensqualität verbessern, mehr Jobs schaffen und die Gehälter anheben, während wir die Umwelt säubern. Sehen Sie sich doch die Automobilindustrie an: Die Republikaner und andere haben argumentiert, dass wir in den USA die weltweit schlechtesten Standards in der Treibstoffeffizienz hinnehmen sollten, um General Motors und Ford zu helfen. Und wo stehen GM und Ford heute?
SPIEGEL: Sie verlieren rapide an Marktanteilen.
Gore: Genau, und die Firmen, denen es gutgeht, sind Konzerne wie Toyota, bei denen neue Fahrzeuge, die den aktuellen Emissionsstandards entsprechen, so begehrt sind, dass es lange Wartelisten gibt.
SPIEGEL: Selbst bei großen Umweltverschmutzern scheint es eine Trendwende zu geben: Der Ölkonzern Exxon wirbt massiv mit Umweltthemen.
Gore: Exxon gibt lediglich vor, etwas Positives über die Umwelt zu sagen. Sie nennen das "grün waschen". In Wahrheit sind sie die größten Widersacher, wenn es darum geht, diese Krise zu bewältigen. Sie geben Millionen Dollar aus, um falsche Informationen über die globale Erwärmung zu verbreiten. Es ist wirklich erschreckend! Das ist das Gleiche, was die Tabakkonzerne getan haben, um die Leute in die Irre zu führen, als es um den Zusammenhang zwischen Lungenkrankheiten und Rauchen ging. Diese Firmen sollten sich wirklich schämen.
SPIEGEL: Wer wird die Demokraten in den Präsidentschaftswahlkampf 2008 führen, da Sie nicht zur Verfügung stehen? Hillary Clinton?
Gore: Ich weiß es nicht. Es ist noch zu früh, das zu sagen.
SPIEGEL: Das Magazin "Vanity Fair" jedenfalls nennt "Eine unbequeme Wahrheit" den "vielleicht wichtigsten Film des Jahres" und setzte Sie aufs Titelbild ...
Gore: ... zusammen mit Julia Roberts und George Clooney.
SPIEGEL: Der "New Yorker" druckt eine Lobeshymne auf Sie, der britische "Economist" erklärt Sie zum möglichen Rivalen von Hillary Clinton. Sind Sie wenigstens stolz auf so viel späte Anerkennung?
Gore: Sicher, ich bin auch nur ein Mensch. Aber ich bin mittlerweile alt genug und habe in der Politik genug durchgemacht, um das nicht allzu ernst zu nehmen. Ich bin zwar an einer Kampagne beteiligt, aber es ist keine Kampagne für eine Kandidatur, sondern für ein Anliegen. Und dieses Anliegen besteht darin, etwas im Bewusstsein der Menschen zu ändern, vor allem in den USA: Wenn wir das nicht schaffen, ist alles andere völlig egal. Es ist völlig gleichgültig, wie man in den Geschichtsbüchern steht, wenn es keine Geschichtsbücher mehr gibt - und niemanden mehr, der sie liest! (lacht)
SPIEGEL: Haben Sie Ihren Sinn für schwarzen Humor nach der verlorenen Präsidentschaftswahl 2000 entdeckt?
Gore: Es heißt, der schärfste Humor entstehe durch Schmerz. In meinem Fall kommt hinzu, dass ich immer von niedrigen Erwartungen profitiert habe.
SPIEGEL: Mr Gore, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.