Schönbohm ein Opfer der Political Correctness
Ich bin weiss Gott kein Freund von Schönbohm und gönne ihm seine peinliche Rumeierei vor dem Fernsehen,aber hat er wirklich so unrecht?
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,368493,00.html
Schönbohm hatte postuliert, dass die Politik der sozialistischen Vermassung und das
Konzept der Delegierung von persönlicher Verantwortung, wie sie in der DDR nun einmal 40 Jahre stattgefunden hat, etwas mit den heutigen Problemen in Ostdeutschland und deshalb auch mit einem scheußlichen Verbrechen in Frankfurt/Oder zu tun haben könnte. Der General a.D. wollte mit seiner Bemerkung, die erzwungene Proletarisierung habe im Osten zu einer Erhöhung der Gewaltbereitschaft geführt, eine Debatte lostreten.
Mag sein, dass seine Worte eine Steilvorlage für den politischen Gegner gewesen sind. Schönbohms Bemerkungen sind aber längst nicht so peinlich wie die Attacken seiner Kritiker, die ihm nun unterstellen, er hätte jeden einzelnen ehemaligen DDR-Bürger zu einem Gefühlskrüppel erklärt und wolle 16 Millionen in Beugehaft nehmen. Seine Untat war es, eine Erklärung dafür zu suchen, warum in Frankfurt an der Oder eine Frau offenbar schon in der DDR völlig unbemerkt mit einer in Europa wohl bisher einmaligen Verbrechensserie beginnen konnte.
Wäre die PDS tatsächlich die Partei, für die sie sich ausgibt - nämlich ehrliche Maklerin ostdeutscher Geschichte und Gegenwart - sie hätte diese Debatte als erste begonnen. Stattdessen höhnt sie nun über einen naiven westdeutschen Ex-General, der geglaubt hat, man könne 15 Jahre nach der deutschen Einheit vernünftig über die letzte Diktatur auf deutschem Boden sprechen - und sich dabei im Ton vergriffen hatte.
Dabei haben diejenigen, die nun über Schönbohm herfallen, außer Betroffenheitsfloskeln kaum etwas zur notwendigen Rationalisierung der barbarischen Tat beigetragen. Stattdessen nutzt die Linkspartei - also die PDS also die alte SED minus Egon Krenz und Co. - die Gelegenheit, den missglückten Erklärungsversuch zu Wahlkampfzwecken zu missbrauchen. Und anstatt vielleicht selbst ein intelligentes Argument in die notwendige Debatte um die Verbrechen zu werfen, pfeift die ostdeutsche Spitzenkandidatin Angela Merkel ihren Parteifreund zurück.
Die DDR war ein auf totalitäre Gewalt gegründeter Spitzel- und Polizeistaat, der in dem Moment zusammenbrach, als die Rote Armee - anders, als am 17. Juni - im inneren Krisenfall in den Kasernen blieb. Sie war keine kommode Diktatur, wie Günter Grass das einmal geschrieben hat. Sie war ein "gesellschaftliches Experiment", das mit Hilfe einer fremden Armee mehr als 40 Jahre lang seine Bürger als sozialistische Manövriermasse betrachtete. Über 1000 Menschen bezahlten das mit ihrem Leben, weil sie von Ost nach West fliehen wollten, mehr als 70 000 landeten allein deshalb im Gefängnis. Das und vieles mehr gerät inzwischen in Vergessenheit. Der PDS ist es tatsächlich gelungen, nach der Wende in Ostdeutschland jene DDR-Identität zu konstituieren, die es vor der Wende, als die DDR noch existierte, kaum gegeben hat. Diese Diktatur der SED, von der die Ostdeutschen sich schließlich selbst befreiten, hat tiefe Spuren hinterlassen. Jede totalitäre Herrschaft verdirbt die guten Sitten, knechtet den freien Willen, verführt den menschlichen Anstand. Dass der Kapitalismus auf seine Weise ebenfalls Seelenunheil anrichtet, spricht nicht dagegen, die Ost-Debatte zu führen.
Die PDS aber rechtfertigt die Existenz der DDR bis heute als legitimes Experiment nach dem Nationalsozialismus. Die Vordenker der PDS behaupten zudem, die "Summe der Repression in der DDR und der heutigen Bundesrepublik" sei "in etwa gleich". Auch deshalb wehren sie den Versuch, etwas geschichtlichen Grund in diese nebelhaften Taten zu bringen, mit aller Macht ab.
Die These, dass Ulbrichts und Honeckers brutale Kybernetik auch ihren Anteil am Tod der Säuglinge in Frankfurt an der Oder haben könnte, ist es deshalb Wert, zumindest untersucht zu werden. Vielleicht erklärt sie nicht die Tat, aber doch das beredte Schweigen, das diese Tötungen auch ermöglichte. An die Frage nach den Spätfolgen der "erzwungenen Proletarisierung" (Schönbohm), dem Konzept der sozialistischen Dörfer (ohne Kirche) und der sozialistischen Stadtlandschaften (ohne urbanen Zufall und Individualität) schließt sich übrigens eine zweite, ebenso unangenehme Frage an. Was bedeutete in der späten DDR ungeborenes Leben?
