Die Verlierergeneration - das sind wir
bei unserer demographischen Entwicklung zählt jeder
Tag.
Zuerst müssen mal die ganzen Vorruhestandsregelungen
abgeschafft werden. Die freiwerdenden
Positionen werden doch ohnehin nicht mehr besetzt.
Also nichts mit: gebt der Jugend eine Chance.
Die Firmen können so die Kosten des Stellenabbaus der
Allgemeinheit aufbürden.
Gründen eine Kommission - kostet wohl Steuergelder. Bin dafür, dass die Kosten der Kommission von den Bezügen der Frau Schmidt abgezogen werden, weil die Kommission der die Arbeit abnimmt.
Von Georg Paul Hefty
Höher noch als die Verläßlichkeit ist in der gesellschaftspolitischen Debatte die Ehrlichkeit zu schätzen. Darauf haben die Bürger Anspruch. Ob jung oder alt, niemand hat die Gewähr dafür, daß die Daten der Gegenwart, die Prognosen für die Zukunft und die als Ergebnis der politischen Debatte und des Gesetzgebungsverfahrens gefundenen Lösungen einen verläßlichen Erfolg erbringen - schon allzuoft haben sich Rentenformeln und Jahrhundertregelungen als wenig belastbar erwiesen. Ehrlichkeit ist eigentlich leicht zu erreichen. Doch vielen Beteiligten scheint es schwerzufallen, ihre Absichten und ihren Eigennutz offenzulegen, wenn sie Vorschläge machen, die zwar schwer zu durchschauen, aber immer mit dem Gütesiegel des Gemeinwohls versehen sind. Die letzten Jahre und der Blick ins Ausland belegen augenfällig, daß es das ideale System der gemeinschaftlichen Altersvorsorge nicht gibt. Das deutsche staatlich geregelte Solidarsystem steckt ebenso in Schwierigkeiten wie das englische Zwittersystem mit einem hohen Betriebsrentenanteil oder die privatwirtschaftlichen Versicherungskassen anderswo. Wer jedoch meinte, die ganz persönliche Vorsorge sei daher der Königsweg, könnte gleichfalls in die Irre gehen, denn eine ansehnliche Lebensleistung bringt zwar nach Jahrzehnten einen festen Vermögensstock, aber wehe, wenn die Aufbauzeit durch irgendwelche Schicksalsschläge gestört wird. Selbst der langjährige Streit zwischen Umlageverfahren und Kapitaldeckungsverfahren wird seit der Börsenentwertung weniger leidenschaftlich geführt. Aus alldem ist die Lehre zu ziehen - und den Bürgern beizubringen -, daß die Renten nicht sicherer sein können als die Lebensumstände insgesamt. Dieses Eingeständnis ist (wahl-)politisch riskant und unerläßlich zugleich.
Die Bundesregierung und die rot-grüne Koalition sind dabei, mit einer Kommission für die Solidarversicherung die Augenwischerei der Hartz-Kommission zu wiederholen. Wie die Vorgängerin nicht Arbeit in großem Maßstab schuf, sondern die Arbeitslosigkeit allenfalls besser zu bekämpfen hilft (was bei weitem nicht dasselbe ist), ohne daß bereits absehbar wäre, ob die Arbeitslosigkeit dadurch tatsächlich billiger werden wird, so gaukelt der neue Kommissionsauftrag als Ziel sichere Renten vor, während es in Wirklichkeit um niedrigere Lohnnebenkosten und um Generationengerechtigkeit gehen soll. An den Nöten der Beitragszahlen werden die Rentner nicht mehr lange vorbeikommen. Paradoxerweise werden jene Rentner, die zur Rentensicherheit mehr beigetragen haben als andere, indem sie selbst Kinder aufgezogen haben, wahrscheinlich mehr Verständnis für die Rentenbegrenzung zugunsten ihrer beitragspflichtigen Nachkommen aufbringen als die, die keine Nachkommen haben.
