Rot-Grüne Chaoschronik 2002-2006:
Seite 37 von 137 Neuester Beitrag: 18.09.05 23:03 | ||||
Eröffnet am: | 22.09.02 22:29 | von: SchwarzerLo. | Anzahl Beiträge: | 4.404 |
Neuester Beitrag: | 18.09.05 23:03 | von: Karlchen_I | Leser gesamt: | 166.646 |
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Union stemmt sich gegen die Mindeststeuer
10. August 2003 Die Mindeststeuer, mit der Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) fest rechnet, droht am Widerstand der Union zu scheitern. Der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Michael Meister, sagte dieser Zeitung: "Hinsichtlich der Vorschläge zur Streckung des Verlustvortrags (die sogenannte Mindeststeuer) kann ich mir nicht vorstellen, daß die Union dem zustimmt." Damit brächen Eichel Einnahmen weg, die in seinem Etat-Entwurf für das Jahr 2004, aber auch für die geplante Reform der Gemeindefinanzen fest eingeplant sind. Das Kabinett soll die Kommunalreform und die Begleitgesetze zum Haushalt an diesem Mittwoch beschließen.
Erhebliche Bedenken gegen die Mindeststeuer gibt es in den unionsgeführten Ländern. Eichel ist auf deren Zustimmung angewiesen, wenn er sein Gesetz durch den Bundesrat bringen will. Baden-Württembergs Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) sagte auf Anfrage: "Die Beschränkung des Verlustvortrags ist angesichts der Wirtschaftslage sehr bedenklich." Stratthaus kündigte an, daß diese Gesetzesänderung kein Selbstläufer sein wird. "Hier wird man im Vermittlungsausschuß eine Verbesserung anstreben."
Vorbehalte der unionsgeführten Länder
Eichel verweist, wenn er auf die Realisierungschancen seiner Pläne angesprochen wird, auf eine politische Absprache mit den Unionsländern, nach der eine Reihe von Schlupflöchern im Körperschaftsteuerrecht geschlossen werden sollten. In einem Treffen auf Abteilungsleiterebene von Bund und Ländern habe man alle Punkte einvernehmlich regeln können, heißt es in seinem Ministerium. Doch bei der Mindestbesteuerung sollen die Vertreter der unionsgeführten Ländern politische Vorbehalte angemeldet haben.
Eichels Gesetzentwurf sieht vor, daß Unternehmen mindestens die Hälfte ihres aktuellen Gewinns versteuern müssen. Bisher können frühere Verluste unbeschränkt geltend gemacht werden. Dies soll nur noch bis zu einem Sockelbetrag von 100 000 Euro möglich bleiben.
Liquidität entzogen
Die Wirtschaft wehrt sich gegen die geplante Steuerrechtsverschärfung. "Eine Mindeststeuer von 50 Prozent verstößt gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Martin Wansleben, dieser Zeitung. Der Verlustabzug sei das notwendige Korrektiv, um die Härten der Abschnittsbesteuerung auszugleichen. Die Ertragslage der Unternehmen ändert sich oft von Jahr zu Jahr stark. Hinter dem Widerstand der Wirtschaft steht die Furcht, daß Unternehmen, wenn sie nach Verlustjahren erstmals wieder Gewinn machen, sofort wieder Steuern zahlen müssen. Falls sich Eichel durchsetzte, würde solchen Unternehmen Liquidität entzogen, obwohl sie noch schwach auf der Brust sind.
Die Bedenken in der Union gegen das zweite Paket im Nachgang zum Steuervergünstigungsabbaugesetz sind erheblich. "Die Bundesregierung mutet den Unternehmen neue Steuererhöhungen zu", kritisiert Meister. Er lehnt nicht nur die Mindeststeuer ab, sondern fordert Nachbesserungen auch bei der Gesellschafterfremdfinanzierung. "Ich halte eine Freigrenze von 50 000 Euro für viel zu gering, zumal bei Überschreiten um einen Cent die gesamte Vergütung nicht mehr als Betriebsausgabe abzugsfähig sein soll."
Damit greift er die Bedenken aus der Wirtschaft auf. "Fremdkapitalkosten sind Betriebsausgaben, die den Gewinn mindern. Dies muß grundsätzlich auch für das Steuerrecht gelten", mahnt Wansleben. Durch die enorme Ausweitung des Anwendungsbereiches der Vorschrift im Körperschaftsteuerrecht (§ 8a) drohten den inländischen Kapitalgesellschaften erhebliche Steuermehrbelastungen. Die Ausweitung auf die Überlassung von Sachkapital sei auch nicht europarechtlich begründbar.
Text: mas. / Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.08.2003, Nr. 184 / Seite 9
Bildmaterial: AP
Quelle: http://www.faz.net/s/...2F9A9629200E85E97D~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Biste genauso tüchtig wie die im Beruf?
Gleich und gleich gesellt sich gern.
Nicht links, nicht rechts, sondern schlecht:
Rot-Grün stolpert mit schludrigen Reformkonzepten in den Herbst.
Eine im Kanzler-Auftrag erstellte Stimmungsanalyse fällt drastisch aus:
Die meisten Befragten empfinden die Schröder-Truppe als "sprunghaft", "verworren", "konzeptionslos".
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,260674,00.html
Arbeitsamt zahlt für Clements Versprechen
Von Martina Behm, Berlin
Auf die Bundesanstalt für Arbeit könnten bis zu 400 Mio. Euro an zusätzlichen Ausgaben für berufsvorbereitende Maßnahmen zukommen. So viel könnte das Versprechen von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement kosten, dass jeder Ausbildungsplatzsuchende ein Angebot erhalten wird.
Dabei soll es sich um Lehrstellen in Betrieben, Praktikumsplätze oder berufsvorbereitende Maßnahmen handeln. Falls die Prognosen der Bundesanstalt für Arbeit (BA) zutreffen, werden im Herbst 50.000 bis 60.000 junge Menschen mehr als im Vorjahr ohne Ausbildungsstelle sein. Die BA hat bereits 200 Mio. Euro zusätzlich vorgesehen, um diese Jugendlichen in Berufsvorbereitungskursen unterzubringen. Dieser Betrag reicht bei durchschnittlichen Kosten von 10.000 Euro pro Teilnehmer für 20.000 Plätze aus. Sollten 60.000 Jugendliche mehr als im Vorjahr von diesem Angebot Gebrauch machen wollen, müsste die BA weitere 400 Mio. Euro bereitstellen. Im Bundeswirtschaftsministerium hieß es, die Äußerungen Clements seien mit BA-Chef Florian Gerster abgesprochen. Clement rechnet Ende des Jahres nur mit einem Defizit an Ausbildungsstellen von 20.000 bis 30.000 Plätzen. Zurzeit sind 231.000 Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz, während bundesweit nur noch 83.500 Lehrstellen unbesetzt sind.
"Die stehen Gewehr bei Fuß"
Die von der Bundesanstalt für Arbeit vermittelten berufsvorbereitenden Maßnahmen dauern ein knappes Jahr und bestehen aus Praktika in Betrieben und Unterricht. Zurzeit nehmen 137.000 Jugendliche daran teil. Rund 60 Prozent können danach eine Lehre beginnen. Anbieter der Kurse sind private Bildungsträger, die kaum Probleme haben werden, zusätzliche Plätze bereitzustellen: "Die stehen Gewehr bei Fuß", sagte Jürgen Thiel, Leiter des Referats Ausbildungsförderung bei der Bundesanstalt für Arbeit. Außerdem sei die Ankündigung Clements nicht neu - er habe schon im April versprochen, dass kein ausbildungswilliger Jugendlicher auf der Straße stehen gelassen werde.
