Schweizer Blutgeld
Offener Brief an Friedrich Christian Flick / Von Salomon Korn
Der Kunstsammler Friedrich Christian Flick möchte der Stadt Berlin seine Kunstwerke für sieben Jahre leihweise überlassen. Die Sammlung wurde auch mit dem Erbe seines Großvaters, des Rüstungsindustriellen Friedrich Flick, aufgebaut, der in Nürnberg als Kriegsverbrecher verurteilt wurde. Anfang Mai warf Salomon Korn, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Flick vor, er wolle mit der Ausstellung seiner Sammlung das "Blutgeld" seines Großvaters "reinwaschen". In der letzten Woche wehrte sich Flick gegen die Vorwürfe in einem offenen Brief, der im Internet und am vergangenen Sonntag auch im "Berliner Tagesspiegel" erschien. In seinem gestrigen, ebenfalls offenen Brief, den wir hier in voller Länge abdrucken, schwächt Korn seine Vorwürfe nicht ab, sondern verschärft eher noch den Ton.
Sehr geehrter Herr Flick,
vielen Dank für Ihren Brief vom 10. Mai 2004.
Mit dem Namen Flick verbindet die Öffentlichkeit gewöhnlich dreierlei: Zunächst den Konzerngründer Friedrich Flick, jenen Mann, der die NSDAP finanziell unterstützte, einen großen Teil seines Reichtums vor allem der gnadenlosen Ausbeutung von Zwangsarbeitern und Arisierungsverbrechen verdankte, vor dem Nürnberger Tribunal als verurteilter Kriegsverbrecher nicht die geringste Einsicht zeigte und als einer der reichsten Männer Deutschlands sich bis zu seinem Tode weigerte, auch nur die geringste Entschädigung zu zahlen; dann seinen Sohn Friedrich Karl Flick, den "bekennenden Steuerflüchtling" und schließlich seine Enkel "Mick" (Sie) und "Muck" (Ihr Bruder), die über viele Jahre hinweg die Spalten der Regenbogenpresse mit ihrer ausschweifenden Jet-Set Odyssee und einem spektakulären Glamourleben füllten.
Der dunklen Seite Ihrer Familiengeschichte werden Sie durch Ausstellung Ihrer Kunstsammlung in der deutschen Hauptstadt allenfalls vordergründig eine helle hinzufügen können. Seit Sie 1975 (und noch einmal 1985) ein riesiges Vermögen geerbt haben, hatten Sie über ein Vierteljahrhundert ausreichend Zeit und Gelegenheit, die Zwangs- und Sklavenarbeiter Ihres Großvaters - und sei es nur symbolisch - zu entschädigen; ob es jene waren, die mit dem Leben zahlten, oder jene, die mit schweren gesundheitlichen Schäden überlebten: sie alle haben wesentliche Teile des Grundstocks gelegt, aus dem auch Ihr Reichtum gewachsen ist - gleichgültig, wie oft dieser Erb-teil zwischenzeitlich durch Ihre eigene Leistung vervielfacht wurde.
Sie können den historisch belasteten Teil Ihres Erbes - die Verbrechen Ihres Großvaters - nicht einfach vom vermeintlich neutralen materiellen Teil - das durch diese Verbrechen erworbene Blutgeld - sauber abtrennen. Auch wenn Sie offenbar nicht bereit sind, diesen Zusammenhang und die damit verbundene Hypothek anzuerkennen und mit allen Konsequenzen zu übernehmen, wie dies zum Beispiel Jan Philipp Reemtsma getan hat: Ihre "Flick-Collection" stammt mittelbar aus jenen Quellen, aus denen ursprünglich das Blutgeld Ihres Großvaters sprudelte.