Aufgabe der Kommission wäre es, von Anfang an klarzustellen, daß es nicht allein um Belastungsminderungen geht, sondern daß eine Gruppe Einschnitte hinnehmen muß - nämlich die Rentner. Kein versicherungsmathematisches Kunststück kann erreichen, daß bei wachsender Zahl von Empfängern und abnehmender Zahl von Gebern die Pflichtabgaben kleiner, die Bezüge aber regelmäßig größer werden. Dies erreicht nur ein willkürlicher Eingriff, ein wie auch immer gestalteter demographischer Faktor. Zweck dieses Eingriffs kann nur sein, daß die Renten hinter den bisherigen Erwartungen und vermeintlich verfassungsrechtlich geschützten Versprechungen zurückbleiben.
Weil es auch Politikern und Funktionären offenbar schwerfällt, den heutigen Rentnern und jenen, deren Renteneintritt absehbar ist, diese Enttäuschung zuzumuten, feierte am Dienstag der alte, in der Theorie überzeugende Vorschlag, das Rentenzugangsalter von 65 auf 67 oder gar 70 Jahre anzuheben, unversehens wieder fröhliche Urständ - bemerkenswerterweise gerade in wirtschaftsnahen Kreisen. Doch aus der Hoffnung von Arbeitnehmern, damit den Arbeitsplatz und das in der Regel höchste Einkommen im Arbeitsleben weitere zwei oder fünf Jahre sicher zu haben, wird nichts. Ein Großteil der abhängig Beschäftigten arbeitet im Normalfall nur bis zum 60. Lebensjahr - in der getrennt zu betrachtenden Beamtenschaft ist es nicht anders. Daher würde die Anhebung des Rentenalters selbst in konjunkturellen Normalzeiten, in denen es den idealtypischen Eckrentner mit 45 Berufsjahren so gut wie nicht gibt, lediglich zu Abschlägen bei der Rente wegen nicht erfüllter Arbeitsjahre führen.
Die Anhebung des Rentenalters auf mehr als 65 Jahre könnte erst dann sinnvoll sein, wenn es in Deutschland und - wegen der Freizügigkeit - in Europa einen Arbeitskräftemangel gäbe. Bis dahin aber würden Arbeitslose (wer behält Mitarbeiter dieser Altersstufe?) zwischen 65 und 67 zwar die Rentenkasse entlasten, die Arbeitslosenkasse jedoch belasten und die Erfolgsbilanz jeder Arbeitsmarktpolitik verdunkeln. Die Kommission wird viel Mühe damit haben, von Interessenten beabsichtigte Lastenverschiebungen zwischen den einzelnen Teilsystemen der Solidarversicherung zu vermeiden.
Die politische Ehrlichkeit verlangt auch, die Altersunterschiede zwischen den Rentnern zu berücksichtigen. Der Hinweis aus der Fraktion der Grünen, daß die Rentner von heute zu ihrer aktiven Zeit "zehnprozentige Beiträge" einbezahlt hätten, jetzt aber das Aufkommen von zwanzig Prozent hohen Beiträgen in Anspruch nähmen, verkennt, daß der allergrößte Teil der Rentner im Berufsleben schon seit 1970 Beiträge knapp unter zwanzig Prozent abgeführt hatte.
Das Debakel der Riester-Rente zeigt, daß der Erfolg einer Reform der Solidarversicherung(en) nicht nur vom Einfallsreichtum, sondern auch von der Gunst des Augenblicks abhängt. Wie die Riester-Rente unter dem Vertrauensverlust der Bürger gegenüber den Aktienkursen leidet, so lastet auf der neuen Kommission sowohl die konjunkturelle Flaute als auch die demographische Fehlentwicklung. Doch Sozialreformen sind in den seltensten Fällen Schönwetterergebnisse. In der Regel suchen sie lediglich drohendem Unheil zuvorzukommen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.11.2002, Nr. 264 / Seite 1
Warum dürfen Politiker
schon mit 55 in Rente?
