Künast will "Preisdumping" bekämpfen


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Neuester Beitrag: 23.01.03 08:44
Eröffnet am:15.01.03 11:57von: DixieAnzahl Beiträge:18
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3263 Postings, 9078 Tage DixieKünast will "Preisdumping" bekämpfen

 
  
    #1
15.01.03 11:57
SPIEGEL ONLINE - 15. Januar 2003, 9:22
URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,230719,00.html
Einzelhandel

Künast will Preisdumping bekämpfen

Das aggressive Geschäftsgebaren der großen Discount-Ketten sind Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) ein Dorn im Auge. Sie kündigte schärfere Gesetze gegen das Preisdumping an.

 
AP

Sorgt sich um die Existenz der Mittelständler: Verbraucherschützministerin Künast


Berlin - "Was derzeit in vielen Märkten passiert, ist im höchsten Maße Besorgnis erregend", sagte Künast im Interview der Berliner Zeitung. Die Discounter hätten bei vielen Preisen eine beispiellose Abwärtsspirale eingeleitet und damit die Qualität der Produkte aufs Spiel gesetzt.

Die großen Discount-Märkte hatten sich in den letzten Monaten einen bislang noch nie da gewesenen Preiskampf geliefert und dabei zahllose Rabattaktionen und Sonderverkäufe aufgelegt. Doch Qualität gebe es nicht zum Nulltarif, warnte die Ministerin zwei Tage vor Eröffnung der Grünen Woche in Berlin. "Das gilt für Ökoprodukte genauso wie für konventionelle Ware."


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Künast äußerte die Sorge, dass insbesondere Familienbetriebe und Mittelständler im ruinösen Preiskampf auf der Strecke bleiben, weil große Ketten ihre Produkte zum Teil weit unter Einstandspreis anbieten. Außerdem sei es nicht zu akzeptieren, dass die Billig-Märkte Kunden erst mit sensationellen Lockangeboten köderten, dann aber nicht genügend dieser Produkte vorrätig hätten, kritisierte die Ministerin.

Künast kündigte an, bei der für diese Legislaturperiode geplanten Reform des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) würden die Praktiken des Handels mit berücksichtigt. Die Ministerin greift damit langjährige Forderungen von Verbraucherverbänden auf, die das aggressive Preisdumping immer wieder angeprangert hatten.

Die neuesten Daten des Statistischen Bundesamtes vom Dienstag belegen den anhaltenden Abwärtstrend bei den Preisen. Demnach ist die Inflationsrate im vergangenen Jahr mit nur 1,3 Prozent auf den niedrigsten Stand seit 1999 gesunken. 2001 hatte der Preisauftrieb mit 2,5 Prozent noch fast doppelt so hoch gelegen.

 

3263 Postings, 9078 Tage Dixiefür realer ;-) o. T.

 
  
    #2
15.01.03 12:23

21799 Postings, 8918 Tage Karlchen_IMir kommen wirklich die Tränen.

 
  
    #3
15.01.03 12:48
Wenn ein mittelständischer Händler im Wettbewerb nicht mehr mithalten kann, muss er eben aufgeben. So ist das nun mal - oder er sucht sich eine Nische.

Was die Frau Künast als zuständige Ministerin natürlich nicht wissen kann: Schon jetzt ist es verboten, Waren unter Einstandspreis weiter zu ver kaufen. Da ist schon das Kartellamt davor.

Was will die nun mit neuen Gesetzen? Weitere Regulierungen? Wie wäre es denn, Regulierungen abzubauen - etwa das Ladenschlussgesetz ersatzlos zu streichen. Das könnte übrigens auch Mittelständlern Chancen eröffnen  - etwa dadurch, dass sie auch abends oder an Sonn- und Feiertagen verkaufen.  

12104 Postings, 8075 Tage bernsteinwo wollen sich die politiker noch überall.

 
  
    #4
15.01.03 13:31
einmischen?wird schon jeder selbst wissen,welche preise und öffnungszeiten
für ihn zum überleben am besten sind.diese regulierungen erinnern mich sehr an
einen untergegangenen staat.ich seh es doch jedes jahr bei uns im ostseebad.
wem`s zu teuer ist geht zu aldi.die geschäfte sind im sommer jeden tag geöffnet und den urlaubern freut`s.  

3263 Postings, 9078 Tage DixieLasst uns bloß die Schnäppchen!

 
  
    #5
16.01.03 08:13
BILD-Kommentar
Lasst uns bloß die Schnäppchen!

Von Stefanie Haberstock  

 


Ministerin Künast schnallt sich die Sporen unter. Wie eine moderne Jeanne d’Arc kämpft sie – angeblich im Namen der Verbraucher.

Ihr Feind: Die „bösen“ Discounter.


Doch halt im Getümmel! Kämpft Frau Künast nicht in Wahrheit gegen uns, die Kunden?


Niedrige Preise stehen für schlechte Qualität, warnt sie. Das ist absurd! Hinter vielen Minipreisen verstecken sich Top-Produkte von Markenherstellern. Das weiß heute jede Hausfrau.


Und Tatsache ist auch: Viele Geldbörsen sind zurzeit dünn wie Mohnblättchen. Da müssen die Deutschen jeden Cent zweimal umdrehen.


Wer mit wenig Geld eine Familie ernähren muss, ist froh, die prall gefüllten Einkaufswagen bei Aldi, Lidl & Co. rausschieben zu können.


Schuld an unserer Misere sind nicht die Discounter. Schuld sind die immer höheren Steuern und Abgaben, die uns die Regierung aufbrummt.


Dagegen sollte Frau Künast zu Felde ziehen. Und nicht uns die günstigen Preise vermiesen!  

