Bruno ist tot...
Hans Hein, Otterfing
Jörn Mechela, Unterschleissheim
Die inneren Verletzungen führten zum schnellen Tod. So steht es im Todesprotokoll von JJ1, das das bayerische Umweltministerium gestern veröffentlicht hat.
SO STARB BRUNO WIRKLICH!
Der Obduktionsbericht mit der Tagebuchnummer S 898/06 des Institutes für Tierpathologie (siehe unten) ist in kaltem Amtsarzt-Deutsch abgefaßt.
Die Behörde versichert, der Abschuß sei „waidgerecht“ ausgeführt worden. Die 1. Kugel wurde aus 150 Metern abgefeuert.
„Der Leberschuß führte zu einem massiven Schock“, erläutert BILD der Münchner Tiermediziner Prof. Henning Wiesner (Hellabrunn).
Die „Ausweitung der rechten Herzkammer“ führte zum Herz-Kreislauf-Stillstand.
BRUNOS LETZTER ATEMZUG!
Die 2. Kugel wurde „sicherheitshalber gesetzt“.
Aber seltsam: Die Behörde äußert sich nach wie vor nicht zu den verwendeten Projektilen. Wurde Bruno mit einem Jagdgewehr getötet?
Oder etwa doch mit einer Polizeiwaffe. Fakt ist: Polizisten waren beim Abschuß vor Ort.
Unterdessen stapeln sich beim Landgericht München unter Deutschlands erstem „Bärenaktenzeichen“ 11 Js 21582/06 schon mehr als 20 Anzeigen gegen Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) und die Männer, die Bruno erschossen. Bis Freitag wird geprüft, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.
Gestern attackierte eine Braunbärin nahe der siebenbürgischen Stadt Brasov (Rumänien) einen Spaziergänger (49).
Der Mann erlitt schwere Verletzungen an Armen und dem Brustkorb.
Sektionsbericht
Brunos pathologisch-anatomische Befunde
• Sektionsbericht über Bruno
Seziert am 26.06.06 im Institut für Tierpathologie
Tagebuch-Nummer: S 898/06
Signalement: Braunbär
Alter: jungadult
Geschlecht: männlich
• Pathologisch-anatomische Befunde:
Ernährungszustand: Gut; Widerristhöhe: ca. 91 cm; Scheitel-Steiß-Länge: 130 cm; Kopflänge: 32 cm; Gewicht: 110 kg.
Fell: bis auf die Einschußlöcher ohne pathologischen Befund.
Unterhaut in Brustkorbbereicht: auf Höhe der rechten 10. Rippe ein verformtes Projektil, ein weiteres, ebenfalls verformtes Projektil auf Höhe der linken 8. Rippe mit begleitender Splitterfraktur; Zwischenrippenmuskulatur zwischen 1. und 2. Rippe links mit ca. 3 cm im Durchmesser großer Zusammenhangstrennung mit korrespondierender Einblutung.
Zwerchfell: Ca. 1 cm im Durchmesser große Zusammenhangstrennung rechtsseitig, mit korrespondierender Einblutung.
Brustkorb: Inhalt ca. 1 Liter Blut (Hämathorax).
Lunge: im linken Lungenspitzenlappen ca. 4 cm im Durchmesser große Zusammenhangstrennung, mit begleitender Einblutung in das umgebende Lungengewebe; rechter Lungenhautlappen ca. 1 cm im Durchmesser große Zusammenhangstrennung mit Ausbildung eines in die Tiefe reichenden Schußkanals; übriges Lungengewebe ausgedehnt kollabiert.
Herz: akute Ausweitung betont der rechten Herzkammer, bei einem insgesamt muskelstarken Herzen (Herzgewicht: 0,83 kg).
Magen: Inhalt 6,3 kg, bestehend aus Fleisch-, Organ- und Pflanzenmaterial, identifizierbar waren jeweils Teile von Milz, Niere und Lunge.
Leber: umfangreiche Zerstörung des rechten Leberlappens.
Bauchhöhle: Inhalt ca. 1 Liter Blut (Hämascos).
Niere: Olivfarben; Harnblase ohne Inhalt.
Darmtrakt, Bauchspeicheldrüse, Milz: ohne pathologischen Befund, Enddarm leer.