Von D.HOEREN u. H.-J. VEHLEWALD
Der normale Arbeitnehmer soll bis 70 schuften – und viele Politiker können schon mit 55 in den Ruhestand! Ist das gerecht?
Der renommierte Diäten-Experte von Arnim rechnet vor: „Viele Minister und Abgeordnete in Bund und Ländern haben schon mit 55 Jahren einen Anspruch auf Altersversorgung. Sie zahlen dafür keinerlei Beiträge, bekommen aber an Pension ein Vielfaches der normalen Arbeitnehmerrente.“
So kassieren unsere Politiker im Ruhestand:
Minister: Nach einer Amtszeit von einem Jahr und neun Monaten gibt es rd. 2000 Euro Pension plus Weihnachtsgeld. Wer drei Jahre Minister war, kann schon mit 55 in Pension, bekommt 2600 Euro/Monat. Hält ein Minister eine Legislaturperiode durch, stehen ihm ab 55 sogar 3700 Euro zu. Für jedes weitere Amtsjahr steigt die Pension um 320 Euro bis maximal 9615 Euro/Monat! Dafür müsste ein Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst 371 Jahre (!) arbeiten.
Bundestagsabgeordnete: Wer mindestens sieben Jahre und 183 Tage MdB war, hat mit 65 Jahren Anspruch auf eine Mindest-Pension von 1651 Euro. Zum Vergleich: Ein Arbeitnehmer, der immer durchschnittlich verdient und 45 Jahre Rentenbeiträge gezahlt hat, bekommt 1128 Euro Rente. Jedes zusätzliche MdB-Jahr bringt den Abgeordneten rd. 210 Euro mehr Pension, und das Rentenalter sinkt gleichzeitig um ein Jahr. Höchstpension nach 18 Jahren Bundestag: 4746 Euro – zahlbar ab 55!
Hinzu kommt: Politiker-Pensionen steigen automatisch mit der Erhöhung der Beamtenbesoldung (Minister) bzw. mit Diätenerhöhungen. Von Arnim: „Wenn alle den Gürtel enger schnallen sollen, muss diese Selbstbedienung unserer Politiker als Erstes auf den Prüfstand.“
Leitartikel
Von Konrad Adam
Das Rentenversicherungssystem im Umlageverfahren, seit 45 Jahren Rückgrat der staatlich garantierten Wohlfahrt, steht vor der Zahlungsunfähigkeit. Nur Notoperationen, deren Laufzeiten auf Wochen, allenfalls Monate berechnet sind, bewahren es vor dem Offenbarungseid. Würden die laufenden Zuflüsse von heute auf morgen ausbleiben, müsste das als bombenfest und krisensicher angepriesene System in einem halben Monat seine Zahlungen einstellen: eine Drohung, die an Stelle der alten allerlei neue Wunderheiler auf den Plan ruft.
Als solche bieten sich an: zunächst die Arbeitsplatzfanatiker. Sie wollen alles beim alten lassen, beim Umlageverfahren von Jung zu Alt. Von einer Belebung der Wirtschaft versprechen sie sich mehr Beschäftigung, die höhere Zwangsbeiträge in die Kassen spülen soll. Die zweite Gruppe schwört auf das Kapitaldeckungsverfahren. Was die Umlage nicht geschafft hat, Sicherheit im Alter, soll die Anlage in Grundstücken, Anleihen und Aktien bieten. An dritter Stelle kommt der Vorschlag, das Renteneintrittsalter, das zur Zeit bei weniger als 60 Jahren liegt, schrittweise zu erhöhen. Das würde die Zeit, in der man Beiträge zahlt, verlängern, die Rentenbezugsdauer aber verkürzen und derart die Bestände schonen. Schließlich die Freunde der Einwanderung, die sich vor allem bei den Grünen finden. Nach ihren Vorstellungen soll der Zuzug von außen ersetzen, was die Deutschen aus eigener Kraft nicht mehr zustandebringen können oder wollen, genug Kinder nämlich.