Sie fragen, ob Ihre "Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz" nun auch mit Blut befleckt sei, weil mit Blutgeld finanziert: Nicht wenn sie einem aus Verantwortung erwachsenen, aufrichtigen Wunsch nach Wohltätigkeit oder Entschädigung entspringt. Dieser vermag, sofern in die Tat umgesetzt, Blutgeld in ein Mittel zur Milderung von Not und Unrecht umzuwandeln. Dies gilt nicht, wenn eine solche Stiftung vorrangig zum Zwecke gezielter öffentlicher Wirkung gegründet wurde. Und damit komme ich zu Ihrer "Begründung", warum Sie nicht in den Zwangsarbeiterfonds eingezahlt haben.
Sie berufen sich auf Einzahlungen von (früheren) Flick-Firmen in den Zwangsarbeiterfonds, die zur Zeit seiner Errichtung längst verkauft und an denen Sie nicht beteiligt waren. Damit werden die Einzahlungen der neuen Eigentümer in den Zwangsarbeiterfonds von Ihnen als Einzahlungen der Familie Flick hingestellt. Noch befremdlicher ist Ihr Rechtfertigungsversuch, "Zahlung der Privatperson Flick hätte den Fonds nicht erhöht, sondern lediglich die Garantiezahlungen großer deutscher Konzerne um diesen Betrag gemindert". Einmal abgesehen von der damit verbundenen symbolischen Geste, hätte es Ihnen als Privatmann seit 1975 jederzeit freigestanden, vor, während und nach Einrichtung dieses Fonds freiwillig für die Entschädigung von Zwangs- und Sklavenarbeit zu spenden. Und Sie haben auch nicht, wie Sie nunmehr behaupten, "stattdessen" 2001 Ihre "Stiftung" gegründet, sondern, wie ich der Wochenzeitung Jungle World vom 18. Juni 2003 entnehme, auf Anraten einer Zürcher PR-Agentur diese Stiftung ins Leben gerufen, nachdem die Stadt Zürich es 2001 abgelehnt hatte, einem Museumsbau für Ihre Kunstsammlung zuzustimmen. Ihre in diesem Zusammenhang gemachte Äußerung "Ich empfinde Verantwortung, aber keine Schuld" hat hinsichtlich der Verantwortung zumindest zwischen 1975 und 2000 keine nennenswerten materiellen Konsequenzen gezeitigt.
Ja, Sie hätten der dunklen Seite Ihrer Familiengeschichte eine helle hinzufügen können: durch von Verantwortung geleitetes, tätiges Handeln vor allem den überlebenden Zwangs- und Sklavenarbeitern gegenüber. Dann nämlich wäre etwas vom Glanz dieser gelebten Verantwortung nicht pauschal "auf den Namen Flick", sondern auf den Menschen Friedrich Christian Flick gefallen und hätte die Farbe des Blutes auf dem ererbten Geld verblassen lassen können.
Von der Würde des Verzichts
So aber wird nur der schöne Schein Ihrer mit Blutgeld des Großvaters erworbenen Kunstsammlung die dunklen Seiten der Flick-Dynastie widerspiegeln, nicht aber aufhellen - auch wenn in Berlin sich einige bereits jetzt davon blenden lassen.
Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, aufgrund welcher philanthropischer Leistungen, Entschädigungszahlungen oder Verdienste um das Gemeinwohl Ihnen nunmehr eine öffentliche Bühne für die Rehabilitierung Ihres Familiennamens geboten werden soll. Eigentlich müsste es Ihnen doch in erster Linie darauf ankommen, als Individuum durch besondere persönliche Verdienste Anerkennung und Respekt für den Menschen Friedrich Christian Flick zu erwerben und nicht bloß einem umstrittenen Familiennamen eine helle Seite hinzuzufügen. Und da gehörte eben mehr dazu, als seine mit dem Blutgeld des Großvaters erworbene Kunstsammlung der Öffentlichkeit leihweise zur Verfügung zu stellen.