Als die Täterin in Frankfurt Oder das erste Neugeborene umbrachte, galt in der DDR eine Regelung, die vom damaligen Arbeitgeber ihres Mannes - der Staatssicherheit - im Zweifel organisiert und exekutiert wurde. Jede vietnamesische Vertragsarbeiterin, die beispielsweise in Halle arbeitete und schwanger wurde, hatte die Wahl: Sofortige Abtreibung oder Ausreise. Das war die Realität des realen Sozialismus. Ein westdeutscher Innenminister, der heute versucht, die DDR-Mythen beiseite zu räumen um besser verstehen zu können - der trägt mehr zur Aufklärung bei , als eine Klientel, die nach einem unbegreiflichen Verbrechen nebenan gleich wieder die Jalousien runterlässt.
Die Unkultur des Wegschauens
Von Yassin Musharbash und Jens Todt
Bizarrer Einzelfall oder aussagekräftiges Beispiel? Politiker, Kriminologen und Psychologen rätseln über die neun toten Säuglinge von Brieskow-Finkenheerd. An den vom brandenburgischen Innenminister Schönbohm postulierten Sonderfall Ost glauben viele von ihnen nicht: Weggesehen wird überall.
Provokateur Pfeiffer: Debatte wird differenzierter
Berlin - Jörg Schönbohm und Christian Pfeiffer sind beide keine Leisetreter und für ihre zugespitzten Äußerungen bekannt. Jetzt haben sie, in kurzem Abstand, einmal mehr zugeschlagen: Zuerst stellte Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) in einem Interview einen Zusammenhang zwischen der neunfachen Kindstötung einer Mutter in Brieskow-Finkenheerd und den mutmaßlichen Werteverlusten der Ostdeutschen in der DDR-Zeit her. Viele Ostdeutsche seien heute teilnahmslos, klagte er. Die von der SED erzwungene Proletarisierung sei Schuld an Verwahrlosung und Gewaltbereitschaft.
Schönbohm hatte eine Diskussion anstoßen wollen - das ist ihm gelungen. Der Sturm der Empörung über den Ex-General hatte gerade seinen Höhepunkt erreicht, da sprang ihm der niedersächsische Kriminologe Christian Pfeiffer bei: Er verfüge über Zahlen, denen zufolge Kindstötungen durch Mütter im Osten Deutschlands etwa vier Mal häufiger seien als im Westen.
Seitdem führt die Republik eine Ost-West-Debatte besonders brisanter Art. Sie splittert sich in zahlreiche Einzelfragen auf: Wie zuverlässig sind Pfeiffers Zahlen? Wie gewaltbereit ist der Osten? Ist die DDR-Erziehung Schuld oder der Umbruch nach 1989? Und sieht es im Westen wirklich besser aus?
"Eine Kultur des Wegschauens gibt es eher im Westen", behauptet zum Beispiel der Hamburger Kriminologe Fritz Sack, der für sich in Anspruch nimmt, diesen Begriff selbst mitgeprägt zu haben - und zwar nachdem 1997 in der Hamburger S-Bahn am helllichten Tag eine 17-Jährige vergewaltigt worden war.
Krasse Fälle auch im Westen
Tatsächlich gibt es auch in den alten Ländern etliche Beispiele für ein krasses Versagen der Gesellschaft: In Hildesheim wurde im vorvergangenen Jahr ein 17-jähriger Berufsschüler über Monate von seinen Mitschülern gemobbt und massiv misshandelt. Die Täter filmten die Folter-Szenen teilweise und wollten sie ins Internet stellen - keiner der Lehrer hatte angeblich etwas bemerkt. Im holsteinischen Heide wurde im Jahr 1997 eine 14-Jährige mitten am Tag in der Fußgängerzone vergewaltigt. Kein Passant kam ihr zu Hilfe, was damals eine bundesweite Debatte über Zivilcourage ausgelöst hat. "Im Westen gilt doch erst recht: Jeder ist sich selbst der Nächste", sagt Sack.
Leichenfundort Brieskow-Finkenheerd: "Hosentaschentheorie"?
Die Schönbohm-These vom DDR-Erbe hält Sack deshalb für "unhaltbar". Und auch an Pfeiffers Statistik lässt der emeritierte Professor kein gutes Haar: "Statistisch und kriminologisch unsinnig" sei es, "auf dieser Basis eine Interpretation über das Zusammenspiel von historischen und persönlichen Prozessen zu wagen" - auch, wenn Sack einen Zusammenhang zur Umbruchsituation in Ostdeutschland gar nicht ausschließen will. Pfeiffer ruiniere die Reputation der Wissenschaft mit seinen "unvertretbaren Instrumentalisierungen".
Sack ist nicht der einzige Pfeiffer-Kritiker: "Die Menschen im Osten schauen viel weniger weg", meint auch Psychologe Günter Esser von der Uni Potsdam. "Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist stärker ausgeprägt." Die Zahl von Kindstötungen hält Esser für keinen sinnvollen Indikator, um der Befindlichkeit einer Gesellschaft nachzuspüren. Aus dem Brandenburger Drama allgemeingültige Schlussfolgerungen zu ziehen sei so seriös, wie aus dem Kannibalenmord in Hessen im vergangenen Jahr Aussagen über Westdeutschland abzuleiten.
Pfeiffer äußert sich erneut
Derselben Ansicht ist der Tübinger Kriminologe Hans-Jürgen Kerner: "Ich halte es für mindestens wagemutig, einen bizarren Einzelfall zu nehmen, um Gesellschaftsanalyse zu betreiben." Zwar will auch der Direktor des Kriminologischen Instituts nicht ausschließen, dass "75 Jahre autoritärer Gesellschaftsstrukturen in Ostdeutschland" Folgen gezeigt haben und verweist auf Ost-West-Vergleichsstudien, denen zufolge junge Ostdeutsche öfter kriminell seien, höhere Furchtraten aufweisen würden und eher rechtsradikal empfänden. Aber fundamentale Ost-West-Unterschiede seien ihm nicht bekannt, schon gar nicht unter Erwachsenen. Pfeiffer habe eine "Hosentaschentheorie" entwickelt, lautet Kerners Fazit.