Not lehrt beten, sagt das Sprichwort; und wirklich klingen die Rezepte, die da so fix verschrieben und verkündet werden, wie lauter Stoßgebete. Rechtzeitig und intelligent angewandt, werden sie die Not zwar lindern; abwenden können sie aber nichts. Der Reihe nach: ein wiederbelebter Arbeitsmarkt würde die Lasten, unter denen die deutsche Alterssicherung in die Knie gesunken ist, allenfalls verschieben. Wer Beiträge zahlt, erwirbt ja auch Ansprüche, die später einmal beglichen werden müssen - vorausgesetzt, der Staat will den letzten Rest von Vertrauenswürdigkeit nicht endgültig verspielen. Auch das zweite Rezept, die Kapitaldeckung, verspricht mehr, als es halten kann. Seine Freunde sollten nach England schauen, wo als Folge der dramatisch eingebrochenen Börsenkurse den Pensionskassen die Mittel knapp werden. Der dritte Ausweg, die Menschen später "in Rente zu schicken", entlastet zwar die Kassen, aber nicht die Wirtschaft, weil Alte nicht ebenso leistungsfähig sind wie junge Menschen. Horst Siebert, der Präsident des Kieler Weltwirtschaftsinstituts, drückt sich noch freundlich aus, wenn er feststellt, dass sich alternde Volkswirtschaften auf einem niederigeren Wachstumspfad bewegen als junge. Dagegen wird auch die verstärkte Einwanderung nicht viel helfen. Denn um den jetzt schon absehbaren Bevölkerungsverlust wettzumachen, müsste Jahr für Jahr die Einwohnerschaft einer Großstadt vom Ausmaß Frankfurts hinzu kommen: ein Tempo, das selbst Grüne für unrealistisch halten, weil es die Integrationskraft der Gesellschaft heillos überfordert.
Alle diese Vorschläge kommen darin überein, dass sie die eine Lücke schließen wollen, indem sie eine andere aufreißen. Wenn die Decke insgesamt zu kurz ist, hilft aber nur eine Verlängerung, in diesem Fall: eine Anhebung der Geburtenhäufigkeit, wie es eine der vielen Kommissionen, die Gerhard Schröder für sich arbeiten lässt, schon vor Jahr und Tag empfohlen hat. Natürlich nicht durch Prämien, durch Mutterkreuze oder Sprunggeld, wie der Familienlastenausgleich von seinen Gegnern taktvollerweise genannt wird. Sondern dadurch, dass die vielen, aber äußerst wirksamen Hindernisse, die dem Wunsch nach Kindern entgegenstehen, beseitigt werden.
Soll sich der Staat in Dingen der Familie doch endlich so neutral verhalten, wie er es ständig gelobt! Er engagiert sich nämlich, aber auf der falschen Seite, denn er behindert, was er laut Grundgesetz zu fördern hat. Mehr für die Kinder, die Jugend und die Mütter hätte er zu tun und weniger für die Alten. Die sind in ihrer Mehrheit gut versorgt, auch wenn der VdK, die Interessenvertreter der Renter, das nicht wahrhaben will. Ein halbes Jahrhundert lang hat die Rentenformel die Alten begünstigt; für die nächsten paar Jahre wären jetzt einmal die Jüngeren an der Reihe. Aber davon wollen auch die Lautsprecher der Generationengerechtigkeit, die Grünen, nichts mehr wissen.
Den Autor erreichen Sie unter: adam@welt.de
hst. "Unser Deutschland heute - ein Land mit dem Mut zur Veränderung." Das ist nicht der Anfang eines programmatischen Leitartikels, der Reformen einfordert. Nein, das ist der erste Satz der Präambel der Koalitionsvereinbarung von Rot-Grün. Schon die Sprache ist entlarvend. Die Regierung spricht von einem Sparpaket. Tatsächlich jedoch steigt die Neuverschuldung kräftig, ebenso wie die Steuer- und Abgabenlast für Bürger und Unternehmen. Bundeskanzler Schröder ist nicht willens und fähig, dem Land die dringend benötigten psychologischen und ökonomischen Impulse zu geben. Obwohl der Anteil der Staatsausgaben mit 50 Cent von jedem Euro in Deutschland so hoch liegt wie in keinem anderen großen Land, führen die Pläne von Rot-Grün, die insgesamt einen wachstums- und leistungsfeindlichen Geist atmen, zu einer weiteren Verlagerung von privaten zu öffentlichen Ausgaben.
