erdogan
ich verzieh mich mal, ich will beim Rasenmäher nicht unter die Räder kommen....
des vertragen meine zarten Füßchen nicht so gut....
Wünsch Euch was...
Stuttgart ist schon so etwas wie Heimat
Man muss kein Hellseher sein, um zu prognostizieren, dass ein Stillstand der Bevölkerungsveränderung noch lange nicht erreicht ist. In dem anhaltenden Prozess steckt eine enorme Dynamik. Wir erkennen das an der alljährlichen Zunahme der Anzahl von Einwandererkindern bei der Einschulung. Heute liegen wir insgesamt bei durchschnittlich 67 Prozent, wobei der Anteil in den Schulen des Neuköllner Nordens schon bis auf 95 Prozent angestiegen ist.
Die Zahl der Schulabgänger spiegelt diese Entwicklung ebenfalls wider, zeigt aber auch die Geschwindigkeit, mit der sie erfolgt. Im Jahr 2000 hatten noch 20 Prozent der Kinder, die unsere Schulen verließen, einen Migrationshintergrund. Zum Schuljahresende 2013 waren es knapp 60 Prozent. Innerhalb von gut einem Jahrzehnt hat sich der Anteil also verdreifacht.
Es ist klar, dass diese Zahlen uns ein Signal geben, wie sich die Bevölkerung Neuköllns in 10 bis 15 Jahren zusammensetzen wird. Ich sage voraus, dass Einwanderer und ihre Nachkommen in den Jahren 2020 bis 2025 in Neukölln einen Bevölkerungsanteil von 75 bis 80 Prozent ausmachen werden. Es wird dann eine migrantisch geprägte Stadt sein.
Mein erster Gedanke bei dieser Erkenntnis ist: Das ist doch kein Beinbruch. Richtig. Ein Einwanderer, ein Migrant, der Sohn oder die Enkelin eines Einwanderers sind an sich nicht der besonderen Erwähnung wert, warum auch? Bei den sozial schwachen Einwanderern und ihren sozial schwachen Nachkommen sieht das schon anders aus. Viele von ihnen erwarten einfach, dass die Gesellschaft ihnen die Wege ebnet, damit sie ihren bestehenden niedrigen Status verlassen können.
Meine These dazu ist: Die Gesellschaft ist auch gut beraten, wenn sie das tut. Welchen Benefit erzielt sie denn, wenn sie weiter zuschaut, wie wir junge Menschen nahtlos von der Schule zum Job-Center transferieren? Keinen. Deshalb glaube ich, dass sich jede Anstrengung organisatorischer, personeller und finanzieller Art lohnt, um aus Menschen, die zu scheitern drohen, lebenshungrige, mündige und kompetente Gesellschaftsmitglieder zu formen.
Das hört sich eigentlich, wie ich finde, logisch und einfach an. Man muss es nur wollen. Wer will schon Hartz-IV-Empfänger schmieden?
Ganz so einfach kann es dann aber doch nicht sein. Sonst würden wir an dieser Aufgabe ja nicht seit Jahrzehnten scheitern. Wie kommt es, dass es Menschen auch nach 20, 30, 40 Jahren Aufenthalt in Deutschland nicht gelingt, sich in eine mitteleuropäische Gesellschaftsordnung zu integrieren und ihren Kindern das Rüstzeug zu vermitteln, das sie für ihr eigenes erfolgreiches Leben benötigen?
Ich habe in den letzten Monaten mit vielen Einwanderern oder ihren Kindern gesprochen und ihnen genau diese Frage gestellt. Insbesondere interessierte mich, wie sich die Einwandererfamilien sehen, die sozusagen »unsichtbar« sind. Die neben uns leben, ohne dass wir sie bewusst als Einwanderer zur Kenntnis nehmen. Die ihrer Arbeit nachgehen, die einen Gewerbebetrieb führen, deren Kinder das Gymnasium besuchen - ja, auch so was gibt es reichlich in Neukölln - und hervorragende Abiture machen. Ich habe zum Teil sehr beeindruckende Einblicke gewonnen, aber ich habe auch Unverständnis und Kopfschütteln über das Verhalten der deutschen Gesellschaft kennengelernt.
Dort, wo Aufstiegs- und Leistungswille ein Zuhause gefunden haben, urteilt man sehr hart über diejenigen, die ich dezent zurückhaltend als Trittbrettfahrer bezeichnen möchte.
Es ist noch nicht lange her, dass es in der Politik und auch bei Organisationen und Institutionen nur eine Sichtweise zur Frage der Integration gab: Integration in Deutschland ist eine einzigartige und unglaubliche Erfolgsgeschichte. Diejenigen, die wie ich über Integrationsdefizite klagten und darüber Aufsätze verfassten, wurden als Nestbeschmutzer, als Alarmisten bis hin zu Rassisten und Rechtspopulisten diskreditiert.