Das Bundesinstitut für berufliche Bildung hat errechnet, dass Bund, Länder und BA im Jahr 2000 die Berufsausbildung mit rund 11 Mrd. Euro subventioniert haben. Der Bund fördert Ausbildungsbetriebe mit Prämien, bezahlt außerbetriebliche Ausbildungsplätze in Schulen und Hilfen für Lehrlinge mit Lernproblemen. Damit dieser Betrag nicht noch weiter steigt, wirbt Minister Clement zurzeit in Berlin und Brandenburg für mehr Ausbildungsplätze: Am Montag besuchte er die Unternehmen Saturn, Mercedes und Deutsche Bahn in Berlin. Bahn-Chef Hartmut Mehdorn sagte 570 zusätzliche Ausbildungsplätze zu. Media Markt und Saturn versprachen 250 Lehrstellen mehr. Am Dienstag stehen das Sägewerk Fürstenwalde und die Märkische Etiketten GmbH auf dem Programm.
Clement fordert kürzere Ausbildung
Clement forderte während seiner Rundreise durch Berliner Betriebe kürzere Ausbildungszeiten: "Wir brauchen die zweijährige Ausbildung", sagte er. Jugendliche mit schwachen Schulleistungen würden von einer solchen vereinfachten Ausbildung profitieren. Sie könnten in Berufen eingesetzt werden, die mehr handwerkliches Geschick als theoretischen Wissen verlangten. Clement spielt damit auf ein modulares Ausbildungsmodell an: Statt nach drei Jahren einen Ausbildungsabschluss zu erhalten, absolvieren die Lehrlinge nacheinander verschiedene Qualifikationsbausteine. Die Gewerkschaften lehnen dieses Modell bislang ab, weil sie fürchten, dass dadurch ein neuer Niedriglohnsektor entsteht. Der Minister kündigte Gespräche an, um ab dem Lehrjahr 2004 solche Ausbildungsgänge einzuführen.
© 2003 Financial Times Deutschland
Quelle: http://www.ftd.de/pw/de/1060416737062.html?nv=hpm
"Ein wenig durchdachtes Machwerk"
Arbeitsmarktforscher Hermann Scherl hat das Hartz-Konzept und seine bisherigen Folgen genau unter die Lupe genommen. Im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE kritisiert er dilettantische Fehler, dubiose Förderungen und sinnlose Geldverschwendung.
Hermann Scherl, Jahrgang 1945, ist seit 1989 Professor für Sozial- und Arbeitsmarktpolitik an der Universität Erlangen-Nürnberg
SPIEGEL ONLINE: Peter Hartz hat sich beklagt, sein Konzept sei verwässert worden. Sehen Sie das ähnlich?
Hermann Scherl: Wenn das Konzept windig ist, kann die Umsetzung nicht besser sein. Da ist ein wenig durchdachtes Machwerk mit viel Wortgeklingel hochgejubelt worden. Das war Scharlatanerie. Und das ist Schröder im Wahlkampf zu Pass gekommen, wurde versprochen und jetzt wird's gemacht.
SPIEGEL ONLINE: Sie kritisieren in Ihrer Studie vor allem die Personal-Service-Agenturen (PSA). Bei der Lektüre hat man den Eindruck, dass die PSA nur 50.000 Arbeitslose betreuen sollen und nicht 500.000 wie ursprünglich geplant.
Scherl: Das wären 500.000 Leute gewesen, deren Beschäftigung und Verleih von der Bundesanstalt für Arbeit subventioniert worden wäre mit dem Ziel, den Leiheinsatz zu verbilligen. Die gewerblichen Leiharbeitsfirmen wären dadurch verdrängt worden. Das bewirkt dann aber nicht mehr Beschäftigung. Es wird nur nicht subventionierte Arbeit durch subventionierte verdrängt. Vor allem hätte die Gefahr bestanden, dass Unternehmen in Leiharbeitnehmern einen subventionierten, billigen und dennoch gleichwertigen Ersatz zur Stammbelegschaft sehen.
SPIEGEL ONLINE: Hartz wollte ein Lohnniveau von 30 Prozent unter dem Normallohn in Unternehmen.
Scherl: Das hätte die Sache in der Tat noch etwas schlimmer gemacht.
SPIEGEL ONLINE: Was halten Sie von der Ankündigung, die Arbeitslosenzahlen durch PSA um eine Million zu verringern?
Scherl: Da hat die Hartz-.Kommssion schlicht einen dilettantischen Fehler gemacht. Die Kommission ging davon aus, dass von PSA entliehene Leute danach von den Entleihbetrieben fest übernommen würden. Aber damit ist ja noch nicht ein Job mehr geschaffen. Zusätzliche Jobs kommen nur dadurch, dass Betriebe mehr Aufträge haben.
SPIEGEL ONLINE: Das heißt, wir haben zu wenig Beschäftigung?
Scherl: So simpel kann man das sagen. Die ganze Hartz-Geschichte krankte daran, dass man sagte, man könne die ganze Arbeitslosigkeit um zwei Millionen reduzieren, ohne dass man sagte, woher eigentlich mehr Beschäftigung kommen soll.
SPIEGEL ONLINE: Zum Beispiel durch Ich-AG's? Aber die sind ihrer Studie zu Folge ja Rohrkrepierer.
Scherl: Die sind recht dubios. Es gab und gibt weiterhin eine bewährte Existenzgründerförderung der Bundesanstalt für Arbeit, das Überbrückungsgeld. Der wesentliche Unterschied zur Ich-AG-Förderung ist der, dass man für das Überbrückungsgeld einen Geschäftsplan vorlegen muss, der von Banken oder Sachverständigen begutachtet werden muss. Für die neuen Ich-AG's genügt eine Absichtserklärung: Ich will mich selbständig machen.
SPIEGEL ONLINE: Eine Absichtserklärung, was heißt das?
Scherl: Wenn ich angebe: Ich will mich selbstständig machen als freiberuflicher Philosoph, dann muss das Arbeitsamt das akzeptieren. Wenn das genügt, dann ist einerseits anzunehmen, dass etliche, bei denen Leistungen demnächst auslaufen, die Chance wahrnehmen, noch ein bis drei Jahre länger Geld vom Arbeitsamt zu bekommen. Die Leistungen kann man ja sogar weiter beziehen, wenn man anschließend eine normale Arbeit aufnimmt. Im Grunde muss man sich wundern, dass noch nicht jeder Arbeitslose, der einen neuen Job annimmt, nicht zwei Wochen vorher erklärt: "Ich will mich selbstständig machen, gebt mir mal den Existenzgründungszuschuss."
SPIEGEL ONLINE: Kennen Sie Fälle?
Scherl: Das ist das nächste Problem: Wenn es sie gibt, kann man das nicht beobachten, weil es keinen Datenabgleich gibt. Es gibt im Augenblick nicht einmal einen Datenabgleich darüber, ob geförderte Existenzgründer einen Job angenommen haben.
SPIEGEL ONLINE: Sie schreiben auch, dass ein Existenzgründer nebenbei einen Midi-Job annehmen kann, und bei 401 Euro Monatslohn für einen Arbeitnehmerbeitrag von 17 Euro sozialversichert ist.