Der einstmals stolzen deutschen Volkswirtschaft droht der Absturz in die zweite Liga der Industriestaaten. Der deutsche Wohlstand ist gefährdet, weil fast alle anderen Länder innerhalb und außerhalb Europas seit Jahren viel schneller wachsen. Das zeigt: Nicht die Talfahrt der Weltwirtschaft, sondern die katastrophale Wirtschaftspolitik von Rot-Grün ist für die wirtschaftliche Misere verantwortlich. In- und ausländische Unternehmer sind entsetzt, streichen ihre Investitionspläne in Deutschland zusammen und entlassen weitere Mitarbeiter. Die Verbraucher sind verängstigt. Sie sparen, wo immer es noch möglich ist, und schränken ihren Konsum ein. Wie soll in einem solchen Umfeld die Wirtschaft wieder wachsen? Schließlich trägt auch in Deutschland der private Verbrauch fast sechzig Prozent zur Gesamtnachfrage bei.
Wer glaubt schon, daß Schröder und sein Finanzminister Eichel die Milliardenlöcher im Haushalt erst wenige Tage nach der Wahl entdeckt haben? Wäre Deutschland ein Unternehmen und die Regierung der Vorstand, dann hätte die Staatsanwaltschaft gute Gründe, ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung einzuleiten. Die Wähler können der Regierung für diesen Wahlbetrug die Rechnung präsentieren. Bald sind wieder Wahlen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.11.2002, Nr. 265 / Seite 1
Wie die Regierung eine Generation ausplündert
Wenn man zwischen ziellosen und gezielten Krisenmaßnahmen der Regierungskoalition zu unterscheiden versucht, wird man einräumen müssen, daß die Erhöhung der Rentenbeiträge ein sehr gezielter Schlag war. In ihm vor allem drückt sich der Geist der gegenwärtigen Regierung aus, die auch eine Generationenherrschaft ist. "Wir machen das mit unserer Generation", hieß es schon am Wahlabend unter den Siegern. Die personelle Zusammensetzung des Kabinetts, das inzwischen amtiert, und auch das Alter vieler anderer Repräsentanten der Administration Schröder lassen keinen Zweifel daran, welche Generation mit "unserer Generation" gemeint ist. Es sind die Altersgenossen von achtundsechzig.
Daß gerade die Achtundsechziger für die letzte, katastrophale Überspannung des Rentensystems vor dessen absehbarem Zusammenbruch verantwortlich sind, hat eine nicht zu bestreitende Logik. Denn in den kommenden zehn Jahren werden just die zwischen 1940 und 1950 Geborenen in den Ruhestand gehen, sofern sie sich dort nicht bereits befinden. Diese Generation hat die höchsten Rentenansprüche in der Geschichte des deutschen Sozialsystems und wahrscheinlich auch aller anderen Sozialsysteme der westlichen Welt angehäuft. Sie kann auf eine fast sechzigjährige Friedensperiode zurückblicken, in der berufliche Karrieren und individuelle Sehnsüchte sich mit einer ungefährdeten Eigengesetzlichkeit entfalten durften, die in der Geschichte der Neuzeit ohne Beispiel ist. Keine Hyperinflation wie die von 1923, kein Börsenkrach wie der von 2001/2002, kein Weltkrieg und keine Massenepidemie haben die Lebensläufe der Generation von achtundsechzig durcheinandergebracht.