Dabei liegen die Problemfelder unübersehbar vor uns. Sie sind im Übrigen nicht neu. Ich darf an dieser Stelle auf die Prognosen des ersten Ausländerbeauftragten der Bundesrepublik Deutschland, Heinz Kühn, hinweisen. Bereits 1979 prophezeite er in seinem ersten Memorandum, was passieren wird, wenn wir den Bildungsaspekt bei der Integration der damals so genannten Gastarbeiter vernachlässigen.
Der Volksmund würde sagen: »Na siehste, Schuld eigene.«
Inzwischen scheint sich der Wind aber etwas zu drehen. Ich habe mit großem Interesse das Jahresgutachten des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration 2014 gelesen. Bisher neigte auch diese Institution eher zum Schonwaschgang oder zu einer Einschätzung, wie sie uns die Gesundbeterin Frau Prof. Dr. Böhmer, die ehemalige Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, immer wieder versucht hat einzureden.
Ich will aus dem erwähnten Jahresgutachten nur einige Schlaglichter wiedergeben. Da ist die Rede von Licht und Schatten in der Integrationspolitik der letzten fünf Jahre. Es wird eine »zuwanderungspolitische Gesamtstrategie« vermisst und ein »nationaler Aktionsplan Migration« gefordert. Das hat mich etwas verwundert.
Wir haben doch einen ganz erfolg- reichen und umfassenden Integrationsplan, den uns Frau Prof. Böhmer als Problemlöser anempfohlen hatte. Aber nun gut. Der Sachverständigenrat kritisiert, dass ein Dialog über eine zuwanderungspolitische Gesamtstrategie bislang nicht erfolgt sei. Darüber hinaus vermisse er eine Migrationspolitik aus einem Guss.
Einigen gelungenen Initiativen stünden nach wie vor Baustellen und verpasste Chancen gegenüber.
Das könnte alles von mir sein. Nichts anderes rede und schreibe ich seit Jahren. Ich verweise auch immer auf handfeste Daten, die ich aus dem Kulminationspunkt namens Neukölln regelmäßig liefere. Nicht, weil sie nur hier ablesbar sind. Nein, sie wären es auch anderswo.
Jedenfalls dort, wo die Bevölkerungsstruktur vergleichbar und die sozialen Verhältnisse identisch sind. Trotzdem gilt das Benennen von sozialen Verwerfungen nach wie vor als verpönt oder in Neusprech als unkorrekt. Das scheint mir auch der Grund zu sein, warum mein Leitspruch »Neukölln ist überall« zuweilen mit einem empörten »bei uns nicht« erwidert wird.
Mir macht der Sachverständigenrat Mut. Dessen Studie ist für mich seit langer Zeit wieder einmal ein prominenter Hinweis darauf, dass wir in Fragen der Integration und des mit der Einwanderung einhergehenden gesellschaftlichen Wandels einfach eine Schippe zulegen und uns diesen Themen vielleicht doch mit unverstellterem Blick nähern sollten.
Ich bin nicht so vermessen zu glauben, dass das nun auch gleich zu einem Durchbruch meiner Sichtweise führt. Aber ich spüre einen Hauch Realismus, und das ist doch schon einmal ein guter An- fang. Irgendwann wird dann auch der Letzte begreifen, dass nur eine starke, selbstbewusste, vor allem eine intervenierende und Leitlinien setzende Gesellschaft den Wandel in ein modernes Einwanderungsland bestehen wird. Der Fortschritt ist nun einmal eine Schnecke.
Ich finde, das Wort Wandel ist positiver besetzt als Veränderung. Wenn Sie durch Neuköllns Straßen gehen, dann springt Ihnen der Wandel förmlich in die Augen. Geschäfte, deren Namen und Reklamen an der Hauswand Sie nicht lesen können. Menschen, die anders gekleidet sind, als es den mittel- europäischen Gewohnheiten entspricht. Verhaltensweisen, die gewöhnungsbedürftig sind.
Das Aufeinandertreffen von unterschiedlichen Kulturen und Lebensgewohnheiten erfordert Toleranzbereitschaft, Liberalität und Offenheit. Ich glaube, darüber muss man sich nicht austauschen. Aber das darf keine Einbahnstraße sein.
Wie bereits gesagt, wer seine Heimat verlässt, um sich in einen fremden Kulturkreis zu begeben, der weiß, dass er auf andere Lebensgewohnheiten und andere gesellschaftliche Rituale stoßen wird. Es irritiert mich immer wieder, wie man darüber unterschiedlicher Meinung sein kann.
