Der €/CHF Thread
Sie hat zwar den europäischen Leitzins unverändert auf dem Rekordtief von 0,05% belassen. Aber sie hat gleichzeitig die Tür für eine Ausweitung ihres ohnehin schon grossangelegten Anleihe-Kaufprogramms weit geöffnet. Notenbank-Präsident Mario Draghi sagte in Malta, bei der nächsten Sitzung im Dezember werde geprüft, ob die Geldpolitik die Konjunktur ausreichend stimuliere. Das zinsbestimmende Gremium, der EZB-Rat, sei gewillt und in der Lage zu handeln, indem es alle Instrumente nutze.
http://www.nzz.ch/finanzen/die-ezb-schwaecht-den-euro-1.18634099
LokivonAsgard
Zunächst einmal ein Wort dazu, was Charttechnik überhaupt ist. Letztlich versuchen Charttechniker aus dem Verhalten der Märkte in der Vergangenheit Wahrscheinlichkeiten dafür abzuleiten, wie sich ein Markt in der Zukunft verhalten wird. Wenn man also charttechnische Argumente benützt, dann muss man sich immer klar darüber sein, dass diese keine absoluten Aussagen hervorbringen, sondern immer nur die Wahrscheinlichkeit des zukünftigen Verhaltens aufgrund früheren Verhaltens der Märkte. Schon wegen dieses Konstrukts können die Aussagen nie zu 100% zutreffen.
Aber es gibt noch weitere Probleme mit der Charttechnik. Der erste ist ein grundlegender: Die Vorgehensweise basiert per Definition auf a posteriori Annahmen. Damit versagt das Verfahren automatisch immer, wenn neuartige Situationen auftreten. Zum Glück sind diese eher selten. Zum zweiten und das ist ein viel zwingenderer Grund, basieren die Modelle alle auf unvollständigen Informationen (wie im Falle komplexer Systeme meist). Daraus folgt aber auch, dass das abgeleitete wahrscheinlichste zukünftige Verhalten mathematisch nicht vollständig vorherzusagen ist. Insbesondere versagt das Verfahren, wenn die Voraussetzungen der Anwendbarkeit nicht erfüllt werden. Das läuft auf das klassische "Welche Zahl folgt als nächstes?" hinaus, wenn man beispielsweise vorgibt 3-5-7 dann werden die meisten sagen: klar eine 9. Aber es kann auch eine 11 sein, wenn beispielsweise alle ungerade Primzahlen gemeint sind. Genau genommen kann es jede beliebige Zahl sein.
Man muss also in jedem Einzelfall immer wieder hinterfragen, ob die Voraussetzung zur Anwendung der einzelnen Modelle überhaupt gegeben sind. Und hier kommt ein weiterer Grund für Probleme mit der Charttechnik zum tragen: die Programme und Algorithmen werden zumeist von Naturwissenschaftlern (meist Mathematiker und interessanter Weise Physiker) verfasst. Diese sprechen aber eine andere Sprache, als Wirtschaftswisssenschaftler und erst recht eine andere Sprache als die anwendenden Banker. Das zeigt sich ja auch hier im Forum, wo die meisten Leser unterschiedliches Hintergründe habe. Somit sind nur die wenigsten Anwender wirklich in der Lage, die Voraussetzungen zur Anwendung der Tools zu prüfen. Dazu kommt, dass die wenigsten Algorithmen auf ihre mathematische Konvergenz geprüft wurden (die wenigen Fälle, in denen das wirklich geschehen ist, wurden zumeist mit Nobel-Preisen bedacht). Also selbst wenn die Voraussetzungen erfüllt wären, kann man nicht zu 100% garantieren, dass die gefundenen Aussagen stimmen. In den meisten Fällen wird das halbwegs zutreffen, aber eben nicht in allen.