Innenminister Schönbohm: Diskussion mit Tabubruch angestoßen
Der so Angegriffene fühlt sich missverstanden. Im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE erneuerte Pfeiffer heute sein Plädoyer für eine offene Diskussionskultur: "Man muss bestimmte Fragen stellen dürfen", so der Kriminologe. Zwar gäbe es keinen Beleg für eine generell höhere Gewaltkriminalitätsrate im Osten, allerdings seien die Unterschiede zumindest bei den Kindstötungen und den rechtsradikalen Gewalttaten signifikant. "Da aber beispielsweise ein Großteil der Gewaltkriminalität unter Jugendlichen in westdeutschen Städten zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen stattfindet", sei diese Statistik überhaupt nicht mit den ostdeutschen Zahlen zu vergleichen, so Pfeiffer, "schließlich gibt es dort wesentlich weniger Ausländer." Die These, der Osten sei generell gewalttätiger als der Westen, "ist schlicht falsch", so Pfeiffer.
Tatsächlich aber sei die Zahl der Kindstötungen im Osten in den Jahren nach der Wende sogar noch höher gewesen als aktuell, so dass man sich fragen müsse, ob es schon vorher in dieser Größenordnung der Fall gewesen sei, "dass Frauen aus Verzweiflung ihre Kinder getötet haben" - oder ob es sich um ein Nachwende-Phänomen handle. Es gäbe leider keine DDR-Statistik zu diesem Thema, allerdings spricht seiner Ansicht nach "mehr für die zweite Theorie".
Ein Konsens deutet sich an
Deshalb müsse untersucht werden, warum das Risiko für Kinder, getötet zu werden, im Osten höher ist als im Westen. "Es ist zu vermuten, dass da mehr Familiendramen dahinterstecken", so Pfeiffer, "aber das hat bisher keiner analysiert." Es sei sinnvoll, jungen Frauen im Osten mehr Angebote zu machen, dass sie ihr Kind angstfrei auf die Welt bringen können. Zwar seien Ost-West-Vergleiche immer heikel, aber man müsse "vorurteilsfrei forschen können". Der Kriminologe beklagt, dass die Politik den heiklen Konflikt am liebsten zu vermeiden suche: "Das will offenbar niemand so genau wissen."
Inzwischen scheint die hitzige Debatte einer Versachlichung entgegen zu steuern. Die Protagonisten sind sich grundsätzlich einig, dass exzessive Gewalt besonders häufig in sozial verwahrlosten Regionen stattfindet, verübt von emotional verrohten Tätern. Diese Gebiete gibt es im Osten wie im Westen - genau wie erschreckende Fälle von Wegschauen. Auch darüber, dass es nicht genügend aussagekräftige Daten gibt, besteht Konsens. Und die Folgen der DDR-Erziehung möchten mehr Forscher als nur Pfeiffer untersuchen. Ein Teil der heftigen Kritik an Pfeiffer aus dem Kollegenkreis ist dem Umstand geschuldet, dass der ehemalige niedersächsische Justizminister sich regelmäßig und gerne ins Rampenlicht stellt. "Er lässt keine Gelegenheit aus, Interpretation zu präsentieren, die sich politisch verwerten lassen", ätzt der Hamburger Professor Sack. Andere äußern sich ähnlich deutlich.
Am Ende folgt dem Aufschrei über den Schönbohm-Pfeifferschen Tabubruch nun also eine vorsichtige Ernüchterung. Mag sein, dass Schönbohms Brandenburger CDU nun einige Stimmen verloren gehen - viele Ostdeutsche fühlen sich kollektiv beleidigt und selbst Parteifreunde hatten ihn hart kritisiert. Zumindest aber ist der Boden für eine sachliche Auseinandersetzung nun besser bereitet, als er es vor dem Eklat war. Die Aufregung muss also nicht umsonst gewesen sein.
© SPIEGEL ONLINE 2005
Alle Rechte vorbehalten
Irgendwie hat das plötzliche Verschwinden der FDJ und der gesamten Jugendeinrichtungen,auch der organisierten Tanzveranstaltungen auf den Dörfern ein Vacuum geschaffen,das nun -vermutlich auch wegen der mangelnden Erziehung zu Selbständigkeit und eigenem Denken- zu solchen Exzessen führt!
Meiner Meinung nach hat Schönbohm so ganz unrecht nicht,er kriegt ja die Berichte jeden Morgen brühwarm auf den Tisch,und da fragt man sich schon,inwieweit die proletarische Erziehung eine der Ursachen ist.
Wisst Ihr eigentlich wie hoch die Arbeitslosigkeit hier auf den Dörfern ist,wie sich Hartz4 da auswirkt und wie stark das Alkoholproblem ist?
Hat man nicht die ganzen LPG´s blitzschnell zerschlagen und zu agrarindustriellen Produktionsgenossenschaften mit wenigen Beschäftigten umgeformt und Hunderttausende so in die Frührente oder Arbeitslosigkeit geschickt?