Selbstverständlich bedeutet Wanderung und Einwanderung, dass jemand partizipieren will am Wohlstand eines anderen Landes. Selbstredend bedeutet das dann, dass derjenige sich nicht nur zum eigenen Nutzen, sondern auch zum Nutzen der Gemeinschaft einzubringen hat. Es ist doch lächerlich, dies in Frage stellen zu wollen. Der demagogische Spruch vom Land mit viel Geld für nix kann doch nicht ernsthaft Gegenstand des Diskurses sein.
Integrationsbereitschaft ist nur ein anderer Begriff für Anpassungsfähigkeit. Nämlich die Fähigkeit, sich für die Lebenswelt der neuen Heimat zu öffnen. Das heißt natürlich nicht, die zu Hause erlernten und von Vorfahren überlieferten Werte nun plötzlich über Bord zu werfen. Man muss nicht schlagartig Heino gut finden, wenn man aus Somalia stammt. Man muss auch nicht fortan Bier für eine Offenbarung oder Schweinekotelett für eine Delikatesse halten. Obwohl ich bei Letzterem durchaus offen bin.
Anpassungsfähigkeit hat nichts mit Assimilation, mit Selbstaufgabe zu tun. Sie bedeutet eigentlich nichts anderes als Respekt und vielleicht auch Hochachtung vor dem Land und den Menschen, die es zu einem erstaunlich höheren Wohlstand gebracht haben als die eigene Heimat. Auch wenn es nicht immer gerne gehört wird, so möchte ich doch an eines erinnern: Einwanderer verlassen ihre Heimat nicht, weil sie es gar nicht mehr aushalten vor lauter Wohlstand, Bildungseinrichtungen, Sozialleistungen und Gesundheitsversorgung.
Nein, die Menschen kommen, weil es ihnen dort, wo sie geboren wurden, dreckig geht. Weil sie verfolgt werden oder weil sie ihre Familie nicht ernähren können. Weil die Kinder nicht zur Schule gehen können, weil es eben keine gibt. Oder weil sie nicht wissen, ob sie gegen einen Gewehrkolben rennen, wenn sie die Tür öffnen. Das ist doch der reale Hintergrund von Wanderung, auch der aus Südosteuropa.
Wer sich die Lebensbedingungen in Bulgarien und Rumänien einmal zu Gemüte führt, der weiß, warum Menschen nach Frankreich, Deutschland oder Skandinavien wollen. Sie sind auf der Suche nach Glück und einem besseren Leben. Aber kann das wirklich die isolierte Aufgabe des Sozialsystems einzelner Länder sein? Ist es nicht eher ein Gebot für die Europäische Union, auf eine Verbesserung der Lebensverhältnisse und Lebensbedingungen beispielsweise in diesen beiden (Mitglieds-)Ländern zu dringen? Die Diskriminierung der Roma dort zu beenden?
Die Sozialsysteme der anderen EU-Länder können nicht die Lösung für diese Binnenprobleme sein. Hartz IV ist nicht der Schlüssel zur Behebung gesellschaftlicher Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten in anderen Mitgliedsstaaten.
In Neukölln leben Menschen aus rund 160 Nationen. Nationen sind kleinere Maßeinheiten als Kulturkreise. Insofern will ich mich auch nicht in der Zuschreibung von Nationalitäten ergehen. Ich bin der festen Auffassung, dass die Nationalität kaum Bedeutung für das Verhalten im Ankunftsland hat, eher der Kulturkreis. Kulturelle Übungen, Eigenheiten und Gewohnheiten prägen die Menschen.
Werte, die jemand verinnerlicht hat, steuern sein Verhalten und sein Verhältnis zu anderen Menschen. So wie die Werte meines Elternhauses mich sozialisiert und geprägt haben.
Ich empfinde bestimmte kulturelle Riten anderer Kulturkreise als abscheulich. Ich bin überhaupt nicht bereit, auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, ob sie zur Identität eines Menschen gehören und damit hingenommen werden müssen oder nicht.
Nach Angaben von Terre des Femmes werden in weiten Teilen Afrikas bis zu 90 Prozent aller Frauen körperlich grauenhaft verstümmelt. Wer dies aber auch bei uns tut und glaubt, das damit rechtfertigen zu können, dass es nun mal zu seiner Identität gehöre, anderen Menschen Schmerzen zuzufügen, sie zu quälen und ihnen ein Stück Lebensqualität zu rauben, mit dem möchte ich nicht in einen Diskurs treten.
Der gehört für mich schlichtweg hinter Schloss und Riegel. Ich will damit ausdrücken, dass die Akzeptanz anderer kultureller Lebensweisen Grenzen in unserer Ethik und Sozialordnung findet.