 

118 Postings, 7888 Tage DostojewskiWundert mich nur,

 
  
    #6
16.01.03 08:34
dass immer noch rund 10% der Deutschen (laut Umfragen) hinter den Grünen steht.
Für mich die allerletzte Partei.
Wie dieses Beispiel eindrucksvoll beweist.
Steuern erhöhen, niedrige Preise verbieten, also kräftig weiter die Grünen wählen!  

6506 Postings, 8298 Tage BankerslastNun wollen auch die Grünen

 
  
    #7
16.01.03 08:49
Lufthohheit.
Lufthoheit über Aldi, Lidl und Co. In deren Management lacht man sich schlapp.
Mann haben wir eine Regierung.  

3263 Postings, 9078 Tage DixieDas Volk kriegt die Regierung, die es gewählt hat. o. T.

 
  
    #8
16.01.03 09:02

21799 Postings, 8918 Tage Karlchen_IEine Ministerin, die nicht weiß wovon sie redet.

 
  
    #9
16.01.03 09:17
Das Kartellamt prüft die Preispolitik der großen Ketten genau.

Aber wie soll denn die Künast das wissen - eine Frau, die aber auch fachlich gar nichts vorzuweisen hat, die ihre Einsetzung in dieses Ministeramt rechtfetigen würde.

Sozialarbeiterin, hat zwei Jahre gearbeitet, dann wurde ihr das wohl zuviel, dann Jurastudium und dann nur noch Politk.  

2101 Postings, 8148 Tage ribaldKalli, sie ist aber sehr, sehr populär. Das reicht o. T.

 
  
    #10
16.01.03 09:33

3263 Postings, 9078 Tage DixieDie Ölquellen der Discounter

 
  
    #11
16.01.03 09:40
Unternehmen


Die Ölquellen der Discounter


Für die Stiftung Warentest ist das billigste Olivenöl das beste. Die Branche schäumt und kreiert neue Rezepturen. Es geht um ein Millionengeschäft und die Frage: ranzig oder nicht, italienisch oder gepanscht?


CHRISTOPH HARDT, Düsseldorf

HANDELSBLATT, 16.1.2003

Im Zustand der Jungfräulichkeit ist die „göttliche Frucht“ hart, grün und unansehnlich. Sie ist klein wie ein Daumennagel, birgt eine gewisse Schärfe. Wird sie dann aber, wenn die Zeit gekommen ist, behutsam gepflückt und behandelt, dann kann aus der Olive „flüssiges Gold“ werden. Dass wusste schon der Grieche Homer; und die Leute von der Stiftung Warentest hätten es wissen müssen. Unternehmer wie Theo Albrecht, Chef von Aldi-Nord, oder Lidl-Boss Dieter Schwarz wissen es jedenfalls.

Denn: Es gibt wohl kaum ein Lebensmittel, das in den vergangenen Jahren in Deutschland so erfolgreich gewesen ist wie Olivenöl. Verbrauchte ein Deutscher vor zehn Jahren im Schnitt 0,12 Liter, so hat sich der Pro-Kopf-Verbrauch pro Jahr auf knapp ein Liter fast verzehnfacht. Weit mehr als 100 Millionen Euro dürften die Deutschen inzwischen im Jahr dafür ausgeben.

Wohl auch deshalb gibt es kaum ein Lebensmittel, mit dem in den vergangenen Jahren so viel Schindluder getrieben wurde wie mit dem Lieblingsöl der Gesundheitsapostel und Gourmets. Nun hat die Bibel der Verbraucherschützer, das Magazin „test“, den Markt endgültig durcheinander gerüttelt. Seither schäumt die Branche, die Wellen der Empörung sind noch bei den Olivenbauern von Cartoceto in Mittelitalien zu spüren. Ausgerechnet das billigste Olivenöl, das in Deutschland überhaupt auf dem Markt ist, hat die Stiftung Warentest jüngst zum besten aller 32 getesteten Produkte ausgekostet. „Luccese“ heißt es, das klingt italienisch nach Lucca, dem Zentrum der toskanischen Ölindustrie. Dann hat es sich aber auch schon mit der Toskana. Denn das Öl stammt nicht aus Lucca, hier sitzt nur der Abfüller, die Familie Rocchi, die italienische Variante der Ölmagnaten. Woher das Öl kommt? Egal, die Stiftung hat gesprochen. „Ich kaufe Olivenöl nur noch bei Lidl“, sagt Sabine Schwarz, Angestellte, Hausfrau und Mutter aus Köln. So wie Schwarz halten es seit den Testergebnissen zigtausende von Konsumenten, das Lidl-Öl ist der Renner, vor Weihnachten war „Luccese“ sogar ausverkauft.

Kaum war das Testergebnis auf dem Markt, hat auch Konkurrent Aldi heftig reagiert. Er solle sein Öl schleunigst abholen, wurde dem eigenen Großimporteur bedeutet. Dessen Öl der Marke „Lorena“ hatte im Warentest gerade noch mit Vier minus abgeschnitten, „leicht stichig und ranzig.“ Lastwagenweise musste die Alfred Graf Import GmbH Hamburg das Öl daraufhin aus den Lagern von Aldi-Nord holen. „Wir haben es nach Italien zurückgebracht“, berichtet Rolf Scheuerle, Inhaber der Graf GmbH. Er importiert nach eigenen Angaben etwa ein Drittel des gesamten in Deutschland verkauften Olivenöls. Für Scheuerle war der Warentest natürlich ein Schlag ins Kontor. 1994 und 98 war „Lorena“ noch mit einem „Gut“ versehen worden.

„Dieses Urteil kann nicht wahr sein“, klagt Oliver Wirtz, Besitzer eines Importgeschäfts für Weine und Lebensmittel in Hennef bei Bonn. Den Namen Lidl kann er nicht mehr hören, das günstigste der von ihm verkauften Öle kostet gut fünfmal so viel wie das Produkt von der Palette.