In dem gesamten Prozess gibt es also in der Tat viele Stellen, welche die Anwendbarkeit der Tools in einem eher düsteren Licht erscheinen lassen. Allerdings gibt es ein Argument, welches die vielen kritisch zu reflektierenden Punkten von oben sticht: heutzutage werden immer mehr Tradings automatisiert durchgeführt. Das führt dazu, dass immer mehr Trades durch Algorithmen ausgelöst werden, unabhängig davon, ob die zugrunde liegenden Annahmen berechtigt sind oder nicht. Der Markt ist somit ein algorithmisch dominierter. Egal, was man von diesen Algorithmen an sich hält, solange diese den Markt dominieren, sollte man die Charttechnik, die ja ebenfalls eine Folge dieser Algorithmen ist, nicht einfach so vom Tisch wischen. Die tollten Erklärungen der Analysten kann man wohl getrost in die Tonne hauen, nicht aber grundsätzlich die getroffenen Aussagen. Da aber die einzelnen Player auch unterschiedliche Modelle verwenden, wird die ganze Sache dann doch wieder spannend genug.
LokivonAsgard
Das Märchen von der Selbstregulation des Marktes
Auf dem Energiesektor führt das freie Spiel der Kräfte zum Kollaps.
Die Wirtschaft ist wie das Wetter ein komplexes Phänomen, das sich nicht durch einfache Modelle beschreiben lässt. Doch während niemand auf die Idee käme, ein Klimamodell aufzustellen, in dem der lokale Ausgleich der Temperaturunterschiede global zu dauerhaft mildem Wetter führt, behauptet das Standardmodell der Marktwirtschaft genau dies: Angebot und Nachfrage pendeln sich in freiem Wechselspiel stets zu Preisen ein, welche die optimale Verteilung aller Güter garantieren.
Spätestens die völlig überraschende Bankenkrise von 2008 hat den Ruf der gängigen einfachen Markttheorien angekratzt. Dafür stieg das Prestige so genannter Ökonophysiker, die seit rund 20 Jahren komplexe Modelle aus Strömungsforschung, statistischer Mechanik und Festkörperphysik auf Wirtschaftsprozesse anwenden
und zeigen, wie instabil diese sich verhalten. An der Universität Bremen hat nun eine Gruppe theoretischer Physiker um Stefan Bornholdt die »Ökonophysik anpassungsfähiger Energiemärkte« untersucht und in Simulationen demonstriert, dass solche Märkte zu katastrophalem Kollaps neigen (Physical Review E 92, 012815, 2015).
Ihr Modell beschreibt Individuen, die flexibel auf kurzfristig schwankende Energiepreise reagieren können, indem sie beispielsweise mit dem Anschalten der Waschmaschine warten, bis der Strom ein wenig billiger wird. Ein Marktwirtschaftler wird darin das ideale Mittel sehen, den Strombedarf einem Energieangebot anzupassen,
das bei hohem Anteil von Wind- und Sonnenenergie rasch schwankt: Wenn Strom aktuell knapp und somit teurer wird, drosseln die Verbraucher ihre Nachfrage und warten in der Hoffnung, dass der Preis mit steigendem Angebot bald wieder fällt.
Doch wie die Simulation ergibt, pendelt sich auf diesem Markt gar kein Gleichgewicht ein, weil sich die Stromkunden wie beim Sommerschlussverkauf massenhaft auf die billigen Angebote stürzen und dadurch akuten Energiemangel erzeugen. Schon geringe Strompreisänderungen führen so zu derart drastischen Nachfragesprüngen, dass sich Systemkatastrophen kaum abwenden lassen.
In der Bremer Modellrechnung sieht der Computerwissenschaftler Alex Pentland vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge keinen Ausnahmefall, sondern die Demonstration eines typischen Schwachpunkts einfacher Marktmodelle, die seit Adam Smith (1723 1790) auf ein Gleichgewicht bauen, das sich durch unabhängig voneinander handelnde Akteure ganz von selbst einstellen soll. In Wirklichkeit, so Pentland, sind Instabilitäten wie Börsenblasen und Blitz-Crashes in einer modernen Gesellschaft vorprogrammiert erst recht bei vielen mobil vernetzten Konsumenten, die sofort nachmachen, was anderen im Augenblick Vorteil verspricht
(Nature 525, S. 190 191, 2015).