An dieser Stelle begegne ich unweigerlich dem Begriff des Kulturrelativismus. Egal, wie schrecklich und grausam wir in der westlichen Welt bestimmte Riten und Bräuche empfinden, solange sie in den Herkunftsländern akzeptiert (oder gewollt) sind und so gelebt werden, müssen wir das wohl oder übel hin- nehmen. Was ist aber, wenn Menschen aus einem Kulturkreis in einen anderen wechseln? Sie sind beherrscht von erlernten und eingeübten Gepflogenheiten.
Kann von ihnen erwartet werden, dass sie die Riten des neuen Kulturkreises respektieren und achten? Oder können sie darauf bestehen, ihre Heimatbräuche weiterzupflegen und zu konservieren? Ahmed Aboutaleb, der Bürgermeister von Rotterdam, hat einmal gesagt: »Ich diskutiere mit niemandem die Gesetze dieses Landes.« Das ist eine leichter verständliche Formulierung als die staats- tragenden Worte über Kulturrelativismus. Noch einfacher ist der Satz »Hier ist Österreich«, den ich in der Alpenrepublik bei solchen politischen Diskussionen oft gehört habe.
All diese Aussprüche meinen das Gleiche. Einwanderer haben sich der neuen Heimat nicht zu unterwerfen, aber anzupassen. Ich habe einmal etwas trivialer formuliert, dass derjenige, der in einen Fußballverein eintritt und dort Handball spielen will, ein Problem bekommen wird.
Genau an dieser Stelle sind wir. Daraus resultieren viele gesellschaftliche Diskussionen und Reibungen. Allerdings treten diese nicht durchgängig bei allen Einwanderern auf. In Neukölln lebt eine erstaunlich große Zahl von Menschen, die hinduistisch orientiert sind, es gibt russisch-orthodoxe, Juden und Muslime. An dieser Stelle nähern wir uns einem hochsensiblen Thema, nämlich dem von Religion, speziell dem Islam.
Ich bin inzwischen zu der Überzeugung gelangt, dass der Islam für mich nur bedingt als eine reine Religion zu betrachten ist. Für seine Anhänger ist er eher eine Weltanschauung, eine Weltordnung, eine Schöpfung der Gesellschaft nach göttlicher Fügung. So sehen sie ihn.
Der Islam gibt seinen Gläubigen nicht nur eine spirituelle Ebene vor, sondern er beansprucht auch bis in die heutige Zeit, der bestimmende Faktor des täglichen Lebens und der täglichen Handhabungen für sich selbst oder gegenüber den Mitmenschen zu sein.
Dies kollidiert in eklatanter Weise mit den Grundüberzeugungen westlicher Demokratien, wie es auch Deutschland eine ist. Dort setzen irdische Instanzen die Normen und erwarten für diese Respekt und Normentreue. Davon kann die Berufung auf eine höhere Gewalt niemanden freisprechen.
Als Beispiel führt der Bericht den Umgang mit Korruptionsvorwürfen gegen zahlreiche Beschuldigte aus dem AKP-Umfeld an. Statt den Ende vergangenen Jahres bekanntgewordenen Korruptionsskandal aufzuklären, habe die Regierung ermittelnde Staatsanwälte und Polizisten versetzt und versucht, die Unabhängigkeit der Justiz einzuschränken (mehr hier).
Zu den regierungsfeindlichen Gezi-Protesten im Sommer vergangenen Jahres kritisierte der Bericht, nur wenige Polizisten würden für Tote und Verletzte während der Demonstrationen zur Verantwortung gezogen (mehr hier). Demgegenüber stünden tausende Bürger, die sich wegen der Teilnahme an den Protesten vor Gericht verantworten müssen. Die Organisation beanstandete außerdem die zunehmende Verschärfung von Gesetzen, mit denen das Internet in der Türkei zensiert werden könne (mehr hier).
Die Notwendigkeit eines solchen Schrittes liegt für den Akademiker auf der Hand. Seiner Ansicht nach seien islamische Universitäten in Ägypten, Pakistan, Iran und Malaysia waren "nicht in der Lage" gewesen, "Lösungen für Probleme in der Welt zu finden". "Das Hauptproblem heute ist, dass die Muslime Leid, Gewalt und Leid untereinander verbreiten", so Gömez. Deshalb habe man die YÖK um eine entsprechende Genehmigung gebeten, "um friedliche Lösungen für diese Probleme zu finden".
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Was hat die Türkei unter Erdogan vor?
https://www.facebook.com/kayacahit/posts/1536728619890420
Das große Interesse der Erdogan-Türkei an einem Erstarken des IS erfolgt in zwei Schritten, in welchen mehrere türkische (eigentlich Erdogans) Interessen der Reihe nach durchgesetzt werden (sollen).