Das Kernproblem der gewaltigen Preisunterschiede: Jedes Olivenöl, das keine oder fast keine Fehler bei den Geschmackstests aufweist, darf laut EU derzeit mit der höchsten Qualitätsbezeichnung „nativ extra“ oder, wie in Italien, „extra vergine“ bezeichnet werden. So kommt es vor, dass ein im Lkw-Tank durch halb Europa kutschiertes und maschinell geerntetes Massenöl genauso „extra vergine“ heißen kann wie ein handverlesenes Öl aus den Hügeln an der Adria.

Wenn die Bauern von Cartoceto in den Marken ihre Oliven wie noch zu Cäsars Zeiten mit der Hand pflücken, dann geht die Arbeit auf die Knochen. Denn soll die Ragiola-Olive, die ausschließlich dort geerntet wird, Öl von bester Qualität ergeben, dann muss sie unverletzt von den Stengeln geholt und möglichst schnell gemahlen werden. Wer vor Ort aus dem Fass kauft, zahlt dann zehn Euro für den Liter „extra vergine“. Bei Lidl kostet „nativ extra“ 2,65 Euro im Liter.

Von der Toskana aus macht Andreas März, Chefredakteur des Weinmagazins Merum, gegen die Warentester mobil. Er hat das Lidl-Öl selbst probiert, kaum dass der Test auf dem Markt war. Im Dezember-Heft von Merum ist zu lesen, was dann geschah: „Erwartungsvoll kostete ich von der Luccese-Flasche. Reichlich goss ich in die hausgemachte Kürbissuppe. Aber welche Enttäuschung: das Öl schmeckte verdorben und stank zum Himmel.“ So wurde eine toskanische Suppe Opfer der Stiftung Warentest, März goss sie in den Abfluss.

Mag Weinfreund März bei seiner persönlichen sensorischen Prüfung übertrieben haben, zwei italienische Testteams rochen und probierten „Luccese“ im Auftrag von Merum, ebenfalls in Blindproben. Die Tester der Handelskammer Florenz entdeckten bei ihrer Probe kleine Fehler und stuften das Öl herab. Die Mastri Oleari in Mailand schüttelten sich gar. Luccese? Deutlich fehlerhaft, eigentlich für nichts zu gebrauchen, nicht für den Motor und erst recht nicht für den Salat.

Dieter Oberg, eine Art Papst unter den Öltestern, erklärt die großen Preis- und Qualitätsunterschiede so: Luccese sei eine Mischung aus Olivenölen unterschiedlichster Herkunft, die aus einzelnen Fraktionen für den deutschen Markt speziell abgefüllt werde. Daher sei klar, dass das Öl, das die Warentester geprüft hätten, längst nicht mehr im Handel sei. „Heute ist es ein ganz anderes Öl.“ Das bedeute aber nicht, dass das aktuelle Luccese von schlechterer Qualität sein müsse. „Da kann tunesisches, griechisches und spanisches Öl drin sein, das heißt aber noch lange nicht, dass es schlechtes Öl sein muss.“

Brigitte Rehlender, Projektleiterin der Stiftung Warentest, verteidigt das Test-Ergebnis. Die Stiftung habe bei ihrem Test ausdrücklich auf das Mindesthaltbarkeitsdatum des Lidl-Öls aufmerksam gemacht. Mehr könne sie nicht leisten. Denn natürlich sei es schwierig, die Qualität eines Öls bei jeder Abfüllung aufrechtzuerhalten. Aber bei Standardölen sei es wie bei Kaffee oder Markensekt: „Hier wird aus Quellen unterschiedlichster Herkunft ein Produkt komponiert.“ So wie Aldi und Lidl halten es viele Olivenölanbieter, sie lassen ihr Öl in Italien abfüllen und „komponieren“, ohne dass wirklich italienisches Öl in der Flasche wäre. So ist Italien mit Abstand größter Olivenlölexporteur der Welt, muss aber jedes Jahr mindestens 200 000 Tonnen selbst importieren.

Ohne konkrete oder gar geschützte Herkunftsbezeichnung wie „Olio di Cartoceto“ kann also kein Konsument wissen, wie bunt die Mischung wirklich ist, die er sich über den Salat gießt. Längst wird Olivenöl über Broker gehandelt wie Schweinehälften oder Nordsee-Öl, das Massenprodukt stammt aus gewaltigen Plantagen, in denen die Oliven in Intensivkultur maschinell geerntet werden, bislang gefördert mit Milliardensubventionen der EU, 2001 waren es 2,2 Milliarden Euro.

Leute wie Aldi-Importeur Rolf Scheuerle machen dann hier die Preise. Täglich telefoniert er mit den „Agenten“ in Andalusien. Den Schock des Warentests hat er inzwischen verkraftet, der Test sei „im Prinzip fair“ gewesen, obwohl den Testern offensichtlich Erfahrung und wohl auch Geschmack fehle. „Ich würde ja auch keinen rheinischen Sauberbraten in Italien testen lassen.“ Es sei unmöglich, dass, wie im Test, 20 von 32 Ölen ranzig seien. Der Importeur jedenfalls ist im Geschäft geblieben, er liefert weiter, an Kaufhof, Karstadt und Aldi.

Nur „Lorena“ gibt es jetzt nicht mehr im Hause Aldi. Scheuerle hat die Mischung ändern lassen. Einen neuen Namen und ein neues Etikett hat das Öl auch. Doch der Abfüller in Ligurien, der ist immer noch derselbe.