Politisch unkorrekt - aber notwendig
Von Claus Christian Malzahn
Die Äußerungen des brandenburgischen Innenministers Schönbohm sind politisch ungeschickt gewesen. Doch während der Christdemokrat nach Antworten sucht, begnügen sich seine Kritiker mit billigen Betroffenheitsfloskeln und verschanzen sich hinter ostdeutschen Empfindlichkeiten.
Wer vor fünfzehn Jahren, im letzten Sommer der DDR, prophezeit hätte, dass die Nachfahren der SED in Ostdeutschland die kulturelle und politische Hegemonie gewonnen hätten, der wäre wahrscheinlich als notorischer Pessimist abgestempelt worden. Doch nichts weniger erleben wir im Jahr 2005, anderthalb Jahrzehnte nach Besiegelung der Wiedervereinigung. Ein nachdenklicher Satz des brandenburgischen Innenministers Jörg Schönbohm hat gereicht, um deutlich zu machen: Die Linkspartei führt nicht nur in den Umfragen, sie gibt in der ehemaligen DDR inzwischen auch den Ton der jeweiligen Debatte an.
Das zeigen die hysterischen Distanzierungen von Jörg Schönbohm, der laut darüber nachgedacht hat, warum in Frankfurt Oder neun Säuglinge von ihrer Mutter umgebracht worden sind - und nicht in Frankfurt am Main. Politisch korrekt ist das nicht, schon gar nicht in Wahlkampfzeiten. Politisch notwendig ist es dagegen schon - ob nun Wahlkampf ist oder nicht.
Schönbohm hatte postuliert, dass die Politik der sozialistischen Vermassung und das Konzept der Delegierung von persönlicher Verantwortung, wie sie in der DDR nun einmal 40 Jahre stattgefunden hat, etwas mit den heutigen Problemen in Ostdeutschland und deshalb auch mit einem scheußlichen Verbrechen in Frankfurt/Oder zu tun haben könnte. Der General a.D. wollte mit seiner Bemerkung, die erzwungene Proletarisierung habe im Osten zu einer Erhöhung der Gewaltbereitschaft geführt, eine Debatte lostreten.
Mag sein, dass seine Worte eine Steilvorlage für den politischen Gegner gewesen sind. Schönbohms Bemerkungen sind aber längst nicht so peinlich wie die Attacken seiner Kritiker, die ihm nun unterstellen, er hätte jeden einzelnen ehemaligen DDR-Bürger zu einem Gefühlskrüppel erklärt und wolle 16 Millionen in Beugehaft nehmen. Seine Untat war es, eine Erklärung dafür zu suchen, warum in Frankfurt an der Oder eine Frau offenbar schon in der DDR völlig unbemerkt mit einer in Europa wohl bisher einmaligen Verbrechensserie beginnen konnte.
Wäre die PDS tatsächlich die Partei, für die sie sich ausgibt - nämlich ehrliche Maklerin ostdeutscher Geschichte und Gegenwart - sie hätte diese Debatte als erste begonnen. Stattdessen höhnt sie nun über einen naiven westdeutschen Ex-General, der geglaubt hat, man könne 15 Jahre nach der deutschen Einheit vernünftig über die letzte Diktatur auf deutschem Boden sprechen - und sich dabei im Ton vergriffen hatte.
Dabei haben diejenigen, die nun über Schönbohm herfallen, außer Betroffenheitsfloskeln kaum etwas zur notwendigen Rationalisierung der barbarischen Tat beigetragen. Stattdessen nutzt die Linkspartei - also die PDS also die alte SED minus Egon Krenz und Co. - die Gelegenheit, den missglückten Erklärungsversuch zu Wahlkampfzwecken zu missbrauchen. Und anstatt vielleicht selbst ein intelligentes Argument in die notwendige Debatte um die Verbrechen zu werfen, pfeift die ostdeutsche Spitzenkandidatin Angela Merkel ihren Parteifreund zurück.
Die DDR war ein auf totalitäre Gewalt gegründeter Spitzel- und Polizeistaat, der in dem Moment zusammenbrach, als die Rote Armee - anders, als am 17. Juni - im inneren Krisenfall in den Kasernen blieb. Sie war keine kommode Diktatur, wie Günter Grass das einmal geschrieben hat. Sie war ein "gesellschaftliches Experiment", das mit Hilfe einer fremden Armee mehr als 40 Jahre lang seine Bürger als sozialistische Manövriermasse betrachtete. Über 1000 Menschen bezahlten das mit ihrem Leben, weil sie von Ost nach West fliehen wollten, mehr als 70 000 landeten allein deshalb im Gefängnis. Das und vieles mehr gerät inzwischen in Vergessenheit. Der PDS ist es tatsächlich gelungen, nach der Wende in Ostdeutschland jene DDR-Identität zu konstituieren, die es vor der Wende, als die DDR noch existierte, kaum gegeben hat. Diese Diktatur der SED, von der die Ostdeutschen sich schließlich selbst befreiten, hat tiefe Spuren hinterlassen. Jede totalitäre Herrschaft verdirbt die guten Sitten, knechtet den freien Willen, verführt den menschlichen Anstand. Dass der Kapitalismus auf seine Weise ebenfalls Seelenunheil anrichtet, spricht nicht dagegen, die Ost-Debatte zu führen.
Die PDS aber rechtfertigt die Existenz der DDR bis heute als legitimes Experiment nach dem Nationalsozialismus. Die Vordenker der PDS behaupten zudem, die "Summe der Repression in der DDR und der heutigen Bundesrepublik" sei "in etwa gleich". Auch deshalb wehren sie den Versuch, etwas geschichtlichen Grund in diese nebelhaften Taten zu bringen, mit aller Macht ab.