Scherl: Das wäre die Superkombination! Zuschüsse und die Sozialversicherung zum Schnäppchenpreis von 17 Euro. Das ist auch für etablierte Selbstständige ganz interessant. Nicht nur für Gründer. Wenn Sie in die gesetzliche Krankenversicherung wollen, was ja bei manchen Älteren nahe liegend ist, weil die private zu teuer wird, dann nehmen Sie halt einen Midi-Job.
SPIEGEL ONLINE: Das heißt: Jemand setzt Hunderttausende Euro als Selbständiger um und geht für 17 Euro zum Arzt?
Scherl: Das habe ich mich auch schon gefragt. Das kann ich aber vorläufig nicht beantworten, weil ich nicht den ganzen Sozialgesetzdschungel durchforstet habe. Möglicherweise kann da die Beitragseinzugstelle etwas einwenden, wenn andere Haupttätigkeiten ein beachtliches Maß erreichen. Das auszuleuchten wäre aber sehr mühsam. Der deutsche Paragraphendschungel ist nun einmal sehr undurchsichtig.
SPIEGEL ONLINE: Werden Mini- und Midi-Jobs das reguläre Beschäftigungsangebot sogar reduzieren?
Scherl: Das erwarte ich. Das wird sich aber erst in einiger Zeit nachweisen lassen. Wir hatten das ja schon einmal: 1999 sind die 630-Mark-Jobs geändert worden, weil man vermeiden wollte, dass herkömmliche Jobs zunehmend aufgespalten werden. Und jetzt sagt man: Kommando zurück! Und attraktiver gemacht hat man das auch noch. Nur eben für Arbeitslose nicht.
SPIEGEL ONLINE: Nun soll die BA ja auch arbeitslose Sozialhilfeempfänger übernehmen. Was bringt das?
Scherl: Es gibt auf kommunaler Ebene etliche erfolgreicher Programme. Die werden dann eingestellt, weil die Kommunen daran dann kein Interesse mehr haben.
SPIEGEL ONLINE: Das ursprüngliche Ziel der Hartz-Reform waren 2 Millionen weniger Arbeitslose. Was sagen Sie dazu?
Scherl: Im besten Fall gibt es 400.000 weniger Arbeitslose. Im schlechtesten wird der Erfolg gegen Null tendieren.
SPIEGEL ONLINE: Wenn mit Harzt nur Zeit und Geld verschwendet wird, was soll man tun? Das ganze Reformprojekt stoppen?
Scherl: Versprochen ist versprochen. Und die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ist wirklich überfällig. Nur man hätte das anders machen müssen. Auch der Umbau der Bundesanstalt scheint ja in Teilen sinnvoll. Aber auch hier werden Millionen verschwendet, nur um die Anstalt Agentur zu nennen. Man kann nun aber Zweifel haben, ob das das breite Publikum überhaupt bemerkt. Die Vermittlung wird nicht höher werden, egal wie man das nennt.
SPIEGEL ONLINE: Wie wird es Ihrer Meinung nach weiter gehen?
Scherl: Das alles wird nun Politik und Verwaltung zwei Jahre beschäftigen. Dann ist bald wieder Wahlkampf und es wird nichts Neues mehr passieren. Die Regierung ist ja jetzt schon ziemlich erschöpft. Dabei müsste man endlich tun, was der Sachverständigenrat und die meisten Ökonomen sagen Wir haben zu wenig Beschäftigung und die kann nur durch mehr Wirtschaftsdynamik angekurbelt werden. Alles andere ist nur die Frage, wie man Beschäftigung umverteilt.
Das Interview führte Roman Pletter
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,261010,00.html
Stabilitätspakt
Länder empören sich über Eichel
Für Wirbel sorgen in Berlin vermeintliche Pläne von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD), den nationalen Stabilitätspakt zu Gunsten des Bundes zu ändern und die Kreditaufnahme der Länder indirekt um drei Milliarden Euro einzuschränken. Ministeriumssprecher Jörg Müller dementierte einen Zeitungsbericht und sagte, die Regierung wolle am nationalen Stabilitätspakt festhalten. Über den Kern des Berichts traf er damit keine Aussage.
Der nationale Stabilitätspakt regelt, wie viel Geld sich Bund und Länder jedes Jahr leihen dürfen und wer welchen Beitrag zur Einhaltung des Maastrichter Stabilitätskriteriums leisten muß. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung will Eichel die bisherige Regelung vom März 2002 nun im Zuge der Gewerbesteuerreform zu seinen Gunsten ändern. Die Änderung des Verteilungsschlüssels sei in den Gesetzen versteckt, über die das Kabinett an diesem Mittwoch berät. Demnach solle der Bund 50 Prozent statt bisher 45 Prozent der erlaubten Neuverschuldung in Anspruch nehmen können. Dadurch würden Länder indirekt drei Milliarden Euro einbüßen.
„Sachgerecht“
Der Minister argumentiere, dies sei „sachgerecht“, denn der Bund gebe den Kommunen im Zuge der Gemeindefinanzreform „zur Stärkung ihrer Investitionskraft und zum Ausbau der Kinderbetreuung“ dauerhaft drei Milliarden Euro, den Großteil durch die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Auch Länder und Gemeinden hätten "ihren Beitrag zur Einhaltung des Maastricht-Defizits zu leisten", schreibe Eichel in der Begründung des Gesetzes.
Im nationalen Stabilitätspakt (siehe Link) hatten die Finanzminister von Bund und Ländern neben der Defizitaufteilung auch die Beschränkung des Ausgabenanstiegs beschlossen. Die rechtlich nicht einklagbaren Vereinbarungen sind ein vorsichtiger Versuch, die Schuldenaufnahme bei Bund, Ländern und Gemeinden zu bremsen, um die vom Europäischen Stabilitätspakt vorgegebene 3-Prozent-Defizitgrenze einzuhalten. In diesem Jahr erwarten Experten für Deutschland einen Anteil des Defizits von rund 3,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und damit ein Überschreiten zum zweiten Mal nacheinander.
Wulff: Versuch eines Ertrinkenden
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) spöttelte: „Das ist der Versuch eines Ertrinkenden, andere mit in den Abgrund zu reißen.“ Hessens Ministerpräsident Roland Koch zeigte sich überrascht von Eichels Vorstoß: "Die Ankündigung Eichels ist ein erneuter schwerer Affront des Bundesfinanzministers gegenüber den Ländern." Offenbar schaue Bundeskanzler Gerhard Schröder tatenlos zu, wie Eichel das Verhältnis des Bundes zu den Ländern bewußt vor die Wand fahre.
Spieler als Schiedsrichter
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Rainer Brüderle kommentierte, es sei immer schlecht, wenn ein Spieler auch gleichzeitig Schiedsrichter sei. Der CDU-Haushaltsexperte Dietrich Austermann verlangte die Entlassung Eichels. Austermann nannte Eichels Plan einen unglaublichen Vorgang, „auf den das Eingeständnis folgen wird, den europäischen Stabilitätspakt nicht einhalten zu können“. Dem „Reutlinger General-Anzeiger“ sagte er: „Eichel ist total gescheitert, er hat jeden Rest von Glaubwürdigkeit verloren.“
Ministeriumssprecher Müller entgegnete, insbesondere die Behauptung, daß die Länder künftig indirekt rund drei Milliarden Euro verlieren würden, sei falsch. Er dementierte allerdings nicht, daß Eichel die Gewichtung des nationalen Stabilitätspaktes verändern wolle und dies in einem Gesetzestext bereits fixiert sei.