Wenn Sie am Ende Ihres Briefes schreiben, die Enkel hätten kein Blut mehr an ihren Händen, dann stimme ich dem vorbehaltlos zu, weil es weder Kollektivschuld noch Sippenhaft gibt; aber in Ihrem Fall haben die Enkel eine besondere Verantwortung und eine besondere moralische Verpflichtung im Umgang mit dem Blutgeld des Großvaters. Und wenn Sie schließlich sagen, Sie hätten sich mit Ihrer Familiengeschichte beschäftigt, dann will ich Ihnen dies glauben und gleichzeitig hoffen, dass dieser Beschäftigung ein Lern- und Erkenntnisprozess folgt, der von Ernsthaftigkeit, Verantwortung und dem entsprechenden Willen zur Tat gekennzeichnet ist.
Verehrter Herr Flick, es gibt eine Würde des Verzichtes. Sie könnten sie erlangen, wenn Sie darauf verzichteten, durch ein blendendes Kunstmuseum in Berlin den Namen Flick in ein grelles Scheinwerferlicht zu tauchen, das die NS-Vergangenheit Ihres Großvaters Friedrich Flick, dessen Zwangsarbeiter-Ausbeutung und Arisierungs-Verbrechen sowie deren Folgen vielleicht zeitweise überstrahlen, aber niemals mildern kann.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Salomon Korn
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.114, Dienstag, den 18. Mai 2004 , Seite 14
Millionär ohne Moral – Kunstsammler Flick und sein Nazi-Erbe
In Zürich und anderswo wurden seine Bilder abgewiesen. Ein unmoralisches Angebot, befanden Künstler und Medienleute dort – denn eine der bedeutendsten Sammlungen moderner Kunst wurde erst durch Kriegsverbrechergeld möglich. In Berlin werden Friedrich Christian „Mick“ Flick und seine Kollektion hingegen mit offenen Armen empfangen. Die Herkunft des Flickschen Vermögens stört die Berliner Regierung offenbar nicht: „Mick“ hat seinen Reichtum von seinem Großvater geerbt, der Hitlers wichtigster Waffenlieferant war und im Dritten Reich mit Zwangs- und Sklavenarbeit ein Vermögen erbeutet hat. Tausende Menschen starben – die Millionen Bares blieben. Der Millionenerbe ohne Moral nahm das „Blutgeld“ sehr gerne an, es bescherte ihm ein sicheres Leben. Die Verantwortung für die Nazi-Verbrechen seiner Familie allerdings wollte er nicht übernehmen und weigert sich bis heute, persönlich in den Fond für überlebende Zwangsarbeiter einzuzahlen. Keine Schande, findet offenbar die rot-grüne Regierung in Berlin und hofiert einen vermeintlichen Mäzen mitsamt seinen Moneten.
Quelle ARD(Panorama)
Die noblen Geldwäscher vom guten Stern und ihre Tricks mit Nazibeutegeld
Wie Daimler-Benz blutiges Nazigeld zum eigenem Nutzen wusch
Wie man blutiges Nazigeld und Nazigold mit Hilfe der Regierung wusch und nebenher auch noch Nazimörder dem Zugriff der Justiz entzog
von Gerd Höhne
Dass die deutschen Großkonzerne aktiv die Naziverbrechen mitmachten und am Krieg Unsummen verdienten, kann als bekannt voraus gesetzt werden. Nur dachten wir, das seien nur die ganz „normalen“ Profite gewesen. Aber es war viel mehr.