Dass einfache Marktmodelle insbesondere auf dem Energiesektor nur wenig mit der Wirklichkeit zu tun haben, galt allerdings schon, bevor Internet und Smartphones aufkamen. Energiemärkte hängen seit jeher von politischen Rahmenbedingungen ab. Der Politologe Mohssen Massarrat wies vor Jahren bereits in dieser Zeitschrift darauf hin, dass der Ölpreis niemals dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage gehorcht hat, weil dieser Markt immer von politischen Interessen gelenkt wurde (Spektrum der Wissenschaft 11/2006, S. 54 61).
Ein aktuelles Beispiel liefert Otmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (Science 349, S. 1286 1287, 2015). Er rechnet vor, wie sehr die Nutzung fossiler Energieträger, insbesondere der Kohle, von enormen direkten und indirekten staatlichen Subventionen gefördert wird Energiewende hin oder her.
LokivonAsgard
http://www.cash.ch/news/top_news/...ven_der_snb_gestiegen-3387218-771
Allerdings sehe ich es dennoch auch als relativ wahrscheinlich an, dass die SNB interveniert hat, selbst wenn nicht die gesamten 10Mrd SFr Interventionskapital gewesen sind. Die Frage ist wohl wenig OB, sondern eher WIE VIEL.
LokivonAsgard
http://www.boersennews.de/nachrichten/thema/...--laeuft-gut-an/920602
der kurs steht wieder, wo er vor der freigabe war. der frankenkurs ist normal, der euro ist die anomalie....
Die auf jedenfall kommen wird .
Dann wäre noch bis Dezember die 1.10 möglich und vielleicht mehr . :-)
im Frühjahr verlautbarte es aus der SNB: "Künftig werden nur noch die Girokonten der zentralen Bundesverwaltung und der Ausgleichsfonds AHV/IV/EO nicht den Negativzinsen unterliegen. Die SNB wird die Entwicklung der Giroguthaben auf diesen Konten aber weiterhin beobachten." (http://www.snb.ch/de/mmr/reference/pre_20150422/...e_20150422.de.pdf)
Würde das aufgehoben werde, so wäre das ein nicht allzu großer Unterschied an den Märkten, aber ein großer psychologischer, weil klargestellt würde, dass die SNB es ernst meint...
Außerdem fürchten viele derzeit, dass die EZB die Zinsen auf Sichteinlagen bei sich noch weiter absenken könnte. Dann würde die SNB wahrscheinlich eh nicht anders können, als ebenfalls noch einmal an der Zinsschraube nach unten zu drehen.
Und zu guter letzt: Das Jahresende rückt näher. Schafft es die SNB durch ihre Interventionen, den Kurs über 1.10 zu etablieren, dann könnte sie in diesem Jahr (vielleicht) positiv bilanzieren. Damit könnte sie eine Gewinnausschüttung an die Kantone geben, die wohl politisch durchaus gewünscht ist (auch wenn die SVP das wohl anders sehen dürfte...) Und jeder Franken, der nach der Freigabe investiert wurde, wirft bei steigendem Kurs natürlich Gewinn ab, derweil die Verluste aufgrund des Absackens nach der Freigabe des Kurses kleiner werden. Die SNB hat also ein richtig großes Eigeninteresse, dass der Kurs des Frankens weiter abschwächt.
LokivonAsgard
Außerdem habe ich keine Ahnung, wer demnächst die Spitze der EZB übernehmen wird. D, Fr und It waren schon dran. Niederlande oder Spanien wären meiner Meinung nach logische Kandidaten (wenn es da überhaupt eine Logik gibt, außer Machtgeplänkel).
Meine persönliche Meinung ist: in den nächsten 2-3 Jahren wird der Kurs sich zwischen 1.05 und 1.15 einpendeln. Sollte sich die Inflation in Europa bis dahin normalisiert haben und die Wirtschaft halbwegs stabil laufen, dann erwarte ich eine Phase des langsamen Anstiegs. Viel wird auch davon abhängen, wie sich die politischen Strömungen in Griechenland, Spanien und Italien entwickeln. Aber ich denke dann mittelfristig (5-8 Jahre) wird der Euro langsam auf ca. 1.25 steigen. Langfristig erachte ich einen Kurs von 1.35-1.40 für gerechtfertigt - also praktisch auf einem Niveau, wie vor dem Boom Richtung 2007.