HANDELSBLATT, Donnerstag, 16. Januar 2003, 06:01 Uhr

 

2101 Postings, 8148 Tage ribaldDAS wird Frau Künast noch populärer machen

 
  
    #12
16.01.03 10:05
   
                         

3263 Postings, 9078 Tage DixieDie Preiswächterin

 
  
    #13
16.01.03 10:32
Die Preiswächterin

wmu. Im vergangenen Jahr ist die selbsternannte Retterin der deutschen Verbraucher als Veranstalterin ergebnisloser Anti-Teuro-Gipfel in Erscheinung getreten. Nun spielt sich Renate Künast als Preiswächterin in die andere Richtung auf. Diesmal sind ihr die Preise im Einzelhandel nicht zu hoch, sondern zu niedrig. Weil ihr manche Rabattaktion nicht paßt, will die Ministerin im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb festschreiben, daß Discounter ihre Produkte nicht unter Einstandspreis verkaufen dürfen. Das ist ein selten unsinniges Ansinnen. Zum einen läuft es komplett der bisher bekundeten Absicht der Koalition zuwider, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb von anachronistischen Regeln zur Verhinderung von Rabatten zu befreien. Zum zweiten existiert ein solches Verbot schon, nämlich im Kartellgesetz. Die Erfahrungen, die damit seit seiner Einführung 1999 gemacht wurden, sind denkbar schlecht. Das Kartellamt ist im Kampf gegen sogenanntes "Preisdumping" naturgemäß völlig überfordert. Gott sei Dank, sollte man sagen. Denn zum dritten haben weder eine Behörde noch der Gesetzgeber, noch eine Ministerin die Aufgabe, zu bestimmen, welche Preise "normal" sind. Diese bilden sich im Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Künast geht es angeblich darum, die Verbraucher zu schützen. Warum können diese nicht einfach selbst entscheiden, ob sie sich von Rabattaktionen geschädigt fühlen?

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.01.2003, Nr. 13 / Seite 11  

2728 Postings, 7904 Tage anarch.Die eine Richtung war nichts ...

 
  
    #14
16.01.03 10:40

... also machen wir das exakte Gegenteil. Rot-Grüne Logik eben.  

3263 Postings, 9078 Tage DixieDiese Promis kaufen bei Aldi ein

 
  
    #15
16.01.03 14:09
TV-Moderatorin Andrea Kempter:

Für die Pro7-Moderatorin gibt es viele Gründe, bei Aldi einzukaufen. Schnelle Kassiererinnen, keine Parkplatzsorgen und faire Preise. Ihren Einkaufswagen füllt sie mit Gummibärchen, Keksen, Trüffelleberwurst, Frischkäse und Champagner. „Zum Obstkaufen gehe ich aber lieber auf den Wochenmarkt“, erklärte sie in der „Bunten“.

TV-Moderatorin Alida Kurras:

Die Neun-Live-Moderatorin achtet bei Lebensmitteln sehr auf den Preis: „Ich suche mir die günstigsten Angebote heraus und gehe bei Plus oder Aldi einkaufen,“ so Kurras. Doch nicht nur bei Lebensmitteln versucht Sie zu sparen. „Bei Kleidung bin ich ein Schnäppchenjäger, die kaufe ich meistens im Schlussverkauf“, sagte sie im Bunte-Interview.

Fußballprofi Benjamin Lauth:

Der 21-jährige Topstürmer von 1860 München ist ein bodenständiger Typ: „Ich brauche keinen Hummer oder Kaviar vom Feinkostladen“, meint der Nationalspieler. „Aldi ist Kult und ich kaufe gern dort ein. Da stimmen die Preise, und ich bekomme alles, was mir schmeckt und was in meinen Kühlschrank gehört.“

TV-Moderatorin Eve-Maren Büchner:

Die n-tv-Moderatorin Eve-Maren Büchner hat sich für Einkäufe beim Discounter noch nie geschämt. Für sie zählt allein das Preis-Leistungsverhältnis. „Bei Aldi finde ich alles, vom Rotwein aus Chile bis zum PC-Zubehör“, verriet die 30jährige in der "Bunten". Den zweiten Platz auf Büchners "Schnäppchen-Laden-Liste" belegt Tchibo.

Starfriseur Gerhard Meir:

In den 80er Jahren machte der Figaro mit extravaganten Frisuren die Modewelt auf seine Künste aufmerksam. Privat darf es aber weniger extravagant sein. Meir ist ständig auf Schnäppchenjagd, besonders bei Spirituosen, italenischem Wein und Olivenöl. Seine Aldi-Lieblingsartikel: Champagner, Fruchtjogurt und Ananas in Dosen.


Ministerpräsident Roland Koch:

Als Häuslebauer und Familienvater achtet Hessens Ministerpräsident Roland Koch auf’s Geld. Vor allem Kleidung und Wein stehen auf seinem Aldi-Einkaufszettel. „Meine Kinder sind schon oft bei Aldi eingekleidet worden. Und wenn wir Freunde einladen, kommt auch schon mal ein Flasche Wein von Aldi auf den Tisch“, meint der Politiker.


Schauspielerin Yasmina Filali:

Als ehemaliges Model trug die 28-Jährige sündhaft teure Kleider von Vivian Westwood und Nino Cerruti über den Laufsteg. Im Privatleben muss es nicht das Teuerste sein. Im Gegensatz zu anderen Promis kauft sie sogar ihr Obst im Discounter. „Über die Preise auf den Wochenmärkten rege ich mich nur auf", sagt die Schauspielerin.

Society-Lady Tatjana Gsell:

Die Gattin des Schönheitschirugen Franz Gsell blättert für eleganten Abendkleider schon mal ein paar Tausender hin. Bei Lebensmitteln ist sie sparsamer: „ Ich gehe gern mal zu Aldi, weil es dort eine Menge leckerer Sachen zu fairen Preisen gibt", verriet die 31-Jährige im Bunte-Interview. Ihre Topartikel: Schokopudding, Lachs und Salami.