Die eine und einzige zeitgeschichtliche Erschütterung, von der die Achtundsechziger betroffen sind, ist eben die Studentenrevolte von 1968, ihr Heldenepos und Gründungsmythos. Daß wir die Chronologie dieses fröhlichen Aufstands inzwischen auswendig hersagen können, daß der historisch und moralisch ungleich wichtigere Prager Frühling in unserem Bewußtsein hinter den kleindeutschen Wirrungen zurücktritt, dafür haben schon die jungen Lehrerinnen und Lehrer gesorgt, die aus den instandbesetzten Universitäten der sechziger in die Schulen der siebziger Jahre strömten.
Dieselben Lehrkräfte haben uns auch beigebracht, zwischen Text und Kontext, Genesis und Geltung, grob gesagt: zwischen Anspruch und Realität eines philosophischen Satzes oder einer politischen Haltung zu unterscheiden. Wir haben nun Gelegenheit, diese Differenzierung anzuwenden. Hinter allen steuer- und beitragsschöpfenden Maßnahmen, die in diesen Tagen auf uns zukommen, steht, wie es heißt, die Notwendigkeit, die betreffenden Verteilungssysteme je für sich "zu sichern". Dabei kann von einer solchen Sicherheit, wie ein Blick auf die Altersstruktur der Bevölkerung beweist, längst keine Rede mehr sein. Um wenigstens ihr Phantasma aufrechtzuerhalten, hat sich die Koalition das byzantinische Vernebelungsmodell der "Riester-Rente" ausgedacht. Da diese, wie bekannt, vom Volk nicht angenommen wird, könnte sie ihm schon bald verordnet werden. Die Regierung Schröder mag den Anspruch erheben, ihr Programm sei auf Konsens gebaut; bei dessen Durchsetzung aber enthüllt sie ihr wahres Gesicht.
Die Anhebung des Beitrags zur Rentenversicherung ist nun die eigentliche Königssteuer dieser konstitutionellen Kanzlermonarchie. Sie trifft nicht diejenigen, die von ihr profitieren, sondern fast ausschließlich jene, die nie in den Genuß einer ihren Beitragszahlungen entsprechenden gesetzlichen Rente gelangen werden: die Zwanzig-, Dreißig- und Vierzigjährigen. Aus der Anfangsphase der Französischen Revolution gibt es eine berühmte Karikatur, auf der ein Bauer einen Kleriker und einen Aristokraten auf seinem tief gebeugten Rücken trägt. Inzwischen gibt es keine drei Stände mehr, aber das ständische Modell ist wieder im Schwange. Diesmal schleppt ein Erwerbsstand, dessen Kräfte immer erkennbarer schwinden, einen von Jahr zu Jahr an Umfang und Gewicht zunehmenden Genußstand. Die Schieflage der sozialen Schichtung, an der die Monarchien der frühen Neuzeit scheiterten, ist zur Schieflage der Generationen geworden.
Das Mißverhältnis wäre nicht so eklatant, stünde mit den Achtundsechzigern nicht gerade jene Generation zur Pensionierung an, welche die Segnungen des bundesdeutschen Sozialstaats am längsten und ausgiebigsten genossen hat. Ihre Machtergreifung durch die Rentengesetzgebung der Koalition läßt sich mit nichts vergleichen, was sich in den letzten zweihundert Jahren der Industrialisierung und Modernisierung ereignet hat - sie gleicht Versteinerungsprozessen in vormodernen, gerontokratischen Gesellschaften, etwa der ägyptischen am Ausgang des Neuen Reiches.