„Finanzgipfel“ gefordert
Der Ministeriumssprecher ließ durchblicken, daß Eichel die Entscheidung über Änderungen am Stabilitätspakt nicht allein treffe: Die zwischen Bund und Ländern vereinbarte Aufteilung des Kreditrahmens zur Einhaltung der EU-Defizitgrenze „bleibt ausschließlich Sache des zuständigen Finanzplanungsrates“. Der könnte sich bald schon mit dem Thema auseinandersetzen müssen: In Hannover forderte Wulff eine Sondersitzung. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) rief nach einem „Finanzgipfel“ nach der bayrischen Landtagswahl am 21. September. Es sei ratsam, daß Bundesregierung und Ministerpräsidenten „nach einvernehmlichen Lösungen suchen“. Seine tatsächliche Sorge verbarg Steinbrück nicht: „Am Ende dürfen jedenfalls nicht allein Länder und Kommunen die Zeche zahlen.“
FAZ, 12.08.2003
Bundeskabinett beschließt heute Gesetzespaket zu Arbeits- und Steuerpolitik: Weg mit der Arbeitslosenhilfe
BERLIN taz Begleitet von scharfer Kritik aus allen Richtungen beschließt das Bundeskabinett heute ein umfangreiches Reformpaket. Dazu gehört die Reduzierung der Arbeitslosenhilfe auf das Niveau der Sozialhilfe und das Vorziehen der Steuerreform von 2005 auf Januar. Im Gegensatz zu heute sollen Ärzte und andere Freiberufler ab 2004 Gewerbesteuer bezahlen.
"Unsere Hauptsorgen konnten die Vertreter des Bundesfinanzministeriums nicht ausräumen", sagte Bernd Scheelen, kommunalpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion gestern nach einer Sondersitzung der Abgeordneten. Die Einbeziehung der Freiberufler in die Gewerbesteuer halten über 100 SPD-Parlamentarier für ein Feigenblatt, das die schließliche Abschaffung dieser wichtigsten Finanzquelle der Städte und Gemeinden verbergen soll. Die Finanz- und Kommunalpolitiker der SPD wollen den Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) in den kommenden Wochen im Bundestag verändern. Kritik übte auch die Finanzexpertin der Grünen, Christine Scheel. Die finanziellen Folgen von Eichels Gesetz seien nicht absehbar.
Die Union lässt keinen Zweifel daran, dass sie die meisten Beschlüsse des Kabinetts im Bundesrat durchfallen lassen will. "Wenn die alten Strukturen baden gehen, dann gehen sie eben baden", sagte Michael Meister, finanzpolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Die Steuersenkungen dürfe man nicht durch Steuererhöhungen an anderer Stelle oder durch Schulden finanzieren. Die Lohn- und Einkommensteuer müsste noch viel weiter gesenkt werden, so Meister." Außerdem lehnt die Union die geplante Mindeststeuer für Firmen ab." HANNES KOCH
Quelle: http://www.taz.de/pt/2003/08/13/a0048.nf/text
Schröder will zweite
Amtszeit Raus verhindern
Von EINAR KOCH
Was wollte der Kanzler bei ihm? Bundespräsident Johannes Rau (72) auf seiner Ferieninsel Spiekeroog
Ein FDP-Mann soll Rau-Nachfolger werden
Berlin – Der Blitzbesuch von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) vor zwei Wochen bei Bundespräsident Johannes Rau auf dessen Ferieninsel Spiekeroog – es steckte viel mehr dahinter als bisher bekannt! Hauptthema des Treffens war die Bundespräsidentenwahl 2004. Aus guter Quelle erfuhr BILD: Der Kanzler habe versucht, den Bundespräsidenten davon zu überzeugen, dass es sinnlos sei, für eine zweite Amtszeit anzutreten. Hintergrund: Trotz derzeit knapper CDU/CSU/FDP-Mehrheit in der Bundesversammlung (wählt das Staatsoberhaupt) hoffe Rau noch immer auf Stimmen aus dem schwarz-gelben Lager.
Kanzler Schröder habe zwar Signale aus der FDP, dass es genügend liberale Stimmen für einen SPD-Kandidaten geben könnte – allerdings nicht für Rau, sondern für die frühere Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach (69). Vor allem der linke FDP-Flügel um die bayerische FDP-Chefin, Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, wäre unter Umständen bereit, Limbach mitzuwählen.
Quelle: http://www.bild.t-online.de/BTO/index.html
Clement will von Rezession nichts wissen
Trotz der negativen Wirtschaftszahlen spricht Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement nur von einer lang anhaltenden Konjunkturschwäche. „Die saisonbereinigte leicht rückläufige Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts in den ersten beiden Quartalen 2003 stellt keine Rezession dar“, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag in Berlin. Die Besserung der Konjunktur erfolge langsamer, als dies nationale und internationale Institute sowie die Bundesregierung erwartet hätten, so Clement weiter. Die Konjunkturschwäche spiegele vor allem das weiterhin schwache weltwirtschaftliche Umfeld bei gleichzeitiger Euro-Aufwertung wider. Dazu zähle auch die nach Ende des Irak-Krieges anhaltende weltweite Unsicherheit und der Streik in Ostdeutschland. „Auf Grund der aktuellen Indikatoren – in Deutschland und auch international – erwarten wir jedoch für das zweite Halbjahr dieses Jahres eine leichte Erholung, und damit den Beginn der konjunkturellen Wende.“
Konjunkturflaute hält weiter an
Der Höhenflug des Euro und die Metallerstreiks im Osten haben die Wirtschaft im zweiten Quartal dieses Jahres wieder schrumpfen lassen. Die gesamtwirtschaftliche Leistung der Bundesrepublik ging im Vergleich zu den ersten drei Monaten 2003 um real 0,1 Prozent zurück, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte. Auch im Jahresvergleich fiel das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,6 Prozent. Das formale Kriterium für eine Rezession – zwei Minusraten in zwei aufeinander folgenden Quartalen – ist damit eigentlich erfüllt. Bereits im ersten Vierteljahr 2003 mit einem Rückgang von 0,2 Prozent und im Schlussquartal 2002 mit einer roten Null hatte es leichte Rückschläge gegeben. Da die Zahlen aber nur äußerst knapp unter der Null-Linie lagen, steckte die Bundesrepublik nach Ansicht der meisten Volkswirte auch zwischen April und Juni in einer hartnäckigen Stagnation. Die Commerzbank sieht erst bei Minusraten ab zwei Prozent eine Rezession.
Im Vergleich zu den letzten Rezessionsjahren 1993 und 1982 steht Deutschland deutlich besser da. Für die zweite Jahreshälfte zeichnet sich zudem bereits eine Besserung der Konjunkturlage ab. Der erneute Rückschlag im zweiten Vierteljahr ging von den Exporten aus. Durch den starken Euro im Vergleich zum Dollar, die Ausfälle in der Autoproduktion in Folge der ostdeutschen Metallerstreiks und wegen der verhaltenen Weltkonjunktur fiel der Rückgang der Ausfuhren weit stärker aus als die Abnahme der Importe. Dies führte zu einer Verringerung des Exportüberschusses und bremste die Konjunktur.
Diese negative Entwicklung konnte von der nur leichten Erhöhung der inländischen Nachfrage nicht ausgeglichen werden. Der private Konsum blieb trotz leichter Besserung ohne Dynamik. Auch die Investitionen der Unternehmen kamen nicht in Gang. Im Jahresvergleich wirkte sich zudem ein Kalendereffekt auf die Entwicklung des BIP aus. Im Vergleich zum Vorjahr gab es einen Arbeitstag weniger. Diese Entwicklung herausgerechnet hätte es binnen Jahresfrist nur einen Rückgang von 0,2 Prozent gegeben. Die Wirtschaftleistung wurde von 38,1 Millionen Erwerbstätigen erbracht. Dies waren 646 000 Personen oder 1,7 Prozent weniger als zwölf Monate zuvor.