Bestseller-Autorin Hera Lind:

Die Schriftstellerin ( "Das Superweib") und ehemalige "Herzblatt"-Moderatorin erledigt ihren wöchentlichen Großeinkäufe bei Hofer, dem österreichischen Aldi. „Meine Familie achtet schon auf’s Geld. Durch die Einkäufe bei Hofer sparen wir rund 100 Euro und bekommen trotzdem Produkte in guter Qualität“, meint sie.

Und zum guten Schluß:

Verbraucherministerin Renate Künast:

Bei Obst oder Gemüse geht die 47-jährige Verbraucherschutzministerin keine Kompromisse ein: Das kauft sie nur aus ökologischem Anbau und bei regionalen Händlern. „Für Basiseinkäufe gehe ich auch zu Aldi“, verriet die Grünen-Politikerin in der „Bunten“. Ihre Lieblingsartikel: Jogurt und Recycling-Toilettenpapier.


http://finanzen.aol.de/finanzen/business/topthema/...w.jsp?cid=363833












 

3263 Postings, 9078 Tage Dixieschwer vermittelbar

 
  
    #16
16.01.03 17:07
Schritte gegen Niedrigstpreise schwer vermittelbar


Von Thorsten Kuchta


Renate Künast heißt nicht nur Verbraucherschutzministerin, sie nimmt diesen Titel ernst – wenn es sein muss, gegen den Trend. Jetzt hat sich die streitbare Grüne der Preise angenommen. Discounter seien zu billig, sagt sie. Und stellt sich damit gegen alle Verbraucher, die genau das als Segen empfinden.

Das ist Künasts Problem. Ihre Prognose, dass sich die Verbraucher nach BSE, Hormonen und Antibiotika im Fleisch der Ökoware zuwenden, hat sich nicht erfüllt. Trotz aller Skandale ist für die Mehrheit der Preis entscheidendes Kriterium. Künasts Kampf für mehr Lebensmittelqualität und mehr Vielfalt im Handel kann darüber nicht hinwegsehen.

Ihre Kampagne steht auf schwachen Füßen. Der Vorwurf des „Preisdumping“ ist nicht bewiesen. Das größte Problem aber ist, dass Verbraucher trotz aller guten Argumente höhere Preise kaum als Schutz verstehen werden. :-)  

3263 Postings, 9078 Tage DixieDie Lufthoheit über den Kochtöpfen ;-)

 
  
    #17
23.01.03 08:29
Die Lufthoheit über den Kochtöpfen
Discounter-Kritiker wollen Verbraucher nicht schützen, sondern entmündigen - Debatte
von Dirk Maxeiner

Undank ist der Welten Lohn. Ende des letzten Jahres hat die deutsche Verbraucherministerin Renate Künast für viele Millionen Euro ein buntes Heftchen drucken und verbreiten lassen, das dem Volk „Fakten zum biologischen Landbau“ kredenzt. Und was macht diese ignorante Masse? Sie läuft prompt zu Aldi und Lidl und bedient sich dort am Billigregal. Eigentlich sollte in diesen Tagen der Verkauf von Bioware wachsen und gedeihen, doch stattdessen verzeichnen die Lebensmitteldiscounter ungeahnten Zulauf. Volkserziehung ist wirklich ein hartes Brot.


Doch wer über ein ungebrochenes Sendungsbewusstsein verfügt, die gibt so schnell nicht auf. Unsere Verbraucherministerin zog aus ihrem fehlgeschlagenen Eingriff in das Marktgeschehen den Schluss, dann müsse man die Daumenschrauben eben etwas anziehen. Also weg mit den Schnäppchen! Kein Salatkopf mehr für 49 Cent! Tiefpreisverbot! Sie ist damit ziemlich rasch an dem Punkt gelandet, auf den dieses neue Ministerium von Anfang an zulief: Der Verbraucher muss vor sich selbst geschützt werden.


Für ein solches Vorhaben findet sich wie immer rasch eine Phalanx von begeisterten Verbündeten. Das geht los mit den so genannten Verbraucherverbänden und endet beim Vorsitzenden des deutschen Bauernverbandes. Allesamt sind sie beleidigt: Noch nie wurde ein so geringer Teil der Haushaltsausgaben für Lebensmittel verwendet wie heute, sagen sie. Das stimmt sogar. Allerdings wurde auch noch nie ein so großer Teil des Einkommens dem Staat gegeben wie heute. Und im Durchschnitt 500 Euro pro Jahr werden aus der Tasche jedes Steuerzahlers von fürsorglichen Beamten in die diversen landwirtschaftlichen Subventionstöpfe umgeleitet. Bedauerlicherweise kommt allerdings nur etwa ein Viertel davon tatsächlich bei den Bauern an. Die stattliche Restsumme verschwindet irgendwo in einem Bermudadreieck, aus dem Subventionsabzocker, aber auch der staatliche und halbstaatliche Verteilungsapparat ihre Gehälter beziehen. Dies schreit natürlich nach noch mehr Regulierung – im Dienste der Volksgesundheit im Allgemeinen und der betroffenen Stände im Besonderen.


Deshalb hat man sich bei den Ständen und im Ministerium ein äußerst anspruchsvolles volkspädagogisches Ziel gesetzt. Der zum Schnäppchenjagen neigende Deutsche soll nun endlich begreifen: Billig ist gefährlich! Nun könnten schlichte Gemüter antworten: Ja, gefährlich besonders für nicht wettbewerbsfähige Branchen. Ferner könnten sie hinzufügen: Wer teuer leben will, darf ja ruhig teuer einkaufen. Zur Orientierung sei ein Rundgang durch die Feinkostabteilung des KaDeWe empfohlen, da könnten unsere Verbraucherministerin und Gerd Sonnleitner doch mal gemeinsam durchspazieren. Ein echtes Schlaraffenland für Verbraucherschützer und Bauernfunktionäre. Vielleicht gibt’s dort demnächst auch Sonderaktionen: Heute extrateuer, Rinderfilet für 46 Euro das Kilo! Zugreifen, bevor es billiger wird!