Schritt 1: der IS zerstört einen großen Teil kurdischer Truppen sowohl im Irak, als auch in Syrien, womit auch die zukünftige (militärische) Hilfe für die kurdische Opposition in der Türkei stark geschwächt wird. Erdogan kann seine Macht unter den Kurden in der Türkei stärker ausbauen. Gegenwehr gäbe es dann kaum noch. Das würde auch seinen Einfluss auf Kurdistan erhöhen, da deren Einfluss auf die Türkei dadurch reduziert wäre. Insgesamt stärkt dies bereits Erdogans Stellung in der Türkei und erhöht seine Autorität auch im türkischen Militär. Als neuer Präsident ist er oberster Befehlshaber.
Schritt 2: der IS übernimmt Kobane und greift auch die Türkei an. Das könnte die Türkei als Vorwand nutzen Teile Syriens zu besetzen. Als NATO-Mitglied müssten ihr andere NATO-Partner sogar zu Hilfe eilen. Es wäre ein türkisch-imperialistischer Krieg, der jedoch finanziell und militärisch von der NATO unterstützt werden müsste, da die Türkei diesen als reine Notwehr-Maßnahme tarnen könnte und würde.
Die Türkei würde auf diese Art ihre Stellung als Regionalmacht ausbauen und hätte
dadurch auch mehr Einluss innerhalb der NATO und eine erfolgreich erprobte Strategie weitere Gebiete in der Region zu besetzen. Immer mit dem Vorwand des starken IS, den es aktiv zu bekämpfen gelte und der Türkei als starken Partner Vor Ort, den man deshalb unterstützen müsse.
Daher denke ich, dass die Türkei solange zögern wird, bis der IS die Türkei ganz offen angreifen wird (oder die Türkei dies über die Medien als Angriff präsentiert).
Dafür lässt die Türkei Menschen sterben, um eigene Interessen zu verfolgen. Dass die Türkei den IS also unterstützt hat strategische Ursachen und ist ganz offensichtlich. Der Völkermord an an den ganzen Volksgruppen ist von der Türkei gewollt, daher schreiten sie bisher nicht ein. So kann sich die Türkei später als angebliche Schutzmacht ins Spiel bringen.
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Dienstag, 7. Oktober 2014
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Kampf gegen den IS
"Türkei will den Bündnisfall der Nato herbeiführen"
Interview mit dem Nahost-Experten Michael Lüders
Die Lage in der nordsyrischen Stadt Kobane wird immer dramatischer: Kurdische Kämpfer wehren sich an der Grenze zur Türkei erbittert gegen die vorrückende Terrormiliz Islamischer Staat (IS). "Die Türken spielen ein doppeltes Spiel, indem sie nicht eingreifen", sagt der Nahost-Experte Michael Lüders. Er meint: Sie wollen den Bündnisfall der Nato herbeiführen.
Silhouettten von IS-Kämpfern auf einem Hügel nahe der Stadt Kobani [Quelle: DPA]
Quelle: DPA
IS-Kämpfer auf einem Hügel nahe der Stadt Kobane.
Die Türkei hat bislang (Stand 7. Oktober 2014) nicht in die Kämpfe eingegriffen, obwohl das Parlament in Ankara seine Einwilligung zu Militäreinsätzen gegen den IS in Syrien und im benachbarten Irak gegeben hat.
Welches Spiel spielt die Türkei? , [5:16]
Gespräch mit Michael Lüders
Radio Bremen: Herr Lüders, wann greift die Türkei in das Geschehen ein?
Michael Lüders: Erst einmal gar nicht, denn es geschieht genau das, was sich die türkische Regierung wünscht: Der Islamische Staat bekämpft die Kurden im Norden Syriens an der türkischen Grenze und beendet damit den kurdischen Traum in Syrien von mehr Autonomie und Unabhängigkeit. Gleichzeitig sind die kurdischen Kämpfer im Norden Syriens enge Verbündete, der in der Türkei und Europa verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.
Und das türkische Kalkül geht so: Man könnte sich eigentlich mit den Kurden versöhnen – es gibt ja seit Jahren einen Friedensprozess mit der kurdischen Seite. Den hat die Türkei aber jetzt unterbrochen – manche sagen, man hat diesen Prozess beerdigt. Stattdessen setzt die Türkei auf den Islamischen Staat, auf dass der die Enklave der Kurden an dieser Stelle der türkischen Grenze erobert und damit den kurdischen Kämpfern eine vernichtende Niederlage bereitet.
Radio Bremen: Nun sind wir alle erschüttert über die Brutalität mit der der IS vorgeht. Wird das nichts auslösen bei den Türken?