14.08.03, 14:20 Uhr
Quelle: http://news.focus.msn.de/G/GN/gn.htm?snr=123254&streamsnr=8
Rot-Rot gegen den Kanzler
Kanzler Schröder muss sich im Bundesrat auf den Widerstand Mecklenburg-Vorpommerns gegen das Arbeitslosengeld II einstellen. Die SPD-PDS-Regierung will offenbar gegen die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe stimmen. Thüringens Ministerpräsident Althaus fordert indes einen Reformgipfel beim Kanzler.
Chemnitz - Die Nein-Stimme Mecklenburg-Vorpommerns sei für einen solchen Fall im Koalitionsvertrag mit der SPD ausdrücklich vereinbart worden, sagte Arbeitsminister Helmut Holter (PDS) der Chemnitzer "Freien Presse". Davon werde die PDS auch nicht abweichen.
Zugleich forderte Holter angesichts der hohen Arbeitslosigkeit im Osten Übergangsregelungen bei der Durchsetzung der rot-grünen Reformpläne für die neuen Länder. Wenn die Gesetze so umgesetzt würden, "sieht es schlimm aus für den Osten". Die Kürzungsvorhaben seien geradezu eine Aufforderung an die Ostdeutschen, die neuen Länder schnell zu verlassen.
Der PDS-Politiker sprach sich für eine bessere Koordinierung zwischen den Landesregierungen aus. Der Osten müsse künftig gemeinsam mit dem für den Aufbau Ost zuständigen Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) mit einer Stimme sprechen. Holter, der gegenwärtig Vorsitzender der Arbeitsministerkonferenz ist, verlangte für Stolpe ein Vetorecht im Bundeskabinett, damit keine Gesetze mehr verabschiedet würden, die die Erwerbslosigkeit weiter erhöhten.
Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Chef Till Backhaus will noch im August bei einem Treffen mit Schröder persönlich auf Änderungen am Reformpaket drängen. "Der Punkt ist, wie wir in den strukturschwachen Gebieten gewisse Ausgleichsmöglichkeiten erhalten", sagte Backhaus im Radiosender Antenne Mecklenburg-Vorpommern. Denkbar sei ein Bonus für strukturschwache Regionen, die eine Arbeitslosigkeit von mehr als 15 Prozent haben.
Althaus schließt Scheitern von Schröders Reformprojekt nicht aus
Thüringens Regierungschef Dieter Althaus (CDU) forderte einen Reformgipfel von Bundeskanzler und Ministerpräsidenten insbesondere zu der geplanten Gemeindefinanzreform gefordert. Der "Leipziger Volkszeitung" sagte er zugleich, wenn sich nicht Deutliches ändere, schließe er ein Scheitern des gesamten Reformwerkes von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nicht aus. "So wie das Reformpaket jetzt vorliegt, können wir im Interesse der Kommunen und auch des Landes nicht zustimmen." Althaus verlangte unter anderem deutliche Nachbesserungen für den Osten und für die Kommunen.
Der saarländische SPD-Chef Heiko Maas warf dem Bundeskanzler Kurzatmigkeit in der Reformpolitik vor. Er vermisse den roten Faden und stehe damit nicht allein, sagte Maas der "Rheinpfalz". Die SPD in den Ländern habe unter der negativen Stimmung der Wähler zu leiden. "Wir haben im nächsten Jahr Landtagswahlen und sind darauf angewiesen, dass sich das in Berlin besser darstellt."
Die Frankfurter Oberbürgermeisterin und Präsidentin des Deutschen Städtetags, Petra Roth (CDU), hat in einem Interview mit der "Frankfurter Rundschau" massive Einschnitte bei den freiwilligen Leistungen der Stadt angekündigt. Angesichts der Pläne der Bundesregierung zur Gemeindefinanzreform fühle sie sich "stellvertretend für den Deutschen Städtetag getäuscht". Von der Forderung des Städtetags, nach Entlastung für die Kommunen in Höhe von zehn Milliarden Euro, seien nur noch 2,5 Milliarden Euro übrig geblieben. "Das aber hilft den Städten nicht".
Die Gewerkschaften wollen ihre Gesprächskontakte zu den Unionsparteien CDU und CSU verstärken, kündigte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, in der "Frankfurter Rundschau" an. Er bescheinigte führenden Unionspolitikern "Offenheit und Nachdenklichkeit" in der Sozialpolitik. Bei der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes und bei der konkreten Ausgestaltung des neuen Arbeitslosengeldes II, der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, könne die Opposition durchaus noch positive Veränderungen an den Regierungskonzepten bewirken.
Der designierte IG-Metall-Vizevorsitzende Berthold Huber kritisierte die Reformagenda des Bundeskanzlers als "nicht zeitgemäß". Im "Tagesspiegel" sagte er: "Eine zukunftsorientierte Politik ist das nicht, und die Menschen werden das mit der Zeit auch merken."
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,261300,00.html
Die Deutschen kritisieren die von der rot-grünen Bundesregierung beschlossenen Kürzungen für Häuslebauer und Pendler. In Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Emnid für die WELT hat sich die Mehrheit gegen den Wegfall der Eigenheimzulage und Einschnitte bei der Pendlerpauschale ausgesprochen. Das Streichen der Eigenheimzulage kritisieren am deutlichsten die Wähler der Union (85 Prozent). Aber auch die Anhänger der SPD sind mehrheitlich (67 Prozent) dagegen. Der Kürzung der Pendlerpauschale stimmen 45 Prozent der Grünen-Wähler zu.
Quelle: http://www.welt.de/data/2003/08/15/153221.html
Verlorene Landtagswahlen und der dramatische Mitgliederschwund der SPD bedrohen den Etat der Partei. Als "sehr ernst" beschreibt die Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier inzwischen die finanzielle Lage der Genossen. In der letzten Vorstandssitzung vor der Sommerpause beklagte sie, "dass rund 40 Prozent eines Jahreshaushalts fehlen". Bis zum Jahr 2006 wird nach ihrer Berechnung das Defizit voraussichtlich rund 13 Millionen Euro betragen. Auch Überschüsse aus dem SPD-Unternehmensbereich reichten längst nicht, um aus dem Minus herauszukommen. In diesem Jahr will die Schatzmeisterin allein in der Parteizentrale, im Berliner Willy-Brandt-Haus, etwa 700000 Euro an Personalkosten einsparen. Während die Partei 2002 rund 23600 Mitglieder verlor, waren es im ersten Halbjahr 2003 bereits 23172; im Juli weitere 7173. Derzeit hat die SPD noch 663549 zahlende Mitglieder, im Jahr 2006, schätzt die Schatzmeisterin, werden es noch etwa 600000 Genossen sein.
Quelle: http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/0,1518,261518,00.html
Von der DDR kassierte Karl Wienand einen Agentenlohn für seinen Landesverrat, vom Klassenfeind Schmiergelder für seine guten Dienste. Jetzt sitzt er im Gefängnis
Von Helmut Breuer
Wer sich noch fragt, weshalb nicht wenige Politiker jeden Funken Glaubwürdigkeit verspielt haben, dem gab Inge Wettig-Danielmeier gestern eine Antwort. Die Schatzmeisterin der SPD, die bereits im Wuppertaler Korruptionsskandal eine denkwürdige Rolle spielt, forderte gestern scheinbar forsch den Parteiausschluss von Karl Wienand. Der war schließlich kurz zuvor am Mittagstisch in seiner Villa an der Sieg verhaftet worden und sitzt nun wegen Bestechungsverdacht und schwerer Steuerhinterziehung im Gefängnis.