Hier im Forum wirst du aber auch viele andere Meinungen finden (wahrscheinlich so viele, wie aktive User da sind :o) Einige sind beispielsweise der Meinung, dass der Kurs deutlich unter die Parität fallen wird. Ich bin bei dieser Prognose eher skeptisch, bin mir aber auch im Klaren darüber, dass diese Prognosen eintreten können, wenn die EZB komplett aus dem Ruder läuft.
LokivonAsgard
Im Prinzip steht die Schweiz aktuell in einer ähnlichen Situation wie in den 70iger und 80iger Jahren. Die Folge war damals, dass die Schweiz in den 90igern einen richtigen wirtschaftlichen Durchhänger hatte.
Hierzu (historische Entwicklung des BIP) ein sehr interessanter Artikel: http://dievolkswirtschaft.ch/content/uploads/2010/01/05D_Zuercher.pdf Vor allem die Absätze über alternative Ansätze zur Bewertung des Wohlstandes finde ich überaus interessant. Vor allem interessant, dass GB und D ganz am Ende dieser Liste stehen... Und auch interessant, dass beispielsweise Frankreich in 2007 über der Schweiz stand.
Möge die Diskussion eröffnet sein :o)
LokivonAsgard
Dabei gebe es für die Währungshüter keine Beschränkung bei der Ausweitung ihrer Bilanz. Bereits in der Vergangenheit sei die Nationalbank am Markt aktiv gewesen, um den aus ihrer Sicht “deutlich überbewerteten” Franken zu schwächen, sagte Jordan dem Blatt. “Wir sind überzeugt, dass die Interventionen ihren Zweck erfüllen.”
Gleichzeitig hätten sich auch die Negativzinsen von derzeit minus 0,75 Prozent “sehr gut bewährt”. “Sie haben die Attraktivität des Frankens reduziert. Durch die Negativzinsen hat sich die Zinsdifferenz zu anderen Währungen erhöht”, sagte Jordan. (APA)
http://www.vol.at/...erventionen-und-negativzinsen-schwaechen/4531872
Das steht ebenso wenig fest wie die Möglichkeit, dass sich der Franken plötzlich doch wieder schnell aufwerten kann. Fest steht aber, dass die Schweiz mit den aktuellen Frankenkursen angesichts der turbulenten Weltereignisse derzeit gut bedient ist. Das sollten die Franken-Nörgler auch mal zur Kenntnis nehmen.
http://www.cash.ch/news/top_news/...lten_die_augen_auftun-3394248-771
Hinzu kommt, dass es in der Schweiz derzeit industriell wirklich ziemlich mau ausschaut. Entgegen allen Jubelrufen gibt es aktuell die Tendenz zur Deindustrialisierung in der Schweiz. So ist im 3. Quartal die Industrieproduktion gegenüber dem Vorjahr um 2.8% gesunken. Das sollte einem zu denken geben: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/.../key/industrie/01.html
Gewachsen sind Fahrzeugbau und Pharma - der Fahrzeugbau stimmt in der Tat positiv, Pharma ist zu erwarten gewesen, weil die Konzerne in der Regel stark international aufgestellt sind und daher weniger am Franken hängen. Fahrzeugbau hängt eventuell damit zusammen, dass die Verträge v.a. in Dollar abgewickelt werden? Aber da kenne ich mich nicht so detailliert aus.
Die meisten anderen Teile der Industrie sind teilweise dramatisch gefallen. Besorgniserregend sind dabei meiner Meinung nach vor allem der Maschinenbau, die Energieversorgung (hier kommt die Schweiz genau wie viele andere in Europa oder den USA nicht mehr gegen Asien an) und Elektronik/Metallerzeugnisse/Uhren.
In Summe ergibt sich für mich kein Bild, das mich mittelfristig für den Franken enthusiastisch stimmt.
LokivonAsgard
LokivonAsgard