Michael Lüders: Das würde mich sehr wundern. Es gibt eine sehr enge organisatorische und logistische Zusammenarbeit zwischen den türkischen Geheimdiensten und dem Islamischen Staat.
Es ist allgemein bekannt, dass Kämpfer des Islamischen Staates in türkischen Krankenhäusern versorgt werden. Es gibt Rekrutierungszentren des Islamischen Staates in der Türkei. Vor zwei Monaten erregte ein Video Aufsehen in der Türkei, in dem offenkundig eine Ramadan-Feier gezeigt wurde – in Istanbul organisiert vom Islamischen Staat. Es gab kürzlich die Freilassung von 48 türkischen Geiseln, die in Mosul im Norden des Irak vom Islamischen Staat gefangen genommen wurden. Im Gegenzug für ihre Freilassung sollen knapp 150 gewaltbereite Dschihadisten aus dem Umfeld des Islamischen Staates – darunter auch europäische Kämpfer – in Richtung Syrien abgeschoben worden sein.
Michael Lüders [Quelle: Radio Bremen] zoom
Michael Lüders ist Politik- und Islamwissenschaftler.
Es ist also eine sehr sehr enge Zusammenarbeit zwischen Ankara und dem Islamischen Staat gegeben. Das ist überaus befremdlich. Und wahrscheinlich irrt sich die türkische Regierung, wenn sie glaubt, dass sie den Islamischen Staat auf Dauer als Mittel zum Zweck benutzen kann. Denn der Islamische Staat ist viel zu stark geworden mittlerweile – auch Dank türkischer Hilfe – um mittelfristig noch wirklich erfolgreich kontrolliert werden zu können.
Radio Bremen: Wenn das Parlament nun seine Einwilligung zu Militäreinsätzen gegeben hat, ist das dann nur eine Markierung, nur ein Zeichen irgendwo hin? Oder warum machen die das, wenn Sie sagen, die werden ohnehin nicht eingreifen?
Michael Lüders: Die türkische Regierung verfolgt zwei Ziele: Erstens die Schwächung der Kurden und deren Ausschaltung als politische Gegner. Im nächsten Schritt – so die türkische Überlegung und deswegen gab es auch diesen Parlamentsbeschluss, den Sie angesprochen haben – soll im Norden Syriens eine Pufferzone errichtet werden, die dann möglicherweise auch von türkischen Soldaten kontrolliert wird und von türkischen Panzern gesichert wird.
Offiziell soll dieses dem Schutz der kurdischen Bevölkerung dienen, tatsächlich aber plant die türkische Regierung – das ist ganz offenkundig – die Eröffnung einer zweiten Front, nämlich gegen den syrischen Machthaber Baschar al-Assad, dessen Sturz die Türkei um jeden Preis herbeiführen möchte. Und man versucht, durch die Stationierung türkischer Truppen im Norden Syriens den Bündnisfall der Nato herbei zu führen. Denn die syrische Regierung hat ganz klar erkennen lassen, dass sie mit einer dauerhaften Stationierung türkischer Soldaten auf syrischen Gebiet nicht einverstanden wäre.
Radio Bremen: Also mit militärischem Engagement eher zurückhaltend. Gleichzeitig nimmt die Türkei aber kurdische Flüchtlinge aus Syrien auf. Ist das ein Widerspruch für Sie?
Michael Lüders: Es ist sicherlich eine widersprüchliche Politik, aber die meisten Flüchtlinge, die bisher gekommen sind – das sind mehr als eine Million mittlerweile – sind weniger Kurden als vielmehr sunnitische Araber. Aber es gibt mittlerweile auch 40.000, 50.000, 60.000 – die genauen Zahlen sind nicht bekannt – kurdische Flüchtlinge in der Türkei. Auf diese Art und Weise unterstreicht die türkische Regierung die humanitären Aspekte ihrer Mission. Aber das ist Tarnung.
Das strategische Ziel der Türkei ist klar: ein Ende aller kurdischen Autonomiebewegungen und eben der Sturz von Baschar al-Assad in Syrien. Eine sehr gefährliche Strategie, denn hinter Baschar al-Assad steht Russland und auch der Iran, die beide klar gemacht haben, dass sie ihn nicht fallen lassen werden. Also der Internationalisierung dieser Krise ist Tür und Tor geöffnet. Und es zeigt eben diese Entwicklung auch, dass dieser Kampf gegen den Islamischen Staat sehr kompliziert ist, weil die regionalen Akteure jeweils völlig unterschiedliche geopolitische Interessen haben.