Erstaunlich ist vor allem der Zeitpunkt der Forderung. Sie hätte bereits 1971 erhoben werden können, als der heute 75 Jahre alte Intimus von Herbert Wehner und Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion in seinen ersten Skandal um die später bankrotte Fluggesellschaft "Paninternational" verwickelt war und "Charter Charly" getauft wurde. Bereits zwei Jahre später schien der Parteiausschluss zwingend, als die "Seele des Geschäfts" (Hans Apel) der Sozialdemokraten in den begründeten Verdacht geriet, das Misstrauensvotum gegen Willy Brandt durch "Konfirmierung" mehrerer CDU-Abgeordneter (Wienand spricht inzwischen von vier, nennt aber keine Namen) durchkreuzt zu haben. Doch auch als der geniale "Strippenzieher" und "Mann fürs Grobe" (so die lobenden Worte aus der SPD) 1975 wegen Steuerhinterziehung und 1990 wegen wiederholten Autofahrens unter Alkoholeinfluss verurteilt wurde, trug er weiter stolz sein Parteibuch, erschien der Paladin seelenruhig zu jeder Sitzung des ehrwürdigen SPD-Parteirats.
So verwundert es fast nicht mehr, dass selbst ein Urteil des Düsseldorfer Oberlandesgerichts, das ihn 1996 wegen "reinrassiger Spionagetätigkeit" für die DDR zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe und zur Zahlung seines Agentenlohns von einer Million Mark an die Staatskasse verurteilte, Wienand nicht das Parteibuch und das Vertrauen der Genossen kostete. Vor dem Gefängnis rettete ihn damals Roman Herzog, der den Spion 1999 begnadigte, nachdem er sich in rührseligen Briefen als bettelarm und schwerkrank gerierte - obwohl der Filzokrat längst wegen seiner erfolgreichen Machenschaften beim Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage mehr als sechs Millionen Mark Schmiergeld eingesackt hatte. Der frühere Bundespräsident tat sich allerdings offensichtlich mit der Begnadigung nicht leicht und ordnete eine ungewöhnlich lange Bewährungszeit von fünf Jahren an. Für den Untersuchungshäftling Wienand könnte das jetzt zum Bumerang werden.
Spätestens 1996 müsste eigentlich jeder Zeitgenosse in Deutschland davon überzeugt sein, dass Wienand den Landesverrat endgültig seinen Ruf ruiniert hatte und dass kein Hund von ihm noch ein Stück Brot nehmen würde. Doch in der SPD gelten offenbar andere Begriffe von bürgerlicher Ehre. Denn als Wienand vor knapp sieben Monaten zu seinem 75. Wiegenfest in den Rhein-Sieg-Kreis lud, eilten illustre Vertreter des SPD-Parteiadels an die Festtafel. Das Gruppenbild der Feier in der "Winterscheider Mühle" bei Ruppichteroth zeigt unter anderen Altbundeskanzler Helmut Schmidt, Ingrid Matthäus-Maier, Hans-Jürgen Wischnewski, Wolfgang Roth, Ex-Kanzleramtsminister Manfred Schüler, den SPD-Anwalt Helmut Neumann - sowie den seit März inhaftierten früheren Chef des Anlagenbauers Steinmüller, Sigfrid Michelfelder, einen Komplizen Wienands.
Bei diesem prominenten Freundeskreis ist es wohl kaum anzunehmen, dass Wienand nun endlich aus der SPD ausgestoßen wird, auch wenn er seine Partei drei Monate vor der Bundestagswahl tief in den Sumpf ziehen könnte. Schließlich schweigt das einst vor allem in Hinterzimmern so beredte sozialdemokratische Urgestein so eisern wie damals, beim schon legendären Beginn seiner steilen Karriere. 1967 lud nach der von Wienand oft erzählten Anekdote Wehner auf der Suche nach einem neuen Geschäftsführer den jungen Abgeordneten aus dem Rehinland in sein Büro. Der saß stumm vor dem Schreibtisch des mächtigen SPD-Fraktionschefs, während Wehner pfeiferauchend mehrere Stunden lang durchs Zimmer tigerte und Wienand immer wieder musterte. Mit dem abgehackten Satz "Dann ist ja alles gesagt" beendete der SPD-Zuchtmeister schließlich den wortlosen Psychotest. Wienand hatte bestanden - der Weg zur großen Karriere war frei, die nun nach mehr als drei Jahrzehnten hinter Gittern endet.
Quelle: http://www.welt.de/daten/2002/06/15/0615fo338278.htx
Eichels einsames Spiel
Soll niemand sagen, Hans Eichel habe keinen Mut. Der Finanzminister, der im Juni beinahe seinen Job verloren hätte, kämpft verzweifelt um seinen Ruf. Von Ulrich Schäfer
(SZ vom 12. August 2003) Und das heißt: Er kämpft ums Geld, er kämpft um seinen Etat, und er kämpft um den EU-Stabilitätspakt, jenes eherne Gesetz, das in Europa die Obergrenze für öffentliche Schulden regelt. Kredite im Wert von drei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes dürfen die EU-Staaten jedes Jahr aufnehmen, für Deutschland wären das 2003 rund 60 Milliarden Euro. Doch dieses Ziel wird Eichel weit, weit verfehlen – und irgendwo bei vier Prozent landen.
Doch wer ist daran schuld? Die maue Konjunktur, na klar, denn sie treibt die Kosten für die Arbeitslosenunterstützung nach oben. Der Finanzminister selber, denn er ist der oberste Schuldenverwalter der Republik.
Nationaler Stabilitätspakt
Eichel verschärft Streit mit den Ländern
Und dann sind da noch, man vergisst es schnell, die Länder und Kommunen. Sie dürfen, so sieht es ein im März 2002 getroffenes Abkommen mit dem Bund vor, gut die Hälfte dessen in Anspruch nehmen, was Deutschland an Schulden machen darf. Das wären in diesem Jahr 33 Milliarden, fast 30 Milliarden sind davon inzwischen erreicht. Es ist daher kein Zufall, dass die Regierung nun den Konflikt mit jenen Übeltätern sucht, die sie selber nicht unter Kontrolle hat. Der Angriff erfolgt frontal: Eichel will den nationalen Stabilitätspakt aufkündigen, um sicherzustellen, dass der europäische mehr Aufmerksamkeit genießt. Denn die Ausgabenfreude in den Ländern ist groß, sehr groß, und Eichel will sie ein Stück weit eindämmen. Sein Problem: Er spielt dieses Spiel ganz allein. Ein Bundesfinanzminister steht gegen 16 Ministerpräsidenten. Es wäre ein Wunder, wenn Hans Eichel diesen Kampf gewinnt.
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/101/16085/
Länger arbeiten für weniger Rente
Die Rürup-Kommission zur Reform der Sozialsysteme schlägt erhebliche Einschnitte für Rentner vor. So soll das Rentenalter von 65 auf 67 Jahre angehoben werden. Die Beiträge steigen trotzdem, das Rentenniveau sinkt. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz will Bildungsinvestitionen zukünftig Vorrang vor Rentenerhöhungen geben.