Aber ist teurer wirklich gesünder? Es kommt ja bisher schon vor, dass verschiedene Händler die gleichen Tomaten auf dem Großmarkt kaufen und dann zu beeindruckend unterschiedlichen Preisen an ihre Kunden weiterveräußern. Wer schlau ist, sucht sich den billigsten Anbieter heraus. Sind seine Tomaten plötzlich dadurch ungesünder, dass sie billiger sind? Und überhaupt: Können sich heute nicht viel mehr Menschen beispielsweise frisches Gemüse und Obst leisten als in früheren Zeiten, gerade weil es nun Aldi und Lidl gibt? Sind deren Tiefstpreise nicht sogar ein echtes Verdienst an der Volksgesundheit?


Und wie kommen Verbraucherschützer bloß auf die Idee, gegen Dosennahrung, Tiefkühlkost oder moderne Konservierungsstoffe zu wettern? Gerade traditionelle Konservierungsmethoden wie Pökeln und Räuchern bergen bei sehr häufigem Verzehr ein hohes Magenkrebsrisiko. Moderne Konservierungsstoffe sind im Vergleich dazu der reine Segen, und auch Konservendosen machen sich um unsere Gesundheit verdient. Besonders löblich arbeitet der Kühlschrank für unser Wohlbefinden: Überall, wo er die Haushalte erobert, geht die Magenkrebshäufigkeit zurück, weil er die Lebensmittel frisch hält.


Generell ist unsere alltägliche Nahrung auf Grund der strengen Hygienevorschriften und neuer Techniken heute gesundheitlich sehr viel unproblematischer als in alten Zeiten, zu denen viele Tausend Menschen infolge verdorbener oder mit Schimmelpilzgiften verseuchter Lebensmittel verstarben. Nicht zuletzt die qualitativ bessere und gesündere Ernährung ist auch einer der Gründe, warum die Lebenserwartung der Menschen in Deutschland sich gegenüber dem 19. Jahrhundert verdoppelt hat. Statistisch betrachtet hat sie in den vergangenen 160 Jahren jedes Jahr um drei Monate zugenommen, und dieser Trend setzt sich weiterhin fort.


Es geht in der gegenwärtigen Debatte über Discountangebote ganz offensichtlich nicht um den Schutz der Verbraucher, sondern um seine Entmündigung. Und in dieser Hinsicht gibt es noch wirklich viel zu tun. Essen wir nicht alle zu fett? Wie wäre es also mit Strafsteuern für Currywurstbuden und Hamburgerketten? Als Alternative dazu könnten auch staatlich subventionierte Öko-Volksküchen eröffnet werden. Und noch ein heißer Tipp sei hier verabreicht: Auf jeden Fall müsste das Verbraucherschutzministerium die Verbraucher auch davor schützen, ihre Beschützer bei nächster Gelegenheit abzuwählen.


Dirk Maxeiner ist freier Autor in Augsburg. Mit Michael Miersch schrieb er mehrere Bestseller im Bereich Wissenschaft und Gesellschaft.


Debattenbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder.


Artikel erschienen am 23. Jan 2003
 

3263 Postings, 9078 Tage DixieEine andere Meinung vertritt die FAZ

 
  
    #18
23.01.03 08:44
Künasts Welt

Die Grüne Woche zeigt die Krise einer fleischfressenden Kultur


Die Rentnerin hat noch einen Versuch gemacht, zu entkommen, aber der Wurstverkäufer ist schneller. "Der halbe Meter Wurst ein Euro neunzig", brüllt er über seinen Stand der Frau entgegen, die daraufhin den Kopf einzieht, als sei sie bei etwas Verbotenem erwischt worden. "Die ist lecker, die ist billig, die wollen Sie haben!" Die Frau zahlt und bekommt eine gigantische Wurst überreicht. "Das ist nicht teuer, das ist ein Schnäppchen", ruft der Verkäufer.

Ein Wort, das die Verbraucherschutzministerin Renate Künast eigentlich lieber nicht mehr hören wollte, vor allem nicht hier auf der Grünen Woche, wo es ja auch um Qualität aus deutschen Landen gehen sollte. Aber ihre Idee, die Dumpingangebote der Discountmärkte, unter denen langfristig der Mittelstand und die Qualität leide, neuen Wettbewerbsregeln zu unterwerfen, kam nicht gut an. Wirtschaftsminister Clement verwahrte sich energisch gegen jeden Eingriff in den Markt - und der ist an Ökoprodukten nicht interessiert. Die ökologisch bewirtschaftete Fläche in Deutschland liegt immer noch bei 3,7 Prozent, und utopisch wirkt das Vorhaben von Renate Künast, diesen Anteil bald auf zwanzig Prozent zu steigern. Billig und viel ist das Motto in den Zeiten wirtschaftlicher Krise, und die Grüne Woche ist mehr denn je ein Freßfest im Geist der frühen fünfziger Jahre.

Viel Fleisch war immer wichtig bei dieser Veranstaltung, die seit 1926 in Berlin stattfindet und mit ihren vollen Tischen immer ein Gegenbild entwarf zu den krisengeschüttelten Zeiten: Schon in den zwanziger Jahren, zwischen der großen Inflation und der großen Krise, war die Agrarschau das Utopia des vollen Magens, und wenn die Freßwelle der fünfziger Jahre jemals eine architektonische Form angenommen hat, dann hier.