Jetzt berichtet die britische «Times» (Bezahlartikel) unter Berufung auf türkische Sicherheitskreise, Medien und Kurdenkämpfer: Offenbar hat die Türkei die 49 Geiseln gegen 180 inhaftierte oder verletzte IS-Kämpfer ausgetauscht.
Cendrim R. auf Liste der Auszutauschenden
20 Minuten weiss: Rund um den Austausch der 180 IS-Terroristen zirkuliert auch eine Liste mit den Namen von zehn Europäern – nebst Briten, Schweden, Franzosen und einem Belgier steht darauf auch ein in der Schweiz bekannter Name: Cendrim R.*
Der heute 23-jährige Kosovo-Albaner, der in Brugg AG zur Schule ging, sass bislang in türkischer Untersuchungshaft. Er hatte im Frühling Schlagzeilen gemacht, als er zusammen mit einem Deutschen und einem Mazedonier bei einem dschihadistisch motivierten Attentat in Südanatolien drei Menschen, darunter einen Soldaten und einen Polizisten, erschoss.
Der IS bekundete bereits im Juni Interesse daran, den 23-Jährigen gegen die türkischen Geiseln auszutauschen. Die Analysten des Genfer Zentrums für Terrorismus (GCTAT) bestätigen zwar, dass es eine Liste mit zehn Namen von europäischen IS-Kämpfern gebe.
Sie bezweifeln indes, dass die Türkei den Dreifachmörder Cendrim R. wie von IS gefordert jetzt auch wirklich frei liess. IS habe zwar darum gefeilscht, doch letztlich sei dieses «Projekt aufgegeben» worden, zumal die Türkei «ein langes Gedächtnis» habe und wohl keinen Dreifachmörder freilassen wollte.
Haft in der Schweiz, Dreifachmord in der Türkei
Sicher ist: Vor dem Attentat in der Türkei war Cendrim R. auch der Aargauer Polizei bekannt. Nach mehreren Delikten verurteilte ihn das Jugendgericht Brugg 2010 zu zwei Jahren Gefängnis. Ein Jahr später wurde er nach Mazedonien abgeschoben.
Ob die Schweiz gegen Cendrim R. ein Einreiseverbot verhängt hat, ist unklar. Auf Anfrage von 20 Minuten hiess es vom Bundesamt für Polizei (Fedpol): «Fedpol kann Dritten gegenüber keine Auskunft darüber erteilen, gegen welche einzelnen Personen ein Einreiseverbot verhängt wurde. Das Recht, darüber Auskunft zu erhalten, steht von Gesetzes wegen lediglich den betroffenen Personen und Behörden zu.»
Türkei wird sich unbequemen Fragen stellen müssen
Ob es nun wirklich zum Austausch kam oder nicht – Cendrim R. ist einer von insgesamt 180 IS-Kämpfern, die in der Türkei inhaftiert waren oder sich in Gefangenschaft syrischer Rebellen befanden, wie die «Times» schreibt. Diese seien aus dem türkischen Van in einem Konvoi nach Syrien gefahren worden, schreibt Taraf.com.
Ein solcher Gefangenenaustausch wird kaum im Sinn der westlichen und arabischen Allianz gegen den IS sein. Dazu kommt, dass gerade die Türkei wenig bis gar nichts unternommen hat, westliche IS-Anhänger an der Einreise in den syrischen Bürgerkrieg zu hindern. So schreibt etwa die «Zeit»: «Sollte sich der Bericht der Times über insgesamt 180 freigelassene militante Islamisten bestätigen ... Die Türkei dürfte sich einige Fragen gefallen lassen müssen – wenn nicht öffentlich, dann gewiss hinter verschlossenen Türen.»
"Wir werden alles tun, um den Menschen von Kobani zu helfen. Sie sind unsere Brüder", sagte der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu vor wenigen Tagen. Und der aufstrebende junge Kurdenführer Selahattin Demirtas, Chef der linken HDP-Partei, war nach einem Gespräch mit Davutoglu geradezu erleichtert: Er sei nun überzeugt, dass die Türkei nicht zulassen werde, dass die seit Mitte September von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) belagerte syrische Kurdenstadt Kobani fallen werde.
Doch bislang passierte nicht viel. Starke Verbände türkischer Truppen zogen auf. Doch dann sahen sie aus wenigen Hundert Metern Entfernung zu, wie die Verteidiger von Kobani Tag für Tag in einen immer engeren Kessel zurückgedrängt wurden. Sie schlossen die Grenze, um zu verhindern, dass Tausende kurdische Freiwillige aus der Türkei, die Kobanis Verteidigern helfen wollten, über die Grenze gelangten. Sie verhinderten Nachschub an Waffen oder Munition. Ganz in Gegensatz dazu waren die Grenzen zu Syrien für islamische Kämpfer lange Zeit offen geblieben, bis vor etwa einem halben Jahr die Klagen der Staatengemeinschaft darüber zu laut wurden.