Berlin - Die Erhöhung der Altersgrenze solle schrittweise zwischen 2011 und 2025 geschehen, berichtete die "Bild am Sonntag" unter Berufung auf den Abschlussbericht der Kommission, der am 28. August offiziell vorgelegt werden soll.
Mit der Rentenreform 2001 und der Einführung der Riester-Rente seien bereits wichtige Schritte zur Dämpfung des Beitragsanstiegs eingeleitet worden, betont die Kommission der Zeitung zufolge. Dennoch werde das Ziel, den Beitragssatz bis 2030 nicht über 22 Prozent steigen und gleichzeitig das Netto-Standardrentenniveau nicht unter 67 Prozent sinken zu lassen, nicht erreicht werden. Vielmehr dürfte der Beitragssatz auf 24 Prozent steigen und das Rentenniveau gleichzeitig sinken.
Private Vorsorge vereinfachen
Zur Entlastung der Beitragszahler befürworteten die Experten, den Rentenanstieg in Zukunft zu dämpfen. Durch Einführung eines so genannten Nachhaltigkeitsfaktors in der Rentenformel solle die Rentenerhöhung im Schnitt um jährlich 0,5 Prozent niedriger ausfallen. Der Abschlag bei Frühverrentung - die dann erst ab 64 Jahren möglich wäre - solle bei 0,3 Prozent pro Monat bleiben. Ausnahmen etwa für Leute mit vielen Beitragsjahren oder gesundheitlichen Beschwerden durch körperliche Arbeit solle es nicht mehr geben.
DPA
Bernd Rürup und seine Kommission zur Reform der sozialen Sicherungssysteme
Die Kommission mahnt dem Bericht zufolge, die Frühverrentung nicht mehr als Mittel der Arbeitsmarktpolitik einzusetzen. Ältere Arbeitnehmer sollten länger in den Betrieben gehalten und die Anreize dafür auch durch gesetzgeberische Maßnahmen gestärkt werden. Die Schwankungsreserve der Rentenversicherung müsse wieder aufgestockt werden, sobald das ohne Anhebung des Beitragssatzes möglich sei. Die private Vorsorge solle verbessert, vereinfacht und leichter durchschaubar gemacht werden.
SPD-Generalsekretär Olaf Scholz sagte in einem Interview mit dem "Tagesspiegel", dass die Investition in die Bildung junger Menschen künftig Vorrang haben soll vor Rentenerhöhungen. Deutschland müsse "viel mehr Geld in die Bildung seiner Kinder und Jugendlichen investieren". Es sei "wichtiger, die Ursachen von Arbeitslosigkeit und sozialem Ausschluss im Voraus zu vermeiden", als später mit staatlicher Hilfe einzugreifen. "Das ist von größerer Bedeutung als das konkrete Rentenniveau", fügte Scholz hinzu.
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,261608,00.html
"Jede Woche eine neue Sau"
Von Markus Deggerich
Pendlerpauschale streichen, Nullrunde für die Rentner, Studiengebühren einführen: Es vergeht kein Tag ohne neue Reformvorschläge aus dem rot-grünen Lager. Vor allem die Diskussion über die Rentenreform hätte die Bundesregierung gerne bis in den Herbst vertagt. Aber in Schröders Sponti-Truppe kann kaum einer das Wasser halten.
Berlin - Mit einer 2,3 Millionen Euro teuren Plakataktion will die Bundesregierung die Menschen ab Freitag auf die anstehenden Reformen und Veränderungen im Sozial- und Steuersystem einstimmen. Ein wagemutiges Unternehmen. Den rund 18.000 Großflächenplakaten könnte eine kurze Lebensdauer beschieden sein. Die Plakate behandeln zwar die Themen Rente, Arbeitsplätze, Bildung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Steuern und Ausbildung. Aber zu jedem der größeren Reformvorhaben der Bundesregierung erhob sich am Montag wieder mal ein so vielfältiger Stimmenchor, dass die beauftragte Werbeagentur zu beneiden ist, wenn sie es schafft, daraus eindeutige Botschaften zu destillieren.
Egal ob Rente, Gesundheit, Pendlerpauschale oder Studiengebühren: Schröders Regierungstruppe fiel sich zum Wochenanfang gegenseitig ins Wort. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Franz Müntefering geht nicht davon aus, dass die Renten in Deutschland langfristig auf 40 Prozent des Bruttolohns gesenkt werden -und widerspricht damit offen der Expertenkommission seiner Regierung. "Das ist nicht ohne weiteres das, was sich politisch auch umsetzt", sagte er am Montag.
Müntefering gegen Scholz
Münteferings Nachfolger als Generalsekretär, Olaf Scholz, sieht das anders. Er hatte sich bereits am Wochenende überzeugt gezeigt, dass die meisten älteren Wähler die Notwendigkeit auch unpopulärer Reformen verstünden. Ziel sei eine Balance zwischen den Leistungen für die Älteren und den Belastungen der Jüngeren und forderte mehr Entlastung für die Jüngeren: Investitionen in Bildung, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden, seien "von größerer Bedeutung als das konkrete Rentenniveau". Neben mehreren Experten hatte auch Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) am Wochenende von einer solchen Nullrunde gesprochen und sogar zwei Nullrunden nicht ausgeschlossen. Superminister Wolfgang Clement will die Bürger wählen lassen, ob sie länger arbeiten und sich eine höhere Rente verdienen oder ob sie früher in Ruhestand gehen, was zu Rentenkürzungen führt. Bundeskanzler Gerhard Schröder selbst hatte zuletzt nur pauschal Einschnitte für die Rentner angekündigt. Konkreter wurde er nicht.
Für Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber ist das Hin und Her der Bundesregierung ein gefundenes Fressen: Das Durcheinander sei "Regierungskunst a la Schröder". Auch FDP-Chef Guido Westerwelle will dem Sponti-Treiben nicht mehr länger zusehen und kündigte schon mal die Mitarbeit in der Gesundheits-Kommission auf: "Es ist skandalös, wie jede Woche eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird". Das vielstimmige Suchen nach dem rechten Rezept nutzt die Opposition gerne, um von der eigenen Konzeptionslosigkeit abzulenken. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Friedrich Merz, sonst sehr gesprächig, hielt sich deshalb vorsichtshalber zurück, wenn es um mögliche Nullrunden für Rentner geht: "Das ist eine Entscheidung, die die Bundesregierung ganz alleine treffen kann und auch ganz alleine treffen muss." Die Rente ist das beste Beispiel für die Stimmenvielfalt im rot-grünen Lager. Schon ist wieder von der bei Rentnern - und damit bei knapp 20 Millionen Wählern - unpopulären "Nullrunde" die Rede - und das gleich für mehrere Jahre. "Die Nullrunden der nächsten Jahre sind quasi schon vorgezeichnet, auch wenn man sie so nicht nennt", behauptet der Freiburger Finanz- und Rentenexperte Bernd Raffelhüschen.