Histologische Befunde sowie die Ergebnisse der weiteren eingeleiteten Spezialuntersuchungen folgen nach deren vollständigem Abschluß.
mfg
Bild
Protest gegen Brunos Tod: Todesanzeige in einer Münchner Zeitung (dpa) | |
Zwei Schüsse töteten Bruno
Braunbär «Bruno» ist mit zwei Schüssen in den Brustkorb getötet worden. Die Projektile hätten zu umfangreichen Verletzungen in Lunge und Leber geführt, teilte das bayerische Umweltministerium am Mittwoch in München zum Obduktionsbefund des Tieres mit. «Es kann davon ausgegangen werden, dass die inneren Verletzungen zu einem schnellen Tod des Bären geführt haben», erklärten die Tiermediziner nach Ministeriumsangaben.
Noch am Montag hatte Umweltstaatssekretär Otmar Bernhard (CSU) gesagt, der aus Norditalien stammende Braunbär namens «JJ1» sei «sofort» tot gewesen und habe ein schmerzloses Ende gefunden.
Das Umweltministerium erklärte nach der Obduktion, der Abschuss des Bären sei «waidgerecht ausgeführt» worden: «Der erste Schuss wurde aus rund 150 Metern Entfernung abgegeben, sicherheitshalber wurde ein zweiter Schuss gesetzt.»
Dem Befund des Instituts für Tierpathologie der Universität München zufolge war «Bruno» gesund und befand sich in einem guten Ernährungszustand: «Der Mageninhalt bestand aus 6,3 Kilogramm Fleisch und Pflanzenmaterial, unter anderem waren eine Milz, Niere und Lunge identifizierbar», erklärten die Mediziner. Der Bär wog den Angaben zufolge 110 Kilogramm. Beim Übergang vom Hals zum Kopf war «Bruno» 91 Zentimeter groß und vom Scheitel bis zum Steiß 1,30 Meter lang. Den vollständigen Bericht will das Ministerium auf seiner Internetseite veröffentlichen.
Italien protestiert bei der EU
Der Abschuss von Braunbär «Bruno» hat eine Flut von Strafanzeigen ausgelöst. Nicht nur bei der zuständigen Staatsanwaltschaft München II, sondern auch bei anderen Anklagebehörden sowie bei der Polizei sei bereits «eine Vielzahl» von Anzeigen eingegangen, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Rüdiger Hödl am Mittwoch. Auch in Italien herrscht Empörung über «Brunos» Tod. Umweltminister Alfonso Pecoraro Scanio legte formal Beschwerde bei der EU ein. Die Erschießung des aus dem italienischen Projekt «Life Ursus» stammenden Braunbären sei «inakzeptabel». (N24.de, dpa, AP)
wenn ihr achso lieber Teddybär den ersten Menschen getötet hätte....
Kein schlechter Scherz: Trauerflor für einen Bären (dpa) | |
Bär Bruno, das Raubtier der Herzen
Von Michael Pohl
Bis Mittwochabend nahmen mehr als 4.600 Tierfreunde Abschied vom ersten Bären in Bayern seit mehr als 170 Jahren. Zahlreiche "Bruno"-Fans machten ihrem Ärger mit Strafanzeigen Luft - gegen den bayerischen Umweltminister Werner Schnappauf, der die Abschussgenehmigung erteilt hatte, und gegen die Jäger. Nach Angaben der Münchner Staatsanwaltschaft soll in den kommenden beiden Wochen geklärt werden, ob ein Anfangsverdacht für ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegeben sei.
Von CSU-Generalsekretär Markus Söder kam heftige Kritik an den Plänen, "Bruno" in einem Museum auszustellen. Laut einem Interview der Münchner "Abendzeitung" sagte Söder: "Was ich persönlich unsensibel und überflüssig finde, ist, den Bären jetzt auch noch auszustopfen und im Museum auszustellen." Gleichzeitig verteidigte der CSU-Generalsekretär die Entscheidung, den Bären zu töten. Es hätten zu Recht die Sicherheitsinteressen überwogen.
Nach Angaben des bayerischen Umweltministeriums soll "Brunos" Fell bis Herbst ausgestopft werden. Welches Museum das Präparat erhalten soll, ist noch unklar. Haben wollen den wohl bekanntesten Bär im Alpenraum mehrere Institute.
Tausende Tierfreunde trauern am virtuellen Grab
Im Internet stieß "Brunos" Tod auf große Anteilnahme: Von einem "süßen Teddie" schrieb eine Nutzerin namens Ina, für die "Bruno" offenbar wie für viele andere ein "Raubtier der Herzen" war. Über die große Anteilnahme an der virtuellen Ruhestätte des Bären zeigte sich selbst der Sprecher der Bad Homburger Betreiberfirma Online-Grab überrascht. Marcel Möller sagte, mehr als 100 Leute hätten ihren Schmerz im Kondolenzbuch in Worte gefasst.