Im taz Magazin Nr. 7399 vom 3.7.2004[1] erschien ein Bericht von Gaby Weber „Wenn Sie das Geldwäsche nennen“ eine Recherche über den abenteuerlichen Verlauf des Verschiebens und Waschens von Nazigold und –geld, der Rückführung des Blutgeldes in den normalen Wirtschfatskreislauf. Gaby Weber hat dazu auch ein Buch geschrieben, das im September erscheinen wird[2]
Problem für die deutschen Wirtschaftsbosse und Nazigrößen war, dass dieses Gold und Geld aus – auch nach deutschen Recht – Verbrechen erworben wurde, also, auch nach deutschem Recht, den Konzernen nicht gehörte. Das Zahngold, das den Opfern der Gaskammern aus den Mund gebrochen wurde, das Geld in Devisen, das viele Verschleppte sicherheitshalber heimlich mitgenommen hatten um sich ggf. über Wasser halten zu können, der Schmuck, der Erlös aus der Verwertung ihres Gepäcks und ihrer Körper, all das war Blutgold und Blutgeld, wäre somit nach der Niederlage unwiederbringlich verloren – wenn die Herrschaften nicht rechtzeitig vorsorgten.
Vordenker dieser Maßnahmen war kein anderer, als der spätere „Vater der sozialen Marktwirtschaft“, Bundeswirtschaftsminister und Bundeskanzler Ludwig Erhard:
„Im März 1944 hat Ludwig Erhard als Leiter des von der Reichsgruppe Industrie finanzierten Instituts für Industrieforschung ein „Programm für die Bearbeitung wirtschaftlicher Nachkriegsprobleme vom Standpunkt der Industrie“ vorgelegt. Darin heißt es: „Die von den Fronten zurückkehrenden Soldaten müssen untergebracht, ein Arbeitslosenheer verhindert werden. Riesige Mengen Kapital werden notwendig sein, um Lebensmittel zu importieren.“[3]
Also traf man sich in Straßburg in einem Luxushotel. Zweifel am Endsieg im 2. Weltkrieg war ein todeswürdiges Verbrechen in der Zeit, aber diese Herrschaften hatten nicht die Spur von Angst. Sie wussten, dass ihr Wille und ihr Nutzen auch den des Regimes war, ja, sie waren das Regime. Der Leiter der Konferenz war ein SS-Obergruppenführer Scheid [4] Die Herrschaften konnten sich also sicher fühlen, es wurde sogar ein Protokoll geführt. Ein Auszug:
„Allianzen mit ausländischen Unternehmen müssen gegründet werden, aber jede Firma für sich, um keinen Verdacht zu erregen. Die Industriellen müssen sich vorbereiten, um nach der Niederlage durch eine Exportoffensive neue deutsche Stärke zu erlangen. Sie werden die Nazi-Partei finanzieren müssen, die in den Untergrund gehen wird. Daher wird von jetzt an die Hitler-Regierung der Industrie große Summen zur Verfügung stellen, um nach dem Krieg im Ausland über eine sichere Grundlage zu verfügen. Sobald die Partei wieder die Kontrolle über Deutschland erhält, werden die Industriellen für ihre Anstrengung mit Konzessionen und Staatsaufträgen belohnt werden.“
Sie verschoben des Geld auf Schweizer Konten, verscherbelten das blutige Gold ebenfalls dort und die in den besetzten Gebieten demontieren Maschinen schafften sie ins freundlich gesonnene (und von Sozialdemokraten regierte) neutrale Schweden. Sie wussten, ihre Stunde wird kommen.
Und sie kam! Nachdem in der ersten Nachkriegszeit einige Konzernbosse erst einmal im Knast saßen, erkannten die Westmächte mit Aufziehen des Kalten Krieges, dass die Verfolgung von Naziverbrechern kontraproduktiv ist, Das galt zwar in erster Linie für die Konzernbosse, aber nicht nur für sie.
Die Bosse von Krupp, Mannesmann, Siemens und IG-Farben wurden klammheimlich entlassen und tauchten in ihren Chefbüros wieder auf. Dass es teilweise Streiks der Arbeiter gegen die Naziwirtschaftsführer gab, focht sie nicht an. Krupp verzichtete zwar auf die Produktion von Waffen. Das fiel ihm auch leicht, denn Deutschland war entwaffnet. Aber nach der Aufrüstung tummelte sich auch Krupp wieder unter den Waffenherstellern.