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,261765,00.html
Das Dilemma einer demografischen Schieflage schiebt die Politik seit Jahren vor sich her. Immer weniger Beitragszahler müssen mehr Rentner versorgen. Die umlagefinanzierte Rentenversicherung - die Beiträge der Jungen werden quasi sofort an die Alten weitergereicht - stößt bei Wirtschaftsflaute, steigender Arbeitslosigkeit, sinkender Geburtenrate und Überalterung an ihre Grenzen. Der Zielkonflikt für Rot-Grün: Einerseits muss der Beitragssatz zu den Rentenkassen stabil bleiben, andererseits sollen die Senioren nicht in die Altersarmut absinken. So groß das Problem, so vielfältig die Meinungsäußerungen dazu. Eigentlich wollten SPD und Grüne, die mit der Gesundheits-, Arbeitsmarkt-, Gemeindefinanz- und Steuerreform genug zu tun haben, die Rentendebatte erst im Herbst beginnen. Erst dann nämlich lässt sich genauer sagen, ob Einnahmenentwicklung und die rechnerische Rentenerhöhung 2004 den Beitragssatz tatsächlich von jetzt 19,5 auf 19,9 Prozent oder sogar noch mehr treiben.
Notoperation zu Jahresbeginn
Schon die Notoperationen zu Jahresbeginn, als der Beitragssatz gegen den Widerstand der Grünen von 19,1 auf 19,5 Prozent erhöht, die Beitragsbemessungsgrenzen angehoben und das Finanzpolster der Rentenkassen (Schwankungsreserve) gesenkt wurden, haben nicht die erhoffte Entlastung gebracht. Auch Zusatzeinnahmen aus der Ökosteuer helfen kaum. Um den Beitragssatz dennoch stabil zu halten, müssen zwei Milliarden Euro weniger Bundeszuschuss verkraftet und weitere vier Milliarden bei Rentnern, Beschäftigten und Kassen gespart werden. Doch wie das geschehen soll, darüber herrscht alles andere als Einigkeit. Klar ist, dass die Bundesregierung das Rentensystem in Richtung mehr Eigenvorsorge nachjustieren wird. Als relativ sicher gilt auch die Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors, der vielleicht schon vom kommenden Jahr an den Rentenanstieg dämpfen soll.
Diskutiert werden auch eine noch höhere Beitragsbemessungsgrenze und mehr Eigenbeiträge der Senioren zur Kranken- und Pflegeversicherung. Zudem müssen Erwerbstätige damit rechnen, länger arbeiten zu müssen - bis zu einem Renteneintrittsalter von 67 Jahren statt derzeit 65. Derzeit geht der "Durchschnittsdeutsche" schon mit etwa 60 in Rente.
Die Debatte ist auch deshalb kompliziert, weil Vertrauensschutz den Bürgern verfassungsrechtlich garantiert ist und Rentner vor Kürzungen laufender Bezüge durch das Grundgesetz als geschützt gelten. Der Begriff "Kürzungen" wird deshalb auch tunlichst vermieden, selbst wenn es in der Sache genau darauf hinausläuft.
Vorgezogene Debatte
Die Rentendiskussion hätte Rot-Grün gerne bis in den Herbst vertagt. Aber weil nicht jeder "das Wasser halten kann", wie es ein SPD-Fraktionsführer formuliert, ist die Schröder-Truppe nun selbstverschuldet unter Zugzwang. Müntefering schwant bereits, dass "zum Rentenbereich noch Nacharbeiten" erforderlich seien. Ende der Woche will die Rürup-Kommission ihre Ideen präsentieren. Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Gudrun Schaich-Walch, fordert deshalb, die Fraktion solle bereits am 26. August über die Zukunft der Rentenversicherung diskutieren. "Sofort nach der Sommerpause erwarten wir Vorschläge des Ministeriums, wie wir die Beiträge im nächsten Jahr stabil halten", sagte sie am Montag. Dann läuft bereits seit vier Tagen die Plakatkampagne für Schröders Reformen unter dem dynamischen Motto: "Deutschland bewegt sich". Bisher ist auf der Homepage der Bundesregierung noch ein anderes Plakat präsent: "Erholsame Ferien wünscht Ihnen Ihre Bundesregierung".
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,261765,00.html
42 Jahre arbeiten für die
Mini-Mini-Mini-Rente?
Von ULRIKE BRENDLIN
Die Reform-Pläne der Rürup-Kommission sorgen für viel Wirbel
Jeden Tag einer neuer Renten-Hammer!
Das Renten-Niveau (derzeit: 48 % vom Bruttoeinkommen) soll nicht nur auf 40,1 % im Jahr 2030 sinken – um Anspruch auf diese Mini-Mini-Mini-Rente zu erhalten, müssen Arbeitnehmer künftig mindestens 42 Jahre arbeiten! Aus der SPD-Bundestagsfraktion kam der Vorschlag, die Lebensarbeitszeit grundsätzlich auf 42 Jahre festzulegen. Wer später ins Berufsleben eintritt, müsste dann entsprechend länger arbeiten. Der Vorsitzende des Bundestags-Wirtschaftsausschusses, Rainer Wend (SPD): „Wer mit 20 anfängt zu arbeiten, kann mit 62 in Rente gehen – wer seinen Beruf erst mit 28 ergreift, muss bis 70 arbeiten. Das wäre gerechter als das heutige System.“ Ganz andere Pläne hat der Bundeswirtschaftsminister: Wolfgang Clement (SPD) sprach sich gestern dafür aus, jedem Beschäftigten freizustellen, wann er in Rente gehen will: „Arbeitgeber und Gewerkschafter sollten Tarifverträge so gestalten sein, dass Arbeitnehmer wählen können, in welchem Alter sie in Rente gehen wollen.“
Aber vielleicht ist morgen schon wieder alles ganz anders...
SPD-Fraktionschef Franz Müntefering machte bereits klar, dass die Vorschläge der Rürup-Kommission zur Rente (z.B. Arbeiten bis 67) nicht voll realisiert werden. Müntefering: „Politisch nicht ohne weiteres umsetzbar.“
Aus dem Arbeitgeberlager kam dagegen gestern die Forderung, die Rürup-Pläne „ohne Abstriche“ sofort umzusetzen.
Ob in Berlin da noch jemand richtig durchblickt?
Endgültige Beschlüsse zur Rentenreform will die rot-grüne Koalition im Herbst fassen. Ziel ist es, den Beitragssatz zur Rentenversicherung mit 19,5 Prozent stabil zu halten. Auch die Union hat eigene Vorschläge angekündigt. Teile der Union, vor allem der einflussreiche Mittelstand, wollen die Lebensarbeitszeit sogar auf 45 Jahre festlegen.
Quelle: http://www.bild.t-online.de/BTO/index.html
„Schröder fehlt der Mut“
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hat seinen Parteichef und Bundeskanzler scharf kritisiert. Er warf Rot-Grün mangelnden Mut beim Abbau von Subventionen vor. Der „Berliner Zeitung“ vom Dienstag sagte Wowereit, er hätte sich von der Bundesregierung konsequentere Beschlüsse gewünscht. Subventionen müssten „auf ein absolutes Minimum reduziert werden“, so der SPD-Politiker. Er sehe ganz viele Punkte, wo angesetzt werden könne. Doch dazu fehle Gerhard Schröder offenbar der Mut.
Als Beispiel nannte der Regierende Bürgermeister die Steinkohle, die Subventionen in der Landwirtschaft und für Häfen. Aber auch die vielen kleinen Möglichkeiten der Steuerminderung wie beispielsweise Mitgliedsbeiträge für den Journalistenverband will Wowereit beseitigt sehen. Insgesamt beurteilt der Chef des rot-roten Senats die Beschlüsse der Bundesregierung jedoch positiv. Er gehe davon aus, dass Berlin von der Reform der Gemeindefinanzen und der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe profitieren werde.
19.08.03, 8:17 Uhr
Quelle: http://news.focus.msn.de/G/GN/gn.htm?snr=123442&streamsnr=7&q=3