Nur wenige Stunden nach "Brunos" Tod hatte Möller ein virtuelles Grab für ihn angelegt. Auf dem Bild eines grauen, mit Efeu umrankten Steins stehen die Daten von "Brunos" kurzem Leben: 10.03.2004 - 26.06.2006. Möller, der selbst im Tierschutzverein aktiv ist und erst vor ein paar Tagen den virtuellen Tierfriedhof eingerichtet hat, versteht das Grab als "Tribut an 'Bruno'": "Es hätte Möglichkeiten gegeben, ihn einzufangen." Möller fügte hinzu, er verstehe aber auch, "dass die Leute Angst um ihre Kinder oder vor einem Angriff auf
Menschen haben".
Zwei Schüsse
Laut Obduktionsbefund der Universität München starb "Bruno" durch zwei Gewehrkugeln. Bisher war nur von einem Schuss die Rede gewesen. "Das Fell des Bären wies zwei Einschüsse auf", heißt es in dem Befund der Tiermediziner. Die beiden Projektile hätten zu Verletzungen in Lunge und Leber geführt und seien in der Unterhaut des Brustkorbes stecken geblieben. "Es kann davon ausgegangen werden, dass die inneren Verletzungen zu einem schnellen Tod des Bären geführt haben." Das Umweltministerium erklärte, der Abschuss des Bären sei "waidgerecht ausgeführt" worden. (AP, N24.de)
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Bruno-Freunde stornieren Bayern-Urlaub
Braunbär Bruno macht selbst nach seinem Tod noch Ärger - und das nicht nur in Bayern, sondern auch in Berlin. In der Hauptstadt kam es zu einer Demonstration gegen die Jagd. Zugleich haben zahlreiche erboste Urlauber ihre Aufenthalte im bayerischen Schliersee storniert.
Berlin/Schliersee - Fans des Braunbären Bruno haben am Samstag in Berlin demonstriert. Nach Angaben der Veranstalter zogen etwa 300 Menschen vom Berliner Dom zum Gendarmenmarkt, um dort die Abschaffung der Jagd zu fordern. Die Polizei sprach dagegen von nur hundert Teilnehmern.
Die Beweiskette sei eindeutig, dass Bruno zu Unrecht erschossen wurde, sagte Demonstrationsleiter Kurt Eicher auf Anfrage. Er warf der bayerischen Staatsregierung vor, mit dem Abschuss gegen das Artenschutzabkommen verstoßen zu haben. An der Spitze begleitete ein Mann im Bärenkostüm den Demonstrationszug.
Auch anderswo sorgt Brunos Tod für heftige Emotionen. Eine Reihe von Urlaubern habe ihren Aufenthalt in Schliersee storniert, sagte Matthias Schrön, Leiter der Kurbetriebe. Bis Freitag seien 35 Absagen eingegangen. Dabei sei die Gemeinde an der Abschussentscheidung nicht im Geringsten beteiligt gewesen.
"Wir fühlen uns wie die Prügelknaben, die den Kopf hinhalten müssen, obwohl wir nicht dabei waren." Der Bär habe sich bei seinen Wanderungen im österreichisch-bayerischen Grenzgebiet zufällig gerade in der Region aufgehalten.
Tatsächlich befand sich der Bär nicht einmal auf Schlierseer Gebiet, als er am vergangenen Montag im Morgengrauen erlegt wurde, sondern auf dem direkt angrenzenden Gebiet der Gemeinde Bayrischzell. In Schliersee fand allerdings die Pressekonferenz nach dem Abschuss des aus dem italienischen Trentino stammenden Bären mit dem offiziellen Namen "JJ1" statt. Beide Gemeinden hätten mit der Abschussgenehmigung des Umweltministeriums und dem Abschuss durch ein staatlich beauftragtes Sicherheitsteam nichts zu tun gehabt, betonte Schrön.
"Bei Mördern wollen wir keinen Urlaub machen"
Dennoch häufen sich in den Internet-Gästebüchern der beiden oberbayerischen Ferienorte wütende Einträge. "Urlaub in Bayern? Nö!", ist dort zu lesen, und: "Bei Mördern wollen wir kein Urlaub machen. Wir reisen ab - und kommen nie wieder!" Andere Stimmen mahnen hingegen zu Mäßigung: "Was kann denn die Gemeinde Schliersee dafür, dass 'JJ1' geschossen wurde! Also lasst mal die Kirche im Dorf und besucht weiter Bayern! Und Schliersee hat eine schöne Kirche!"