Eine zweite Gruppe von Naziverbrechern, die nicht so fein und nobel waren wie die Industriebosse, fürchteten aber auch um ihre Freiheit und ihr Leben. So bekannte Namen wie Adolf Eichmann, der SS-Massenmörder mit Arztdiplom Dr. Josef Mengele und unzählige andere Massenmörder waren hiervon betroffen. Den Westalliierten schien es nicht opportun die deutsche Öffentlichkeit mit immer neuen Kriegsverbrecherprozessen zu verwirren, sie brauchten Deutschland als Verbündeten im Kalten Krieg und als Vorposten gegen das sozialistische Lager.
Also schafften sie diese Sorte Naziverbrechern aus dem Land mit Hilfe des Internationalen Roten Kreuzes und des Vatikan. Pius XII., der bekanntlich schon als Nuntius in Berlin 1934 Hitler diplomatisch Hilfestellung geboten hatte, war in seiner antikommunistischen Haltung soweit gegangen, dass er zum Judenmord geschwiegen hatte. Jetzt schafften seine Beauftragen die Mörder mit Pässen des Vatikanstaates aus Europa fort. Die meisten zogen nach Argentinien, wo damals der nazifreundliche General Juan Domingo Péron regierte.
General Péron war auch die Garantie dafür, dass das Nazi-Geld und Nazi-Gold an die deutschen Räuber zurück floss. Und das funktionierte im Fall Daimler-Benz so:
Daimler-Benz baute ab 1951 in Buenos Aires eine LKW-Fabrik auf. Die Maschinen sind nicht neu, sondern offensichtlich jene, die die Nazis im Osten demontiert und in Schweden für bessere Zeiten nach dem Krieg deponiert hatten. Mercedes-Benz Argentina ist formal ein rein argentinisches Werk, tatsächlich aber werden die Drähte in der Mercedes-Zentrale in Deutschland gezogen, die Argentinier sind nur Strohmänner.
Einer von ihnen ist Germán Timmermann. Timmermann hat mit Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard im Juli 1950 das deutsch-argentinische Handelsabkommen ausgehandelt, die juristische Grundlage des Geldwäsche-Unternehmens. Es musste nämlich garantiert werden, dass weder deutsche noch argentinische Behörden zu viele Fragen nach der Rechtmäßigkeit des riesigen Kapitaltransfers stellten.
Ein anderer Akteur der Geldwäsche war ein ehemaliger SS-Untersturmbannführer, der bis Kriegsende zuständig war, Zwangsarbeiter aus Böhmen und Mähren der deutschen Industrie zuzuführen. Der SS-Untersturmbannführer machte in den 70er Jahren von sich Reden als Daimler-Benz-Direktor, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und des Bundesverbandes des Arbeitgeberverbände. Seine gewerkschaftsfeindliche Haltung machten ihn zum bestgehassten Industriekapitän der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Sein Name: Hanns-Martin Schleyer. Schleyers Entführung und Ermordung durch die RAF, machten ihn erst zur positiven Figur.
Ein gewisser Karl Friedrich Binder war zuständig für die „Rückführung verlagerter Betriebsstätten“, also für die Geldwäsche. Binder forderte dann einen der argentinischen Strohmänner auf, aus Deutschland angereiste „Experten“ einzustellen. Die Experten waren weniger Spezialisten für die Industriearbeit, sondern für Massenmord. Es waren solche, die aus Europa nach Argentinien ausgeschleust worden waren. Also die Naziverbrecher. „Ich persönlich“, so der argentinische Strohmann heute, „habe sie eingestellt, darunter Eichmann.“ „Die Deutschen“, so der Strohmann weiter, „passen sich an alles an. Wenn sie als Elektriker arbeiten müssen, arbeiten sie als Elektriker. Wenn sie Juden töten müssen, töten sie Juden.“ Adolf Eichmann war bekanntlich bei Mercedes-Benz Argentina als Elektriker angestellt.