Die These, dass Ulbrichts und Honeckers brutale Kybernetik auch ihren Anteil am Tod der Säuglinge in Frankfurt an der Oder haben könnte, ist es deshalb Wert, zumindest untersucht zu werden. Vielleicht erklärt sie nicht die Tat, aber doch das beredte Schweigen, das diese Tötungen auch ermöglichte. An die Frage nach den Spätfolgen der "erzwungenen Proletarisierung" (Schönbohm), dem Konzept der sozialistischen Dörfer (ohne Kirche) und der sozialistischen Stadtlandschaften (ohne urbanen Zufall und Individualität) schließt sich übrigens eine zweite, ebenso unangenehme Frage an. Was bedeutete in der späten DDR ungeborenes Leben?
Als die Täterin in Frankfurt Oder das erste Neugeborene umbrachte, galt in der DDR eine Regelung, die vom damaligen Arbeitgeber ihres Mannes - der Staatssicherheit - im Zweifel organisiert und exekutiert wurde. Jede vietnamesische Vertragsarbeiterin, die beispielsweise in Halle arbeitete und schwanger wurde, hatte die Wahl: Sofortige Abtreibung oder Ausreise. Das war die Realität des realen Sozialismus. Ein westdeutscher Innenminister, der heute versucht, die DDR-Mythen beiseite zu räumen um besser verstehen zu können - der trägt mehr zur Aufklärung bei , als eine Klientel, die nach einem unbegreiflichen Verbrechen nebenan gleich wieder die Jalousien runterlässt.
gruß Maxp.
Schönbohms Fehler besteht darin, in Zeiten eines Wahlkampfes sich zu einem schrecklichen Verbrechen zu äußern, das offenkundig immer noch nicht genügend erschüttert, um darauf zu verzichten, es für den Wahlkampf auszuschlachten. Hat Schönbohm das getan? Nein. Er hat nach einer - zu unscharfen - Erklärung für Roheit und Vergleichgültigung gesucht. Andere zögern hingegen nicht, Schönbohms Gedanken zu verkürzen und zu instrumentalisieren.
Politiker von SPD, Grünen und FDP fordern trotzdem den Rücktritt. Und die Parteifreunde? Sachsen-Anhalts CDU-Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU) sagte Reuters: "Die Entschuldigung ist das Eine. Ich bleibe aber dabei, daß er vor dem Hintergrund dieser Äußerungen über seine politische Zukunft nachdenken sollte." Schönbohm mußte zudem erleben, wie ihn hochrangige CDU-Politiker am Donnerstag anriefen. Ob er denn nicht zurückrudern könne? Nein, den Wortlaut des Interviews hätten sie nicht gelesen.Aber so, wie er ihnen die Argumentation jetzt darstelle, klinge das ganz akzeptabel. Wenige Minuten später flimmerten die Anrufer über den Bildschirm und kritisierten den Brandenburger für seine angebliche Ossi-Schelte. So viel wie in den letzten 48 Stunden dürfte Schönbohm über die CDU in Jahren zuvor nicht gelernt haben.
aus der Welt heute
Für einen Preußen wie Schönbohm schmerzlich; und ich selbst - obwohl weder Preuße noch Preußenfreund - empfinde es auch als illoyal, sich derartig in der Öffentlichkeit zu äussern, wie etwa ein Herr Daehre (wer oder was immer der sein mag - und viele andere), ohne das Interview je gelesen zu haben (wie auch viele hier im Board, weshalb ich es vorgestern auch hier reinkopiert habe aus dem Tagesspiegel).
Schönbohm kämpft mit offenem Visier, aber seine 'Parteifreunde' verhalten sich link und dreckig; dazu zähle ich ausdrücklich auch den Böhmer.
Und auch Merkel hat Schönbohm öffentlich abgewatscht, nachdem sie zuvor mit ihm telefoniert haben soll.
MfG
kiiwii
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Die Wahrheit vor der Wahl – "das hätten Sie wohl gerne gehabt.“
(Sigmar Gabriel auf die Frage, warum er seinen Vorstoß für Steuererhöhungen nicht vor der Wahl präsentiert habe, Ostthüringer Zeitung, 28.9.02)
A.N.
und was ist daran falsch?stimmt doch,muss man nur mal in Brandenburg auf die Dörfer gehen oder da leben!Lauter ehemalige LPG-Mitarbeiter,die teilweise ganz glücklich sind ,weil sie für 40 Jahre Mitgliedschaft ne anständige Rente kriegen oder wütend ,weil auch die Ehefrau arbeitslos ist und jetzt weit weniger ALG fliesst....und die bestenfalls noch ihr Gemüse ziehen und ein paar Hühner haben und mit den Nachbarn abends saufen (wie auch im Westen)
"In totalitären Systemen ist die Wertevermittlung kleingeschrieben", sagte er dem ZDF
stimmt doch auch und dass im Osten nur ca 5% der Bevölkerung noch in der Kirche sind,ist sicher einer der Gründe für die Perspektivlosigkeit der fehlenden Werte und die Tatsache,dass die Parolen der NPD hier willige Ohren finden.Oder auch dafür,dass die Leute lieber wegsehen als sich einzumischen,wenn irgendwo was passiert.