Es gebe allerdings auch Touristen, die nach dem Abschuss erleichtert seien - sie hätten Angst gehabt, sagte Schrön. Erst in etwa einem Jahr werde absehbar sein, ob in Schliersee tatsächlich ein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei. Schliersee zählt im Jahr durchschnittlich 500.000 Übernachtungen.
Gegen Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf (CSU), seine Mitarbeiter und die Jäger gibt es wegen Brunos Abschuss eine Reihe von Strafanzeigen. Die Staatsanwaltschaft München II will frühestens Ende der kommenden Woche entscheiden, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.
Der Bär, dessen Kadaver derzeit tiefgefroren aufbewahrt wird, soll ausgestopft in ein Museum kommen. Sein Skelett und die präparierten Organe werden wissenschaftlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt.
mbe/dpa/AFP
Q: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,424613,00.html
Gr.
Formelle Anfrage aus Italien auf dem Weg nach Bayern.Was soll mit dem erlegten "Problembären", der wochenlang Experten und Jägerschaft in Bayern und Tirol auf Trab gehalten hat, passieren?
"Brunos" zukünftiger Platz werde - ausgestopft - an der Seite eines vor 170 Jahren erlegten Artgenossen in einem Museum in München sein, hieß es nach dem Abschuss des Tieres Anfang vergangener Woche aus Bayern.
Italien verlangt Kadaver zurück
Doch nun meldet offenbar Italien Anspruch an: Umweltminister Alfonso Pecoraro Scanio will die "Auslieferung" des Kadavers von "JJ1" - so der offizielle Name des Tiers - nach Italien verlangen.
Eine entsprechende formelle Anfrage soll bereits am Montag an den bayrischen Umweltminister Werner Schnappauf verschickt werden, berichtete die Nachrichtenagentur ANSA unter Berufung auf einen Bericht des TV-Senders RAI Bozen.
Formeller Protest gegen Abschuss
Zur Begründung hieß es, der in Bayern erschossene Bär dürfe nicht zu einer Touristenattraktion werden. Zudem stamme das Tier, das vom Adamello-Brenta-Park in Trentino aus die Grenze nach Österreich und Deutschland überschritten hatte, aus Italien.
Pecoraro Scanio hatte bereits vergangene Woche formale Beschwerde in Brüssel gegen den Abschuss des Braunbären eingereicht, der Teil des von der EU finanzierten Projekts "Life Ursus" zur Wiedereingliederung von Bären in ihr natürliches Habitat war. Er verlangt eine bessere, EU-weite Koordinierung beim Schutz von gefährdeten Tierarten.
Urlauber stornieren Buchungen
Der Tod von Europas ehemals meistgesuchtem Bären sorgt aber nicht nur in Italien für Emotionen.
Der Abschuss im bayrischen Spitzingsee-Gebiet hat zur Folge, dass Urlauber ihre Buchungen in der Ortschaft Schliersee stornierten, wie der Leiter der dortigen Kurbetriebe, Matthias Schrön, am Wochenende bestätigte.
Verhängnisvolle Pressekonferenz
Im Lauf der Vorwoche seien 35 Absagen eingegangen. Dabei sei die Gemeinde an dem Tod des Tieres nicht im Geringsten beteiligt gewesen.
Tatsächlich war der Bär am Montag im Morgengrauen nicht einmal auf Schlierseer Gebiet erlegt worden, sondern auf dem direkt angrenzenden Gebiet der Gemeinde Bayrischzell.
"Fühlen uns wie Prügelknaben"
In Schliersee fand allerdings die Pressekonferenz nach dem Abschuss statt. "Wir fühlen uns wie Prügelknaben", so Schrön.
Beide Gemeinden hätten mit der Abschussgenehmigung des Umweltministeriums und dem Abschuss durch ein staatlich beauftragtes Sicherheitsteam nichts zu tun gehabt.
Wütende Post von Bärenfans
Dennoch häufen sich in den Internet-Gästebüchern der beiden oberbayrischen Ferienorte wütende Einträge: "Urlaub in Bayern? Nö!", ist dort zu lesen, und: "Bei Mördern wollen wir keinen Urlaub machen. Wir reisen ab - und kommen nie wieder!"
Andere Stimmen mahnen hingegen zu Mäßigung: "Was kann denn die Gemeinde Schliersee dafür, dass 'JJ1' geschossen wurde!"