Die Grüne Woche ist eine Idealstadt des Magens, angeordnet um ein Zentrum aus Schinken und Bratwurst, von dem sternförmig die Hauptstraßen abgehen. Sie werden gesäumt von Hunderten Buden und Biergärten und Fleischtheken - ein stadtgewordener Verdauungstrakt, durch den sich die Menschen als soziale Bratwürste hindurchbewegen. In den Randbezirken liegen Stände, die um die übrigen Garanten kleinbürgerlichen Glücks herumgebaut sind: Es geht um Essen und Autofahren, Haus und Garten, Urlaub und Sex. Hier eine Kuh, dort ein Kia-Familienauto, hier eine Bauchtänzerin, dort ein Rasenmäher. Die Grüne Woche ist ein ideales, mikrokosmisches Deutschland - aber wenn man genau hinsieht, hat die Idealwelt Risse bekommen.

In einer Halle neben den großen Freßachsen sind Ferienhäuser und Gartenlauben ausgestellt, die wie ein imaginärer Vorort an der Peripherie der Freßstraßen liegen. Ein Holzhaus mit Terrasse, Modell "Harz", 24 Quadratmeter groß, kostet 4399 Euro, Klappläden im Bauernstil kosten 99 Euro extra. Die aufwendigste Blockhütte heißt "Berlin", und während man noch rätselt, warum Berlin die hüttenhierarchische Steigerungsform des Harz ist, kommt man zu den Kaminen der schwäbischen Firma Wodke, die "Mamma mia", "Titanic" und "Ethno" heißen. "Träumen Sie nicht länger von Ihrem Traumkamin, handeln Sie", fordert ein Faltblatt der Firma. "Denn es gibt so viele andere Dinge im Leben, auf die man ewig wartet."

Ganz sicher nicht zu diesen Dingen gehören die Autos der koreanischen Billigmarke Kia, von denen eins in der nächsten Halle steht. Ein Modell von Kia heißt "Carnival", was bekanntlich soviel wie "das Fleisch lebt" bedeutet, und so sieht das Auto auch aus: wie ein wiederbelebter Schinken auf der Flucht. Im Kia-Prospekt stehen dazu die denkwürdigen Sätze: "Wir meinen, daß es heute kein Problem mehr ist, einen Kia vor der Tür zu haben. Oder haben Sie ein Image-Problem?" Der Prospekt bewirbt außerdem das Modell Sorento, den "Luxus-Offroader zum Aldi-Preis".

Luxus darf nur Aldi-Preise kosten.

Luxus zum Aldi-Preis: Dieses Fanal bestimmt die Grüne Woche. Wer hierherkommt, will das Billige, einen halben Meter Wurst für zwei Euro, eine Schnäppchenreise nach Bali, einen Luxus-Offroader mit V8-Motor und Velourssitzen. Nur merkt man gerade auf der grünen Woche, wie sehr der Traum vom Billigschlaraffenland und die Verfügbarkeitsphantasien einer neoliberalen Gesellschaft in die Krise gerutscht sind.

Die Grüne Woche ist das Pompeji der Konsumkultur. Noch einmal wird gefuttert und gemästet, was das Zeug hält, aber jenseits der Bratendämpfe befallen Lebensmittelskandale, der drohende Benzinpreisschock und die Terrorangst des Pauschaltouristen die letzten Bastionen kleinbürgerlichen Glücks und machen eine Krise offensichtlich, die schon lange schwelt. Bald, wenn der Ölpreis weiter steigt, wird das Geld nicht mehr reichen, um den gefräßigen Tank des Luxus-Offroaders zu füllen, dann wird die lustvolle Raserei zum Aldi-Preis ausgebremst von Steuerschuld und Schuldgefühlen gegenüber dem eigenen Portemonnaie. Vieles, was früher das Hochgefühl totaler Verfügbarkeit vermittelte, trägt heute Todesdrohungen mit sich: Die Angst vor Anschlägen verhagelt den Traum vom Tropenparadies, in den Kühltruhen lauert BSE, beim Seitensprung im Büro droht Aids. Die Infektionszahlen steigen dramatisch auch in Europa, jenseits der Schlagzeilen bereiten Hunderte neue BSE-Fälle den Verbraucherschützern Kopfzerbrechen. Rinderbraten und Reihenhaus, Urlaub, Auto, Sex: Alle Glücksquellen einer konsumfreudigen Kultur, die über Jahrzehnte das kollektive Wohlgefühl prägte, versiegen gleichzeitig.

Dabei - das kann man nirgendwo so gut sehen wie auf der Grünen Woche - ist nicht der Luxus das Problem, sondern seine sorglose Popularisierung auf Aldi-Niveau. Die Gefahr liegt im millionenfachen Pseudoluxus der Mittelklasseautos, die täglich aus den Vororten in die Innenstädte rollen und das ruinieren, was ihre Besitzer mit ihren Gartenlauben inszenieren - das Leben in der Natur. Nirgendwo kann man so eindrucksvoll spüren, daß kleinbürgerliches Anspruchsdenken und ungebremster Konsum direkt in den gesundheitlichen und ökologischen Kollaps führen wie auf der Grünen Woche. In der Tierhalle riecht es nach Schweiß und Tierkot und Bratwurst. Die Pferde, auf denen Kinder reiten dürfen, ziehen depressiv ihre Bahn, die Ferkel liegen wie tot in ihrem Gatter und wissen nicht, daß die längliche Wurst in der Hand des Mannes hinter ihnen auch einmal ein Schwein war. Neben ein paar eingepferchten Hühnern wirbt ein Mann für Gewinnspiele rund ums Geflügel. Das Spiel heißt "Mit Pute punkten".