( Fünf Tage nach dem Fund von neun Babyleichen in Brieskow-Finkenheerd ist es für die Staatsanwälte kaum noch glaubhaft, dass niemand etwas von den Schwangerschaften und Geburten bemerkt haben sollte. „Wir haben sehr starke Zweifel an der Aussage der beschuldigten Sabine H.)
Zustimmung erhielt Schönbohm vom hannoverschen Kriminologen Christian Pfeiffer. "Schönbohm hat Recht", sagte Pfeiffer der in Erfurt herausgegebenen "Thüringer Allgemeinen". Er verwies auf eigene Erhebungen, denen zufolge das Risiko für Kinder zwischen null und sechs Jahren, von ihrer Mutter getötet zu werden, im Osten drei Mal höher liege als in den alten Bundesländern. Hier gebe es eine "riesige Ost-West-Differenz".
SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz forderte eine Entschuldigung von Schönbohm. "Er hat offenbar noch immer kein Gefühl für die Menschen in Brandenburg", sagte er der "B.Z.".
-wohl kaum
Man sollte sich die Dummheit des Herrn Schönbohm mal auf der Zunge zergehen
lassen,der gewaltbereite Osten,nach 15 Jahren im Paradies fangen sie an zu
randalieren.
Viele die zur Gewalt neigen sind Jugendliche,die wissen nicht mal mehr wer
Krenz,Erich und Konsorten waren.
Schönbohm zielte mit seinen Aussagen auf die Linkspartei-Pds ,das ist
völlig klar.
Der Schuss ging nach hinten los.
Aber einige Propaganda-Schwarzen hier ,suchen in jeder noch so grossen Scheisse
die die CDU so von sich gibt einen Sinn.
Das ist genauso armselig ,wie zu posten und keine andere Meinung zuzulassen.
Die Jetzt 15 bis 25 jährigen sind halt entweder frühkindlich im Sozialismus aufgewachsen oder eben doch zumindest von Eltern erzogen worden, die ihr komplettes Jugend-Leben in der DDR verbracht haben. Insofern kann man für diese Jungen nicht den Einfluß der DDR einfach auf null setzen.
Ansonsten bin ich der Meinung, das auch bei uns in den alten Ländern viel zu viel weggeschaut wird. :-( Da ist es mit den Werten und Tugenden auch nicht zum besten bestellt.
Grüße
ecki
zum Massenmörder.
Christliche Wertevermittlung,ich lach mich schlapp,was für Werte sollten
das sein Heuchellei?
Bigottismus?
Oder um es mal drastissch tu sagen,man darf Ministranten solange betatschen,
solange man es vertuschen kann.
Welche Werte vermittelt denn der Papst in Rom?
Wie man sich feiern lässt?
Wie man eine antiquirte Moral hochhängt?
Wenn du es für antiquierte Moral hälst, das man seine Neugeborenen nicht sofort töten sollte, dann kannst du ja froh sein, das deine Mutter nicht so dachte wie du.
Grüße
ecki
Nicht im Geringsten sollte Schönbohm zurücktreten. Er sprach die Wahrheit!
Aber alle Anderen , vom Kanzler bis zur Frau Merkel, sollten sich schämen so feige zu sein!
One big family:
MfG bauwi
(Darf ich noch anfügen, daß ich Kickys Beiträge wohltuend sachlich finde ?
Und bauwi kann ich auch nur zustimmen.)
FAS
Wie mit Schwermut getränkt
Brandenburg, früher Streusandbüchse genannt, hat nie Eigenes hervorgebracht. Es war Objekt von Königen, Soldaten und sozialistischen Planern. Wenn das Land von sich hören machte, dann mit Schrecklichem. Von Frank Pergande Die Berliner haben ihr Ausflugsziel wieder - etwa die Märkische Schweiz, wo die Lunge auf Samt geht. Sogar die heute so sehr gepflegte preußische Tradition ist eine zugezogene.
In dieser Woche hat sich die landeskundliche Kenntnis der Deutschen um einen brandenburgischen Ort erweitert. Brieskow-Finkenheerd liegt nahe der Oder zwischen Frankfurt (Oder) im Norden und Eisenhüttenstadt im Süden. Dort fand die Polizei neun Babyleichen. Die Gegend war in Deutschland schon durch eine andere Katastrophe bekannt geworden - das Oderhochwasser 1997. Östlich von Brieskow-Finkenheerd erstreckt sich die Ziltendorfer Niederung, die damals nach zwei Deichbrüchen überflutet worden war.
Überhaupt hat die Bundesrepublik in den vergangenen Jahren viel über Brandenburg gelernt, fast immer Schreckliches.
Über Eberswalde beispielsweise. Dort wurde nach dem Ende der DDR in den neuen Bundesländern der erste Ausländer umgebracht. Es war ein Angolaner, der Antrieb für die Tat rassistisch. Im Jahr 2000 gelangte ein Streit zwischen einem Skinhead und einem Punk an einer Eberswalder Bushaltestelle in die Schlagzeilen, denn der Skinhead stieß den Punk vor ein heranfahrendes Auto. Der Punk starb an den Verletzungen.
Auf ähnliche Weise wurde Guben an der Neiße bekannt. 1999 starb dort ein Algerier, als er sich nach einem Streit vor seinen sich rechtsradikal gebenden Verfolgern retten wollte, in eine geschlossene Haustür sprang und von den Glasscherben so verletzt wurde, daß er verblutete.
Auch von der Uckermark im Nordosten war zu hören. Von dem Dorf Potzlow etwa. Drei junge Leute hatten dort einen vierten Jungen gequält.