"Bruno"-Demo in Berlin
In Berlin gingen indessen am Samstag etwa 300 Tierfreunde auf die Straße, um ihren Unmut über den Tod des Braunbären auszudrücken.
Auf Transparenten hieß es unter anderem "Alle Jäger sind Bruno-Töter" und - passend zur WM - "Jäger: Schießt Tore, keine Tiere!". Organisator war die "Initiative zur Abschaffung der Jagd", die regelmäßig Protestmärsche in Berlin veranstaltet.
Der Bär sei eindeutig zu Unrecht erschossen worden, so der Organisator der Kundgebung, Kurt Eicher. Er warf der bayrischen Staatsregierung einmal mehr vor, mit dem Abschuss gegen das Artenschutzabkommen verstoßen zu haben. An der Spitze begleitete ein Mann im Bärenkostüm den Demonstrationszug
Italien fordert Auslieferung
vom toten Bär Bruno
Der italienische Umweltminister Alfonso Pecoraro Scanio will Brunos Leiche nach Italien holen |
München – Un momento, amigo! So geht nixe! Italien will uns den toten Bruno klauen.
Der italienische Umweltminister Alfonso Pecoraro Scanio fordert heute offiziell die „Auslieferung“ des erschossenen Bären. Seine Begründung: Bruno darf nicht zur Touristenattraktion werden. Außerdem stamme JJ1 offiziell aus dem italienischen Adamello-Brenta-Park Trentino, sei also Italiener.
Bereits in der vergangenen Woche hatte der Minister in Brüssel eine Beschwerde gegen die Erschießung des Braunbären eingereicht.
Brunos Eingliederung in sein Lebensumfeld wurde von der EU finanziert. Deshalb sei der Abschuß illegal gewesen. Morgen treffen sich europäische Bären-Experten in Trient und diskutieren über ein gemeinsames „Bären-Management“.
Für Bruno zu spät. Der arme Bär liegt zerlegt bei minus 20 Grad in einer Tiefkühltruhe und wartet auf sein neues Zuhause in einer Glasvitrine im Museum für Menschen und Natur in München.
Unter dem Motto „Wir sind Bruno“ demonstrierten am Wochenende in "Berlin etwa 100 Tierschützer für ein generelles Jagdverbot.
Sie forderten: „Jäger, schießt Tore, keine Tiere.“
Aus diesem Grund empfahlen dieselben österreichischen Bärenexperten der Umweltorganisation WWF, die schon den Abschuss von Bruno befürwortet hatten, bei einem Koordinationstreffen für ein alpenweites Bärenmanagement in der vergangenen Woche in Trient die Tötung der Bärin. Sie würde, so die Begründung, auch ihre derzeitigen Jungtiere zu potentiellen „Problembären“ erziehen. Dies berichtet die Münchener Naturschutzorganisation „Pro Wildlife“. Obwohl der Abschuss von Bruno rechtlich hoch bedenklich war, haben die Beteiligten offenbar wenig dazugelernt“, kritisiert Pro-Wildlife-Sprecherin Sandra Altherr. „Erneut will man einen Bären töten, der keinem Menschen etwas getan hat, und begründet dies als notwendige Sicherheitsmaßnahme.“
Mit Gummigeschossen verscheucht
Jurka, so „Pro Wildlife“, wurde 1998 in Slowenien geboren und 2001 nach Italien umgesiedelt, um die dortige Braunbärpopulation zu stärken. Im Trentino wurde sie mit falschen Abwehrmaßnahmen erzogen: Wenn sie Schafe riss und an den gleichen Ort zurückkehrte, wurde sie mit Gummigeschossen und Knallkörpern verscheucht. Sie lernte folgerichtig,
nie an einen Ort zurückzukehren, sondern weiter zu ziehen. Auch Bruno zeigte dieses Verhalten, was sein Einfangen und präventives Vergrämen erschwert hatte. Auch konnte er nicht mit einem Sender versehen werden, der seine Annäherung an Bauernhöfe anzeigen könnte.
Reviertreues Weibchen
Allerdings vertreten die für den Bären-Managementplan in Italien zuständigen Zoologen eine andere Position: Sie wollen Jurka einfangen und mit einem Sender versehen. Gegebenenfalls soll sie in ein „Bärenheim“ verbracht werden. Dem schließt sich auch das für den Abschuss von Bruno verantwortliche bayrische Umweltministerium an. „Wir können nicht über eine in Italien lebende Bärin befinden“, erklärt Ministeriums-Pressesprecher Roland Eichhorn. „Sie sollte aus der
Wildnis genommen oder so effektiv vergrämt, dass sie menschliche Ansiedlungen meidet.“ Außerdem sei Jurka als Weibchen reviertreu, deshalb sei ein Einwandern auf weiß-blaues Hoheitsgebiet nicht zu erwarten.