In einer Halle ist ein Piratenboot aufgebaut worden, das für Mecklenburg-Vorpommern wirbt, eine orientalische Bauchtänzerin springt über die Tische. Ein Mann bestellt sein viertes Bier, dann kracht er gegen ein Schild, auf dem "Möwenschiß - der Tequila des Nordens" steht. Am amerikanischen Stand fragt eine Frau den Kellner, ob es bald Krieg geben werde. Wisse er auch nicht, sagt der, er komme ja aus dem Wedding und nicht aus den Staaten. Am Stand von Usbekistan sieht es sehr aufgeräumt aus, ein paar Gläser mit eingemachten Früchten mit der Aufschrift "O'rik kompoti" stehen im Regal. Die Früchte kann man nicht genau erkennen. Drei Herren halten an und gehen weiter, hier gibt es nichts zu probieren. Dann wandern sie in die Gartenhalle, und so, wie sie da, noch kauend, zwischen Ästen und Rasenmähern stehen, sehen sie doch seltsam aus, so, als äßen sie am liebsten Gestrüpp und Sägeblätter. Die meisten von ihnen tragen gemusterte Pullover. Man möchte wissen, wer sich diese Muster ausdenkt: Entfernt erinnern sie an Gemälde von Paul Klee, ein Wollklee mit Fetttropfen aus kroß gebratenen Würstchen. Was in den Würstchen ist, wissen sie nicht, und es interessiert sie auch nicht.

Das absurde Wehgeschrei.

Schnell vergessen Konsumenten, was sie einst aufregte: Kaum jemand redet noch über BSE, kaum einer über den Tiermehlskandal, über die oft und lange praktizierte Verfütterung geschroteter Versuchstiere, die mit krebserregenden Substanzen gespritzt wurden, verendeter oder mit hochgiftigen Mitteln eingeschläferter Haustiere aus Tierarztpraxen, deren zermahlene Kadaver als Tiermehl in die Nahrungskette gelangten. Zu unappetitlich ist die Vorstellung, das Schwein, dessen lecker duftende Lende man gerade verspeist, habe all dies gefressen.

Man kann darüber streiten, ob Künasts Attacke auf die Schnäppchen nicht ein hilfloser Versuch war, mit staatlicher Regulation auf sinkende Qualität von Nahrungsmitteln zu reagieren. Genauso absurd ist aber das Wehgeschrei derer, die bei jeder Maßnahme zur Bewahrung eines funktionierenden Ökosystems sofort erklären, die Politiker könnten es sich ja auch leisten, zum Ökoladen zu gehen, wohingegen der "einfache Bürger" am Hungertuch nagen müsse, wenn er sich nicht täglich seinen tiefgekühlten Billigfettberg beim Discountmarkt abholen kann.

Es gibt kein Grundrecht auf besinnungslosen Massenkonsum, auf mehrfache Mallorca-Reisen und billiges Benzin. Niemand muß täglich Fleisch essen, und daß es doch getan wird, ist kein Privileg, sondern ein Problem, mit dem auch die Krankenkassen zu kämpfen haben. Die futterselige Lebenslust, die sich auf der Grünen Woche in Bier-, Torten- und Bratfleischexzessen auslebt, führt via Diabetes und Herzverfettung ins Verderben, zumal in einem halben Meter ewig haltbarer Wurst zu knapp zwei Euro nicht nur Fleisch enthalten ist. 1965 gab ein deutscher Durchschnittshaushalt für Grundnahrungsmittel und Fleisch sechzehn Prozent des Familieneinkommens aus. Heute sind es etwa vier Prozent.

Die Prioritäten haben sich geändert. Die höchsten laufenden Kosten verursacht heute das Wohnen, dann kommt das Auto, dann erst das Essen. Wie schlecht geht es einem Land, in dem der nach dem VW Golf meistverkaufte Wagen abwechselnd ein BMW oder ein Mercedes ist - Fahrzeuge, die weit über 25 000 Euro kosten? Man kann das nicht als Entschuldigung für eine wirre Wirtschaftspolitik ins Feld führen, die das Geld, das der ökologischen Reform des Landes und einem besseren Nahverkehr zukommen sollte, in dubiosen Rentenfinanzierungslöchern versenkt. Aber das Gejammer über jeden drohenden Eingriff in die deutschen Grundheiligtümer Auto, Urlaub und Essen verkennt die wahren, gesamtgesellschaftlichen Kosten, die durch Nahrungsmittelskandale, Massenverkehr und Massentourismus entstehen. Daß die Preise etwa für den Betrieb eines Autos nicht drastisch erhöht werden, verdankt sich der populären Behauptung, daß dann alte Menschen vereinsamten, weil sie sich die Fahrt zu den Enkeln nicht mehr leisten könnten, und Frauen schwere Bierkisten auf dem Fahrrad nach Hause balancieren müßten. Ungern wird dem Argument Gehör geschenkt, daß von den Kosten, die der massenhafte Kleinwagenverkehr gesamtgesellschaftlich verursacht, alle Rentner der Welt pausenlos Taxi fahren und alle erdenklichen Mineralwasserkisten geliefert werden könnten.

Man muß nicht gleich den wurstgefüllten Bauch ins Büßerhemd entsagungsvoller Konsumkritik zwängen und vom naiven Agrarideal der glücklichen Kuh auf endloser Wiese träumen. Aber angesichts der Freßexzesse und Konsumversprechungen auf der Grünen Woche wäre es heilsam, Fleisch, Autos, Fernreisen und Leben auf dem Land wieder als das zu betrachten, was sie sind: als Genuß, den man sich selten und wenn, dann richtig gönnt, als Luxus, der seinen Preis hat und nicht ohne Qualitätseinbußen und gesellschaftliche Folgekosten zum Aldi-Preis zu haben ist.

NIKLAS MAAK

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.01.2003, Nr. 19 / Seite 33
 

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