Sie töteten ihn, dem Beispiel eines amerikanischen Filmes folgend, indem sie ihn in einen Bordstein beißen ließen und dann auf seinen Hinterkopf sprangen.
So kam es, daß die schlechten Nachrichten über Brandenburg alle anderen in den Schatten stellten und der Innenminister des Landes nach dem Fund der Babyleichen die Nerven verlor. Ähnliches hätte zuvor auch schon dem Wirtschaftsminister passieren können. Die Pleiten Brandenburgs haben etwas Sprichwörtliches. Erst wurde es nichts mit dem Lausitzring, auf dem die Formel 1 fahren sollte. Dann war der Traum von den riesigen Ballons geplatzt, die Lasten über den halben Erdball transportieren sollten. Vom Cargolifter blieb nur die größte freitragende Halle der Welt, heute eine künstliche Tropenwelt. Es wurde auch nichts mit der Chipfabrik in Frankfurt (Oder), die mit dem Geld arabischer Scheichs gebaut werden sollte. Aber hätte all das nicht auch anderswo passieren können?
Brandenburg ist knapp 30 000 Quadratkilometer groß und damit eines der großen Flächenländer in der Bundesrepublik. Gerade einmal 2,5 Millionen Menschen leben hier. Besonders dünn besiedelt sind die Uckermark und im Nordwesten die Prignitz. Wie soll man Brandenburg erklären? Vielleicht so: Aus Brandenburg selbst heraus ist noch nie etwas Eigenes entstanden. Sogar die heute so sehr gepflegte preußische Tradition mit ihren Schlössern und Gärten ist eine zugezogene. Preußen entstand an der Ostsee. 1701 ließ sich Friedrich I. in Königsberg krönen. Die Mark Brandenburg war eine Besitzung unter vielen und hieß abfällig Streusandbüchse.
Auch der in Neuruppin geborene Theodor Fontane hatte lange kaum einen Blick für seine Heimat. Daß er schließlich die Mark Brandenburg literarisch adelte, war, wie er erzählt, einem Zufall zu verdanken. In der Fremde, in der schottischen Grafschaft Kinross, glaubte er, verträumt auf einem Ruderboot sitzend, auf das Rheinsberger Schloß zuzufahren: "Es waren Erinnerungen aus der Heimat, ein unvergessener Tag." Da kam ihm die Idee für die "Wanderungen durch die Mark Brandenburg".
Immer wieder wurde das stille Brandenburg überrollt. Von Kriegen wie dem Dreißigjährigen oder den letzten großen Schlachten des Zweiten Weltkrieges, als die Rote Armee an den Seelower Höhen über die Oder setzte. Von Fremden, die versuchten, in dem kaum besiedelten Land heimisch zu werden - und viel zum Fortschritt beigetragen haben, die Holländer etwa oder die Hugenotten. 1685 hatte der Große Kurfürst das Potsdamer Toleranzedikt unterzeichnet. Über Brandenburg wurde stets absolutistisch entschieden, nicht nur in der Zeit des Absolutismus. Friedrich der Große ließ, ohne die Oder-Fischer zu fragen, das Oderbruch eindeichen und trockenlegen. Er veränderte eine ganze Landschaft, um sein Volk vergrößern zu können.
Brandenburg wurde schon unter den ersten Preußenkönigen das Land der Kasernen. Nach dem Ersten Weltkrieg begann auf den brandenburgischen Übungsplätzen zunächst die geheime, dann die offene Wiederaufrüstung. Das Heer hatte in Wünsdorf südlich von Berlin sein Hauptquartier. Später, in der DDR, besetzte die Sowjetarmee den Kasernengürtel rund um Berlin. In Wünsdorf baute sie sich eine eigene geheime Stadt. In Beelitz hatte sie ihr zentrales Lazarett, in Jüterbog Übungsplätze von russischen Ausmaßen. Auch die DDR-Armee hatte im Brandenburgischen, in Strausberg, ihre Kommandozentrale.
Gleichfalls wie eine Woge war die Industrialisierung über das Land gekommen. Schon in der Zeit des großen Preußenkönigs begann auf seinen Befehl hin die Gründung von Industrieunternehmen, verbunden mit dem Ausbau neuer Transportwege, damals vor allem der Kanäle. Der Finowkanal bei Eberswalde erzählt davon. In der Zeit des Nationalsozialismus entstanden in Brandenburg viele Rüstungsbetriebe. Die DDR, die 1953 das Land Brandenburg in die drei Bezirke Potsdam, Frankfurt (Oder) und Cottbus spaltete, hat Großbetriebe buchstäblich aus dem Boden gestampft oder machte aus alten kleinen Betrieben sozialistische Kombinate: das Petrolchemische Kombinat in Schwedt, das Halbleiterwerk in Frankfurt (Oder), die Braunkohle- und Kraftwerkindustrie in der Lausitz, die optischen Werke in Rathenow, die Bekleidungswerke in Cottbus oder Wittstock.
Neben einem Stahl- und Walzwerk an der Oder entstand eine ganz neue Stadt: Stalinstadt, später Eisenhüttenstadt, die erste - und einzige - "sozialistische Stadt" in der DDR. Eine ungesunde Entwicklung nahmen ebenso die Bezirksstädte, deren Plattenbausiedlungen ins Uferlose zu wachsen schienen, während die ohnehin vom Krieg weitgehend zerstörten Stadtzentren verkamen. Diese Städte haben heute mit den Folgen zu kämpfen. Sie verlieren ihre Einwohner, die seinerzeit wurzellos von Großprojekt zu Großprojekt zogen. Nur Potsdam, die brandenburgische Hauptstadt, ist eine Ausnahme. Vielen gilt Potsdam, heute wieder der Villenvorort von Berlin, als eine der schönsten Städte Deutschlands.