Problematisch aber, so Eichhorn weiter, könnte sein, dass sie ihr Verhalten an den nächsten Wurf weitergibt. Ihr männlicher Nachwuchs würde dann mit der Fehlkonditionierung auf Wanderschaft gehen und Menschen gefährden. „Sollten die Tiere dann wieder nicht zu fangen und mit Sendern auszustatten sein, wird als ultima ratio der Abschuss angedacht werden müssen“, konstatiert Eichhorn, „denn oberstes Gebot jedes Management-Plans ist, dass Menschenschutz vor Tierschutz geht.“
Meister Isegrim streifte durch Oberbayern
Während die Nation gebannt auf den zugewanderten Braunbären "Bruno" blickte, verschwand ein Wolf nahe der stattlichen Villen am Starnberger See von der Bildfläche.
Von Hans Kratzer und Armin Greune
Eines Tages war er von Italien aus nach Norden aufgebrochen. Er war ein Einzelkämpfer und schlug sich recht und schlecht durch den Alpenhauptkamm und das flache Land, und vielleicht hätte er irgendwann sogar seine Artgenossen in Sachsen erreicht. Doch dann fand er Ende Mai auf einer Landstraße bei Pöcking im Landkreis Starnberg ein unrühmliches Ende.
Der erste Wolf, der nach 150 Jahren in Oberbayern auftauchte, wurde von einem Auto überfahren und getötet. Während die ganze Nation gebannt auf den ebenfalls zugewanderten Braunbären "Bruno" blickte, verschwand der Wolf ganz in der Nähe der stattlichen Villen am Starnberger See von der Bildfläche, ohne dass jemand Notiz von ihm nahm.
Der spektakuläre Vorgang wurde erst jetzt bekannt, ein halbes Jahr nach dem Unfall. Genetische Untersuchungen an der Universität Lausanne haben ergeben, dass es sich tatsächlich um einen Wolf handelt, der aus einem in den italienischen Alpen lebenden Rudel stammt.
Kein Interesse an weiterem Medienrummel
Offenbar hatte das Bayerische Umweltministerium kein Interesse daran, dass das im Voralpenraum als ausgestorben geltende Raubtier einen weiteren Medienrummel auslöst:
Die untere Naturschutzbehörde Starnberg wurde angewiesen, die Öffentlichkeitsarbeit dem Ministerium zu überlassen. "Das Umweltministerium hat die Geschichte an sich gezogen", sagt ein Sprecher des Starnberger Landratsamts.
Mitarbeiter der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald hatten den tiefgekühlten Kadaver abgeholt, erst am vergangenen Wochenende erhielten die Starnberger die Bestätigung, dass es sich bei dem Unfallopfer tatsächlich um einen Wolf gehandelt hatte. Das 30 Kilogramm schwere Tier war demnach zwei bis drei Jahre alt und schlecht ernährt.
Beim Vergleich der DNS des Tieres mit anderen Funden im Alpenbogen fand man heraus, dass ein am 29. März 2006 im italienischen Formazzatal nahe der Schweizer Grenze gefundener Wolfskot das gleiche Muster zeigte.
250 Kilometer in zwei Monaten
Der junge männliche Wolf hatte innerhalb von zwei Monaten eine Strecke von mehr als 250 Kilometern Luftlinie bis nach Pöcking zurückgelegt.
Nach Auskunft des Wildtier-Biologen Manfred Wölfl vom Landesamt für Umwelt ist dies nicht ungewöhnlich. Wölfe legen sehr weite Distanzen zurück und sind auf der Suche nach neuen Lebensräumen in ganz Europa unterwegs. Von einer Rückkehr der Wölfe nach Bayern zu sprechen, sei allerdings zu früh.
Dazu müsste sich erst, wie in Sachsen, ein Rudel bilden und Nachwuchs zeugen. In Bayern wurde bislang aber noch keine Wolfspopulation festgestellt. Zusammen mit den Bären und Luchsen wurden die Wölfe Mitte des 19. Jahrhunderts in Bayern ausgerottet.
(SZ vom 22. November 2006)
http://www.sueddeutsche.de/,tt4m3/panorama/artikel/426/92334/