Da facto wurde die Türkei zum Riegel am Schloss des eisernen Belagerungsringes um Kobani. Und hinter den Kulissen nahm Ankara die Führer der Belagerten in den Würgegriff. Die Türkei fordere die totale Unterwerfung der Kurden als Bedingung für jegliche Waffenhilfe, hieß es vonseiten der syrischen Kurdenführung. Die Kurden mögen auch künftig jegliche Forderungen nach Autonomie aufgeben und sie sollten sich gegen das Regime des syrischen Diktators Baschar al-Assad wenden.
Am Dienstag schien eine Meldung der regierungsnahen türkischen Zeitung "Sabah" diesen Kurs zu bestätigen. Der syrische Kurdenführer Salih Muslim habe all die Erfüllung der Bedingungen zugesichert, schrieb Sabah. Geradezu kunstvoll und raffiniert verfolgt die Türkei damit eine vielschichtige Strategie gegenüber den Kurden im eigenen Land, im Irak und in Syrien, um eine vermeintliche separatistische Gefahr zu bannen und den eigenen Einfluss in der Region auf Jahre hinaus zu stärken.
Diese Strategie umfasst drei Elemente. Unproblematisch ist die autonome Kurdenregion im Nordirak. Längst ist dies de facto ein türkisches Protektorat geworden, dessen Führer sich mit Ankara arrangiert haben und dazu beitragen, den Irak zugunsten der Türkei zu schwächen.
Die Kurden in Syrien sind dagegen das größte Problem: Sie hatten ein autonomes Gebiet ausgerufen, welches an das bereits existierende Kurdengebiet im Nordirak grenzt, und sie gehören zur PKK, die in der Türkei selbst schlagkräftigste und radikalste Kurdenorganisation ist. Die Vergrößerung von autonomen Kurdenregionen bei gleichzeitiger Stärkung der PKK ist ein Albtraum für Ankara. Denn dies würde in Richtung eines nicht nur unabhängigen, sondern auch von der Türkei unabhängig denkenden Kurdistan führen.
Direkte und indirekte Unterstützung für IS
Insofern könnte man in Ankara jetzt zufrieden sein, dass der Islamische Staat die Kurden aufreibt und ihr Gebiet reduziert. Die Kurden der Region glauben, dass Ankara genau deswegen die Islamisten lange unterstützte. Kobani hätte eine Art geografische Brücke zwischen den Kurdengebieten im Nordosten und Nordwesten Syriens werden können. Die ethnische Säuberung dieses Gebiets reduziert die Kurden auf zwei getrennte Zipfel an den Grenzen zum Irak und zur Türkei. Was bleibt, stört dann nicht, wenn es sich der Türkei unterwirft.
Das dritte Element der türkischen Kurdenstrategie betrifft die PKK selbst und die türkischen Kurden. Seit einiger Zeit findet ein prekärer Friedensprozess zwischen der Regierung und der PKK statt, Waffenstillstand gegen politische Dezentralisierung und mehr kulturelle Rechte. Das ist ein schwieriger Spagat, denn die PKK versteht genau, wie sehr die türkische Politik den eigenen Interessen widerspricht, indem sie gegen Syriens PKK-treue Kurden vorgeht. Hier geht es darum, genau die Schmerzgrenze auszuloten: Ein Massaker in Kobani kann die PKK nicht hinnehmen. Deshalb wäre es auch möglich, dass die Türkei in letzter Minute etwas unternimmt, um zumindest die Stadt selbst zu retten, nicht aber das bereits vom IS eroberte Gebiet darum herum.
Wenn Ankara dennoch dem taktischen Ziel, die syrischen Kurden zu schwächen, Vorrang gibt vor dem strategisch wichtigeren Ziel einer Lösung des PKK-Konflikts, dann könnte das leicht schiefgehen. Bereits am Montag und Dienstag kam es zu gewalttätigen Kurden-Demonstrationen in mindestens sechs türkischen Städten. Fällt Kobani, so sieht es für eine künftige Aussöhnung mit den Kurden schlecht aus. Die Schlacht wird von vielen Kurden als Schlüsselmoment ihrer Geschichte empfunden. Wie sie ausgeht, wird die kurdische Identität und ihre Haltung gegenüber der Türkei langfristig beeinflussen.
Ankara versucht sich an der Quadratur des Kreises: Die Türkei will die diversen kurdischen Gruppen schwächen, sie gegeneinander ausspielen und sie dabei an sich binden. Ob das gelingt, hängt nicht zuletzt von den Kurden selbst ab.