Nach jeder Welle, die über Brandenburg hinweggeschwappt war, blieben wie bei einer Überschwemmung die Trümmer. Die ehemaligen Militärflächen in Brandenburg entsprachen etwa der Größe des Saarlandes. Noch immer stehen leere Kasernen in der Landschaft herum, auch wenn wenigstens die stadtnahen inzwischen zu Bürogebäuden oder Wohnungen umgebaut sind. Von den ehemaligen Industriebetrieben konnten nur wenige gerettet werden und auch diese nur in ihrem Kern. Das Stahl- und Walzwerk in Eisenhüttenstadt, heute zur Arcelor-Gruppe gehörend, ist eines der modernsten in Europa. Auch in Schwedt und in der Lausitz gab es erfolgreiche Ansiedlungen. Massenarbeitslosigkeit und Massenabwanderung konnten sie aber nicht verhindern.
Brandenburg hat neben der Künstlichkeit seiner Entwicklung noch ein weiteres Problem, das zugleich seine Chance ist: Berlin. Die Hauptstadt liegt in Brandenburg wie das Gelbe eines Spiegeleis im Eiweiß. Berlin, 1237 gegründet, hat früher immer zu Brandenburg gehört. Das wurde anders nach 1945, als Berlin geteilt wurde. Nach 1990 wurden aus Berlin und Brandenburg zwei Bundesländer. Ein erster Versuch, daraus per Volksabstimmung eines zu machen, scheiterte 1996. Die Neinstimmen kamen vor allem aus der Prignitz und der Uckermark. Zum ersten Mal war zu erleben, daß der damalige Ministerpräsident des Landes, Manfred Stolpe, an seinen Brandenburgern verzweifeln wollte. Dabei sind beide Länder schon zusammengewachsen - wenigstens im sogenannten Speckgürtel, dem brandenburgischen Gebiet rund um die Hauptstadt. Dort haben sich die Berliner ihre Häuschen im Grünen gekauft. Falkensee etwa, eigentlich eine Kleinstadt, wächst Wohngebiet für Wohngebiet.
Und die Berliner haben seit dem Fall der Mauer ihr Wochenendausflugsziel Brandenburg wieder. Die von Fontane liebevoll beschriebene Märkische Schweiz, wo "die Lunge auf Samt geht", Beelitz mit dem Spargel, Teltow mit den schon von Goethe gelobten Rübchen, Werder mit seinen Obstfeldern. Vor allem haben die Berliner das Gesamtkunstwerk Potsdamer Kulturlandschaft wieder, das durch die Grenze rüde zerschnitten gewesen war. Der Landkreis Teltow-Fläming im Süden Berlins gehört zu den wirtschaftsstärksten in Deutschland mit der Auto- und Flugzeugindustrie in Ludwigsfelde, dem Biotechnologiepark in Luckenwalde.
Doch je weiter man sich vom Zentrum Berlin entfernt, desto trostloser wird es. Selbst die Stadt Brandenburg, die 1157 dank Albrecht dem Bären der Mark ihren Namen gab, kämpft gegen Bedeutungslosigkeit und Verfall. Es ist mit der Stadt wie mit dem ganzen Land: Alles wirkt, als wäre es mit Schwermut getränkt.
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 07.08.2005, Nr. 31 / Seite 3
MfG
kiiwii
nur ist eines klar,auch wenn Schönbohm unklug war,das so im Zusammenhang mit Kindesmord zu formulieren und dies mitten im Wahlkampf,und auch wenn es nu wirklich nicht political correct war,hier soll der letzte Wessi im Brandenburgischen Kabinett und potentielle Minister der CDU geschlachtet werden.(Wie war das noch in Sachsen mit den Wessis?)
Denn allen Ernstes, man muss sich doch fragen,hat er nicht eigentlich sachlich recht?
Nur wer hier von Wertevermittlung spricht und im gleichen Atemzug die zu
Göttern erhebt,die es schaffen mit Betrug zu einem Vermögen kommen,
und es auch noch ins Ausland schaffen und somit besonders schlau sind.
Sollten das abgegriffene Wort .Werte.weder schreiben noch aussprechen.
Werte werden hier in PS-und Euro-Cent gemessen.
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Die Wahrheit vor der Wahl – "das hätten Sie wohl gerne gehabt.“
(Sigmar Gabriel auf die Frage, warum er seinen Vorstoß für Steuererhöhungen nicht vor der Wahl präsentiert habe, Ostthüringer Zeitung, 28.9.02)
Essen (dpa) - Eine Mutter hat in Essen ihre beiden Kinder im Alter von fünf Jahren und 22 Monaten getötet. Die 30-Jährige beging danach einen Selbstmordversuch, der aber scheiterte, berichtete die Polizei. Die Frau erklärte, sie habe aus Verzweiflung über familiäre Probleme die Kinder erstickt. Sie lebt seit längerem von ihrem Ehemann getrennt. Der 31-Jährige war am Morgen in die Wohnung gekommen, um mit den Kindern zu spielen. Dabei entdeckte er die Tragödie. Unklar ist noch, ob die Kinder vorher betäubt oder im Schlaf getötet wurden.
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erschienen am 07.08.2005 um 17:06 Uhr
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