Wie dort die unermeßlich angewachsene Priesterkaste der Zukunft des Landes ihre eigene vorzog, finanzieren heute die Kinder von Marx und Coca-Cola die blühenden Landschaften ihres Ruhestands durch Schröpfung ihrer Nachkommen. Daß statt dessen hier und heute ein Ausgleich zwischen den Ansprüchen der heutigen und der künftigen Rentner, eine generationenübergreifende gerechte Verteilung auch der Lasten und Zumutungen des Riester-Modells stattfinden müßte, scheint ein Gedanke zu sein, der für die Köpfe der Regierenden zu groß ist. Jene Generation, die einst die Phantasie an die Macht bringen wollte, baut heute nur noch darauf, daß die Sintflut erst nach ihr kommt. Aber die Flut wird sie einholen. Wir stehen am Beginn einer Epoche gesellschaftlicher Beunruhigungen, von deren Form und Ausmaß wir noch keine Vorstellung haben.
ANDREAS KILB
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.11.2002, Nr. 274 / Seite 37
Berlin - Renten und sonstige Altersbezüge sollen künftig vollständig besteuert werden. Im Gegenzug sollen sämtliche Aufwendungen für die Altersvorsorge steuerlich frei gestellt werden. Das schlägt die Rürup-Kommission zur Reform des Sozialsystems vor, wie das Berliner Finanzministerium erklärte. Einem „Spiegel“-Bericht zufolge würde die Neuerung die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden in den nächsten zehn Jahren mit 22 Milliarden Euro belasten. Der Verlust werde nur teilweise durch die vollständige Besteuerung der Renten ausgeglichen. Laut Finanzministerium schlägt die Rürup-Kommission vor, die nachgelagerte Besteuerung künftig für alle Alterseinkünfte anzuwenden. Das Prinzip gilt derzeit nur für die Privatrente.
Momentan werden die Beiträge - zum Beispiel zur Rentenversicherung - fiskalisch belangt, dafür ist Rente bei der Auszahlung steuerfrei. Die Kommission ist den Angaben zufolge dafür, die Beiträge zur Basisversorgung fürs Alter nach einer Übergangszeit für alle Steuerpflichtigen in unbegrenzter Höhe als Werbungskosten steuerlich abziehbar zu machen. „Falsch und bewusst irreführend sind Behauptungen, Finanzminister Hans Eichel plane nur eine Besteuerung der Renten, aber keinerlei Freistellung der Beiträge zur Versorgung“, sagte sein Sprecher Jörg Müller.
Die Experten empfehlen eine langfristige Übergangsregelung, um die mit der steuerlichen Freistellung insbesondere der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung verbundenen steuerlichen Ausfälle in Grenzen zu halten, aber auch um dem Vertrauensschutz bei der Besteuerung von Renten Rechnung zu tragen. Das vorgeschlagene Reformmodell habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf das heutige Alterssicherungssystem. Der vollständige Systemwechsel bei der Rentenbesteuerung biete die Chance, „das Gesamtversorgungsniveau längerfristig noch zu verbessern, mindestens aber zu halten“.
Die schrittweise Verbesserung der steuerlichen Berücksichtigung der Rentenvorsorge erweitere für alle Erwerbstätigen den Spielraum zur Alterssicherung. Laut „Spiegel“ will die Kommission ihren Vorschlag kommenden Montag Eichel überreichen. Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber aufgefordert, eine gesetzliche Regelung zu finden, die am 1. Januar 2005 in Kraft treten soll. AP
Ergebnis: Die Arbeiter jubeln(ten), weil sie glauben, sie bekämen etwas geschenkt durch die tolle Leistung der Gewerkschaftsfunktionäre.
Und so wählen sie weiterhin Rot.
Die Wahrheit ist, daß ALLE Leistungen eines Unternehmens zuvor von den produktiv Beschäftigten erbracht werden müssen.
Einschließlich: AG-Zuschuß zur Rente, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Lohnfortzahlung usw. usw..
Das heißt: Es gibt KEINE Geschenke vom Arbeitgeber!
Also könnte man auf diese Oberflächlichkeit auch verzichte.
Da Altersversorgung eine Staatsaufgabe ist, sollte sie als Mindestversorgung auch von der Steuerkasse getragen werden mit dem ganzen Sozialausgleich, der nötig ist.
Das wäre EHRLICH!
Doch die ehrlichen Politiker sind weit - - weit - - Kritiker.