Der Kreis schließt sich. Mercedes-Benz baute das Werk in Argentinien zum Zwecke der Geldwäsche auf. Offensichtlich werden demontierte Maschinen, die in den von den Nazis besetzten Ländern Osteuropas geraubt wurden, nach Argentinien geschafft. Das in der Schweiz gebunkerte Blutgeld wird nach Argentinien geschmuggelt und mit überhöhten Rechnungen für echte oder Scheinimporte aus Deutschland gereinigt nach Deutschland verbracht. Mercedes ist jetzt ganz legal im Besitz der durch Mord und Raub sich angeeigneten Gelder.
Die damals bestehenden Devisenbeschränkungen in Deutschland werden mit Sondererlaubnissen aus Ludwig Erhards Bundeswirtschaftsministerium umgangen, also von jenen Ludwig Erhard genehmigt, der 1944 bereits der Ideengeber für diese Schiebereien war.
In Argentinien war der gesamte Außenhandelbankverkehr damals verstaatlicht, dennoch bezahlte die Staatsbank die Rechnungen anstandslos. Sie handelte auf höchsten Befehl des Präsidenten. Rechtliche Grundlage des Deals war das deutsch-argentinische Handelsabkommen, in die Wege geleitet und abgesegnet ebenfalls von Ludwig Erhard.
Und bei dieser Gelegenheit wurde die deutsche und alliierte Justiz von der Peinlichkeit befreit, Naziverbrecher zu verurteilen. Die waren ja inzwischen in Südamerika und verdienten z.T. ihre Brötchen als „Experten“ bei Mercedes-Benz Argentina.
Wie sehr sich die deutsche Nachkriegsjustiz scheute, strafrechtlich gegen Naziverbrecher vorzugehen, zeigte einer der Nachkriegsjuristen der sauberen Art. Es war einer der wenigen, die sich die Ver4folgung von Naziverbrechern zur Aufgabe gemacht hatten. Der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der später den großen Auschwitz-Prozess vorbereitete und durchsetzte und auch die Anklage vertrat, war über den Aufenthalt Adolf Eichmanns informiert worden. An deutsche Justizbehörden mochte er sich nicht wenden, weil er ihnen nicht traute. Er gab daher seine Informationen weiter an israelische Stellen, die sich bekanntlich Eichmann schnappten und ihm den Prozess machten. Bauer fürchtete, dass deutsche Ermittlungsbehörden das hintertreiben könnten, wenn er über sie versucht, Eichmann nach Deutschland ausliefern zu lassen. Und seine Sorge war nicht unbegründet, wie wir heute wissen.
Ein anderer SS-Mörder, Dr. Josef Mengele, war zunächst ebenfalls in Argentinien. Er hatte es aber nicht nötig als Elektriker zu arbeiten oder ähnliche Tätigkeiten auszuüben. Mit seinem Bruder hatte er eine große Firma im Schwäbischen für Landmaschinen geerbt. Vor deren Gewinnen, aus Deutschland überwiesen, genehmigte sich Mengele ein materiell sorgenloses Leben bis zu seinem Tod Ende der 70er Jahre. Mengele starb nicht, wie Eichmann, am Galgen. Er erlitt einen Badeunfall in Brasilien. Er besuchte sogar mindestens einmal seinen Heimatort, indem er via Schweiz nach Deutschland einreiste. Die deutschen Behörden hätten keine Probleme gehabt, den Massenmörder zu schnappen. Sie unternahmen aber nichts. Erst als Mengele schon tot war, wurde für seiner Ergreifung 10 Mio. Deutsche Mark ausgelobt, ein Betrag, der niemals ausgezahlt werden musste.
Wir sind gespannt auf das Buch, zeigt es doch einige Hintergründe auf, die zwar nicht neu, aber jetzt recherchiert zusammengefasst dargestellt und von Akteuren des damaligen Coups bestätigt werden.
taz.de 03.07.2004